Donnerstag, 11. Oktober 2012

Zitat des Tages: Dreck am Stecken


Der Landtagsausschuss als Ermittler
des Tatbestands in Sachen Hitler
(und was das Drumherum betraf)
verfiel in einen Dauerschlaf.

Will ihn denn niemand draus erwecken?
... Ach nein, es gibt zu viele Stecken
- jetzt sind sie freilich wohlgesinnt -,
an welchen sich ein Dreck befind't.

Und diesen selben zu erforschen
und Heldenseelen zu zermorschen,
bei denen's nicht ganz sauber riecht,
besteht zur Zeit kein Anlass nicht.

Zudem: das Waten durch die Sümpfe
gefährdet frisch gewasch'ne Strümpfe.
Ja, oft entsteht schon ein Katarrh,
wenn man bloß in der Nähe war.

(Ratatöskr alias Hans Erich Blaich [1873-1945], in "Simplicissimus", Heft 34 vom 21.11.1927)


(Bild: Stadtmuseum Fürstenfeldbruck)

3 Kommentare:

Anabelle hat gesagt…

So grimmig, wie der Mann da auf dem Foto guckt: Da wünscht man sich doch, er würde noch leben und auch das heutige Geschehen kommentieren!

Wo sind denn eigentlich die politischen Dichter von heute? Es kann doch nicht sein, dass der alte Günter Grass der einzige ist, der ab und zu mal seine Stimme erhebt! Gibt es diese Dichter nicht mehr oder werden sie heute einfach totgeschwiegen?

Das Gedicht "Dreck am Stecken" jedenfalls gilt doch heute noch genauso wie damals. Man muss nur ein paar Namen austauschen und es könnte für allerlei Skandale der jüngeren Vergangenheit (ich erwähne nur mal die Namen Koch, Guttenberg, Mappus, Wulff - als Beispiele für viele andere) stehen. Es hat sich NICHTS geändert.

Gar nichts.

Hans45 hat gesagt…

Das las ich heute beim WDR:

"Kein U-Ausschuss zum Korruptionsskandal:
BLB-Affäre wird nicht untersucht

Es wird keine Neuauflage des Untersuchungsausschusses zur Affäre um den Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) geben. Keine Fraktionen scheint wirkliches Interesse zu haben, den millionenschweren Korruptionsskandal wieder aufzurollen."

http://www1.wdr.de/themen/archiv/sp_blbaffaere/blb142.html

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Charlie hat gesagt…

@ Hans:

Ein perfektes, aktuelles Beispiel für den Sumpf - vielen Dank dafür!

@ Anabelle:

Politische Lyrik ist heute wohl nicht mehr angesagt, fürchte ich. Damals war es völlig normal, auch in Tageszeitungen oder Wochenschriften immer mal wieder Lyrik zu veröffentlichen - heute findest Du das nur noch in seltenen Ausnahmefällen.

Die heutigen politischen Dichter heißen wohl eher Georg Schramm, Erwin Pelzig, Volker Pispers oder Urban Priol.

Viele Gedichte Kästners, Tucholskys, Ringelnatz' u.v.a. wurde in der Weimarer Zeit auch fürs Kabarett geschrieben.

Im Übrigen ist Deinem Resümee nichts hinzuzufügen.