Samstag, 13. September 2014

Gysi, die Linke, die Demokratiesimulation und der Kapitalismus




Anmerkung: Das ist eine nette, unterhaltsame Rede, keine Frage - sie macht aber auch deutlich, dass die Linkspartei längst mitten im Kapitalismus angekommen ist und heute schlicht eben die Positionen vertritt, für die in vergangenen Jahrzehnten einmal die SPD und teilweise die Grünen zuständig waren. Der scharfe Rechtsruck des gesamten Parteienspektrums wird hier überdeutlich.

Die heutige Linke kann ebensowenig wie die SPD der 70er Jahre einen Weg aus diesem Horrorsystem heraus ebnen - wohin ein solcher Versuch vor 40 Jahren geführt hat, dürfen wir ja alle heute am eigenen Leib erleben.

Die alberne Demokratiesimulation im Bundestag ist auch anhand dieses Videos gut zu erkennen - die Marionetten, die Gysi anspricht, sind während der Rede größtenteils damit beschäftigt, sich mit ihrem Handy oder dem Sitznachbar zu beschäftigen, anstatt zuzuhören. Das ist keine Demokratie, das ist absurdes Theater auf Kindergartenniveau.

Merkel und der Rest der korrupten Bande sitzt dort während jener "Debatte zum Haushalt" (die keine ist, da ja nicht debattiert wird) doch nur deshalb, weil das zumindest gelegentlich noch nötig ist, um das himmelschreiende Zerrbild einer völlig absurden Scheindemokratie medial weiter aufrecht erhalten zu können. Niemanden dort interessiert es, was die jeweiligen RednerInnen zum Besten geben, irgendwelche Auswirkungen hat das erst recht nicht. Der Begriff "Quasselbude" aus der Weimarer Zeit als Synonym für dieses böse Schauspiel scheint mir ziemlich treffend zu sein.

Nicht zuletzt können wir ja alle nachprüfen, was die Linkspartei tut, wenn sie tatsächlich in "Regierungsverantwortung" kommt - beispielsweise in Berlin, aber nicht nur dort, war das Ergebnis - oh, welch eine Überraschung! - stets eine stramme Fortführung des kapitalistischen Untergangskurses der neoliberalen Einheitspartei (NED) der Schwarz-Rot-Gelb-Grünen.

Wir brauchen keine weitere Blockpartei - auch wenn die Linke in der Opposition in diesem untergehenden System eine gute und wichtige Funktion erfüllt. Letztlich ist sie aber nichts anderes als eine zeitgemäße Neuauflage der ehemaligen SPD - und damit sowohl ein Teil des Systems, als auch ein Teil des Problems.

Im Rahmen dieses pseudodemokratischen Systems der Herrschaft der Superreichen ist keine Abhilfe mehr möglich - daran ändert auch ein gut sprechender Millionär [sic!] wie Gysi nichts. Von den übrigen Gestalten in diesem Horrorkabinett wie beispielsweise Merkel, Kauder, Gabriel, von der Leyen und all den anderen zwielichtigen Figuren und Huren des Großkapitals will ich gar nicht erst sprechen.

Ich verstehe sehr gut, dass manch einer in einer so erbärmlichen Zeit in der Endphase des Kapitalismus wie heute eine solche Rede und solche (eigentlich völlig selbstverständlichen) Forderungen gut findet. Dennoch bleibt es dabei: Eine Symptombekämpfung - ganz egal, wie ausgeprägt sie auch sein mag - hilft letzten Endes nicht im Geringsten weiter. Wenn die Ursachen nicht angegangen werden, wird der Kapitalismus immer wieder dieselben katastrophalen Auswirkungen haben und regelmäßig erneut im finstersten Faschismus und Untergang münden.

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Nachtrag 15.09.: Ursprünglich war dieser Text ein Kommentar beim Doctor - wer das nicht ohnehin mitbekommen hat, sollte dort nachlesen. Das lohnt sich sowieso meistens.

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Der Wähler


"Und wiederum sind die Würdigsten berufen, den Bürger darüber aufzuklären, was ihm frommt."

(Zeichnung von Thomas Theodor Heine [1867-1948], in "Simplicissimus", Heft 50 vom 12.03.1928)

13 Kommentare:

altautonomer hat gesagt…

Schön und gut. Gysi ist nicht die LINKE, es gibt ja auch noch z. B. Ulla Jelpke, aber ohne den Chefrhetoriker Gysi geht in der LINKEN gar nichts. So darf er öffentlich für Waffenlieferungen an die Kurden plädieren, in einem Brief an die Fraktionsmitglieder die Zustimmung zum Einsatz eines deutschen Kriegsschiffs zur Einsammlung der syrischen Chemiewaffen fordern und Ulli Höhnes für die Annahme des Urteils "Respekt" zollen.

Gysi machte auch nie einen Hehl aus der Ansicht, seine Partei würde ohne die lange Jahre von Wagenknecht mitangeführte Kommunistische Plattform bei den Wählern deutlich besser ankommen.

Und weiter im Februar 2011 im Bundestag:»Sie wundern sich, daß die Linke zum Thema Mittelstand spricht. Wir sind die eigentliche Mittelstandspartei«, erklärte Gysi dem Plenum und flunkerte dann genauso unbefangen weiter: »Der Mittelstand braucht den flächendekkenden gesetzlichen Mindestlohn, den Sie verhindern. Er braucht auch steigende Löhne.«

Anonym hat gesagt…

"Die heutige Linke kann ebensowenig wie die SPD der 70er Jahre einen Weg aus diesem Horrorsystem heraus ebnen"

Wenn nicht die Linke, wer dann? Die MLPD?

Dani hat gesagt…

@Altautonomer
Was hast Du gegen selbstständige Handwerker, die zum grossen Teil den Mittelstand bilden? Es können nicht alle (gut besoldete) Staatsdiener sein (wie Du). Jemand muss die Produkte, die wir benötigen, doch herstellen.

altautonomer hat gesagt…

Dani: Zum einen waren die Hartz-4-Bezieher bisher primär das Klientel der PdL, der "notleidende" Mittelstand dagegen das Klientel der FDP.

Es könnte sein, dass Du Mittelstand (nicht Mittelschicht - dazu zähle ich auch gut besoldete Beamte so ab A 12) anders definierst, als ich.

Dani hat gesagt…

@Altautonomer
Und in welcher Lohnklasse warst DU?

altautonomer hat gesagt…

@Dani: Deine Besoldungsgruppe interessiert mich z. B. nicht, weil für das Thema irrelevant und unpolitisch.

Es geht Dir vielmehr darum, mich vorzuführen, aber den Gefallen tu ich Dir nicht und rechtfertige mich nicht, indem ich z. B. etwas zu meiner letzten Höhergruppierung schreibe.

Von daher fühle ich mich von Gysi und anderen Freunden eines Kuschelkapitalismus der PdL nicht vertreten. Zurück zum Thema.

Anonym hat gesagt…

@Alautonomer
Du hattest aber gar keine Hemmungen damit, Roberto De Lapuente nach allen Regeln der Kunst hier vorzuführen, inklusive Hotzenplotz-Rezension. Und nun, wo Dich Deine Mittelstands-Hetze selber trifft und entlarvt, spielst Du das Sensibelchen.
Erbärmlicher Zelot. Die Milch ist noch warm.

altautonomer hat gesagt…

Ergänzung zu Gysis "Respekt" für Hoehneß, dem Mittelschichtler:

Ein deutlicheres Wort als der blöde Steuerbetrug verdient der medial verbreitete faschistische Appell »Ich bin kein Sozialschmarotzer«, mit dem Hoeneß vor Gericht Menschen verächtlich machte, die von Hartz IV leben. Gegen die haben die für die »Jobcenter« tätigen Sadisten im letzten Jahr mehr als eine Million Strafen verhängt, ohne daß die Merkel oder der Gysi Respekt für deren Hinnahme bekundet hätten.

Anonym hat gesagt…

Hoehneß ist oberschicht.
Erzähl doch keine blech, altauto.

altautonomer hat gesagt…

Nachdem Gysi das Schreiben vom Innenministerium erhielt, in dem mitgeteilt wurde, dass die PdL nicht mehr unter Beobachtung stehe, würdigte Gysi in einer Bundestagsrede die Entscheidung als »Ausdruck einer gestiegenen Akzeptanz« und freute sich wie ein Schneekönig: »Das macht uns gleichberechtigter.« Das Streben nach Anerkennung durch den Klassenfeind zeigte nun Erfolg, denn die Gleichberechtigten stellen für das System nun offenbar keine Gefahr mehr dar.

Die "extremistischen" Gruppierungen innerhalb der PdL (Kommunistische Plattform, Antikapitalistische Linke) werden
aber weiter beobachtet.

Anonym hat gesagt…

Erbarme sich doch einer und mache dem altauto den erklärbär, was ober- und was mittelschicht. Wikipedia dürfte reichen, wie man sieht.

altautonomer hat gesagt…

@all: Die Fütterungszeit für Trolle ist hiermit beendet.

Rosi hat gesagt…

Sozialgesellschaftliche Systeme sind keine Konstrukte, sondern Prozesse.

Grüsse
Rosi