Sonntag, 19. Dezember 2010

Sinnlose Wettbewerbe

Je mehr Wettbewerb, umso besser, haben die Neoliberalen jahrelang erfolgreich verkündet. Ökonomieprofessor Mathias Binswanger zeigt, dass so maßlos Leerläufe produziert werden. (...)

[Inszenierte Wettbewerbe] entstanden vor dem Hintergrund von simplen Botschaften, welche neoliberale Ökonomen wie Milton Friedman verbreitet haben: Markt ist gut, und Staat ist schlecht. Am Anfang hatten die Friedman-Anhänger wie die Regierung Thatcher zu Beginn der achtziger Jahre die Idee, man könne überall Markt einführen, zum Beispiel auch in der Forschung. Doch es zeigte sich bald, dass die Grundlagenforschung auf diese Weise verschwindet. Also hieß es danach: Wenn schon kein Markt, dann kann man doch wenigstens Wettbewerb einführen, um damit auch ohne Markt Effizienz herzuzaubern.

Man hat nicht gemerkt, dass das eigentlich ein Rückfall in die Planwirtschaft ist. Schon Lenin hat Anfang der zwanziger Jahre gesagt: Jetzt, wo wir die Revolution haben, müssen wir anfangen, den Wettbewerb einzuführen. Damals war Markt aus ideologischen Gründen nicht möglich, aber trotzdem wollte man Effizienz – und ist kläglich gescheitert. (...)

Es gibt ein schönes Beispiel: Wenn man den Kindern Aufgaben gibt und sie frei wählen lässt, wählen sie die schwierigen Aufgaben. Sobald man ihnen aber eine Belohnung in Aussicht stellt, wählen sie die leichten Aufgaben, weil sie die Belohnung bekommen wollen. Es gibt ja schon Ideen, man müsse Schüler, die gut abschneiden, für ihre gute Leistung bezahlen. Auch beim Lernen will man für immer mehr künstlichen Wettbewerb sorgen – da hat man sich ideologisch völlig verrannt.

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Anmerkung: Die Beobachtungen Prof. Binswangers gelten für eine Vielzahl weiterer Bereiche - schließlich erleben wir gerade die totale Ökonomisierung des gesamten Lebens. Man muss sich diese Idiotie immer wieder vor Augen führen, damit man im medialen Propagandagetrommel nicht vergisst, wie strunzdämlich es beispielsweise ist, einen "Wettbewerb" im Gesundheitswesen zu konstruieren: Als ob es Sinn macht, wenn Krankenhäuser untereinander in "Konkurrenz" stünden! Das Ziel sollte doch vielmehr sein, eine flächendeckende, für alle Bürger an allen Orten gleich gute medizinische Versorgung sicherzustellen - was hat da ein "Wettbewerb" verloren? Dasselbe gilt für die vielen Krankenkassen - wozu brauchen wir hunderte von Kassen mit entsprechend vielen überbezahlten Vorständen, Aufsichtsräten etc., die in einen künstlich erzeugten, vollkommen sinnlosen Wettbewerb verstrickt sind? Oder bei der Paketzustellung: Jetzt fahren ein und dieselben Wegstrecken in unseren Städten eben drei oder vier Fahrzeuge unterschiedlicher "Anbieter" ab, um Pakete auszuliefern - das ist auch ökologischer Schwachsinn.

Die Liste ließe sich noch stundenlang fortführen. Was die letzten Jahrzehnte eindeutig gezeigt haben, ist dies: Die neoliberale Ideologie setzt lediglich massenhafte Wettbewerbe nach unten in Gang, die allesamt zum Nachteil der Menschen sind: Die Löhne und Gehälter fallen, Arbeitsstellen werden wegrationalisiert, die Qualität der Produkte und Dienstleistungen sinkt beständig, und auf alle wichtigen "Nebensächlichkeiten" wie z.B. die Ökologie, die Lebensqualität der Menschen, Fragen nach der Sinnhaftigkeit des Lebens, die Kultur u.v.m. wird keinerlei Rücksicht genommen. Dieses System ist geradezu grotesk.

Und dennoch machen die Marktfetischisten immer weiter ... kein Lebensbereich ist sicher vor ihnen. Das ehemals weltweit geschätzte Hochschulsystem in Deutschland haben sie bereits weitgehend zerstört; das Gesundheitssystem ist auf dem besten Wege dazu, in eine neofeudale Mehrklassenmedizin zurückentwickelt zu werden; das gleiche gilt für das Rentensystem; und all die anderen bereits erfolgten oder in Planung befindlichen "Privatisierungen" der Systeme der öffentlichen Daseinsfürsorge werden ihr Übriges tun.

Und warum das alles? Diese Frage, die von den üblichen Verdächtigen stets mit dem Mantra bedacht wird, "der Markt wird am Ende für alle Verbesserungen bringen", ist so simpel wie erschreckend zu beantworten: Weil die Finanz"elite" daran eine Menge Geld verdient. Einen anderen sinnvollen Grund - insbesondere einen, der für die Mehrheit der Menschen Relevanz besitzt - kann ich nicht ausmachen. In dieser Hinsicht ist Herrn Binswanger also zu widersprechen: Die neoliberale Bande hat sich da keineswegs "ideologisch verrannt" - ganz im Gegenteil: Sie tut das alles in vollster Absicht und mit bewusster Berechnung. Gelegentlich macht einer der Akteure ja einen Fehler und gibt das sogar öffentlich zu, wie es in letzter Zeit z.B. Frau Merkel oder Herr Rösler getan haben.

Fazit: Diese Bande raubt uns aus und zerstört den Planeten - und wir wählen sie auch noch. Die Menschheit muss ein Irrtum der Evolution sein.

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