Mittwoch, 3. März 2010

Schöne neue Arbeitswelt

Wie glücklich macht eigentlich Arbeit in einer Gesellschaft, deren Betriebssystem auf Konkurrenz, Siege und Niederlagen setzt?

Gott brachte die schweißtreibende Arbeit als Strafe über den Menschen. "Sie ist die wesentliche Voraussetzung für die Selbstverwirklichung der Menschen und für ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben", erläutert uns dagegen der DGB im Grundsatzprogramm Zukunft der Arbeit. Sollte die Bibel doch Recht haben? Solche paradoxen Befindlichkeiten gegenüber der Arbeit, die dem Geschichtsontologen Karl Marx als "ewige Naturnotwendigkeit" erschien, prägen einen diffusen Begriff jenseits einer eindeutigen positiven oder negativen Besetzung. Arbeit macht das Leben sauer und bietet andererseits hohe Zufriedenheitsgarantien - und sei es nur die einer höheren gesellschaftlichen Achtung gegenüber Menschen ohne Arbeit. (...)

Unerträglich ist nicht das geläufige Lob von Arbeitseifer, Motivation und Selbstverantwortung per se, sondern die flächendeckende Projektion auf eine Wirtschafts- und Arbeitsgesellschaft, die in ihrem Betriebssystem auf Konkurrenz, Siege und Niederlagen gerichtet ist. Westerwelles Welt ist eine Siegerwelt, in der Opfer Betriebsunfälle sind und jene, die behaupten, Opfer zu sein, prima facie auf ihren Simulantenstatus untersucht werden müssten.

Allerdings ist es nicht Westerwelles Privileg, die göttliche Strafe der Arbeit zum heroischen Akt zu stilisieren. "Es gibt kein Recht auf Faulheit in unserer Gesellschaft" erläuterte uns bereits 2001 der pragmatische Sozialdemokrat Gerhard Schröder, seinerzeit noch Bundeskanzler, heute fleißiger Lobbyist. Einige menschliche Charaktereigenschaften schlicht auf gesellschaftliche Strukturen hochzurechnen, ist der übliche politisch naive Einseitigkeitsdiskurs, der nie akzeptiert, dass Arbeitslose, "Loser", Verbrecher und das auch im übrigen sehr heterogene Personal wuchernder Parallelgesellschaften systematisch und notwendig von Verhältnissen gemacht werden, um eben diese Gesellschaft zu reproduzieren. (...)

Stehen wir nicht längst vor einem kompletten Umbau, besser: Umbruch des Wirtschaftssystems und der Arbeitswelt, der konkrete Lebensumstände, Arbeit und Geldkreisläufe entkoppeln muss, um zu erträglicheren Konditionen zu kommen? Vielleicht wäre dann das prekäre "Lohnabstandsgebot" umgekehrt zu interpretieren: Wer arbeitet, bekommt weniger als jene, die darauf verzichten, einen der verbliebenen Arbeitsplätze für sich zu reklamieren. Je glücklicher die Arbeit macht, desto weniger Lohn wird dafür gezahlt.

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Anmerkung: Bis es in Polit-Kreisen angekommen ist, dass eine "Vollbeschäftigung" (womit eine auskömmliche Lohnarbeit für alle arbeitsfähigen Menschen gemeint sein sollte, was in der Politik aber nicht so gemeint ist) in diesem Wirtschafts- und Geldsystem ein hochalberner Popanz ist, der weder erreicht werden kann, noch darf, werden Millionen von Jahren vergehen oder - was wahrscheinlicher ist - Revolten, Revolutionen und Kriege über die Menschen hereinbrechen. - Nach "Glück" fragt die neoliberale Ideologie aber ohnehin nicht - sie setzt voraus, dass die "Elite" (also die Superreichen) schon glücklich ist, wenn sie immer mehr Reichtum anhäufen und darin baden und immer mehr Macht über andere Menschen gewinnen kann. Wie glücklich die übrigen 90% der Menschen sind, interessiert da nicht einmal am Rande. Dem Neoliberalismus folgt der Faschismus auf dem Fuße - das war so, ist so und wird auch weiterhin so sein.

Parteispenden: Die gekaufte Demokratie

(...) Laut Saarbrücker Zeitung vom 16. Februar 2010 flossen insgesamt rund 20 Millionen Euro Spenden von Firmen und Verbänden, davon fast 14 Millionen in die Kassen von CDU und CSU. Auf der Spenderliste der Union stehen mehr als 50 Unternehmen. Zu den Gönnern der vergangenen vier Jahre zählen aber auch arbeitgebernahe Verbände sowie Privatleute wie die Industriellen-Familie Quandt, die zu den namhaftesten CDU-Geldgebern gehört. (...)

Besonders die jetzigen Regierungsparteien stützen sich bei ihren Einnahmen auf Firmenspenden. Während diese ebenso gängige wie aufschlussreiche Praxis in den Medien so gut wie keine Rolle spielt und deshalb von der Bevölkerung kaum wahrgenommen wird, war dagegen der Aufschrei groß, als bekannt wurde, dass August Baron von Finck, Mitinhaber der Mövenpick-Gruppe, die in Deutschland 15 Luxushotels betreibt, der FDP 1,1 Millionen Euro und der CDU 820.000 Euro gespendet hat und die Koalitionsparteien danach beschlossen, die Mehrwertsteuer auf Hotelübernachtungen zum 1. Januar 2010 von 19 auf 7 Prozent zu senken. Hoteliers zahlen seitdem rund eine Milliarde Euro weniger Steuern. (Unbeachtet blieb leider, dass SPD und Grüne von 1998 bis 2008 allein vom Allianz-Konzern rund 1,1 Millionen Euro kassierten. Beide Parteien hatten die Versicherungsindustrie mit milliardenschweren Rentenversicherungen beglückt.) (...)

Auch der Fraktionsvize der Linkspartei im Bundestag, Ulrich Maurer, kritisiert: "Deutschland wird mehr und mehr zur gekauften Demokratie." Er will Spenden von Unternehmen an Parteien generell verbieten. Abgeordnete sollten außerdem nicht auf den Gehaltslisten von Wirtschaftsverbänden und Großbetrieben stehen. Die Linke hat einen Gesetzentwurf angekündigt, um die Bestechung von Parteien zu verhindern. "Was nach jetzigem Stand rechtlich zulässig ist, muss deswegen politisch nicht gerechtfertigt sein", erklärte Dagmar Enkelmann (Die Linke). "Nicht das große Geld, sondern die Interessen der Wählerinnen und Wähler müssen das Sagen haben."

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Anmerkung: Man kann es nicht oft genug wiederholen: Solange Parteien sich - rechtlich abgesichert - über Spenden finanzieren dürfen, solange werden sie natürlich die Interessen der Spender vertreten, und nicht die der Bürger. Genauso verhält es sich bezüglich des Postengeschachers, in dem politische Entscheidungsträger vor/während ihrer Amtszeit oder meistens nach deren Ende mit gutbezahlten Posten versorgt werden. Das schreit geradezu nach Korruption und ist ganz sicher ein Grund für den unsäglichen Rechtsdrift der politischen Landschaft. Parteispenden müssen generell verboten werden!

Gehirnwäsche: Über neoliberale "Think-Tanks"

Wir sind geradezu umzingelt von interessengeleiteten Think-Tanks, die reflexartig ihre Geschützrohre in Stellung bringen, wenn sie ihre sozialstaatsfeindlichen Positionen gefährdet sehen. Das umso mehr, wenn diese Gefahr vom höchsten Gericht ausgeht. Als Denkfabriken getarnte Propaganda-Agenturen versuchen sofort, mit allen Mitteln die Stimmung im Lande in ihrem Sinne zu beeinflussen und sie drehen selbst den Karlsruher Richtern ihren Spruch im Munde herum.

Wenn es nicht gelingt, diese massive Manipulation der öffentlichen Meinung zu durchschauen und damit auch zu durchbrechen, dann bleibt die Mehrheit der Bevölkerung Freiwild dieser Propagandaapparatur, die mit viel Geld und publizistischer Macht ausgestattet ist.

Westerwelle ist dabei nur (...) die spendengehätschelte Marionette derjenigen, die auch hinter den PR-Agenturen stehen.

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Bericht über Geheimgefängnisse - UN-Menschenrechtsrat wird unter Druck gesetzt

Der UN-Menschenrechtsrat hat einen Bericht über geheime Inhaftierungen verfasst. Doch manche Staaten wehren sich gegen die Veröffentlichung. Was steht in dem Dokument?

Der US-Stützpunkt Guantanamo auf Kuba, eine litauische Reitschule und ein Gefängnis in Afghanistan: Diese Orte sind zum Synonym geworden für ein System, in dem der US-Geheimdienst CIA seit dem 11. September 2001 Terrorverdächtige ohne Rechtsgrundlage inhaftiert, verhört und gefoltert hat. Doch nicht nur die USA, auch Dutzende andere Länder auf der ganzen Welt haben im Kampf gegen den Terror [sic!] Verdächtige in Geheimgefängnissen festgehalten und damit Menschenrechte verletzt. Zu diesem Ergebnis kommen Experten des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen. In einem neuen Bericht dokumentieren sie Fälle in Ländern wie China, Russland, Syrien, Pakistan, Saudi-Arabien, Indien und Usbekistan. Es ist der erste Bericht, der die Praxis der geheimen Inhaftierungen weltweit untersucht. (...)

Obwohl die Praxis der geheimen Inhaftierung einen klaren Verstoß gegen die Menschenrechte darstelle, werde sie im Namen des Antiterrorkampfes nach wie vor weltweit angewandt, so die Bilanz der Experten. Dies sei ein "ernstes Problem", heißt es in dem 221-seitigen Bericht, der in einer vorläufigen Fassung auf der Internetseite des Menschenrechtsrates steht.

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Anmerkung: Wir dürfen nun alle gespannt sein, welche Konsequenzen auch unsere tolle Regierung daraus ziehen wird. Es sei eine Prognose gewagt: Keine.

Westerwelles Amoklauf

  1. Was Westerwelle bewusst oder fahrlässig suggeriert, ist, dass Arbeitenden und mittelständischen Unternehmern von ihrer Leistung vor allem deshalb immer weniger bleibt, weil Hartz-IV-Empfängern und anderen sozial Schwachen eine menschenwürdige Existenz ermöglicht werden soll. (...)

    Nicht die Umverteilung von der Mitte nach unten ist also das Problem, sondern die Umverteilung von Mitte UND unten nach ganz oben. Denn nur ein winziger Bruchteil dessen, was der Mittelstand erarbeitet, geht an die Hartz-IV-Empfänger. Der Löwenanteil fließt zu den Superreichen.

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  2. Westerwelles schräges Zahlenspiel

    Viele brüskierend, beklagt Guido Westerwelle einen ausufernden Sozialstaat. Doch seine Argumente sind zweifelhaft.

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  3. Ganz allein lief Arnold Schnittger in elf Tagen von Hamburg bis in die Hauptstadt, schob dabei den Rollstuhl seines Sohnes. In Berlin angekommen, ging er zur Polizei und erstattete Anzeige. Gegen FDP-Chef und Vizekanzler Guildo Westerwelle.

    Delikt: Beleidigung, lautet der Vorwurf, den die Beamten des Abschnitts 32 unter der Vorgangs-Nr. 100225-1500-120500 aufnahmen.

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  4. Der schneidige [sic!] Rechtsanwalt Westerwelle sollte einmal fünf Jahre lang unter Hartz-IV-Bedingungen leben müssen und dann reden. Geradezu unsäglich, was da zu hören ist. Wo ist denn der, der dem Volk "anstrengungslosen Wohlstand verspricht", und wie wirklichkeitsgetrübt ist Westerwelles Folgerung, dass Menschen, die von Arbeitslosengeld II leben müssen, regelrecht "zu spätrömischer Dekadenz" eingeladen sind? Und wer fordert diejenigen, die arbeiten, denn auf, sich dafür zu entschuldigen, dass sie von dem, was sie für ihre Arbeit bekommen, auch etwas behalten wollten? Was Westerwelle und andere meinen, vor sich hertreiben zu müssen, sind rhetorische Pappkameraden.

    Die Beschimpfung von Hartz-IV-Empfängern, für deren Unterhalt von den Leistungsträgern per Steuern mutmaßlich soviel transferiert werde, dass Arbeiten sich nicht mehr lohnt, geht einher mit der Ablehnung eines Mindestlohns. Dies kann sich messen lassen mit den einst gebräuchlichen sozialistisch-dialektischen Winkelzügen zur Verschleierung eigener Widersprüche. Und "spätrömische Dekadenz" spielt allabendlich in den Schickimicki-Lokalen auf, in denen die – wohl hart arbeitende! – politische Klasse sich tummelt, um ihr Leistungsentgelt in den wirtschaftlichen Kreislauf zu schaufeln.

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  5. Westerwelles Fakten stimmen mal wieder nicht, aber die Medien machen fleißig mit

    Dass Westerwelle in der Schule beim Thema "Geschichte des antiken Roms" gefehlt haben muss, wurde neben seinem grenzwertigen Auftritt vor der Bundespressekonferenz Thema, begleitet von Hohn und Spott. (...)

    Das finge zum Beispiel beim aktuellen Arbeitsmarktbericht der Bundesagentur für Arbeit an, dem zu entnehmen ist, dass ein eklatantes Missverhältnis von als arbeitslos gemeldeten Personen und offenen Stellen besteht, mit der Tendenz der Zunahme; nicht der offenen Stellen, sondern des Missverhältnisses. Aber kommen wir nun zum zweiten Irrtum, dem der angeblich zu guten Absicherung Arbeitsloser in Deutschland. Da wäre es hilfreich, mal einen Blick in eine aktuelle Studie der OECD zu werfen. Die OECD ist nicht etwa ein gewerkschaftsnahes Institut oder steht dem von Westerwelle vermutetem "Sozialismus" nahe, sondern "ist eine Internationale Organisation mit 31 Mitgliedstaaten, die sich Demokratie und Marktwirtschaft verpflichtet fühlen" (Wikipedia). Nun hat eben diese OECD eine Studie veröffentlicht, die besagt, dass es den deutschen Arbeitslosen im Vergleich mit unseren europäischen Nachbarn gar nicht so gut geht.

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Anmerkung: Westerwelle ist kein "schneidiger Rechtsanwalt", wie der Kommentator des Freitag sich versteigt, sondern ein alberner, aalglatter Rechtspopulist. Selbstverständlich weiß er, dass er Unsinn redet - er tut das aus Gründen, die natürlich seiner Klientel (bzw. seinen Bauchrednern, für die er die Marionette spielt) geschuldet sind. Und diese Klientel sind keineswegs Rechtsanwälte, Apotheker oder kleine Unternehmer, wie die Zeit meint - die werden von der FDP genauso hinters Licht geführt, wie die SPD das zuvor mit ihrer breiten Wählerschaft auch gemacht hat. Nein, die wirkliche Klientel, die dahintersteckt, ist ein kleiner elitärer Kreis Superreicher, die Westerwelle wie einen Hampelmann benutzen.