Dienstag, 29. Dezember 2009

Afghanistan: Briefe von der Front

  1. "Gestern Abend mit einem komischen Gefühl meine Ausrüstung fertig gemacht. Es geht nach Kundus. In den Krieg? Jedenfalls sterben dort Menschen." - Die Weihnachtspost der deutschen Soldaten aus Afghanistan.

    Hallo, mein Liebling, ich bin kaum aus der Tür und vermisse Euch jetzt schon so sehr. Wir fliegen in einer halben Stunde ab, und Du kannst Dir nicht vorstellen, was es für ein Gefühl ist, von Euch getrennt zu sein. Ich melde mich, sobald ich die Möglichkeit habe. Mach Dir keine Sorgen. Ich liebe Dich.
    Oberstleutnant Markus Mossert*, 35, Masar-i-Scharif 2009.
    (*Namen von der Redaktion geändert)

    Nach 6 Stunden Flug ab Köln landeten wir gegen 22:30 Uhr örtlicher Zeit in Termes, Usbekistan. Am nächsten Morgen ging es weiter nach Kabul, endlich mal wieder Transall fliegen. Dieser Lastesel der Bundeswehr fliegt seit knapp 40 Jahren. Zum Pinkeln hätte ich eine Klappe im Flugzeugheck benutzen dürfen, immerhin mit Anstandsvorhang. Ich habe verzichtet.
    Oberstabsarzt Jens Weimer*, 34, Kabul 2006.

    Es war schon ein komisches Gefühl, in Termes aus dem Luftwaffenairbus zu steigen, in den am nächsten Morgen der Sarg mit dem gefallenen deutschen Hauptfeldwebel eingeladen wurde, um ihn nach Deutschland zu fliegen. Die Stimmung als gelöst zu beschreiben würde es nicht treffen.
    Stabsoffizier Hermann West*, 40, Kabul 2008.

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  2. Qualitäts-Journalismus, wie er selten geworden ist: In einer akribischen Recherche sammelte die Redaktion des "SZ Magazins" Feldpostbriefe, SMS und E-Mails, die deutsche Soldaten vom Einsatz in Afghanistan in die Heimat schickten. Die Schreiben zeigen Einblicke in den Alltag inmitten kriegerischer Auseinandersetzungen. "Dieses Heft", so Chefredakteur Dominik Wichmann, "sollte eigentlich auch der Bundeswehr ein Anliegen sein." Tatsächlich haben die Streitkräfte den "SZ"-Report mit allen Mitteln torpediert.

    Für die Dokumentation hatten etliche Soldaten, vom Gefreiten bis zum Oberstleutnant, ihre Briefe und Unterlagen zur Verfügung gestellt. Die Folge: Wochenlang verschickte die Bundeswehr Mails, mit denen das Erscheinen der Titelgeschichte verhindert werden sollte. Unter dem Druck musste die Redaktion in 18 Fällen die Namen betroffener Soldaten ändern, um diese vor Repressalien zu schützen.

    Mit welcher Intention und Geisteshaltung die Stabsstellen der Bundeswehr vorgingen, zeigen Mails, die dem "SZ Magazin" zugespielt wurden. "Ziel des Artikels", heißt es darin etwa, "ist es nach Aussage der Redaktion, den Lesern einen möglichst realistischen Einblick in den Alltag des deutschen Kontingents zu geben." Und weiter: "Ggf. besitzen die Journalisten bereits Kontakte zu Soldaten, die sich für das Projekt zur Verfügung stellen würden." In typischer Armee-Diktion wird nüchtern festgestellt: "PrInfoStab hat entschieden, das Vorhaben nicht zu unterstützen. Anfragen der 'SZ' nach Kontakten zu Soldaten sind daher abzulehnen."

    Die Redaktionsleitung des Magazins merkt dazu im Editorial an: "Uns ist nicht klar, inwiefern das Ziel, 'einen möglichst realistischen Einblick in den Alltag des deutschen Kontingents zu geben', nicht vereinbar mit den Interessen des Militärs in einem demokratischen Land sein kann."

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