Donnerstag, 1. Juli 2010

Kirgistan: Ein weiterer gescheiterter neoliberaler Staat

  1. Marktradikale Wirtschaftspolitik westlicher Berater und die Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation (WTO) bereiteten den Boden für eine soziale Dauerkrise

    Der Westen ist schockiert von den Entwicklungen in Kirgistan, bleibt aber Erklärungen schuldig, wie es soweit kommen konnte. Wurde Kirgistan nicht vor kurzem noch als Musterland, als die "Schweiz Zentralasiens" gepriesen? Derartige Lobpreisungen kamen etwa von dem schwedischen Ökonomen Anders Aslund, der den kirgisischen Präsidenten Askar Akajew sieben Jahre lang beraten hatte. Solange, bis der 2005 gestürzt wurde. In einem Jubel-Aufsatz für die Moscow Times schrieb der Ökonom im April: "Kirgistan ist eines der attraktivsten post-sowjetischen Länder und das einzige Land Zentralasiens, welches frei ist. Die Bevölkerung ist warmherzig und gut ausgebildet, die Zivilgesellschaft und die Offenheit entwickeln sich so wie nirgends sonst in der früheren Sowjetunion." (...)

    Der Politologe Nur Omarow von der Kirgisisch-Russischen Universität in Bischkek zeigt ein völlig anderes Bild. Schon seit 2007 herrschte in Kirgistan eine "humanitäre Katastrophe", schrieb der Wissenschaftler im Februar 2009 in einem Aufsatz für die Zentralasien-Nachrichten. Das UN-Büro zur Koordination humanitärer Angelegenheiten habe die Geber-Gemeinschaft im Dezember 2008 dazu aufgerufen, 21 Millionen Dollar zur Unterstützung der besonders armutsgefährdeten Bevölkerungsschichten bereit zu stellen. Eine Million Menschen litten unter Lebensmittelknappheit.

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  2. Genozid in Zentralasien

    Am 10. Juni versank der Süden Kirgisiens im Bürgerkrieg. Die Bilder erinnern an die Balkankriege, die zeitliche und organisatorische Koordination der Ereignisse erinnert jedoch eher an den Völkermord in Ruanda. In den Abendstunden tauchten maskierte Männer in den Straßen der Städte Osh und Dschalalabad auf. Die Killerkommandos, die teils mit schwarzen Bandagen am Unterarm uniformiert waren, kamen mit Pickups, schossen mit automatischen Waffen in die Menge, stürmten Häuser und Wohnungen, brandschatzten, vergewaltigten und verbreiteten mindestens vier Tage lang Angst und Schrecken. Die Opfer dieses Massakers gehörten beinahe ausschließlich zur usbekischen Minderheit, die in Osh und Dschalalabad allerdings rund 60% der Einwohner stellt. Wer die Täter waren, ist bis heute unbekannt. Fest steht lediglich, dass ihr blutiges Handwerk orchestriert wurde und die Drahtzieher sich im Süden Kirgisiens offensichtlich gut auskannten und einen Bürgerkrieg unter den Ethnien auslösen wollten.

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Anmerkung: Der Neoliberalismus scheitert überall - er muss ja per definitionem scheitern, wenn man keinen Orwell-Alptraum wünscht. Angesichts der Ereignisse in Kirgistan stellt sich nun einmal mehr die Frage, ob der Krieg, der den Zusammenbruch des Systems "verhindern" kann, weil man danach wieder alle Uhren auf "null" stellen und erneut mit dem miesen kapitalistischen Spiel beginnen kann, wirklich ungesteuert ausgebrochen ist. Alle verfügbaren Hinweise deuten doch darauf hin, dass irgendwelche, (noch?) unbekannte Personen das ganz gezielt geplant haben - wie das zu Beginn des zweiten Weltkrieges und des Balkan-Krieges auch gewesen ist, wie wir heute wissen.

In deutschen Medien ist das kein Thema. Schon gar nicht während der Fußball-Weltmeisterschaft. Hierzulande werden lieber weiter auch medial die schwarz-rot-goldenen Fahnen geschwenkt, während in Kirgistan ein offenbar inszenierter und gewollter Bürgerkrieg seine blutigen Kreise zieht. Man fragt sich, welchen Weg die neoliberale Bande den "populäreren" Staaten zugedacht hat ... in Griechenland hat sie ja auch bereits begonnen, den Untergang vorzubereiten. Doch anstatt eines massenhaften Protestes sieht man in Deutschland nur wie im Wahn aufgerissene Augen, während Fahnen geschwenkt, alberne Tröten geblasen und Millionäre, die einem Ball nachjagen, wie von Sinnen angefeuert werden. - Tun sie uns etwas ins Trinkwasser?

Die Lage ist hoffnungslos, die Propaganda und die Narkotisierung der Bevölkerung allumfassend. Wäre ich Tucholsky, müsste ich mir allmählich überlegen, welcher Suizid der passende für mich wäre. Zum Glück bin ich nur Charlie.

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