Mittwoch, 22. Februar 2012

Zitat des Tages: Inserat

Das Meer hat seine Gestade verändert,
Übel riecht sein Mund,
Wild bellt es durch die Regenwindnacht.
Die Sterne hausen in undurchsichtigen Wolken,
Im Auto sinnt ein Bankier:
"Was bezahlt der Mond für sein Licht?
Was hat die Sonne davon?"
Ich aber möchte in allen Welten groß inserieren:
Komet gesucht,
der die Erde zertrümmert.

(Albert Ehrenstein [1886-1950], in "Simplicissimus", Heft 8 vom 21.05.1928)

Albert Ehrenstein

3 Kommentare:

Anabelle hat gesagt…

Ehrenstein ist große Kunst - ich hätte nicht gedacht, dass dieser Dichter auch im Simplicissimus veröffentlich hat. So lernt man immer wieder dazu.

Die Gedanken, die er dem Banker in den Mund legt, sind nur allzu bezeichnend für die ganze groteske Situation. Der Mond bekommt kostenlos Licht von der Sonne - und die Sonne "hat nichts davon". Das sagt eigentlich alles aus über den Kapitalismus, was man wissen muss, um ihn als albernste Neandertal-Ideologie zu entlarven. Ehrenstein braucht zwei Zeilen dafür - der Mann ist bewunderungswürdig! Seine Schlussfolgerung daraus ist nur allzu logisch.

Spannend ist übrigens das gesamte Werk dieses Dichters - ich nehme an, Du kennst es? Allein die kurze Lektüre seiner Biografie bei Wikipedia macht ja schon Lust auf mehr Ehrenstein. Es ist wunderbar, dass solche Juwelen in einem heutigen politischen Blog zu finden sind.

Charlie hat gesagt…

Danke für die Blumen. Ja, ich verehre das Werk Ehrensteins auch sehr, seine "Gesammelten Werke" haben mir schon viel "Freude" bereitet - sofern man bei so düsterer Literatur von "Freude" sprechen kann.

Im "Simplicissimus" hat er allerdings eher selten veröffentlicht - zwischen 1926 und 1929 waren es insgesamt nur sechs Texte.

Anabelle hat gesagt…

Weißt du, das ist einer der Gründe, weshalb ich hier so gerne mitlese: Man bekommt auch Texte, Quellen und Bilder zu Gesicht, die es anderswo im Netz - im politischen Zusammenhang - nicht gibt.

Also nochmal: Danke.