Dienstag, 1. Juni 2010

Bayerischer Rundfunk: Nun auch offiziell Parteisender der Union

  1. Mit Ulrich Wilhelm wird ein getreuer Paladin der Kanzlerin Chef eines öffentlich-rechtlichen Senders. Ein ungeheuerlicher Schritt: Die Verflechtung von Politik und Medien erreicht eine neue Qualität.

    An diesem Donnerstag geschieht in der bayerischen Landeshauptstadt München etwas Ungewöhnliches; etwas, das es bisher in der Geschichte der Bundesrepublik so nicht gab; etwas ohne Anstand, schamlos, ein Übergriff: der bisherige Sprecher der Bundesregierung Ulrich Wilhelm (CSU) wird übergangslos Intendant eines der größten öffentlich-rechtlichen Medienhäuser in Europa, des Bayerischen Rundfunks. Im zuständigen Gremium, dem Rundfunkrat des Senders, ist die Mehrheit längst gesichert. Der bisherige Amtsinhaber ist vorzeitig zurückgetreten, um diesen Wechsel möglich zu machen. Bis auf eine kleine Minderheit sind die Gremienmitglieder auch noch froh und stolz, eine so bedeutende Persönlichkeit gewonnen zu haben. Gute Kontakte zur Politik sollen dem Sender eine sichere Zukunft garantieren. Der demokratische Imperativ, so ein Sender habe "staatsfern" zu sein, steht zwar in der Verfassung, de facto wird er in dieser Woche aber Lügen gestraft.

    (Weiterlesen)


  2. (...) Warum der schwarze Smartie nun zurück nach München will, hat er nicht verraten. Aber dass sein Wunsch erfüllt wird, steht außer Frage: Der 48-Jährige folgt Thomas Gruber als Intendant des Bayerischen Rundfunks. Das ist eine öffentlich-rechtliche Anstalt und keine Dependance der Regierung. Oder doch? Der Chef-Sessel im Münchener Funkhaus ist nun fest in der Hand der CSU. Schließlich muss die Macht medial abgesichert werden. Da geht es in der deutschen demokratischen Bundesrepublik nicht anders zu als in, sagen wir, Venezuela. Nur geräuschloser. Empörung über diesen Coup ist kaum zu vernehmen.

    (Weiterlesen)


Anmerkung: Die neoliberale Bande macht sich nicht einmal mehr die Mühe, ihre Angriffe auf die Demokratie halbwegs zu verschleiern - im Vertrauen darauf, dass das - ohnehin nur noch partielle - Rauschen im Presseblätterwald schnell wieder verstummen und man zur Tagesordnung zurückkehren wird. Der Bayerische Rundfunk ist nun innerhalb kürzester Zeit der zweite öffentlich-rechtliche Sender (nach dem ZDF), der offen seine politische Souveränität eingebüßt hat. Die Frankfurter Rundschau schreibt weiter dazu: "Es ist verblüffend, mit welcher Chuzpe Angela Merkel und ihre Freunde sich des Rundfunks als Beute bemächtigen. ARD wie ZDF und Deutschlandradio sollen als Anstalten des öffentlichen Rechts unter dem Banner der 'Staatsferne' zur demokratischen Meinungsbildung beitragen. Die Unions-Politiker glauben offensichtlich, nicht mal mehr den Schein wahren zu müssen. Hauptsache, treue Vasallen sitzen in den Sendern." - Bin ich eigentlich der einzige, dem angesichts solcher Manipulationen der Begriff "Unrechtsstaat" in den Sinn kommt?

Keine Kommentare: