Montag, 30. Mai 2011

Die virtuellen 5 Milliarden Dollar des Kapitalisten

Die Finanzkrise hat weltweit Vermögen in Billionenhöhe umverteilt. Die Existenz von Millionen von Menschen wurde bedroht, ihre Arbeitsplätze und ihre soziale Sicherheit vernichtet. Wie hoch die Folgelasten für die öffentlichen Haushalte schlussendlich sein werden, ist momentan noch nicht einmal absehbar. Noch viele Generationen werden an den Kosten und der Zinslast zu tragen haben. Im Jargon der Finanzmärkte hat sich das Geld einfach "in Luft aufgelöst" oder es wurde "verbrannt". Dass diese Einschätzung falsch ist, zeigt das Beispiel des Hedgefonds-Managers John Paulson. Im letzten Jahr "verdiente" Paulson die stolze Summe von 5 Milliarden US-Dollar – das höchste jemals bekannt gewordene Einkommen der Welt. Ein Teil dieses Geldes stammt dabei auch aus deutschen Steuergeldern, mit denen die Folgen der IKB-Pleite bezahlt werden. (...)

Fünf Milliarden in einem Jahr – diese Zahl ist so unglaublich, dass man sie mittels Vergleichen fassbar machen muss. Pro Stunde hat Paulson rund 2,4 Millionen Dollar verdient, so viel wie ein durchschnittlicher Arbeitnehmerhaushalt während seines gesamten Lebens. Um das unanständige Jahressalär des Deutsche-Bank-Chefs Ackermann zusammenzubekommen, musste Paulson gerade einmal sechs Stunden hinter seinem Schreibtisch sitzen. Während Paulson einmal an seiner Kaffeetasse nippt, hat sich sein Konto um das Jahreseinkommen eines Hartz-IV-Beziehers erhöht. Sein Einkommen entspricht dem von acht Millionen afrikanischen Durchschnittsverdienern.

(Weiterlesen)

Anmerkung: Die Zahlen und Vergleiche, die Jens Berger in diesem Text bemüht, sind in der Tat eindrucksvoll und skandalös und entlarven den Kapitalismus in all seiner Obszönität - gehen aber dennoch an einem der wesentlichsten Punkte in diesem Umverteilungsspiel zugunsten weniger Superreicher vorbei: Das in Rede stehende Geld ist nämlich zum größten Teil virtuell. Das heißt, es wird nicht direkt von der Bevölkerung auf das Konto des Herrn Paulson oder eines anderen Superreichen umverteilt, sondern es wird einfach neu erschaffen. Mit jedem Kredit erschaffen die Banken neues Geld, das es vorher nicht gegeben hat, und durch die Tilgung (sofern sie denn stattfindet, was bezüglich Staatskrediten niemals der Fall ist) und die Zinszahlungen wird es sodann tatsächlich "umverteilt".

All die Milliarden und Billionen, mit denen heute jongliert wird, haben ja vor 50 Jahren nicht irgendwo ungenutzt "herumgelegen" - die Zahlen haben sich deshalb so extrem erhöht, weil stetig neues virtuelles Geld erschaffen wird, das dann über Zins und Zinseszins schlussendlich auf den Konten der Superreichen landet.

Das perfide System verteilt also nicht nur um und bezahlt Superreiche mittels "Finanzhilfen" an irgendwelche Staaten (die in Wahrheit weitere Kredite sind) durch Steuergelder, sondern es legt die alleinige und fast unbegrenzte Macht der Gelderschaffung in die wenigen Hände eben jener superreichen Privatpersonen, die mit diesem Instrument vollkommen risikolos und ohne auch nur einen Finger krumm zu machen stetig noch reicher werden.

Man muss sich aufregen, wenn man den Artikel auf den Nachdenkseiten liest, denn es ist wirklich unfassbar, zu welchen abstrusen Auswüchsen das kapitalistische System nun - in letzter Konsequenz vollkommen logisch - führt. Wenn man aber die dort nicht genannten Hintergründe bedenkt, muss aus der berechtigten Aufregung ein tief empfundener Zorn werden.

2 Kommentare:

Freiwirtschaftler hat gesagt…

Es gibt keine "Geldschöpfung der Geschäftsbanken". In der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung gilt:

Geldvermögen = Kredite + M1 – (über Fristentransformation verliehener Anteil von M1)

Die Summe der Geldvermögen in einer Volkswirtschaft ist immer um die Liquiditätsreserve größer als die Summe der Kredite!

Der eigentliche Grund, warum pseudowissenschaftliche Kinderfilme wie "Fabian" oder das "Geschwätz vom Senf" eine gewisse Popularität erreichen, ist der gleiche wie etwa beim "Denkfehler Marxismus": Es wird vom eigentlichen Wesen der kapitalistischen Ausbeutung abgelenkt, sodass diese durch die jeweilige "Kritik" nicht wirklich gefährdet wird.

Zinseinnahmen der Geschäftsbanken: 420 Mrd. Euro pro Jahr
Zinsaufwendungen für Sparer (vor allem Großsparer): 330 Mrd. Euro pro Jahr
Bankmarge: 90 Mrd. Euro pro Jahr
(Quelle: Deutsche Bundesbank, Stand: Oktober 2007)

Wer sind also die Ausbeuter in der Zinswirtschaft - die "bösen Banken" oder die "lieben Sparer"? Die Summe aller "unverschämten Bankmanagergehälter" beträgt weniger als zwei Prozent der Bankmarge, und im Gegensatz zu den Sparern erbringen die Bankmanager dafür sogar eine Arbeitsleistung, unabhängig davon, wie man diese anderweitig bewerten mag.

Die Liquiditätsverzichtsprämie (Urzins), die den Sparern gezahlt werden muss, damit die Geldersparnisse für Investitionen zur Verfügung stehen, setzt eine Untergrenze für die Rentabilität neuer Sachkapitalien, sodass ein struktureller Sachkapitalmangel bestehen bleibt, aus dem wiederum die Eigenkapitalrendite für alles (noch) unverschuldete Sachkapital resultiert, die zurzeit etwa 120 Mrd. Euro pro Jahr beträgt.

Rechnen wir die private Bodenrente von etwa 100 Mrd. Euro pro Jahr hinzu, beträgt die Summe arbeitsfreier Kapitaleinkommen (unverdiente Knappheitsgewinne) auf Kosten der Mehrarbeit anderer 550 Mrd. Euro pro Jahr, was einem durchschnittlichen Nettolohnverzicht von 1200 Euro monatlich für alle 38 Millionen (noch) arbeitende Zinsverlierer entspricht. Der dadurch bedingte Kaufkraftverlust der breiten Masse destabilisiert schließlich die gesamte Ökonomie (gegenwärtiger Ist-Zustand).

Die wirklich interessante Frage lautet: Warum hat eine Menschheit, die bereits Raumfahrt betreibt, etwas im Grunde so Einfaches wie das Geld bis heute nicht verstanden?

Die Ursache ist eine künstliche Programmierung des kollekiv Unbewussten, welche die halbwegs zivilisierte Menschheit überhaupt erst "wahnsinnig genug" für die Benutzung von Geld machte (Edelmetallgeld ist immer Zinsgeld), lange bevor diese seitdem grundlegendste zwischenmenschliche Beziehung wissenschaftlich erforscht war. Anderenfalls hätte das, was wir heute "moderne Zivilisation" nennen, gar nicht erst entstehen können! Das - und nichts anderes - war (und ist noch) der eigentliche Zweck der Religion, die vom Wahnsinn mit Methode zum Wahnsinn ohne Methode mutierte, und die uns - unabhängig vom so genannten Glauben (Cargo-Kult) - alle zu Untertanen machte, die ihr eigenes Programm nicht kennen. Die Bewusstwerdung der Programmierung nennt sich "Auferstehung".

Herzlich Willkommen im 21. Jahrhundert:

http://www.deweles.de/willkommen.html

Charlie hat gesagt…

Mit Verlaub, aber das ist nicht korrekt. Private Banken sind im heutigen Wirtschaftssystem in der Tat Gelderschaffungsinstrumente. Ich empfehle dazu u.A. die Lektüre des auch im oben verlinkten Text angesprochenen Artikels von Raimund Brichta, einem versierten Börsenjournalisten:

http://www.teleboerse.de/kolumnen/kolumnen_brichta/Beim-Geld-geht-es-um-die-Wurst-article430326.html

Nicht nur der Volkswirtschaftler Prof. Bernd Senf widerspräche dieser Aussage aus Deinem Kommentar: "Die Summe der Geldvermögen in einer Volkswirtschaft ist immer um die Liquiditätsreserve größer als die Summe der Kredite!" Es mag eine Zeit gegeben haben, in der das so war - aber seit vielen Jahrzehnten ist die gängige Praxis eine andere, die schon allein durch den Umstand sichtbar wird, dass sich die Geldmenge exponentiell vergrößert. Irgendwoher müssen diese astronomisch anmutenden Summen ja kommen, und Brichta erklärt sehr anschaulich, wie das funktioniert. Eine entsprechende "Liquiditätsreserve" existiert da ganz sicher nicht (und ist vom System auch nicht mehr vorgesehen) - oder haben Superreiche einen Goldesel im Keller, der sie mit ständig neuen Massen an Reichtümern versorgt?

Des Weiteren stellt diese skandalöse Tatsache ja keinen Widerspruch zur nicht bestreitbaren Ausbeutung der Menschen im kapitalistischen System dar und lenkt auch nicht davon ab, ganz im Gegenteil: Sie ist das i-Tüpfelchen in einem grotesken, ausbeuterischen System, da sie ausgerechnet der "Elite", also den Superreichen, die man früher Kapitalbesitzer nannte, das perfekte Instrument an die Hand gibt, das eigene Vermögen - und NUR dieses - in kürzester Zeit und auf Kosten der übrigen Menschheit erheblich zu vermehren (Stichwort: Exponentialkurve), ohne dass ein Risiko oder ein Aufwand entsteht. Das ist in meinen Augen die Vollendung der Perversion.

Und es ist eine schlichte Wiederholung - denselben Kollaps, der gegenwärtig durch die Welt schwappt und an Dramatik noch stark zunehmen wird, hat die Welt vor 80, 90 Jahren schon einmal erlitten - mit dem bekannten katastrophalen Ergebnis. Der "Neustart" des Kapitalismus nach 1945 inklusive dem Geldsystem endet wie in einer alptraumhaften Endlosschleife nun wieder vor dem Abgrund - und wir dürfen gespannt sein, ob die neoliberale Bande uns alle erneut mit Pauken und Trompeten über die Kante in den freien Fall fährt.