Anfang Februar versetzten Pressemeldungen über geplante massive Stellenstreichungen bei IBM-Deutschland die Belegschaft des IT-Unternehmens in helle Aufregung. Bis zu 8.000 der rund 20.000 in Deutschland beschäftigten IBM-Beschäftigten würden in den nächsten Jahren ihren Arbeitsplatz verlieren, ließen Spitzenmanager gegenüber dem Handelsblatt durchsickern. (...)
Die Ahnung vieler Mitarbeiter, dass gerade bei IBM-Deutschland "etwas passieren" würde, resultiert aus den Renditevorgaben, die laut der Konzernstrategie von 10 US-Dollar pro Aktie in 2010 auf 20 US-Dollar in 2015 verdoppelt werden sollen. Zuletzt konnte die neue IBM-Chefin Virginia Rometty eine Rendite von "nur" 13,09 Euro pro Aktie vermelden. (...)
"Big Blue" will künftig viele Softwareprojekte auf eigens eingerichteten Internetportalen (Liquid Portal) ausschreiben, bei denen zertifizierte freie Softwareentwickler sich anmelden können [sic!], um sich für die jeweils von IBM ausgeschriebenen Projekte zu "bewerben". Auf diesen "Projektbörsen" - die eine Art Ebay der Lohnarbeit darstellen dürften - sollen auch die derzeit noch fest angestellten IBM-Mitarbeiter um neue Aufträge "mitbieten".
(Weiterlesen)
Anmerkung: Was IBM und vermutlich viele weitere Konzerne hier umsetzen wollen, existiert für viele "freie" Berufe ja schon längst - derartige "Portale" gibt es z.B. für Schreiberlinge, Zeichner und Werbefachleute, ebenso auch für Handwerker, Umzugsunternehmen und viele andere. Die Konsequenzen für die Betroffenen, die im Artikel eher kurz angerissen werden, sind da deutlich erkennbar: Das Arbeitsrecht wird untergraben, die Scheinselbstständigkeit entbindet den Arbeitgeber von sämtlichen Pflichten und Sozialleistungen, und selbstverständlich hat eine solche Arbeit in den allermeisten Fällen eine schnelle Prekasierung der Betroffenen zur Folge. Die Bezeichnung "Tagelöhnertum" trifft den Nagel auf den Kopf. Der Personalchef von IBM nennt das Kind sogar beim Namen - und glaubt offenbar tatsächlich, damit etwas "Positives" verkündet zu haben: "Es gäbe keine Gebäudekosten, keine Renten und keine Kosten für das Gesundheitswesen, was enorme Einsparungen bedeutet", sagte er - laut dem verlinkten Artikel - der Fachzeitschrift Personnel Today.
Ich frage mich bei solchen Meldungen ja immer, ob diese neoliberalen Unheilsbringer tatsächlich einmal über das, was sie vorhaben und tun, nachgedacht haben - oder ob es ihnen einfach völlig egal ist, was sie damit in der Gesellschaft anrichten. Man werfe beispielsweise einen Blick auf das Portal textbroker.de, wo sich Menschen, die professionell Texte schreiben, um "Aufträge bewerben" können. Wer sich da einmal durch das Kleingedruckte klickt, wird schnell feststellen, dass er 24 Stunden am Tag unaufhörlich recherchieren und schreiben müsste, um einen monatlichen Geldbetrag in Höhe des Hartz-Terror-Satzes zu erhalten (den er dann natürlich noch ordnungsgemäß versteuern müsste). An eine Kranken- oder gar Renten- oder Arbeitslosenversicherung ist da nicht einmal im Traum zu denken, und wer gelegentlich auch mal Pause machen, etwas essen oder schlafen möchte (von solchem Luxus wie Urlaub, Freizeit, sozialen Kontakten oder gar Kultur möchte ich gar nicht erst anfangen), muss dann eben einige Tage im Monat hungern und/oder auf anderen Schnickschnack wie Strom oder Heizung verzichten.
Dies sind übrigens beileibe keine zynischen Übertreibungen, sondern selbst erlebte Erfahrungswerte. Ich kann also gar nicht anders als diese perversen Pläne auf das Allerschärfste zu verurteilen und der Politik mit Eisenklemmen die Ohren in die Länge zu ziehen, damit dieser Auflösung der solidarischen Sozialsysteme und der weiteren Verarmung und Versklavung der Menschen - ausgerechnet unter dem Diktat der Neusprechvokabel "Freiheit" - endlich ein Riegel vorgeschoben wird. Die absurden "Renditeerwartungen" der Superreichen gehören - verdammt nochmal - endlich in die Mülltonne der Geschichte! Wenn dieses gierige Gesindel unbedingt aus ihren Milliarden noch mehr Milliarden machen will, soll es sich gefälligst eigene Casinos schaffen und dort munter mit ihresgleichen spielen - und dann eben auch das Risiko tragen, den Einsatz zu verlieren. Die normale Bevölkerung hat damit nichts zu tun.
Im Grunde zeigen diese immer grotesker in Erscheinung tretende Habgier, dieser Wachstumswahn und das neoliberale, religionsgleiche Geschwurbel doch nur, dass das unlogische kapitalistische System sich mal wieder seinem systemimmanenten Ende nähert. Ich habe das schon so oft geschrieben: Es wäre nun an der Zeit, dieser ewigen Wiederholung, dieser unerträglichen Zeitschleife des Grauens endlich ein würdiges Ende zu bereiten. Wir wissen nur zu genau, wie weit die neoliberale Bande am Ende geht, wenn wir das nicht tun.
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Ablösung
"Wissense, ich habe so viel für Hitlers Wahlrummel ausgegeben, dass ich mich nicht auch noch persönlich mit kleinen Leuten zur Urne drängeln brauchte."
(Zeichnung von Erich Schilling [1885-1945], in "Simplicissimus", Heft 27 vom 29.09.1930)
Zweite Anmerkung: Zum Zeichner Schilling siehe hier und auch hier.
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Nachtrag 05.05.2012: Heute habe ich noch ein aufschlussreiches aktuelles Beispiel entdeckt - bitte auch lesen.
Die Ahnung vieler Mitarbeiter, dass gerade bei IBM-Deutschland "etwas passieren" würde, resultiert aus den Renditevorgaben, die laut der Konzernstrategie von 10 US-Dollar pro Aktie in 2010 auf 20 US-Dollar in 2015 verdoppelt werden sollen. Zuletzt konnte die neue IBM-Chefin Virginia Rometty eine Rendite von "nur" 13,09 Euro pro Aktie vermelden. (...)
"Big Blue" will künftig viele Softwareprojekte auf eigens eingerichteten Internetportalen (Liquid Portal) ausschreiben, bei denen zertifizierte freie Softwareentwickler sich anmelden können [sic!], um sich für die jeweils von IBM ausgeschriebenen Projekte zu "bewerben". Auf diesen "Projektbörsen" - die eine Art Ebay der Lohnarbeit darstellen dürften - sollen auch die derzeit noch fest angestellten IBM-Mitarbeiter um neue Aufträge "mitbieten".
(Weiterlesen)
Anmerkung: Was IBM und vermutlich viele weitere Konzerne hier umsetzen wollen, existiert für viele "freie" Berufe ja schon längst - derartige "Portale" gibt es z.B. für Schreiberlinge, Zeichner und Werbefachleute, ebenso auch für Handwerker, Umzugsunternehmen und viele andere. Die Konsequenzen für die Betroffenen, die im Artikel eher kurz angerissen werden, sind da deutlich erkennbar: Das Arbeitsrecht wird untergraben, die Scheinselbstständigkeit entbindet den Arbeitgeber von sämtlichen Pflichten und Sozialleistungen, und selbstverständlich hat eine solche Arbeit in den allermeisten Fällen eine schnelle Prekasierung der Betroffenen zur Folge. Die Bezeichnung "Tagelöhnertum" trifft den Nagel auf den Kopf. Der Personalchef von IBM nennt das Kind sogar beim Namen - und glaubt offenbar tatsächlich, damit etwas "Positives" verkündet zu haben: "Es gäbe keine Gebäudekosten, keine Renten und keine Kosten für das Gesundheitswesen, was enorme Einsparungen bedeutet", sagte er - laut dem verlinkten Artikel - der Fachzeitschrift Personnel Today.
Ich frage mich bei solchen Meldungen ja immer, ob diese neoliberalen Unheilsbringer tatsächlich einmal über das, was sie vorhaben und tun, nachgedacht haben - oder ob es ihnen einfach völlig egal ist, was sie damit in der Gesellschaft anrichten. Man werfe beispielsweise einen Blick auf das Portal textbroker.de, wo sich Menschen, die professionell Texte schreiben, um "Aufträge bewerben" können. Wer sich da einmal durch das Kleingedruckte klickt, wird schnell feststellen, dass er 24 Stunden am Tag unaufhörlich recherchieren und schreiben müsste, um einen monatlichen Geldbetrag in Höhe des Hartz-Terror-Satzes zu erhalten (den er dann natürlich noch ordnungsgemäß versteuern müsste). An eine Kranken- oder gar Renten- oder Arbeitslosenversicherung ist da nicht einmal im Traum zu denken, und wer gelegentlich auch mal Pause machen, etwas essen oder schlafen möchte (von solchem Luxus wie Urlaub, Freizeit, sozialen Kontakten oder gar Kultur möchte ich gar nicht erst anfangen), muss dann eben einige Tage im Monat hungern und/oder auf anderen Schnickschnack wie Strom oder Heizung verzichten.
Dies sind übrigens beileibe keine zynischen Übertreibungen, sondern selbst erlebte Erfahrungswerte. Ich kann also gar nicht anders als diese perversen Pläne auf das Allerschärfste zu verurteilen und der Politik mit Eisenklemmen die Ohren in die Länge zu ziehen, damit dieser Auflösung der solidarischen Sozialsysteme und der weiteren Verarmung und Versklavung der Menschen - ausgerechnet unter dem Diktat der Neusprechvokabel "Freiheit" - endlich ein Riegel vorgeschoben wird. Die absurden "Renditeerwartungen" der Superreichen gehören - verdammt nochmal - endlich in die Mülltonne der Geschichte! Wenn dieses gierige Gesindel unbedingt aus ihren Milliarden noch mehr Milliarden machen will, soll es sich gefälligst eigene Casinos schaffen und dort munter mit ihresgleichen spielen - und dann eben auch das Risiko tragen, den Einsatz zu verlieren. Die normale Bevölkerung hat damit nichts zu tun.
Im Grunde zeigen diese immer grotesker in Erscheinung tretende Habgier, dieser Wachstumswahn und das neoliberale, religionsgleiche Geschwurbel doch nur, dass das unlogische kapitalistische System sich mal wieder seinem systemimmanenten Ende nähert. Ich habe das schon so oft geschrieben: Es wäre nun an der Zeit, dieser ewigen Wiederholung, dieser unerträglichen Zeitschleife des Grauens endlich ein würdiges Ende zu bereiten. Wir wissen nur zu genau, wie weit die neoliberale Bande am Ende geht, wenn wir das nicht tun.
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Ablösung
"Wissense, ich habe so viel für Hitlers Wahlrummel ausgegeben, dass ich mich nicht auch noch persönlich mit kleinen Leuten zur Urne drängeln brauchte."
(Zeichnung von Erich Schilling [1885-1945], in "Simplicissimus", Heft 27 vom 29.09.1930)
Zweite Anmerkung: Zum Zeichner Schilling siehe hier und auch hier.
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Nachtrag 05.05.2012: Heute habe ich noch ein aufschlussreiches aktuelles Beispiel entdeckt - bitte auch lesen.
6 Kommentare:
Bin ich der einzige, der bei einem Begriff wie "Human Cloud" an Krematorienrauch denken muss?
Das sind wirklich schöne Aussichten, ich bin begeistert. Es ist auch toll daß sie so sehr über Einsparungen nachdenken, denn bald müssen sie ja ohnehin alle ihre Preise senken weil sich sonst niemand mehr ihr Zeugs leisten kann, wenn alle verarmt sind.
Was das Casino der Reichen betrifft: Das werden wir bestimmt nicht erleben. Risiken mag von denen keiner, es macht doch auch viel mehr Spaß, anderen das was sie haben zu klauen und dabei selbst nix zu riskieren.
Tja und daß das Großkapital damals Hitler unterstützt hat, wird heutzutage ja gerne "vergessen" wenn über diese Zeit berichtet wird. Gut daß du darauf nochmal explizit hinweist! Viele Leute wissen das vermutlich garnicht.
Starker Tobak!! Ich will mir das gar nicht ausmalen, was eine solche Umstrukturierung der Arbeitswelt für unabsehbare Folgen hat! Es ist ja schon gruselig genug dass das bereits böse Realität für einige (viele?) Menschen ist!
Ich wusste auch nicht dass du selber solche prekären Erfahrungen machen musstest! Danke für die Offenheit!
Diesem IBM-Personal-Manager möchte ich angesichts dessen was er da gesagt hat, meine pure Verachtung an den Kopf werfen. Solchen Typen wünsche ich von Herzen ein prekäres Leben in Armut und ohne Kranken- und sonstige Sozialversicherung. Wer so etwas als Errungenschaft in die Welt posaunt, sollte als einer der ersten daven "profitieren" dürfen! Sein sicher sehr auskömmliches Gehalt inkl. Sozialleistungen können wir dann ja auf die verarmten Zwangsmitglieder seiner "human cloud" verteilen.
Ob er diese Idee wohl auch so toll findet?
@ TTT: Vielleicht ist diese Analogie etwas weit hergeholt ... gänzlich falsch ist sie aber nicht.
@ Darkmoon: Das mit dem Senken der Preise ist so eine Sache ... ich bin sicher, dass die Bande so lange es geht auf den Export setzen und die eigene Bevölkerung weiter auspressen wird bis aufs Blut. Noch sind es beispielsweise ja "erst" ca. 800.000 Haushalte in Deutschland, denen der Strom gesperrt wird, weil sie das nicht mehr bezahlen können - da bleibt noch genug Spielraum für fette Gewinne der Energiekonzerne und Millionengehälter der Bosse. Sie werden erst damit aufhören, wenn auch die Mittelschicht vollkommen verarmt und ausgeplündert ist und die Oberschicht an die finanziellen Grenzen gerät. In Griechenland ist dieser Punkt fast erreicht, in Deutschland leider noch nicht.
@ Anabelle: Vergiss nicht, dass auch dieser IBM-Mensch nur ein austauschbarer Schlips-Borg ist, der sich seiner Austauschbarkeit vermutlich bewusst ist. Es ist leicht, einzelne Akteure in diesem perversen Spiel zu verurteilen - das ändert aber nichts daran, dass man das Spielsystem, die Regeln, ändern muss. Ansonsten rücken einfach die nächsten Borg nach und alles bleibt beim Alten.
Falls Du meinen Nachtrag oben noch nicht bemerkt hast: Lies mal den verlinkten Text! Springers machen es gerade wieder vor, wie das geht - Millionengwinne einstreichen und trotzdem Hungerlöhne zahlen und sie weiter drücken! Die Prekarisierung macht keine Pause, sie geht unaufhörlich weiter.
Von Spinger habe ich nichts andres erwartet, ein bodenloser Skandal ist das trotzdem!!!! Danke für den Link, den ich auch gern weitergebe. Man sollte Jugendlichen heute wohl nicht mehr raten, JournalistIn zu werden.
Einfach pervers. Wer will in so ner (Arbeits)Welt denn bitte leben? Ich ganz sicher nicht.
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