Gestern las ich auf den Seiten des hochseriösen Qualitätsmediums WDR einen - offenbar knallhart recherchierten - Artikel mit dem wunderbaren Titel: "National-Express in NRW: Mehr Konkurrenz für die Bahn". Im Teaser wird dem Leser versprochen:
Das britische Unternehmen National Express wird ab 2015 Zugstrecken in NRW übernehmen - und interessiert sich für weitere. Damit betreiben fünf Konkurrenten der Deutschen Bahn Strecken in NRW. Billiger werden die Fahrkarten dadurch aber erstmal nicht. Fünf Fakten zu privaten Anbietern im Regionalverkehr. (Hervorhebung von mir)
Ich lege es Euch allen ans Herz, diesen kleinen Artikel zu lesen und die schiere Faktenflut, die dort geboten wird, zu genießen, denn der WDR hat dieses informationsbasierte Glanzstück, das offenbar von einem unbezahlten Praktikanten in der Pinkelpause geschrieben wurde und der die Abkürzung "PR" wohl für eine Kurzform von "Private Rail" hält, mit einem zusätzlichen Beitrag versehen, in dem die nun faktenreich und umfassend informierte Leserschaft ihre Meinung zu diesem Thema kundtun kann. Die Kommentarfunktion ist beim WDR ansonsten meist deaktiviert - es gibt seit geraumer Zeit dafür diese speziellen "Kommentar-Beiträge", die euphemistisch als "Dialog" gekennzeichnet sind - allein dafür gebührt dem Sender schon der Orwell-Award. Dieser "Dialog" beginnt jedenfalls gleich mit einem journalistischen Highlight, das wohl in jeder PR-Agentur Bonuszahlungen für den Autor nach sich zöge:
Es ist bunter geworden auf den Bahnhöfen im Land. Längst dominiert an manchen Stationen nicht mehr das Rot der Deutschen Bahn.
Ich will im Einzelnen gar nicht auf diese offenkundige Reklameaktion eingehen, da sie in einer dermaßen prekären, lächerlichen journalistischen Tarnung daherkommt, die schon an groteske Satire grenzt. Ein paar Details möchte ich aber doch herausgreifen - und zwar völlig ungeachtet der bei einem solchen Thema eigentlich auf der Hand liegenden Frage nach der Sinnhaftigkeit von "Privatisierungen", ganz besonders im Bereich der Bahn, sowie der grenzdebilen Forderung nach "günstigeren Preisen" bei "mehr Service und Komfort" - wobei auch hier wieder konsequent "vergessen" wird, auf die Arbeitsbedingungen und Entlohnungen der Menschen, die dort arbeiten müssen, auch nur hinzuweisen. Von der "Rendite", also dem eigentlichen Sinn und Zweck jedes "Unternehmens" in diesem System, und dem damit unweigerlich kollidierenden Sinn und Zweck einer Eisenbahn, fange ich gar nicht erst an.
Auf die wunderbar "präkognitive Frage" Warum sind die Preise bei privaten Anbietern im Fernverkehr günstiger?, welche die gewünschte Antwort im PR-Sinne eigentlich bereits enthält, entfährt dem Praktikanten auf dem WDR-Klo auf die Schnelle nur ein lauer "Furz mit Land" und er schreibt:
Offenbar ist das Geschäft auf der Fernstrecke für die privaten Anbieter nicht lukrativ. So stellte Interconnex seine Fernstrecken komplett ein. Grund ist unter anderem die Konkurrenz durch die günstigen Fernbusse.
Dies ist dann auch schon der informativste "Fakt", den dieser schamlose Werbetext zu bieten hat, auch wenn er dumpf ins Klo der Lobbyisten der "Fernbus"-Unternehmen plumpst. Man muss der Bahn eben ordentlich "Konkurrenz" machen - da müssen im Zweifel auch mal Busse herhalten, wenn Züge nicht mithalten können. Wahrscheinlich stecken letzten Endes aber sowieso wieder dieselben wenigen Großkonzerne hinter all diesen "verschiedenen Unternehmen", egal ob es sich nun um Bahnen oder Busse handelt - ich bin zu faul und zu genervt, das jetzt im Einzelnen zu recherchieren.
Das finale Feuerwerk dieser Groteske bilden aber tatsächlich die Kommentare im zweiten Beitrag (dort ganz nach unten scrollen und auf "Alle Kommentare anzeigen" klicken). Da hat sich bislang ein Jubelchor von immerhin 11 (in Worten: elf) Irren eingefunden, die in das Mantra der seligen Preisungen der "privaten Bahnen" munter einstimmen, als gebe es kein Morgen. Sofern es sich bei jenen Kommentatoren tatsächlich um BürgerInnen dieses Landes handelt, die von niemandem für ihre "Meinung" bezahlt werden, haben die Qualitätsmedien einmal mehr ganze Arbeit geleistet und jedes kritische Denken rückstandsfrei entsorgt - diese Gehirne sind nicht mehr nur sauber, sondern rein. Da weiß man, was auf dem Spiel steht.
Und der Praktikant hat sich hiermit die Stelle als Aushilfs-Unterredakteur beim WDR, befristet auf zwei Monate und bezahlt mit einem BLÖD-"Zeitungs"-Abo sowie einer eventuellen Audienz bei Friede Springer oder ihrem Pförtner, redlich verdient - das ist seine einmalige Chance, endlich zum "Schmied seines Glückes", also zum Millionär, zu werden! Hau rein, Junger!
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Preiset das Geld!
(Der offizielle Redaktionskanon des WDR - laut einem Whistleblower.)
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