Der Mittelstand hingegen hat das Nachsehen und wird bald den Aufstand proben.
Der Untergang der kommunistischen Staaten in Osteuropa hat den sozialdemokratischen Sozialstaat westeuropäischer Prägung unter zunehmenden Druck gesetzt. Und in der Tat: Der westliche Sozialstaat war, historisch gesehen, in erster Linie eine Maßnahme gegen den Aufstand der Massen, gegen die kommunistische Gefahr, gegen die drohende totale Enteignung der vermögenden Klassen. Solange die Angst vor dem Kommunismus akut war, war auch die Bereitschaft des Bürgertums durchaus vorhanden, in erheblichem Maß Steuern zu zahlen, um die Massen zu pazifizieren und die kommunistische Gefahr zu bannen. Der Sozialstaat, wie jeder Staat überhaupt, dient nämlich weder der Gleichheit noch der Gerechtigkeit, sondern vielmehr der Sicherheit. Und jeder weiß, dass Sicherheit Geld kostet – manchmal auch viel Geld. Allerdings hat das Ende des Weltkommunismus bei vielen das Gefühl erzeugt, dass die Sicherheitslage sich verbessert hat und die Investitionen in die Pazifizierung der Massen dementsprechend gesenkt werden können.
Ob dies stimmt oder nicht, ist eine empirische Ermessensfrage, die nicht theoretisch behandelt werden kann. Es stellt sich aber eine andere Frage, die durchaus von theoretischer Relevanz ist: Gibt es für die vermögenden Klassen einen anderen Grund, den Sozialstaat zu pflegen, außer der etwas antiquierten Aufgabe, die kommunistische Revolution zu verhindern? Nun, ich würde sagen, dass es diesen Grund gibt, denn es ist der Sozialstaat, dem die heutigen vermögenden Klassen ihr Vermögen verdanken. (...)
In letzter Zeit redet man viel über den neuen immensen Reichtum der Superreichen. Auf den Listen mit den Namen dieser Superreichen, die hin und wieder publiziert werden, finden sich die Namen der Besitzer von Aldi oder Ikea neben denjenigen der Ölmagnaten aus Saudi-Arabien und Russland. Nun fragt man sich: Welchen Rohstoff besitzen Deutschland und Schweden, der mit dem Öl verglichen werden könnte? Dieser Rohstoff ist der Sozialstaat. Denn der Sozialstaat erzeugt eine riesige Masse von armen, aber nicht völlig verarmten Konsumenten, die in großer Zahl billige Produkte konsumieren – und somit große Vermögen entstehen lassen. Das heutige Kapital verkauft den Sozialstaat an ihn selbst – und verdient dabei in einem Ausmaß, das früher unvorstellbar schien.
(Weiterlesen)
Anmerkung: Ein bemerkenswerter Artikel für die Zeit. Angesichts der dort vertretenen Ansicht darf man allerdings gespannt die Frage stellen, wieso die "Elite" dennoch so vehement und unnachgiebig daran arbeitet, den Sozialstaat weiter zu zerstören?
Der Untergang der kommunistischen Staaten in Osteuropa hat den sozialdemokratischen Sozialstaat westeuropäischer Prägung unter zunehmenden Druck gesetzt. Und in der Tat: Der westliche Sozialstaat war, historisch gesehen, in erster Linie eine Maßnahme gegen den Aufstand der Massen, gegen die kommunistische Gefahr, gegen die drohende totale Enteignung der vermögenden Klassen. Solange die Angst vor dem Kommunismus akut war, war auch die Bereitschaft des Bürgertums durchaus vorhanden, in erheblichem Maß Steuern zu zahlen, um die Massen zu pazifizieren und die kommunistische Gefahr zu bannen. Der Sozialstaat, wie jeder Staat überhaupt, dient nämlich weder der Gleichheit noch der Gerechtigkeit, sondern vielmehr der Sicherheit. Und jeder weiß, dass Sicherheit Geld kostet – manchmal auch viel Geld. Allerdings hat das Ende des Weltkommunismus bei vielen das Gefühl erzeugt, dass die Sicherheitslage sich verbessert hat und die Investitionen in die Pazifizierung der Massen dementsprechend gesenkt werden können.
Ob dies stimmt oder nicht, ist eine empirische Ermessensfrage, die nicht theoretisch behandelt werden kann. Es stellt sich aber eine andere Frage, die durchaus von theoretischer Relevanz ist: Gibt es für die vermögenden Klassen einen anderen Grund, den Sozialstaat zu pflegen, außer der etwas antiquierten Aufgabe, die kommunistische Revolution zu verhindern? Nun, ich würde sagen, dass es diesen Grund gibt, denn es ist der Sozialstaat, dem die heutigen vermögenden Klassen ihr Vermögen verdanken. (...)
In letzter Zeit redet man viel über den neuen immensen Reichtum der Superreichen. Auf den Listen mit den Namen dieser Superreichen, die hin und wieder publiziert werden, finden sich die Namen der Besitzer von Aldi oder Ikea neben denjenigen der Ölmagnaten aus Saudi-Arabien und Russland. Nun fragt man sich: Welchen Rohstoff besitzen Deutschland und Schweden, der mit dem Öl verglichen werden könnte? Dieser Rohstoff ist der Sozialstaat. Denn der Sozialstaat erzeugt eine riesige Masse von armen, aber nicht völlig verarmten Konsumenten, die in großer Zahl billige Produkte konsumieren – und somit große Vermögen entstehen lassen. Das heutige Kapital verkauft den Sozialstaat an ihn selbst – und verdient dabei in einem Ausmaß, das früher unvorstellbar schien.
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Anmerkung: Ein bemerkenswerter Artikel für die Zeit. Angesichts der dort vertretenen Ansicht darf man allerdings gespannt die Frage stellen, wieso die "Elite" dennoch so vehement und unnachgiebig daran arbeitet, den Sozialstaat weiter zu zerstören?
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