Freitag, 23. April 2010

Gewalt gegen Kinder – Eiszeiten der Erziehung

Die Gesellschaft ächtet die Methoden der prügelnden Erzieher von gestern - und vergisst die Missstände von heute.

Darf der Vater sein achtjähriges Kind mit einem Hartgummischlauch verprügeln? Wer heute eine solche Frage stellt, gilt zu Recht als verdächtig. Der Vater darf natürlich nicht prügeln. Auch dann nicht, wenn das Kind die Brille des Vaters zertreten und sein Fernglas kaputtgemacht hat. Das ist heute allgemeine Meinung, und kaum jemand wird sich unterstehen, solche väterliche Raserei zu rechtfertigen. (...)

Körperliche Misshandlung: Vielleicht wird man in einigen Jahrzehnten mit der Empörung, mit der man heute darüber spricht, über die Missstände von 2010 reden: davon etwa, dass nicht wenige deutsche Schulen so heruntergekommen waren, als handele es sich um ein Kindergefängnis in Manila.

Im Übrigen: Ist der Leistungsdruck, der heute vielen Kindern von ihren Eltern aus der verunsicherten Mittelschicht eingepflanzt wird, nicht auch gewalttätig? An vielen Jugendlichen kann man heute die typischen Managerkrankheiten beobachten.

Ist dies die neue Form von Gewalt, die man Kindern antut? Die aktuelle Empörung über die alte, die körperliche Gewalt dient auch der moralischen Stabilisierung und Selbstvergewisserung der Gesellschaft - nicht zuletzt angesichts der Wiederkehr der altbekannt dummen Sätze, wonach "ein paar Ohrfeigen noch niemandem geschadet haben".

(Weiterlesen)

Anmerkung: Ein sehr wichtiges Thema - aber auch die Süddeutsche zieht wieder einmal die falschen Schlüsse. Es ist unlauter, die "Eltern der verunsicherten Mittelschicht" für diese Zustände quasi allein verantwortlich zu machen. Sicher tragen auch sie ihren Teil dazu bei - aber angesichts der allgegenwärtigen Propaganda, des immer stärker werdenden Leistungsdrucks und forcierten Konkurrenzkampfes, angesichts verkürzter Schul- und Studienzeiten bei gleichzeitig dichter werdendem Lernstoff, angesichts dieser totalen Ökonomisierung des gesamten (auch kindlichen) Lebens muss doch auch dem letzten auffallen, auf welchem Holzweg man sich hier befindet und dass die Eltern überhaupt keine großen Wahlmöglichkeiten haben. Dieser neoliberale Irrsinn muss endlich gestoppt werden - erst dann kann eine Umkehr stattfinden, die es auch unseren Kindern wieder erlaubt, ein kindgerechtes Leben zu führen. Was für ein Wahnsinn.


Keine Kommentare: