Samstag, 12. Dezember 2009

"Die eleganteste Form der Diktatur" - Über das Versagen der Medien

(...) Oft wird behauptet, die Mainstream-Medien – also Fernseh- und Rundfunkanstalten sowie führende Zeitungen und Zeitschriften wie "Zeit", "Spiegel", "Stern" – würden ihrer Kontrollfunktion innerhalb der Demokratie nicht mehr gerecht. Also der Aufgabe, der Regierung einen kritischen Spiegel vorzuhalten, Missstände aufzudecken und eine Art geistige Gegenmacht zu organisieren, die Fehlentwicklungen in der Gesellschaft zu korrigieren hilft. Ich sage: Solche Vorwürfe gegen die Medien sind berechtigt, aber sie sind noch zu milde formuliert. Tatsache ist, dass die Leitmedien die Politiker sehr wohl kontrollieren – und zwar immer dann, wenn einer von ihnen vom "rechten" (sprich: neoliberalen) Weg abzukommen droht. Wer versucht, sich auf seine Funktion als Volksvertreter zu besinnen und sich gegen den herrschenden Geist zu wenden, wird von den "Meinungsführern" gnadenlos abgestraft und niedergeschrieben.

Ich will keineswegs Politiker wie Andrea Ypsilanti oder Kurt Beck idealisieren. Aber gerade die Tatsache, dass sie wegen verhältnismäßig milder "Vergehen" (halbherziges Liebäugeln mit der Linken) von der vereinigten Pressemeute politisch ermordet wurden, ist bedenklich. Man muss heute nicht einmal die Enteignung von Vermögen fordern, um auf die schwarz-gelbe Liste der Medienhatz zu kommen; es genügt, sich für eine Abmilderung der Ausbeutung einzusetzen, für klassische reformistische Sozialdemokratie. Albrecht Müller zeigt in seinem hervorragenden Buch "Meinungsmache", dass Medien durchaus so etwas wie eine vierte Macht im Staat sind – nur derzeit fast immer eine destruktive: "Wo mediale Macht ist, neigt sie immer dazu, sich zu verstärken, weil als Politiker Angst haben muss, bestraft zu werden, wer wider den Stachel löckt."

Ich hoffe, es wird eine Zeit kommen, in der das ganze Ausmaß des Versagens einer Medienszene offenbar werden wird, die in Zeiten wachsender sozialer Unmenschlichkeit, des Ausbaus von Polizei- und Überwachungsstaat und der Ökonomisierung aller Lebensbereiche nicht nur "Weiter so!", sondern "Mehr davon!" geschrieen hat. Albrecht Müller nennt die bei uns praktizierte Meinungsmache sogar "die eleganteste Form der Diktatur". Die "Kontrollinstanzen" sind also selbst zu etwas geworden, was kontrolliert werden müsste – aber nicht durch Zensur, sondern durch massive Kritik, durch Liebesentzug seitens der Konsumenten, vor allem durch Gegenöffentlichkeit.

(Weiterlesen)

Keine Kommentare: