Dienstag, 31. Januar 2017

Die missverständlichen Kapazitätsgrenzen der Frau W.


Ein Gastbeitrag von Arbo Moosberg

Der Umstand, dass es in der letzten Zeit hier im Blog etwas ruhiger war, sollte nicht drüber hinwegtäuschen, dass es nichts zu schreiben gegeben hätte. Tatsächlich hat mich im letzten Jahr vor allem die Debatte über die Äußerungen von Sahra Wagenknecht umgetrieben. Leider hatte ich arbeitsbedingt wenig Zeit, dazu etwas zu schreiben. Das will ich nun nachholen.

Mir ist natürlich bewusst, dass alle, die nicht sonderlich von einer "sozialen" Politik angetan sind, jede Unstimmigkeit aus dem "linken" Lagen freudig aufgreifen, um eben eine Partei, die auf eine "soziale" Politik hinwirken möchte, zu diskreditieren. Aber eingedenk dieses teils sehr offensichtlichen Umstands stört mich ehrlich gesagt mindestens ebenso, wie unkritisch und polarisiert die Debatte auch von "linker" Seite geführt wird, ganz so, als ob völlig auszuschließen sei, dass Wagenknecht selbst ziemlich weit daneben greift. Offen gestanden finde ich manche ihrer Argumente ziemlich fragwürdig und bisweilen auch dreist in dem Versuch, Leute wie mich für dumm zu verkaufen.

Seitens Wagenknechts heißt es dann vereinzelt, sie hätte sich "unglücklich" (offenbar aber nicht falsch) ausgedrückt, es wären Missverständnisse entstanden. Komisch nur, dass diese Missverständnisse in einem bestimmten Kontext ziemlich häufig und geradezu systematisch vorkommen. Mely Kiyak bringt das wie folgt auf den Punkt:

Sahra Wagenknecht fühlt sich missverstanden. Ausgerechnet sie, deren Popularität sich auch aus ihrer Gabe speist, komplizierte ökonomische Verhältnisse talkshowgerecht zu servieren. Bei einem Thema wie Bankenregulierung hat sie bislang nie damit kämpfen müssen, dass jemand sie falsch versteht. Ihre Einstellung zur Riesterrente kann sie ebenfalls in einer halben Minute präsentieren. Das Verzocken der Renten auf den Kapitalmärkten über Mario Draghi und die EZB ist schon fast ein geflügeltes Wort. Nichts davon musste Sahra Wagenknecht jemals korrigieren. Nie fühlte sie Erklärungsbedarf. Das Ganze noch einmal in anderen Worten erklären? Niemals! (Mely Kiyak, ZEIT, 3.08.2016)

Gastrecht und Silvester

Nehmen wir die Debatte um die Silvester-Nacht in Köln 2016: In diesem Zusammenhang sprach Wagenknecht davon, dass jene, die ein Gastrecht missbrauchen, dieses verwirkt hätten (siehe z.B. taz, 13.01.2016). Ein Gastrecht ist nun aber eine eher informelle Idee, dazu gibt es kein Gesetz. Was es gibt, das ist ein Asylrecht, das als universelles Menschenrecht gilt. Und genau dort liegt der rhetorische Trick: Das "Gastrecht" sollte als "Asylrecht" gelesen und verstanden werden, ohne auch nur Letzteres auszusprechen. Auf diesem Wege ließ sich die Einschränkung eines universellen Menschenrechts fordern, ohne es direkt auszusprechen.

Der Ehrlichkeit halber ist aber darauf hinzuweisen, dass diese Wortwahl in der Partei "Die Linke" als "unglücklich" empfunden (RND, 8.08.2016) wurde, was Wagenknecht dann in einem Interview im Sommer 2016 einräumte, wobei sie auch betonte, diese Wortwahl nicht mehr verwenden zu wollen (ZEIT, 4.8.2016).

Kapazitätsgrenzen

Wäre die Diskussion um die Silvesternacht ein Einzelfall, dann könnte ich sagen "Schwamm drüber". Tatsächlich wilderte Wagenknecht angesichts der Flüchtlinge zusätzlich im rechtspopulistischen Spielfeld, als sie von "natürlichen Kapazitätsgrenzen" sprach und vor einem "Zerreißen der Gesellschaft" warnte, sollte noch eine Million Flüchtlinge nach Deutschland kommen (RND, 14.01.2016, und RND, 14.01.2016).

Auch hier wieder ein rhetorischer Kniff, der aber reichlich plump als Spitzfindigkeit daherkommt. Natürlich hatte Wagenknecht nicht von "Obergrenzen", sondern von "Kapazitätsgrenzen" gesprochen (LVZ, 17.03.2016). Lassen wir das mal so im Raum stehen, dann bleibt das Sprechen von "Kapazitätsgrenzen" dennoch problematisch und zwar aus mindestens zwei Gründen.

Erstens: Wenn Wagenknecht von Kapazitätsgrenzen sprach und davon, dass die Flüchtlingsbewegungen die Gesellschaft auseinanderreißen könnten, mag das gerne als "Realismus" ausgelegt werden (übrigens auch eine Strategie der Neu-Rechten und Rechts-Populisten: man/frau sieht die "Realität", die anderen sehen sie nicht oder wollen sie nicht sehen). Stillschweigend werden aber mit diesem "Realismus" die vorherrschenden sozialen Verhältnisse einfach so akzeptiert (inkl. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit). Dabei hätte es Wagenknechts Aufgabe als "linke" Politikerin sein können, darauf hinzuweisen, dass die Menschen, die nach Europa kommen, letztlich ebenso "Globalisierungsverlierer" sind wie die Menschen, die bereits hier am Rande der Gesellschaft leben. Natürlich steigt mit mehr Menschen auch die Zahl der Erwerbsfähigen, so dass die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt zunimmt. Aber davon sind alle betroffen. Das hätte eine "linke" Politikerin auch zum Anlass nehmen können, um an die Solidarität zu appellieren, neue Allianzen und Möglichkeiten für sozialen Protest aufzuzeigen und auf diese Weise die bestehenden Ängste abzubauen. Stattdessen steigt sie mit "Kapazitätsgrenzen" in die Diskussion ein, mit der die Frontstellung "Wir gegen die" bedient wird und damit auch noch in eine völlig falsche Richtung: Denn die eigentlichen Probleme liegen doch in der Vernachlässigung und im Schleifen des Sozialstaats.

Es ist nicht so, dass Wagenknecht diese Aspekte völlig ignoriert hätte - sie könnte immer darauf verweisen, dass sie auf den mangelnden sozialen Wohnungsbau, die Situation der Flüchtlinge vor Ort usw. aufmerksam machte. Aber das steht dann eben neben provokativen Äußerungen, die ein konfrontatives "Wir gegen die" bedienen, statt Solidarität zu fördern und Ängste abzubauen. Anders formuliert: Wenn es mir darum geht, soziale Spaltung zu vermeiden, dann sollte ich doch alles vermeiden, was einer "Wir gegen die"-Rhetorik Nahrung gibt. Verschärft wird das dadurch, dass sie ganz klar AfD-Argumente und -Motive bedient, wenn sie z.B. meint, es müsse das Ziel sein, dass Flüchtlinge wieder heimkehren (RND, 14.01.2016). (Kritisch lässt sich hier anmerken, dass in dieser Forderung ein Mangel an Empathie für Flüchtlinge aufkommt: Können wir überhaupt verlangen, dass die Menschen wieder dorthin zurückkehren, wo sie herkommen? Existiert diese "Heimat" denn überhaupt noch? Ich kann mir jedenfalls gut vorstellen, dass es manchen Flüchtlingen aus verschiedenen Gründen nicht zuzumuten ist, wieder zurückzukehren - selbst dann, wenn dort Demokratie, Rechtsstaat usw. Einzug halten.)

Zweitens ist die Debatte um Kapazitätsgrenzen schlicht unnötig – außer natürlich für die, die am "rechten Rand" fischen wollen. Zwar wird wohl niemand bestreiten, dass es theoretisch "Kapazitätsgrenzen" für die Aufnahme von anderen Menschen geben kann. Aber sind wir denn schon an einer solchen Grenze angelangt? Dass Wagenknecht immer wieder an der Behauptung festhält, es gebe "natürliche Kapazitätsgrenzen", wirkt reichlich absurd angesichts jener Länder, die gemessen an ihrer Einwohnerzahl, ihrer im BIP gemessenen Wirtschaftsleistung usw. viel mehr Flüchtlinge z.B. aus Syrien aufnehmen als Deutschland und dabei wohl noch viel eher an Grenzen stoßen müssten (Beispiel Libanon via ZEIT, 7.05.2015). Interessant ist in diesem Kontext, was die UNO-Flüchtlingshilfe unmissverständlich feststellt:

Selbst in Zeiten stark ansteigender Zahlen sind Flüchtlinge global sehr ungleich verteilt. Reichere Länder nehmen weit weniger Flüchtlinge auf als weniger reiche. Knapp neun von zehn Flüchtlingen (86 Prozent) befanden sich 2015 in Ländern, die als wirtschaftlich weniger entwickelt gelten. (UNO-Flüchtlingshilfe, Globale Trends – Jahresbericht 2015).

Nun kommt also eine als "links" bekannte Spitzenpolitikerin und spricht ohne Not (!) über hypothetische Kapazitätsgrenzen von reicheren Ländern wie Deutschland. Dass in diesem Kontext gerade linke Politikerinnen und Politiker ein ziemliches Problem mit den entsprechenden Äußerungen von Wagenknecht haben, das ist mehr als verständlich.

Fazit

Es handelt sich bei Wagenknechts Äußerungen also um alles andere als bedauerliche Einzelfälle. Dahinter steckt etwas Systematisches. Die konkrete Strategie besteht offenbar darin, zunächst entsprechende Äußerungen zu tätigen, sie danach zu relativieren und/oder als "missverstanden" darzustellen. Das war übrigens bereits bei Wagenknechts Mann Oskar Lafontaine schon so, als er den Begriff "Fremdarbeiter" benutzte, ihn danach erst verteidigte und sich davon distanzierte (Standard, 18.06.2005; Stern, 9.10.2005). Wagenknecht verfährt ähnlich und verliert sich in Spitzfindigkeiten wie die Diskussion um "Kapazitätsgrenzen" zeigt, bei der aber für jeden und jede sichtbar ist, dass Wagenknecht damit an die "Obergrenzen-Debatte" anschließen will. Es kommt nicht von ungefähr, wenn sie mit diesen Äußerungen auch Beifall von der AfD erhält.

Im Übrigen hat Wagenknecht selbst gesagt, dass sie auch diejenigen erreichen will,

die zurzeit aus Frust, aus Verärgerung über die bisherige Politik darüber nachdenken, AfD zu wählen, aber nicht, weil sie deren Parolen unbedingt gut finden, sondern wirklich nur, weil sie sagen: "Ich will deutlich machen, dass sich was ändern muss" (zitiert nach Stern, 7.01.2017).

Das ist natürlich etwas schräg. Denn wenn es nur danach ginge, "Protest" abzuholen (es muss sich etwas ändern), dann könnte Wagenknecht das auch mit "linken" Parolen machen. Da sie aber auf Wechselwählerinnen und Wechselwähler der AfD abzielt, muss (!) sie sich begrifflich in die Nähe der Neu-Rechten und Rechtspopulisten begeben.

Angesichts der Kritik sieht sich Wagenknecht einer Kampagne ausgesetzt (Tagesspiegel, 8.01.2017; siehe auch Telepolis, 10.01.2017). Die NachDenkSeiten (NDS) springen ihr zur Seite und schreiben von einer "Neujahrskampagne" (NDS, 9.01.2017). Kein Wunder, gehen die NDS doch schon länger von einer Kampagne gegen Wagenknecht aus (z.B. 28.07.2016 oder 30.09.2016, hier zur Nominierung der SpitzenkandiatInnen des Bundestagswahlkampfs 2017) und sehen "Die Linke" von außen gesteuert, fremdbestimmt oder als Opfer einer antideutschen Kampagne.

Nun kann es tatsächlich sein, dass Wagenknecht mit einer Kampagne konfrontiert ist. Und natürlich will ich auch nicht unterschätzen, was z.B. seitens antideutscher Kritik regelrecht ins Kraut schießt. Aber erstens heißt das nicht, dass jede Kritik an ihr automatisch unberechtigt sei. Und zweitens liefert sie selbst reichlich Material für die Kritik an ihr. Letzteres ist eine zwangsläufige Konsequenz daraus, dass sie die AfD-Wechselwähler erreichen will. Damit steht sie aber zielsicher bestimmten als "links" angesehen Grundwerten entgegen.

Nun ist es so, dass Wagenknecht auch oft Dinge sagt, die vernünftig klingen und die durchaus in den Kanon einer linken Politik passen. Nur ist das schon seit längerer Zeit in einen Kontext eingebettet, der mich nachdenklich stimmt. Mag am Anfang noch das Bild einer taffen, intellektuellen und versierten linken Politikerin im Raum gestanden haben, sieht es derzeit für mich danach aus, dass Wagenknecht schlicht auf ihren eigenen politischen Vorteil aus ist, indem sie u.a. rechtspopulistischen Trends hinterherjagt. Dabei scheint sie den eigentlichen linken Werten immer mehr entgegen zu stehen, was in der Folge die entsprechende Kritik in der Linken selbst auslöst. Das hat zunächst nichts mit Kampagne oder Verschwörung zu tun (obwohl diese Kritik dafür genutzt werden kann), sondern schlicht mit dem Umstand, dass Wagenknecht knallhart auf Wahlstimmenmaximierung aus ist und dabei das als "links" angesehene Wertefundament verlässt.

Vermutlich werden die einen oder anderen ähnliche Gedanken mit sich herumtragen. Es ist schlicht so, dass es irritiert und misstrauisch macht, wenn zwischen "linken" Forderungen und dem "rechten" Spielfeld herumgewuselt wird. Eine soziale Politik möchte ich ungern von Leuten umsetzen lassen, die eine "Wir gegen die"- und nationale AfD-Rhetorik bedienen.

Ob Wagenknecht mit ihrem Kurs tatsächlich Erfolg hat und viele Wahlstimmen abholt, das werden wir sehen. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass das nach hinten losgeht. Ob das dann aber im erfolgreichen Falle zu einer "linken" Politik führt, das steht für mich ebenfalls in den Sternen. Jedenfalls erwarte ich von ihr keine "linke" Politik. Aber ich lasse mich auch gerne überraschen.

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Dieser Text erschien zuerst im Blog "Krautism" und wird hier mit freundlicher Genehmigung des Verfassers wiedergegeben.

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Deutsche Demokratie


"Ein hübsches Kind, von vorn geseh'n -
Aber hinten der Zopf ist gar nicht schön!"

(Zeichnung von Helmut Beyer [1908-1962], in: "Der Simpl", Nr. 9 vom August 1946)

22 Kommentare:

altautonomer hat gesagt…

Ergänzungen:

1. Sie hat bei verschiedenen Gelegenheiten nicht nur angebliche Kapazitätsgrenzen für die Aufnahme von Geflüchteten betont, damit implizit eine Obergrenze dafür gefordert sondern zusätzlich wiederholt die Aussage getätigt, Deutschland könne nicht alle sechzig Millionen Flüchtlinge auf der Welt aufnehmen. Das ist zweifelsfrei die Argumentation des harten rechtspopulistischen Kerns. Denn die Aufnahme aller Flüchtlinge dieser Welt von ca.60 Mio. in Deutschland ist schlicht abwegig.

2. Sahra Wagenknecht hat außerdem einen kausalen Zusammenhang zwischen der Einwanderung von Geflüchteten und den Terroranschlägen vom letzten Sommer und vom Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz hergestellt und in diesem Zusammenhang Angela Merkel für eine angeblich „unkontrollierte Grenzöffnung“ im Jahr 2015 angegriffen. Das ist keine linke Position. Eine linke Position ist, zu erklären, dass der Terrorismus dschihadistischer Gruppen durch restriktivere Zuwanderungsregeln nicht gestoppt werden kann, weil er durch die rassistische Islamfeindlichkeit der bundesdeutschen Gesellschaft, die Auslandseinsätze der Bundeswehr und Waffenexporte genährt wird.

3. Ihr Verhalten resultiert aus der Verzweifelung, im September nicht an die Futtertröge zu kommen. Dies hat höchste Priorität, auch für Kipping und andere. Denn R2G würde für sie ein Bundesministerium bedeuten. Das sie jetzt umgebende Netzwerk einschließlich der Nachdenkseiten und Team Sahra zielt darauf ab. Kritiker mundtot zu machen oder als von dunklen Mächten gesteuerte linke U-Boote oder Antideutsche zu diffamieren.

Wäre ich ein VT-ler, würde ich sagen: "Seht Euch mal diese Liste an,das sind die Typen, die sich vorgenommen haben, uns zu verarschen.":
http://www.nachdenkseiten.de/?p=19432

Fluchtwagenfahrer hat gesagt…

Moin,
sauber zusammengefasst, differenziert, plausibel.
Passend zum Thema, nicht auf diese spez. Person eingehend, eine ARTE Sendung mit dem Titel "Jede Regierung lügt"
Link:http://www.arte.tv/guide/de/072807-000-A/jede-regierung-lugt

Nun mag man dies alternative Wahrheit nennen oder nicht, aber ich wünschte mir das auch hier im NET mehr Blogger sich zu einer I.F. Stone 2.0 Kunstfigur zusammenfinden um der alternativlose Wahrheit der Q-Medien den letzten Nagel in den Sarg zu kloppen.
p.s. habe mir gestern nochmal den Film "V-Vendetta" angeschaut man muss nicht immer den Orwell bemühen.

Arbo hat gesagt…

@ Altautonomer:

Punkt 2 ist auch immer wieder als Kritik zu lesen. Ich habe mir dazu mal z.B. einen Beitrag im Stern angeschaut (http://www.stern.de/politik/deutschland/stern--sahra-wagenknecht-gibt-merkel-mitverantwortung-fuer-berlin-anschlag-7265304.html) und muss sagen, dass sie sich dort eben wieder bewusst in einer Art äußert, die Interpretationsspielräume lässt. Das kann gleichwohl als besonders anschauliches Lehrstück dieser Rhetorik gelten.

Sie spricht dort von "Mit-Verantwortung" und bezieht das (siehe Dein Punkt 1) auf die "unkontrollierte Grenzöffnung", was im Kontext ohnehin falsch ist und den rechtspopulistischen Mythos von "Ohne Merkel wären viel weniger Flüchtlinge aufgebrochen" bedient.

Sie bezieht das aber auch auf die Außenpolitik, was insofern "clever" ist als sie damit natürlich reale Fluchtursachen benennt. Aber an der Stelle denkt ohnehin niemand mehr über den Kontext nach, in dem diese Aussage getätigt wurde: Es fällt dann gar nicht auf, dass zwischen Verantwortung für Fluchtursachen und Mit-Verantwortung für Terror doch noch ein ganz schön weiter Weg ist.

Völlig unseriös wird es an der Stelle, wenn sie die kaputtgesparte Polizei betont. Und zwar nicht, weil die Behauptung an sich falsch wäre. Mal unabhängig von den Problemen mit der Polizei (Rechtsextremismus, Reichsbürger, Rassismus), denen ein einfaches Mehr an Polizei entgegenstehen würde, ist ja tatsächlich zu erleben, dass dort - wie auch z.B. im Bildungsbereich - gespart wird. Als Problem erweist sich auch hier die Kasualverbindung zur Bundesregierung, weil Wagenknecht eigentlich wissen müsste, dass Polizei Ländersache ist. Das würde zur Redlichkeit mit dazugehören. Insofern ist das, was Wagenknecht da sagt, einfach ein dreistes Stück.

Aber, und damit komme ich auf den Punkt 2 zurück: Ich habe bislang nichts gefunden, womit ich das richtig belegen könnte. Jedenfalls habe ich immer nur Interview-Stückchen gelesen und kann den Kontext nicht einordnen. Sie könnte dann immer sagen, sie wurde falsch zitiert, aus dem Zusammenhang gerissen. Zudem antwortet sie so, dass sie sich auf "Missverständnisse" herausreden kann. Von "Mit-Verantwortung" für Flüchtlinge zu reden ist etwas anderes, als direkt Verantwortung für Terroranschläge auszubuchstabieren.

Deshalb finde ich die Beobachtung von Mely Kiyak so wichtig und hilfreich, dass Wagenknecht eigentlich nie Probleme mit Missverständnissen hat, außer in den Bereichen, wo sie im rechten Spielfeld wildert. Es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass sie mit dieser rechten Seite spielt. Dazu muss ich aber nicht über ihr Stöckchen springen und ihr die Aussage "Merkel ist für den Terror in Berlin verantwortlich" um die Ohren hauen, da reichen allein ihre Wortwahl, der entsprechende Kontext und die Argumentationsmuster.

dlog hat gesagt…

Von Kapazitätsgrenzen könnten höchstens Kommunalpolitiker oder im sozialen Bereich engagierte sprechen, die sich um Flüchtlinge kümmern und mit diesem Begriff bemängeln, dass es ihnen an Räumlichkeiten und an Mitteln zur Versorgung von Flüchtlingen fehlt.

Was Frau Wagenknechts "rhetorischen Drahtseilakt" angeht, so frage ich mich, ob ihr Statistiken vorliegen, die belegen, dass Wähler der Linke(n) zur AfD "übergelaufen" sind und sie eben diese "zurückholen" will ...

Es ist jedenfalls ein äusserst dubioser Ansatz, "konsensfähiger" zu werden. Und der wird in die Hose gehen.

Arbo hat gesagt…

@dlog:

Es ist sogar viel schlimmer: Sie bedient damit den weit verbreiteten Vorbehalt, dass "links" und "rechts" das Gleiche sind. Das kann Leute z.B. davon abhalten, dort ihr Kreuz zu machen. Generell erweist sie "der linken Sache" damit einen Bärendienst, weil der stereotype Kampf-Vorbehalt (rechts=links) zementiert und nur noch über dieses Rechts-Links-Ding - statt über linke Politik - gesprochen wird. Nicht zu vergessen, dass nach außen hin "Einheit" demonstriert werden soll, was nach Innen bedeutet, die Kritiker im eigenen linken Lager klein zu halten. Ich würde mich nicht wundern, wenn das ein ähnliches Frustpotenzial hat wie die Agenda 2010 damals bei Schröder und Leute deshalb aus der Linken austreten.

altautonomer hat gesagt…

Arbo: Auch Alexander Nabert hat in "Vice" ähnlich wie Du sorgfältig die Übereinstimmung von Wagenknechtzitaten mit rechten Parolen verglichen:

https://www.vice.com/de/article/gastrecht-verwirkt-obergrenzen-fuer-fluechtlinge-ausbildungsplaetze-zuerst-fuer-deutsche-773

Auszug:
Vor einem Jahr antwortete Wagenknecht in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau, ob sie mit Pegida-Anhängern reden will, schlicht mit „Ja." Das begründete sie so:

„Es gibt eine Reihe von Leuten, die da hingehen, weil sie die herrschende Politik ablehnen, weil sie empört sind über prekäre Jobs und miese Renten. Sie haben das Gefühl, da ist endlich mal eine Protestbewegung."

Ihr größter Irrtun.

altautonomer hat gesagt…

Wenn wir schon dabei sind, noch eine Bemerkung zum Tortenwurf beim letzten Parteitag der LINKEN, der ja auch von unseren Freunden der Nachdenkseitenquerfront aufs Äußerste missbiulligt wurde:

Es sei »unerträglich, wie eine seit über 90 Jahren eingeführte Happening-Form der überspitzten Missbilligung jetzt diffamiert wird«, schrieb auf Facebook der »ND«-Autor Rainer Balcerowiak und fragte sich, was der Wurf einer Torte »gegen jene Verbrechen von linken Politikern« sei, »die die Aktion jetzt als ›asozial‹ brandmarken und in Regierungsverantwortung gerne Löhne im öffentlichen Dienst senken, kommunale Wohnungen verkaufen (Berlin) oder mit der Kohlemafia paktieren (Brandenburg)«. Und die, so möchte man ergänzen, bisher keine Möglichkeit ausgelassen haben, sich in jener Schleimspur zu bewegen, die die SPD auf ihrem Weg durch die Geschichte des 20. Jahrhunderts hinterlassen hat.

Arbo hat gesagt…

Nebenbei bemerkt: Ich bin just heute auf ein Interview gestoßen, wo sich das Ganze nochmal "schön" nachverfolgen lässt: https://www.linksfraktion.de/themen/nachrichten/detail/wir-muessen-wissen-wer-nach-europa-kommt/

Mensch beachte dort vor allem die Argumentation hinsichtlich "Hilfe vor Ort".

Pjotr56 hat gesagt…

Fazit: Mir dieser deutschen Linken ist weder ein Staat noch sonstwas zu machen! Die ist lediglich perfekt im unbegrenzten Kacken von Korinthen, ersatzweise endlos Erbsen zählen, sowie im Sinne der reinen Leere sich konsequent und permanent immer wieder neu zu spalten.

Das Kapital freut sich angesichts dessen ein zweites Arschloch ...
und wir alle bekommen weitere 4 Jahre Merkel oder VdL oder dergleichen, um uns nach dem TINA-Prinzip in allen denkbaren und undenkbaren Variationen verarschen zu lassen!

Bei dem völlig utopischen Gedanken, dass die Bundeskanzlerin Sahra Wagenknecht hieße, ginge es mir jedenfalls besser, als angesichts der Realität.

Der exzellente Wagenknecht basher Lanz hat hat am 19.01.17 übrigens komplett Schiffbruch erlebt:
http://www.sahra-wagenknecht.de/de/article/2483.markus-lanz-sendung-vom-19-januar-2017.html

Dirk hat gesagt…

Wieder werden Worte und Satzfetzen hergenommen und sollen als Beweis dafür dienen, wie S. Wagenknecht tickt und natürlich darf dabei auch der Querfront-Vorwurf nicht fehlen. Pfui, die Frau würde sogar mit Pegida-Anhängern reden...
Arbo sollte sich vielleicht mal in die Niederungen Berlins begeben, um z. Bsp. zu begreifen, was es mit "Kapazitätsgrenzen" auf sich hat und warum Sahra diesen Begriff verwendet. Anscheinend lebt es sich in Wien immer noch sehr gut, selbst für Menschen mit niedrigem Einkommen. Herzlichen Glückwunsch zur klugen Wohnungspolitik kann ich da nur sagen. Von unserer Hauptstadt kann man das leider nicht behaupten, hier haben viele Menschen nicht erst seit 2015 regelrecht Angst davor, demnächst ihre Miete nicht mehr bezahlen zu können. Mittlerweile ist es so schlimm, dass die Leute in der Hoffnung auf weiterhin bezahlbare Mieten lieber den durch Tegel verursachten Fluglärm in Kauf nehmen und für dessen Erhalt unterschreiben. Sind das dann auch alles rechte Arschlöcher, die man als "anständiger Linker" besser meidet Altauto? Oder meinst Du vielleicht, dass sie sich auf den Sanktnimmerleinstag des ewigen Friedens und Wohlstands auf der ganzen Welt vertrösten lassen? Die, die jetzt schon wenig haben spüren instinktiv,dass sie noch mehr unter Druck geraten werden, nicht nur auf dem Wohnungsmarkt. Wenn linke Politik auf diese ganz realen Existenzängste jedoch lediglich mit dem Verweis auf die Ursachen von Flucht reagiert und ansonsten kaum Antworten hat, wird sie weiter an Boden verlieren und die Rattenfänger von der AfD nur noch mehr füttern.
Anstatt sich im Sinne von Pjotr56 tatsächlich zu zerfleischen, sollten LINKE und Linke sich besser um die besten Antworten streiten. Jenseits von persönlichen Befindlichkeiten und gegenseitigen unsachlichen Vorwürfen, vor allem aber im Interesse der Menschen, für die wir doch immer so gerne vorgeben, uns einzusetzen.

Troptard hat gesagt…

@ Dirk,

eigentlich wollte ich mich in diese Diskussion nicht einschalten, weil sie wie immer sehr mühsam, ebenso ermüdend und für mich absehbar Differenzen in der Einschätzung der "Partei die Linke" und in der Person von Sarah Wagenknecht und ihrer Rolle in dieser Partei wenig zur Aufklärung leistet.

Man kann das eigentlich einfacher haben und die Diskussion damit enorm vereinfachen:
Sarah Wagenknecht bekennt sich zum Kapitalismus und ist nicht für seine emanzipatorische Überwindung. Das was sie fordert ist lediglich ein "Kapitalimus ohne Gier".
Ich knüpfe nicht daran an, dass in dieser Aussage bereits ein struktureller Antisemitismus enthalten ist. Auch den darf man in der Linken heutzutage nicht mehr äussern, ohne dafür fertig gemacht zu werden.

Was ich persönlich immer noch erwarte, sind klare Aussagen von Linken: Sarah Wagenknecht macht daraus keinen Hehl und bekennt sich offen zum Kapitalismus als Gesellschaftsform, die für den Menschen den grössten Wohlstand bringt.

Also erwarte ich ebenso von Personen wie Pjotr und Dirk, dass sie sich ebenso wie Sarah Wagenknecht klar bekennen, wofür sie stehen und nicht die Zumutungen, die das Kapital den Menschen auferlegt auf den Kopf stellen und einer innerlinken Diskussion anlasten.

Es ist diese fatale Fehleinschätzung und unbegründete Hoffnung, die davon ausgeht, dass Wahlen in einer Demokratie, die Wahl einer sog.linken Alternative Forderungen einlösen kann, ohne sich auf eine ausserparlamentarische, gesellschaftliche Kraft zu stützen, die das auch durchsetzen kann. Und wenn es die nicht gibt, dann wird nie mehr dabei herauskommen als Notdurft.

Pjotr56 hat gesagt…

@Troptard
Ich stehe zunächst mal für einen realistischen Blick auf die Ist-Situation, und die ist alles andere als revolutionär.
Sahra Wagenknecht halte ich für die z. Zt.klügste und kompetenteste Frau im deutschen Bundestag.
Sie und die PdL haben nur dann Erfolg, wenn die Bevölkerung mehrheitlich dahinter steht und nicht auf das systematische bashing hereinfällt bzw.sich daran beteiligt.

Das Thema Sozialismus ist in D erstmal durch, auch "dank" der fragwürdigen Umsetzung in der Ex-DDR, die die MSM noch auf Jahre hin genüßlich ausweiden werden.

Ich hab jedenfalls von Merkel und Konsorten die Schnauze gestrichen voll und finde u. A. die NDS sogar besser als Linke, die sich um der reinen Leere willen unermüdlich zoffen und das hohe Lied der Solidarität nicht mehr beherzigen. Hier z. B. nicht labern, sondern löhnen:
https://www.leetchi.com/c/soziales-von-ulrich-schneider

Auch Tom Wellbrock spricht mir heute aus der Seele:
http://www.neulandrebellen.de/2017/01/waehlt-endlich-links-ihr-nasen/

„Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen". (Warren Buffett)

@Dirk
Das östereichische Rentensystem bitte nicht vergessen! Zwar kein real existierender Sozialismus, aber im Durchschnitt immerhin einige hundert Euronen mehr im Monat als in D. - tolle Notdurft Troptard!
"Kapitalimus ohne Gier" = struktureller Antisemitismus? Dazu hätte ich gerne eine ausführliche Begründung!
Oder ist das nur die weit verbreitete Allzweckwaffe, um jemanden mundtot zu machen?
Ist Norbert Häring auch neulich passiert, lächerlich!

Charlie hat gesagt…

@ Dirk & Pjotr56: Habt Ihr tatsächlich denselben Text gelesen wie ich? Es geht in diesem Beitrag doch gerade nicht um ein Wagenknecht- oder gar generelles Linkspartei-"Bashing" (Totschlagkeule Nr. 1), sondern um eine - wie ich finde: fundierte - Analyse dessen, was die Dame zum Thema Flüchtlinge gesagt hat. Und da ist auch nichts "aus dem Zusammenhang gerissen" (Totschlagkeule Nr. 2), sondern alle Zitate sind vom Autor fein säuberlich belegt und in den jeweiligen Zusammenhang eingeordnet (sowie kommentiert bzw. bewertet) worden. Akribischer geht's in diesem Rahmen kaum.

Es mag ja sein, dass Ihr beide tatsächlich glaubt, es sei der Weisheit letzter Schluss, in diesem korrupten System "endlich links zu wählen", und diese Meinung will Euch bestimmt auch niemand hier ausreden. Ich persönlich halte diese Strategie allerdings - nett formuliert - für groben Unfug, und diese Meinung müsst Ihr ebenso aushalten. :-) Die Linkspartei wandelt längst auf denselben kapitalistischen Pfaden, die von der SPD und den Grünen bereits ausgetreten wurden - von dieser Partei erwarte ich exakt dieselbe asoziale, "eliten"hörige Katastrophenpolitik. In Berlin haben sie's eindrucksvoll vorgemacht: "Die Erfolge der Linkspartei".

Das wirre Gefasel von der "reinen Leh(e)re" (Totschlagkeule Nr. 3) kann ich ohnehin nicht mehr ernst nehmen. Marx war in diesem Blog noch nie (!) ein Thema - die asoziale, menschenfeindliche Politik der neoliberalen Bande hingegen schon sehr oft!

Im Übrigen gibt's im Bundestag gewiss mehrere "kluge" Menschen - Wagenknecht gehört sicherlich dazu. Das sagt jedoch nichts, wirklich gar nichts darüber aus, welche Politik jene "klugen" Menschen vertreten. Hannibal Lecter ist auch eine kluge, wenn auch fiktive Figur: Klugheit schützt weder vor Korrumpierbarkeit, noch vor Egoismus, Menschenfeindlichkeit, Rassismus oder sonstigen kriminellen Verwerfungen. Ein Blick in die Geschichte hilft da schnell weiter. Was soll das überhaupt für ein Argument sein, angesichts der hier geposteten Analyse: "Wagenknecht ist klug"?!? - Sie ist klug genug, sich bewusst und absichtlich missverständlich zu äußern, um auf Stimmenjagd im rechten Lager zu gehen, in der Tat.

Zu diesem eigentlichen Thema habt Ihr alle beide bislang nichts beigetragen; stattdessen wurden wie gewohnt die sinnfreien Totschlagkeulen ausgepackt. Eine solche Diskussionsunkultur ist zum Davonlaufen!

Liebe Grüße!

altautonomer hat gesagt…

Dirk: "Von unserer Hauptstadt kann man das leider nicht behaupten, hier haben viele Menschen nicht erst seit 2015 regelrecht Angst davor, demnächst ihre Miete nicht mehr bezahlen zu können. Mittlerweile ist es so schlimm, dass die Leute in der Hoffnung auf weiterhin bezahlbare Mieten lieber den durch Tegel verursachten Fluglärm in Kauf nehmen und für dessen Erhalt unterschreiben. Sind das dann auch alles rechte Arschlöcher, die man als "anständiger Linker" besser meidet Altauto?"

Zusätzlich erwähne ich noch, dass Obdachlose auch hier auf dem Blog neulich ein Thema waren. Es geht Dir also um die Lebenssituation der unteren Klasse, die die LINKE verbessern soll. Dazu der Kommentar einer Leserin von "Freitag" über falsche Erwartungen an linke Parlamentarier:



Michaela 27.05.2016 | 09:45


"Ich wünschte Frau Kipping wäre ein authentische Person, sie ist es nicht. Sie ist ein clevere Parteiprofessionelle und wird im Grunde seit dem Moment, da sie ihre Eltern nicht mehr im Haushalt versorgten durch die Partei und das von dieser gewährte Listenplätzchen versorgt.

Die Partei lebt von den Steuergeldern und von Mitteln, deren Herkunft ich nicht kenne.

Kipping gibt der Partei ein klein wenig ab, von ihren Diäten und den ganzen Zusatzzuwendungen. Wer mit 10.000 Euro im Monat - obschon er ohnehin alles mehr oder weniger zur Verfügung hat, was andere Menschen erst noch erarbeiten müssen (Büro, Angestellte, Mobilität, Essen, Equimpment...) nicht ostentativ seine Privilegien ablehnt und auch seine Parteigenossen zu einer solchen Haltung auffordert, dem unterstelle ich feudales Gehabe.Es klingt unangebracht, feudal zu schreiben, doch wenn man das Leben einer Kipping mit dem eines Arbeiters vergleicht, lebt sie eben feudal.

Ziviler Ungehorsam ist ein gutes Stichwort von ihr, nur aus dem Mund dieser Frau wird dieses Stichwort zur Phrase - vor allem, sie plädiert ja letztlich ihre Partei zu wählen.

Ende 1. Teil.

altautonomer hat gesagt…

2. Teil:
Was wohl Ihre Ängste ausdrückt, schafft die Linke die 5% Hürde im nächsten Jahr nicht mehr, dürfte für Kipping ein neuer Lebensabschnitt beginnen, die Übergangsgelder sind zwar üppig, doch zeitlich begrenzt - für die Altersversorgung gilt: noch haben Bundestagsabgeordnete keine Sofortrente für sich eingerichtet (kommt sicher bald - spätestens wenn die SPD und die CDU Gefahr läuft, nennenswert an Mandaten zu verlieren....).

Auch die Einnahmen aus den Publikationen dürften sehr rasch versiegen, wenn sie aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden ist, und das wird sie, sobald die LINKE keine Partei mehr ist, die Mandate zu verteilen hat, da die Wähler neuen Widerlingen ihre Stimme geben.

Kipping und die ganze Gruppe der LINKS-Fraktion verkörpern schlicht par excellance die Verlogenheit linker Ideologie - denn ihre Privilegien naschen sie mit Inbrunst und Hemmungslosgkeit, Ihre Stellung behaupten Sie mit Arroganz und Frechheit, Ihren Worten folgen die typischen Taten, die jenen aller Kleptokraten und Nepotisten entsprechen - es geht nur um die eigenen Netzwerke und den persönlichen Vorteil.

Hätte die LINKE seit sie Mandate besitzt, Ihren Abgeordneten ein strenges antimaterialistisches Regime auferlegt, könnte sie über einen inzwischen wohl einige hundert Millionen schweren Fonds verfügen, der allen Obdachlosen in diesem Land ein Leben in Würde ermöglichte.

Nur, dann hätten die Mandatsträger für sich nur 2000 Euro beanspruchen dürfen (so wie in den 80er Jahren die Grünen mit dem Facharbeiterlohn) und die Jobs der Bruttopauschale wären nicht an meist ohnehin ganz gut situierte Freunde gegangen, sondern an die Kinder von mittellosen Arbeiterfamilien, die dort ein gute Arbeit hätten verrichten können.

Generell, die LINKE hätte seit nunmehr zwei Jahrzehnten echte Agitation betreiben können, sie tat es nicht - sie hat nur intern gestritten, wer die Restmandate abgreifen darf, wer die Franktionszulagen kassieren darf, wer wo, welchen Posten bekommt.

Ihre Stammwählerschaft hat es Ihnen ermöglicht.

Jetzt, wo diese zu zerbröseln droht, dürfte der Postenkampf noch härter werden - die alte Riege tritt noch etwas nach, genüsslich wohl, und wohlversorgt - nur alle unter 40 werden etwas nervös. Ich behaupte, bei jenen, die an der Party teilnehmen, seit Jahren teilnehmen, sich wunderbar dort einfügend und nur auf eines achtend, nicht aus dem Saal gedrängt zu werden - hinaus zu den Menschen, die in den Arenen wütend warten."

dlog hat gesagt…

@Charlie, sagen wir mal so: die Linkspartei vertritt heute im Großen und Ganzen das, was "früher" einmal der linke Flügel der SPD und sogar Teile der Grünen in ihrer Gründungsphase vertreten haben, liege ich da falsch? Und wenn solche Positionen heutzutage als "radikal" gelten, dann sagt das immerhin einiges über den Zeitgeist aus, der in den - sagen wir mal - letzten 30 Jahren zunehmend durch die politische Landschaft weht. Unabhängig davon, ob man nun der heutigen Linken (Partei im Bundestag) zutraut, ernsthafte politische Veränderungen herbeizuführen (ich bin da eher skeptisch), ist diese Partei meines Erachtens zur Zeit die einzige im Bundestag anwesende parlamentarische Opposition. Dass sie Gefahr läuft, diese "Rolle" nach Strich und Faden zu vergeigen, steht allerdings auf einem anderen Blatt.

dlog hat gesagt…

P. S. Von wegen "vergeigen"

Siehe "Andrej Holm" in Berlin. Anstatt einzuknicken, hätte die Linke ja auch schlicht und einfach die Koalition verlassen können. (Und wohl unter anderem ein Bashing geerntet, aber gut, so kann das nun mal gehen, wenn man von Positionen überzeugt ist und an ihnen festhält. So what? Haben sie aber nicht, sondern klein beigegeben. Und das ist mehr als ärgerlich).

Charlie hat gesagt…

@ dlog: Zum Thema "Vergeigen": Vielleicht hast Du den oben geposteten Link zu den "Erfolgen der Linkspartei" nicht angeklickt, daher wiederhole ich hier mal den Kern (der Altautonome hat auch einige gute Beispiele gebracht):

In der zehnjährigen Regierungszeit wurden über 35.000 Stellen im öffentlichen Dienst abgebaut, was einem Anteil von mehr als 23 Prozent entsprach. 100.000 Wohnungen aus den landeseigenen Baugesellschaften wurden verkauft und die Berliner Wasserbetriebe teilprivatisiert. Das unbestreitbare Glanzstück aber gelang dem Bürgermeister und Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei) und seinem sozialdemokratischen Kollegen in der Finanzverwaltung, Thilo Sarrazin (SPD). 2003 fädelten die beiden den Austritt Berlins aus dem kommunalen Arbeitgeberverband ein, mit [dem] eine Kürzung der Gehälter der Landesangestellten um bis zu zwölf Prozent einherging. Durch Ausgründungen von einzelnen Bereichen öffentlicher Betriebe, wie etwa bei der BVG und der Charité, konnten dann schließlich die Gehälter teilweise nochmals um bis zu zehn Prozent abgesenkt werden. Hinzu kamen die Erhöhungen von Gebühren, beispielsweise bei den kommunalen Kindertagesstätten, Eintrittserhöhungen in Schwimmbädern, die Aufhebung der Lehrmittelfreiheit in den Schulen, Reduzierungen der Pflegegeldzuschüsse, Kürzungen bei Jugendprojekten und Universitäten und die Aufhebung der Ladenschlusszeiten. Die Liste ließe sich noch erweitern.

Aber noch einmal: Der Ausgangstext befasst sich nicht mit den Unzulänglichkeiten der Linkspartei, sondern mit der kritikwürdigen Strategie der Frau Wagenknecht. Es war abzusehen, dass dieses Thema schnell verlassen wird, und ich gebe zu, dass sich diese Erweiterung aufdrängt - sinnvoll ist sie hier aber dennoch nicht. Ich muss mir freilich auch an die eigene Nase fassen, wenn ich so etwas schreibe, ich weiß. ;-)

Liebe Grüße!

Fluchtwagenfahrer hat gesagt…

Moin,
zum Komm. dlog 01.02 08:59 Uhr
fällt mir ein Beitrag aus dem letztem Jahre ein, Neues aus der Anstalt, in dem sie an einer Tafel veranschaulichten wo den nun die Parteien/Landschaft sich selbst verorteten. Am Ende waren alle "die Mitte", einige rechts oder links innerhalb der Mitte.(wobei die Mitte in der Graphik deutlich nach rechts marschierte)
Zum hier häufig diskutierten was oder wer ist ein wirklich "linker" bin ich auch eher pragmatisch, realistisch eingestellt. Lieber den Spatz inner Hand als die Taube aufm Dach. Den ersten Schritt vor dem zweiten machen. Schade ist nur, das der linke Systemchange über das theorisieren nicht hinausgegangen ist. Und die Menschen haben festgestellt das ihr Leben endlich ist und sie nicht (mehr) warten können.
So jetzt gehe ich wieder auf meinen Tower, Lorbeerkranz sitzt, Harfe inner Hand und singe dazu, ganz wie P. Ustinov, "Rom muss brennen" In der IT nennt man so was reboot oder System neu aufsetzten. Natürlich nicht mit altem Betriebssystem:)
LG

altautonomer hat gesagt…

Dirk und Pjotr56 hauen hier einfach mal ein paar Sätze raus, auf die ich dann mit längeren Kommentaren reagiere und es kommt keine Reaktion mehr. Was für eine miese Diskussionskultur. Ich kann mir das nur so erklären, dass solche Leute die Methode Dennis82 praktizieren und alles ignorieren, was an Argumenten, Belegen und Fakten gegen die Partei die LINKE mit Quellenangaben gesagt wird. Sie nehmen das alles einfach nicht zur Kenntnis, lesen den Eingangstext von Arbo vielleicht erst gar nicht, sondern poltern los und verstecken sich mit ihren Illusionen hinter ihren Ängsten, dass ihr schon fast religiös zu nennender, unbeirrbarer Glaube an eine linke Stellvertreterpolitik in dieser parlamentarischen Zuschauerdemokratie scheitert.

Troptard hat bei flatter übrigens ein zum Thema passendes YT-Viedeo eingestellt:

https://www.youtube.com/watch?v=8C9FdkSliRc

Charlie hat gesagt…

Ich habe das erst heute gesehen: Dieser Text wird auch beim "Doctor" diskutiert.

altautonomer hat gesagt…

Charlie: Zwecklos. Das Thema ist abgelutscht. Wir sprechen uns im September wieder.