Katja Kullmann ist als Gewinnerin geboren - ein verwöhntes Mittelstandskind, hervorragend ausgebildet, mit imposantem Lebenslauf, intelligent und talentiert. Mit Anfang 30 schreibt sie 2002 einen Bestseller. Mit Ende 30 beantragt sie Hartz IV. Sie ist pleite und muss auf's Amt - davon erzählt sie in ihrem neuen Buch "Echtleben". (...)
In [diesem Buch] beschreibt Katja Kullmann [beispielsweise] den Gang aufs Arbeitsamt:
"Etwas in mir hatte gehofft, dass die Frau bei meinem Eintritt ins Behördenzimmer laut loslachen würde. 'Was wollen Sie denn hier? Haha, das ist ja lustig, dass jemand wie Sie zu jemandem wie mir kommt! Liebe Frau Kullmann, so sehen Sie doch ein, dass Sie sich verlaufen haben! Nun gehen Sie mal schön wieder heim und tun Sie, was Sie sonst immer tun. Und hören Sie auf so blöde Witze zu machen.' Stattdessen untersuchte sie, augenscheinlich unbeeindruckt, meinen Vermögensstand, checkte meine Kontoauszüge der vergangenen sechs Monate [...]."
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Anmerkung: Nicht vergessen: Bei einem Antrag auf "Arbeitslosengeld II" (Hartz IV) handelt es sich um 364 Euro monatlich und die Übernahme der "angemessenen" Mietkosten, die für einen alleinstehenden Menschen die billigste Kleinraumwohnung der jeweiligen Region vorsehen (was an Mietkosten darüber hinausgeht, muss der Betroffene selbst zahlen), sowie um die gesetzliche Krankenversicherung - und um nichts weiter. In die Rentenversicherung beispielsweise wird nichts eingezahlt. Von diesen 364 Euro müssen zusätzlich zur normalen Lebens- und Haushaltsführung sämtliche laufende Kosten bezahlt werden - u.a. Strom, Telefon, Internet, andere Versicherungen, Praxisgebühren, Medikamentenzuzahlungen, Fahrtkosten usw. usf.
Wenn nun jemand eine solche Leistung beantragen muss, befindet er sich offensichtlich in einer erheblichen Notlage, die kaum mit Worten beschreibbar ist. Es ist ein großer Verdienst des in Rede stehenden Buches von Katja Kullmann, nun endlich auch die Tatsache in den Fokus zu rücken, dass es keineswegs größtenteils bildungsferne Menschen sind, die in dieses unsägliche, erniedrigende und grundgesetzwidrige Hartz-System fallen. Der faschistoide Mythos des "faulen, arbeitsscheuen und ungebildeten Gesindels", der von den privaten Propagandamedien (aber nicht nur von diesen) so umfassend aufgebaut wurde und weiterhin wird, verpufft da wie eine große Seifenblase, die nur das hinterlässt, was ihr Inhalt war: Einen schmierigen, öligen Film ohne jeden Realitätsbezug - und sonst nur Leere.
Dem Buch von Frau Kullmann möchte ich eine umfassende Leserschaft wünschen - gerade auch in Hinblick auf den weiteren Werdegang der Autorin, der sich im Porträt von 3sat folgendermaßen liest:
"Die Sache mit Hartz IV hält sie in Berlin ein Jahr geheim, dann kommt ein Anruf aus Hamburg - sie fängt als Führungskraft in einem Verlag an. Jetzt sitzt sie plötzlich auf der anderen Seite. 'Ich habe Telefonate geführt, genau wie andere Kollegen in anderen Verlagen auch, mit Freien, die seit zwei Jahren eine Rubrik betreuen. Irgendwann kam der Tag X und ich musste die Kollegin anrufen und sagen: Wir würden gern mit dir weiterarbeiten, ab jetzt für die Hälfte, du hast eine Woche, also überleg's dir, ich kann dir kein anderes Angebot machen. So funktioniert Kreativ-Wirtschaft.' / Als der Verlag viele ihrer Kollegen entlässt, geht sie freiwillig. Ihre Hartz-IV-Geschichte macht sie mit einem Buch zum kreativen Geschäft. In der Hoffnung, dass es mindestens ein Jahr reicht."
Das ist ein leuchtendes Beispiel für uns alle: Wenn die neoliberale Bande uns den kleinen Finger reicht und uns kaufen will, damit auch wir ihr obszönes Spiel mitspielen und uns prostituieren und dabei andere Menschen ins Unheil stürzen sollen - dann müssen wir ebenso deutlich und laut Nein sagen.
In [diesem Buch] beschreibt Katja Kullmann [beispielsweise] den Gang aufs Arbeitsamt:
"Etwas in mir hatte gehofft, dass die Frau bei meinem Eintritt ins Behördenzimmer laut loslachen würde. 'Was wollen Sie denn hier? Haha, das ist ja lustig, dass jemand wie Sie zu jemandem wie mir kommt! Liebe Frau Kullmann, so sehen Sie doch ein, dass Sie sich verlaufen haben! Nun gehen Sie mal schön wieder heim und tun Sie, was Sie sonst immer tun. Und hören Sie auf so blöde Witze zu machen.' Stattdessen untersuchte sie, augenscheinlich unbeeindruckt, meinen Vermögensstand, checkte meine Kontoauszüge der vergangenen sechs Monate [...]."
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Anmerkung: Nicht vergessen: Bei einem Antrag auf "Arbeitslosengeld II" (Hartz IV) handelt es sich um 364 Euro monatlich und die Übernahme der "angemessenen" Mietkosten, die für einen alleinstehenden Menschen die billigste Kleinraumwohnung der jeweiligen Region vorsehen (was an Mietkosten darüber hinausgeht, muss der Betroffene selbst zahlen), sowie um die gesetzliche Krankenversicherung - und um nichts weiter. In die Rentenversicherung beispielsweise wird nichts eingezahlt. Von diesen 364 Euro müssen zusätzlich zur normalen Lebens- und Haushaltsführung sämtliche laufende Kosten bezahlt werden - u.a. Strom, Telefon, Internet, andere Versicherungen, Praxisgebühren, Medikamentenzuzahlungen, Fahrtkosten usw. usf.
Wenn nun jemand eine solche Leistung beantragen muss, befindet er sich offensichtlich in einer erheblichen Notlage, die kaum mit Worten beschreibbar ist. Es ist ein großer Verdienst des in Rede stehenden Buches von Katja Kullmann, nun endlich auch die Tatsache in den Fokus zu rücken, dass es keineswegs größtenteils bildungsferne Menschen sind, die in dieses unsägliche, erniedrigende und grundgesetzwidrige Hartz-System fallen. Der faschistoide Mythos des "faulen, arbeitsscheuen und ungebildeten Gesindels", der von den privaten Propagandamedien (aber nicht nur von diesen) so umfassend aufgebaut wurde und weiterhin wird, verpufft da wie eine große Seifenblase, die nur das hinterlässt, was ihr Inhalt war: Einen schmierigen, öligen Film ohne jeden Realitätsbezug - und sonst nur Leere.
Dem Buch von Frau Kullmann möchte ich eine umfassende Leserschaft wünschen - gerade auch in Hinblick auf den weiteren Werdegang der Autorin, der sich im Porträt von 3sat folgendermaßen liest:
"Die Sache mit Hartz IV hält sie in Berlin ein Jahr geheim, dann kommt ein Anruf aus Hamburg - sie fängt als Führungskraft in einem Verlag an. Jetzt sitzt sie plötzlich auf der anderen Seite. 'Ich habe Telefonate geführt, genau wie andere Kollegen in anderen Verlagen auch, mit Freien, die seit zwei Jahren eine Rubrik betreuen. Irgendwann kam der Tag X und ich musste die Kollegin anrufen und sagen: Wir würden gern mit dir weiterarbeiten, ab jetzt für die Hälfte, du hast eine Woche, also überleg's dir, ich kann dir kein anderes Angebot machen. So funktioniert Kreativ-Wirtschaft.' / Als der Verlag viele ihrer Kollegen entlässt, geht sie freiwillig. Ihre Hartz-IV-Geschichte macht sie mit einem Buch zum kreativen Geschäft. In der Hoffnung, dass es mindestens ein Jahr reicht."
Das ist ein leuchtendes Beispiel für uns alle: Wenn die neoliberale Bande uns den kleinen Finger reicht und uns kaufen will, damit auch wir ihr obszönes Spiel mitspielen und uns prostituieren und dabei andere Menschen ins Unheil stürzen sollen - dann müssen wir ebenso deutlich und laut Nein sagen.
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