Freitag, 9. März 2012

Die Rückkehr der Gestapo

Die bewährte grundsätzliche Zuständigkeit der Länder für polizeiliche Gefahrenabwehr, aber auch die Trennung zwischen Polizei und Nachrichtendiensten werden aufgehoben. Die rechtsstaatliche Polizei denaturiert zur Geheimpolizei (...). (...)

Nach Belieben kann sich die Polizei selbst von den Fesseln der Strafprozessordnung befreien. Es gibt keine strafrichterliche Kontrolle und keine Erkenntnismöglichkeiten für die Gerichte über die polizeilichen Methoden der Beweiserhebung. (...)

Besonders bedenklich ist es, dass umgekehrt auch der Bundesnachrichtendienst polizeiliche Eingriffsbefugnisse erhält, also nach seinem Ermessen Strafverfolgung einleiten, ja sogar das Bestehen einer konkreten Gefahrenlage oder eines Tatverdachts feststellen darf. Damit wird das rechtsstaatlich unabdingbare Strafverfolgungsmonopol der Staatsanwaltschaft außer Kraft gesetzt. Die Bewertung des Bundesnachrichtendienstes als Bundesgeheimpolizei liegt nahe. (...)

Wenn weder der Bürger noch die rechtsstaatliche Strafjustiz von polizeilichen Ermittlungen Kenntnis erhalten, um sie zu kontrollieren, ist das Ende des Rechtsstaats eingeläutet. Aber das scheint in unserer Gesellschaft fast niemanden zu stören. Die Ökonomie hat den Rechtsstaat seit langem überrollt und zehrt ihn auf. Die soziale Kontrolle dient zunehmend der Stabilität des ökonomischen Systems - weitgehend ohne Rechtsschutz für den Einzelnen. Werden das Recht und der Rechtsstaat dagegen zu reaktivieren sein?

(Weiterlesen)

Anmerkung: Dieser erschütternde Text, der einem Brandbrief gleicht, stammt nicht etwa aus der Feder eines Journalisten oder linken Politikers, sondern von dem konservativen Kriminologie-Professor Peter-Alexis Albrecht (hier ein Foto). Wenn aus solchen Kreisen derartige Warnungen, die fast schon resignativ klingen, kommen, ist das Kind bzw. der Rechtsstaat längst im Brunnen und bereits zur aufgequollenen Wasserleiche verkommen.

Bitte lest den Artikel aufmerksam - es ist wahrlich unerhört, welche weitreichenden Befugnisse sowohl die Polizei, als auch der Nachrichtendienst inzwischen (wieder) haben. Auch die beschriebene Tatsache, dass alle diese Ermittlungen völlig unkontrolliert und sogar ohne jeden Anfangsverdacht - also willkürlich - erfolgen können, ist extrem beängstigend. Prof. Albrecht ist nicht der einzige, der in diesem Zusammenhang an einen Vergleich mit der Gestapo denkt.

In der Öffentlichkeit dürfte dies relativ unbekannt sein, da die Propagandamedien auch diesen Skandal nahezu nicht thematisieren. So fügt sich ein Puzzleteil ins nächste - und wieder einmal stellen wir verwundert fest, wie sehr der "internationale Terrorismus" dem elitären Gaunerpack doch gelegen kommt, denn natürlich wurden auch diese Polizei- und Nachrichtendienst-"Reformen" mit eben dieser Begründung durchgezogen. Wenn wir nicht verdammt gut aufpassen, heißt es bald wieder in Deutschland:

Wer läutet draußen an der Tür,
kaum dass es sich erhellt?
Ich geh schon, Schatz. Der Bub hat nur
die Semmeln hingestellt.

Wer läutet draußen an der Tür?
Bleib nur; ich geh, mein Kind.
Es war ein Mann, der fragte an
beim Nachbarn, wer wir sind.

Wer läutet draußen an der Tür?
Lass ruhig die Wanne voll.
Die Post war da; der Brief ist nicht
dabei, der kommen soll.

Wer läutet draußen an der Tür?
Leg du die Betten aus.
Der Hausbesorger war's; wir soll'n
am Ersten aus dem Haus.

Wer läutet draußen an der Tür?
Die Fuchsien blühn so nah.
Pack, Liebste, mir mein Waschzeug ein
und wein nicht: sie sind da.

(Theodor Kramer [1897-1958]: "Wer läutet draußen an der Tür", geschrieben am 18. Juni 1938, in: Gesammelte Gedichte Bd. 1-3, 1989)

8 Kommentare:

jakebaby hat gesagt…

2007 hatte ich kurz auf 0815 vermerkt:

"BKA gräbt nach eigenen braunen Wurzeln"
http://www.netzeitung.de/deutschland/796110.html

"Die Aufarbeitung werde das Vertrauen in die Polizei und den Rechtsstaat stärken."

Alleine in diesem oberflaechlichen Resume' wird klar, dass sich der haessliche Inhalt dieser 'Aufarbeitung' kontinuierlich und uebelriechender Weise bis in unsere heutige Gegenwart erstreckt.

Somit macht das Ganze nicht den geringsten Sinn, vor allem, da man gerade auesserst und wie gewohnt willig, den potenziellen Handlanger eines faschistoid tendierenden Systems verkoerpert."

Die Akten bleiben weiterhin unter Verschluss!
Womit klar wird, dass, was, kurzgegriffen, vor rund 80 Jahren Begann, sich nicht wiederholt, sondern kontinuierlich beibehalten, entwickelt und letzendlich optimiert wurde.

Nicht erst seit heute, aber auch weiterhin muesste sich (fast) jeder Deutsche, auch fuer jeglichst andere fatalen Entwicklungen, so dermassen verarscht, belogen und betrogen fuehlen. .. Nach '45 vor Allen der Deutsche!

Ich habe mich vor Jahren kurz ein wenig intensiver mit diesem Thema beschaeftigt ... bis ich das staendige Kotzen nicht mehr ertragen konnte.
Wundern oder gar erschuettern kann mich Nichts(mehr) in keinster Weise.

Wie du weist, bin ich schon seit rund 30 Jahren auf dem 'Alles Scheisse'-Trip, waehrenddessen meine uebelsten Zukunftsprognosen allerweil mal von der, noch uebleren Realitaet getopped wurden.
Macht Nix, ist nur eine exzessivierte Bestaetigung der Entwicklung boesartigster Absichten.

Grusel?
Jake

jakebaby hat gesagt…

"KRIEG UND LEICHEN - DIE LETZTE HOFFNUNG DER REICHEN" John Heartfield. (Passt auch gut in deine, grauslich vergegenwaertigende "Simplicissimus-Sammlung)

Zum Thema eine oberflaechliche Gesamtuebersicht.
Links sind allesamt gediegen aufschlussreich.
http://jakester-express.blogspot.com/2010/11/schwarzbraun-ist-die-haselnuss-vor-33.html

Gruss
Jake

FünfVorZwölf hat gesagt…

Da läuft´s mir eiskalt den Rücken runter. Theodor Kramer war Jude und Sozialdemokrat und wusste sehr genau, worüber er da schrieb - die Nazis haben ihn ins Exil getrieben.

"Die Annexion Österreichs im Jahre 1938 bedeutet für Th.K. Berufsverbot, Arbeitslosigkeit, Verlust der Wohnung und zunehmende Aussichtslosigkeit. Im August 1938 erleidet er einen psychischen Zusammenbruch. Die Gedichte, die zwischen März und Juli 1938 angesichts der nazistischen Bedrohung entstehen, werden erst 1946 unter dem Titel „Wien 1938“, ergänzt durch Gedichte aus dem britischen Exil, in dem Sammelband des Globus-Verlages "Wien 1938/Die Grünen Kader" publiziert. Seit Herbst 1938 versucht Th.K. verzweifelt, aber lange erfolglos, in ein Asylland zu entkommen. England, die Schweiz, die USA und die Dominikanische Republik werden ins Auge gefaßt. Nach einer Intervention von Thomas Mann, gelingt Th.K. im Juli 1939 die Flucht nach England. Seine Ehefrau hat schon im Februar 1939 nach England ausreisen können. Im selben Jahr setzt die Reichsschrifttumskammer alle Schriften Theodor Kramers auf die „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“."

http://www.theodorkramer.at/index.php?option=com_content&view=article&id=6&Itemid=6

Wohin steuert dieser Staat nur? Du hast Recht: Wenn Leute wie dieser Albrecht Alarm schlagen, ist eigentlich schon alles zu spät.

Anabelle hat gesagt…

Man stelle sich vor, die Gestapo hätte seinerzeit über die technischen Überwachungsmöglichkeiten verfügt, die heutigen Schnüffelbehörden zur Verfügung stehen .... Es muss einem Angst und Bange werden, wenn man diese Entwicklung ansieht.

Im Film "Brazil" wurde das schon in 80er Jahren vorhergesagt - weit sind wir von diesen Zuständen nicht mehr entfernt:

http://www.youtube.com/watch?v=nSQ5EsbT4cE

Charlie hat gesagt…

@ Jake: Man muss da schon ein bisschen differenzieren, wie es der zitierte Kriminologe ja auch tut - nach 1945 fab es schon eine deutliche Zäsur und eine (zumindest offizielle) strikte Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten, auch wenn es zweifelsfrei viele Alt-Nazis gab, die im Rahmen dieses Systems ihre Schlupflöcher gefunden haben. Das wurde in der Tat nie aufgearbeitet und ist bis heute ein Skandal.

Dennoch ist es ein ganz klarer und offensichtlicher Schritt zurück in die finstere Vergangenenheit, was nun im Rahmen der neoliberalen Zerstörung seit den 80er Jahren und verstärkt seit 1998 und 2005 in Deutschland passiert - die hier genannten Beispiele aus dem Bereich der Polizei und Geheimdienste sind da ja nur ein Puzzleteil. Insofern finde ich den Begriff der Wiederholung angemessener als hier eine Kontinuität entdecken zu wollen. Letztlich ist das aber Haarspalterei.

Wichtig finde ich: Da es heute offensichtlich wieder eine - durch CDU, SPD, FDP und Grüne ermöglichte - grundgesetzfeindliche Geheimpolizei in Deutschland gibt, von der die Bevölkerung größtenteils gar nichts weiß oder sie (was noch wesentlich schlimmer wäre) "nicht so schlimm" findet, ist der Zeitpunkt, seine Koffer zu packen, wieder in greifbare Nähe gerückt. Diesmal allerdings stellt sich noch viel ernsthafter die Frage als damals: Wohin zur Hölle sollte man fliehen? Es herrscht doch fast überall derselbe Ungeist.

Nach einigen Mails zum Thema "Computerspiele" (Du hast das in den Kommentaren hier vielleicht ein wenig verfolgt), glaube ich zu wissen, wohin sich ein Großteil gerade der jüngeren Menschen angesichts der schlimmen Lage flüchtet ... und das macht alles andere als hoffnungsfroh. Denn in der virtuellen Spielewelt wird die Realität sie schneller einholen, als sie "upps" sagen können.

Charlie hat gesagt…

@ FünfVorZwölf:

Müsste Dein Nickname nicht "FünfNachZwölf" lauten? ;-) - Danke aber für Deine Ergänzungen - vielleicht setze ich manchmal zuviele Kenntnisse über Autoren voraus.
Deine Hinweise sind wichtig und korrekt, ich hätte mehr über Theodor Kramer schreiben oder verlinken sollen.

Charlie hat gesagt…

@ Anabelle:

Diese Gedanken habe ich ständig - der Massenmord der Nazis wäre noch wesentlich schrecklicher ausgefallen, wenn es damals schon diese Möglichkeiten der Überwachung gegeben hätte, die es heute gibt. Und da es aktuell wieder stramm in dieselbe schlimme Richtung geht, sollten schon lange alle Alarmglocken läuten!

"Brazil" ist übrigens ein Film, der nicht nur den Polizeiterror und die Überwachung fantastisch thematisiert - ich hoffe, viele kennen und verstehen ihn! Die Szene, die Du gepostet hast, passt aber wirklich so gut wie kaum eine andere. Zum Zusammenhang muss man vielleicht anmerken: In dieser Szene geht es darum, dass aufgrund eines simplen technischen Fehlers ein völlig unbescholtener Mensch für einen "Terroristen" gehalten und entsprechend "behandelt" wird - das alles spielt in einer Orwell'schen Überwachungs-Alptraumwelt, die in den 80er Jahren noch Science Fiction war, heute aber verdammt nah an unsere Realität heranreicht.

Der Schluss dieser Szene ist schon fast ein Klassiker: "Mistake? We don't make mistakes!!"

jakebaby hat gesagt…

"Insofern finde ich den Begriff der Wiederholung angemessener als hier eine Kontinuität entdecken zu wollen." ? ...

Anhand der bewussten, beabsichtigten, stetig und druckvollen 'Fehlentwicklung Deutschlands', von '45 bis Jetzt, ist Haarspalterei & Wiederholung eine naive Ignoranz.
Nicht nur auf Deutschland bezogen, bezeichne ich Zeitraueme zwischen Uebel & Uebel als notwendig produzierte, kurze Verschnaufpausen, in welchen den Leutchen vorgegaukelt wird, dass jetzt alles besser wird/ist/bleibt/ ...
Man kann ja nicht mit der Tuer ins Haus fallen.

Jetzt darf ich mich ja noch zu den 'Gluecklichen zaehlen, welche in einem Deutschland aufwuchsen, Welches einem einen positiven Eindruck vermittelte.
Wie schon zuvor 'irgendwo vermerkt, habe ich das auch gerne gelebt, ..... aber auch ohne historisch & presentes Wissen, mussten einem, schlicht und einfach, stetig negative Entwicklungen auffallen.
Wenn leider Allzuviele nichts Genaues wussten, musste negatives ES doch Jeder zumindest fuehlen!?
Durchweg und bis Heute fuehlen Das mit Sicherheit die Meisten!
Aber die Essenz dieser, so alt&'Gut bewaehrten, Propaganda laehmt Sie, wie Sie es schon immer tat.
Mit Furcht und Angst ueber eine 'unwissend, aber 'bewusstgefuehlte Gewissheit.
Laehmung ... Bravo! Da kann ich nur ein Lob aussprechen .... Funktioniert weiterhin Einwandfrei!!!

Gewohnt kontrovers, blendest du Dies, trotz deiner, nahezu 100%ig realpessimistischen Beitraege aus.
Ich hatte/habe schon immer liebliche Opponents, welche durchweg Gestern, Heute und Morgen in absolut meinem pessimistischen Sinne beschreiben, und mich dennnoch peinlich verharmlosen.

Bei aller Liebe, faehrt mir da allerweil ein Fuck Ya'll durch die Windungen.
Ich hasste Geschichte schon in der Schule, aber gewohntnegative Ablauefe sollten selbst dem Ungebildetsten gelauefig sein. (wenn auch nur gefuehlsmaessig)

Lindernd, bewusst betruegerische Atempausen zwischen Uebel & Uebel .... dafuer steht Deutschland als eines der hervorragenden Musterbeispiele!!

Solltest du das Anders sehen, muesstest du aufhoeren Es staendig zu bestaetigen.

Gruss
Jake