Mittwoch, 14. Dezember 2011

Zitat des Tages: Politikreform

"Italien kommt ohne Politiker aus" – so die bewundernden Schlagzeilen in der deutschen Presse. Der neue Regierungschef habe sich ausschließlich "Fachleute" in sein Kabinett geholt, vor allem aus "der Wirtschaft", vorsichtshalber ist aber auch ein NATO-General dabei. Ähnlich läuft es in Griechenland. Diese Verfahrensweise empfiehlt sich zur Nachahmung: Warum all die Umstände, damit regierende Politiker begreifen, was sie im Vollzug der Wünsche des Finanzmarktes zu tun haben; da ist es doch effektiver, gleich Banker ranzulassen. Und einen Militärexperten als Nothelfer.

[Marja Winken im Ossietzky 24/2011]


(Bild: George Grosz, Sonnenfinsternis, 1926)


Anmerkung: Ich habe diesem Zitat aus dem Ossietzky 24/2011 das Gemälde "Sonnenfinsternis" von George Grosz aus dem Jahr 1926 illustrierend hinzugefügt (ein Klick auf das Bild vergrößert es; ein detailreicherer Scan findet sich hier). Ohne das Bild umfassend analysieren oder interpretieren zu wollen, zähle ich einfach einmal auf, was man darauf sieht:

Zunächst ist da die titelgebende Sonne, die allerdings nicht, wie der Titel es vermuten ließe, verfinstert ist, dafür aber ein (auf dem Scan nicht so deutlich erkennbares) Dollar-Zeichen trägt. Die Finsternis ergibt sich offenkundig also aus eben diesem Geldzeichen. Die so verfinsterte Sonne beleuchtet einen Konferenztisch, um den sich einige Herren versammelt haben - der Großteil davon besteht aus kopflosen Anzugträgern. Des weiteren sitzt da ein sehr sympathisch aussehender Herr in Uniform, der offensichtlich dem Militär angehört. Hinter diesem steht ein noch sympathischer erscheinender Herr mit Zylinder, der allerlei Gerätschaften (u.a. eine Lokomotive und Gewehre) unter dem Arm trägt und dem General mit roten, heißen Ohren etwas ins ebenfalls rote, heiße Ohr zu flüstern scheint.

Auf dem Tisch befinden sich die Dinge, um die es in dieser Konferenz offenbar geht. Zunächst ist da ein Esel, dem man wundervoll blickdichte Scheuklappen angelegt und einen kärglichen Futtertrog hingestellt hat - das sind offenbar wir, das Volk. Der Inhalt dieses Troges, an dem sich der Esel labt, sieht den auf dem Tisch vor den Herren liegenden Papieren zum Verwechseln ähnlich. Zudem finden wir vor dem General ein hübsches Kreuz sowie einen blutigen Säbel. Und unter dem Tisch - genau unter dem Volksesel - lugen ein Gesicht hinter Gittern und ein finsteres Gerippe hervor ...

Wie gesagt - als ich das obige Zitat im Ossietzky las, musste ich unwillkürlich an dieses Gemälde aus dem Krisenjahr 1926 - und an das, was danach passierte - denken. Das ist sicher nur ein Zufall. Oder?

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich kenne mich in der Malerei nicht gut aus, aber dieses Bild macht mich echt nachdenklich! Ich finde es geradezu genial und gleichzeitig erschreckend. Und die Gestalt da am rechten Rand in der braunen Uniform muß man wohl auch nicht extra benennen, da weiß man schon, wer das sein soll.

"Sonnenfinsternis" ist der bestmögliche Titel für das Bild. Es ging damals ja schließlich nur um Geld und auch heute ist das genauso. Geld, Geld, Geld. Diese Personen, die Staaten oder Kriege führen, kennen nichts anderes, nur noch Geld, nur noch profit.

@Charlie: Danke daß du das in bezug gesetzt hast. Diejenigen die NICHT am Tisch sitzen, die entscheiden was passiert. Und das Volk als Esel mit Scheuklappen, besser könnte man´s nicht darstellen. Vieleicht sollte ich mich doch mal mehr mit Kunst beschäftigen...

Charlie hat gesagt…

Danke für das Feedback. Ich verehre die Malerei von George Grosz sehr, und dieses Bild gehört für mich zu seinen Meisterwerken. Es ist in der Tat erschreckend, wie gut es wieder in unsere schlimme Zeit passt.

Heinz S. hat gesagt…

Ergänzen könnte man vielleicht noch, dass der Esel auf einer Art Planke steht - wie jemand, den man dort hinunterzuwerfen gedenkt.

Dieses Bild sollte man sich auch immer wieder erinnernd ansehen, wenn in geschichtsrevisionistischen Dokumentationen oder Texten von "Hitlers Krieg" die Rede ist.