- [Der Medizinjournalist] Hans Weiss kritisiert das Preisdiktat der Arzneimittelindustrie. Für Recherchen des Buches "Korrupte Medizin" ließ er sich zum Pharmavertreter ausbilden und stellte fest, dass die Medikamentenhersteller "zwei Gesichter" haben. (...)
Weiss: Da [auf einem Pharma-Kongress] ist auch ganz unverblümt davon die Rede gewesen, dass die Pharmaindustrie eine marketingorientierte Industrie ist und keine forschungsorientierte, dass viel zu viel Geld in Marketing hineingesteckt wird, viel zu wenig Geld in Forschung, und dass das, was rauskommt aus der Forschung, in der letzten Zeit sehr dürftig ist. Zum Großteil sind das nämlich nur Nachahmerpräparate und keine wirklichen Neuheiten.
Scholl: Ein weiteres Argument ist, dass die jeweiligen Wirkstoffe in den Medikamenten hohe Kosten verursachen. In Ihrem Buch, Herr Weiss, schreiben Sie, dass dieses Argument der größte Witz sei. Wieso?
Weiss: Ja, das ist ja eigentlich ein streng gehütetes Geheimnis, was die Wirkstoffe wirklich kosten. Ich habe das mit einem simplen Trick herausgefunden, wieder nach Art von Günter Wallraff. Ich habe mich ausgegeben als Import-Export-Händler, habe internationale renommierte Wirkstoffhändler angeschrieben - die Pharmaindustrie, also die großen Konzerne, die stellen ja nicht alles selber her, sondern lassen herstellen -, und ich habe mir für etwa 20 Medikamente, die in Deutschland häufig verwendet werden, Angebote stellen lassen.
Was kosten die Wirkstoffe, wenn ich da ein Kilo, zehn Kilo et cetera kaufe. Da waren Schmerzmittel drunter, Krebsmittel, Hochdruckmittel, Cholesterinsenker et cetera. Und das Verblüffende war, der Kostenanteil des Wirkstoffs am Verkaufspreis des Medikamentes, also das, was wir in der Apotheke für eine Packung bezahlen beziehungsweise das, was die Krankenkassen bezahlen, beträgt nur ein bis zwei Prozent. So niedrig. Das heißt, die Kosten des Wirkstoffes gehen eigentlich gegen null.
(Weiterlesen) - Klinikdirektor Arnold Ganser glaubt, dass Patienten nicht leiden würden, wenn manche Medikamente viel weniger kosteten.
WirtschaftsWoche: Herr Professor Ganser, müssen Medikamente so teuer sein, wie sie es heute sind?
Ganser: Nein, ganz sicher nicht. Jedenfalls nicht alle. In der Onkologie – für die kann ich am besten sprechen – liegen alle neu zugelassenen Präparate zumeist in einer Preiskategorie von 5000 bis 10.000 Euro pro Monat. Deutschland ist das einzige große Land, in dem die Hersteller Preise für patentgeschützte Arzneimittel frei festsetzen können. Sie orientieren sich ausschließlich an der hohen Kaufkraft der Menschen hierzulande.
WirtschaftsWoche: Der hohe Preis hat also nichts mit den Forschungs- oder Herstellungskosten zu tun?
Ganser: Nein. Wir haben zum Beispiel sehr alte Medikamente wie das Thalidomid, das in den Sechzigerjahren unter dem Namen Contergan als Schlafmittel zu trauriger Berühmtheit kam. Es ist jetzt erneut als Krebsmedikament zugelassen. Aber es ist weder neu noch teuer in der Herstellung. Dennoch bezahlt der Patient etwa 5000 Euro pro Monat dafür. Oder Arsentrioxid, das bei bestimmten Leukämiearten sehr hilfreich ist. Es kostet Pfennigbeträge in der Herstellung, aber 25.000 Euro im Behandlungszyklus.
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Anmerkung: An allen Ecken und Enden kann man offen und unverblümt sehen, in welche heillose Katastrophe ein wachstums- und profitorientierter Kapitalismus führt, es wird teilweise sogar medial benannt - und dennoch stellt niemand in den Medien und erst recht nicht in den "Volksparteien", die ja angeblich das "Wohl des Volkes" vertreten, ernsthaft die Systemfrage. Wieso wählt diese korrupten Parteien noch irgendjemand? Um einmal mehr Reinhard Mey zu zitieren: "Es ist, als hätten alle den Verstand verlor'n, sich zum Niedergang und zum Verfall verschwor'n, und ein Irrlicht ist ihr Leuchtfeuer geworden." (aus: "Das Narrenschiff")
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