Mittwoch, 30. Juni 2010

Aushungerung des Sozialstaates – "Sparen" als neoliberale Ideologie

  1. Die öffentliche Armut bildet im neoliberalen Projekt eines "Um-" bzw. Abbaus des Sozialstaates keinen Kollateralschaden, sondern dient als Mittel zur Stärkung der Wirtschaft, während der private Reichtum das Lockmittel darstellt, welches die "Leistungsträger" zu besonderen Anstrengungen motivieren soll. Häufig fordern Neoliberale gleichzeitig die Kürzung der Staatsausgaben, eine Senkung der Steuern und die Ausweitung der (wirtschaftsnahen) Staatsaufgaben. / Da gemäß der Standortlogik vor allem die Gewinnsteuern und die Spitzensteuersätze immer stärker gegen Null tendieren müssen, um Großinvestoren anzulocken und als "Wirtschaftsstandort" attraktiv zu bleiben, während die sozialen Probleme wachsen und der Staat immer mehr Aufgaben zu erfüllen hat, steigt dessen Kreditaufnahme. Gleichzeitig verfällt die soziale und Verkehrsinfrastruktur – wie in den USA und Großbritannien seit langem zu beobachten ist –, was Neoliberale wiederum zusammen mit der Staatsverschuldung skandalisieren, obwohl es sich dabei um die Früchte ihrer Konzeption eines "schlanken Staates" handelt.

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  2. (...) Zum einen profitiert die Regierung davon, dass derzeit eine Fußballweltmeisterschaft nicht nur die Nachrichten, sondern auch den Alltag vieler Menschen beherrscht. Einen besseren Zeitpunkt hätte sie kaum wählen können, um den erwartbaren Protesten von vornherein den Wind aus den Segeln zu nehmen.

    Hinzu kommt, dass viele der geplanten Sparmaßnahmen vor allem jene Bevölkerungsteile betreffen, die nicht in klassischen Institutionen - wie etwa in Gewerkschaften - organisiert sind. Das erschwert eine schnelle Mobilisierung zu Protesten. Gleichzeitig wurden die stärker organisierten Teile der Bevölkerung verschont. Die Steuerfreiheit von Nacht- und Sonntagszuschlägen wurde nicht angetastet, weil sonst die Arbeitnehmerverbände ganz schnell auf der Straße gewesen wären. Dass hingegen das Elterngeld für Hartz-IV-Bezieher gestrichen werden soll, juckt die meisten Beschäftigten kaum: Die Solidarität mit Arbeitslosen hält sich bei vielen in engen Grenzen.

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Anmerkung: Die neoliberale Bande lernt offenbar dazu - nun reicht nicht mehr nur eine WM als Ablenkungsmanöver, man macht sich anscheinend wirklich Gedanken darüber, wie man einen Protest - der von der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung gegen diese abstrusen, asozialen Pläne kommen müsste - abwenden kann. - Man fragt sich unwillkürlich, wieso das in Deutschland so perfekt funktioniert, während in Frankreich einmal mehr Millionen von Menschen auf der Straße stehen und gegen (vergleichsweise geringe, deshalb aber nicht minder perverse) Kürzungen zu protestieren? Muss bloß die deutsche Nationalmannschaft nun im Viertelfinale ausscheiden, damit es auch in Deutschland endlich losgeht? Wohl kaum.

Es scheint hierzulande tatsächlich kaum jemandem aufzufallen, dass die in immer größerem Umfang auf uns einprasselnden Medienberichte über "Sparmaßnahmen" auf bundesweiter, landesweiter und regionaler Ebene immer weiter ausufern - während nirgends auch nur ansatzweise Hintergründe berichtet oder gar Fragen gestellt werden, wie diese "Geldknappheit" denn überhaupt auftreten konnte. Die öffentlich-rechtlichen Medien versagen auf ganzer Linie, die privaten sowieso, und der so genannte "Qualitätsjournalismus" verhält sich wie eine Außenstelle des Propagandaministeriums.

Hallo? Ist noch jemand wach dort draußen? Hat schon jeder wieder vergessen, dass die neoliberale Bande die fehlenden Milliarden kürzlich den Milliardären in den überquellenden Sparstrumpf gestopft hat? - "Sieht denn hier keiner, dass der Kaiser keine Kleider anhat" (Reinhard Mey)?


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