(...) Nach dem Großen Gedenkjahr 2009 stehen neue Höhepunkte der SED-Diktatur-Aufarbeitung und der Würdigung deutscher Einheit bevor. Einem sind wir schon ganz nahe: dem 20. Jahrestag der "ersten freien und demokratischen Wahl" in der DDR. Eigenartigerweise ist im prall gefüllten Programmkalender der Stiftung keine Veranstaltung zu diesem historischen Jubiläum vorgesehen. Das überrascht. Sollte es dem Ex-Pfarrer [Rainer Eppelmann] etwa peinlich sein, dass sein damaliger Vorsitzender im "Demokratischen Aufbruch", Wolfgang Schnur, kurz vor der Wahl als lang gedienter inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit aufflog? Oder befürchtet er, dass die in der europäischen Geschichte einmalige Einmischung der BRD in das Wahlgeschehen eines souveränen Nachbarstaates schlecht zu den Attributen "frei" und "demokratisch" passt? Hält er es für ratsam, Gras darüber wachsen zu lassen, dass Heerscharen von bundesdeutschen Parteigrößen einschließlich Kohl und Brandt auf unzähligen Wahlkundgebungen in der DDR auftraten, zig Tonnen Propagandamaterial made in West-Germany das Land überschwemmten, Dutzende hauptamtliche Wahlkreisgeschäftsführer entsandt wurden, Millionen und Abermillionen Wahlkampfgelder gen Osten flossen, zehn Tage vor der Wahl der Vorstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in Dresden tagte? Und das alles, obwohl sich beide deutsche Staaten im Artikel 6 des Grundlagenvertrages feierlich und rechtsgültig zur Einhaltung des Grundsatzes verpflichtet hatten, "dass die Hoheitsgewalt jedes der beiden Staaten sich auf sein Staatsgebiet beschränkt. Sie respektieren die Unabhängigkeit und Selbständigkeit jedes der beiden Staaten in seinen inneren und äußeren Angelegenheiten." Zu den "inneren Angelegenheiten" gehören eigentlich auch Wahlen.
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Anmerkung: Die SED-Diktatur, die es ja unstreitig gegeben hat, muss sicherlich aufgearbeitet werden - aber die Einseitigkeit und ideologische Verbohrtheit, mit der das gegenwärtig geschieht, ist inakzeptabel und ein weiteres Zeichen dafür, dass Gesamtdeutschland inzwischen in einer kapitalistischen Wirtschaftsdiktatur angekommen ist. Es bleibt zu hoffen, dass die Wissenschaft zukünftig kritischer mit diesem Thema umgeht, als es die Verantwortlichen und die Medien gegenwärtig tun.
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Anmerkung: Die SED-Diktatur, die es ja unstreitig gegeben hat, muss sicherlich aufgearbeitet werden - aber die Einseitigkeit und ideologische Verbohrtheit, mit der das gegenwärtig geschieht, ist inakzeptabel und ein weiteres Zeichen dafür, dass Gesamtdeutschland inzwischen in einer kapitalistischen Wirtschaftsdiktatur angekommen ist. Es bleibt zu hoffen, dass die Wissenschaft zukünftig kritischer mit diesem Thema umgeht, als es die Verantwortlichen und die Medien gegenwärtig tun.
2 Kommentare:
Ein sehr guter Artikel! Die Wahl von 1990 beweist nicht nur durch ihre Wahlkampfeinmischung sondern auch durch ihre heruntergesetzten Sperrklauseln von 0,125 Prozent eine deutliches Interesse an der "feindlichen Übernahme". Gäbe es heute eine so geringe Sperrklausel währen deutlich mehr Möglichkeiten für Regierungswechsel in prekären Situationen möglich. Es ist dennoch erstaunlich, dass trotz massiver Stasi Affäre SPD und PDS zusammen auf 38 Prozent gekommen sind. Wäre die Volkskammer nicht auf 400 Mandate reduziert, die Sperrklausel auf 5 Prozent und die Sitzzuteilung nicht nach Niemeyer Verfahren eingesetzt worden selbst dann wäre es (auch mit massiven CDU Wahlkampf und Stasi Affäre) möglich, dass SPD und PDS zu einer Mehrheit gekommen wären. Ich bin immer noch überzeugt, dass es das Anliegen der Bürger war diesen Staat zu reformieren, obwohl ich keine Verbindung zu dem System habe, da ich erst nach der Wende geboren wurde.
Danke für die Kritik. Ich halte es auch für eine wahrlich fatale, gewiss aber nicht "zufällig" erfolgte historische Notiz, dass aus den Protesten in der damaligen DDR gerade kein eigenständiger, neuer, tatsächlich sozialistischer Staat entstanden ist. Die Auswirkungen dieser fatalen, natürlich von interessierter Seite gesteuerten Entwicklung können wir heute in ganz Europa und natürlich auch in Deutschland mit Entsetzen beobachten. Dennoch ist dies ja leider erst der Beginn des kapitalistischen Showdowns - das "richtige" Feuerwerk erwartet uns alle erst noch.
Von einer tatsächlichen, wissenschaftlich fundierten Aufarbeitung der Ereignisse 1989/90 müssen wir uns aber sowieso verabschieden, solange das kapitalistische System nicht nur Politik und Medien, sondern natürlich auch die Geistes- und Gesellschaftswissenschaften dominiert. Die wenigen wissenschaftlichen und dokumentatorischen Feigenblätter, die es zum Thema der manipulierten Einverleibung der ehemaligen DDR durch den Kapitalismus gibt, verschwinden völlig unbeachtet in der bis heute andauernden Flut von teilweise schon lächerlicher kapitalistischer "Freiheits"-Propaganda auf allen Ebenen.
Um so schöner ist es, wenn gerade auch junge Menschen wie Du sich hierüber eigene Gedanken machen und nicht blind dem DDR-Bashing und gleichzeitigem Ausblenden aller Kritikpunkte, die den damaligen Westen betreffen, folgen, das unsere Propagandamedien nach wie vor unablässig vom Stapel lassen.
Liebe Grüße!
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