- Coup vor der Sommerpause: Steffen Seibert, Nachrichtenmann beim ZDF-Flaggschiff heute-journal, wird [die] Kanzlerin und ihre Regierung künftig in der Öffentlichkeit vertreten. Schon im August soll er die Nachfolge von Ulrich Wilhelm antreten. (...)
Seibert wird seine Arbeit am 11. August aufnehmen, wie das Bundespresseamt mitteilte. Merkel freue sich auf die Zusammenarbeit. Seibert folgt Ulrich Wilhelm, der als Intendant zum Bayerischen Rundfunk (BR) wechselt.
(Weiterlesen) - (...) Dass aber jenes Amt [des Regierungssprechers] gar keine Spielwiese für Journalisten sein kann, weil das Ideal, das kleine Einmaleins des Journalismus dort nicht mehr waltet, die Neutralität nämlich, die Objektivität und die kritische Recherche, spricht Seibert in einem Anflug von Paradoxie dennoch an. Er wolle mit aller Kraft helfen, sagt er, die Politik der Bundesregierung unter Führung von Bundeskanzlerin Merkel, den Bürgern zu vermitteln. Denn es sei eine Politik, die die richtigen Schwerpunkte setze, um unserem Land in diesen schwierigen Jahren eine gute Zukunft zu sichern. (...) Aber dennoch sagt uns diese Stellungnahme viel, auch wenn sie zuerst nach gar nichts klingt: der leidenschaftliche Journalist ist von den Grundsätzlichkeiten seiner Profession weit entfernt. Er ist nicht neutral, nicht kritisch, nicht objektiv - er ist parteiisch, gutgläubig, subjektiv: er ist das personifizierte Verlautbarungsorgan seines Dienstherrn. Er erzählt, was die Regierung von ihn erwartet; er tut kund, was man ihm aufschreibt; er vermittelt Vordiktiertes - das ist nicht journalistisch: das ist propagandistisch!
(Weiterlesen) - (...) Die Personalie hätte zudem das Zeug zur Tragikomödie, wenn es nicht so bitterernst wäre. Da sitzt der ZDF-Journalist Seibert also bald am Tisch mit der Macht - und dient nun genau der Frau, die mit ihrer Partei im vergangenen Jahr knallhart den Rausschmiss des ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender betrieb - auch so eine Sache, die im Gegensatz zum sonstigen Koalitionskuddelmuddel erstaunlich gut geklappt hat.
Damals setzte Seibert seine Unterschrift unter einen Protestbrief gegen die Demission seines Chefs. Jetzt will er, wie er in einer knappen Stellungnahme wissen ließ, "mit aller Kraft helfen", Merkels Politik "den Bürgern zu vermitteln". Man wüsste gern, was er sich dabei denkt. Denn seit der Causa Brender steht die Staatsferne des ZDF - und damit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt - im Mittelpunkt der Diskussion. Dass nun mit Ulrich Wilhelm ein Regierungssprecher ausscheidet, um bei der ARD als Intendant anzufangen, und an seine Stelle ausgerechnet ein ZDF-Mann nachrückt - ein absurderes Signal für fehlende Staatsferne könnte es kaum geben.
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Anmerkung: Vielleicht wird durch diesen Vorgang ja noch weiteren Menschen klar, dass wir mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk keine "freien" Medien haben, sondern dass es sich dabei größtenteils um politisch gesteuerte Propagandamedien handelt? Das "Fernsehen der DDR" lässt grüßen!
Übrigens ist die Behauptung im taz-Kommentar und anderen Artikeln, u.a. in der Süddeutschen Zeitung, falsch, Seibert habe den Protestbrief an Merkel wegen des Rauswurfes von Nikolaus Brender mit unterschrieben, wie man hier (ab Minute 5:30) sehen kann.
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