Donnerstag, 4. September 2014

Ein lauer Furz im Spätsommer: Goodbye, "Ad Sinistram"


Ich habe lange gezögert - aber heute ist es soweit und ich schmeiße Lapuentes Blog "Ad Sinistram" aus der Blogroll. Das ist wahrlich kein bedeutender Vorgang, sondern nur ein lauer, nicht einmal sonderlich übelriechender Mini-Furz im fortdauernden dissonanten Geschrei und Geblinke des Internets - daher sollten auch nur diejenigen weiterlesen, die sich mit "Ad Sinistram" auch schon intensiver auseinandergesetzt haben und ihre wie auch immer gelagerte Meinung dazu haben. Für alle anderen folgt hier nur redundanter, langweiliger Mist.

Schon vor längerer Zeit habe ich aufgehört, das Blog regelmäßig zu lesen - zu oft hatte ich zuvor dort Inhalte vorgefunden, die mich entweder nicht interessierten oder die ich als viel zu oberflächlich aufbereitet wahrgenommen habe. Besonders gestört hat mich von Anfang an die offenkundig gewollt verschwurbelte Sprache des Autors, die allerdings, wie ich schnell bemerken musste, keine tiefergehenden, intellektuellen Ursachen hatte, sondern offensichtlich stets Selbstzweck war. Wenn aber schlichte Inhalte sprachlich völlig unnötig verklausuliert werden und dies auch noch in einer Weise stattfindet, welche die sprachlichen Grenzen des Autors allzu offenkundig werden lässt, stellt sich unmittelbar die Frage, was dem Autor hier wichtiger ist: Der Inhalt oder die Form?

Später habe ich mehrmals versucht, kritische Anmerkungen in den Kommentaren dort zu hinterlassen - allerdings ist keine einzige davon freigeschaltet worden. Kritik - und sei sie auch noch so sachlich - ist dort offenbar unerwünscht. Selbstverständlich steht es jedem Blogbetreiber frei, das so zu handhaben, zumal sich Lapuente dort ja nie selber einbringt, er also an Diskussionen oder einem kritischen Austausch mit den LeserInnen seiner Ergüsse wohl nicht interessiert ist - ich persönlich finde das allerdings wenig sinnvoll und als Leser eher abschreckend.

Soviel zur Vorgeschichte. Nun hat der Mann aber ein Posting veröffentlicht, das für mich der noch fehlende Tropfen gewesen ist, der das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen gebracht hat. In diesem Text beklagt auch Lapuente den "neuen Snobismus" der "Elite", also die inzwischen wohlbekannte, widerliche "Verrohung der Mittelschicht", über die schon viel - darunter auch viel Gutes - geschrieben worden ist. Allerdings bezieht sich Lapuente hier ausgerechnet auf den widerwärtigen Artikel der Heidemarie Brosche aus der Süddeutschen, über den ich mich kürzlich schon ausgelassen habe. Er allerdings bewertet diesen Artikel offensichtlich nicht kritisch, sondern benutzt ihn gar zur Untermauerung seiner Kritik am bösen, strunzdämlichen Klischee vom "faulen, dummen, arbeitsscheuen Hartz-Gesindel". Hat der Mann diesen Text tatsächlich gelesen und ihn - auch zwischen den Zeilen - verstanden? Zumindest letzteres muss ich stark bezweifeln.

Lapuente gehört zu den "Salon-Linken" vom Schlage der Nachdenkseiten, die grundsätzlich überhaupt kein Problem mit dem Kapitalismus haben und ihn "nur" in seiner "neoliberalen Extremform" ablehnen - ohne zu erkennen, dass eben diese "Extremform" letztlich nur die vollkommen logische, unausweichliche und stets wiederkehrende Endform dieses furchtbaren Systems ist, das ja nicht zufällig heute erneut wieder in der präfaschistischen, menschenverachtenden Gosse angekommen ist, wo die kapitalistische Welt vor 100 Jahren schon einmal gewesen ist. Die furchtbaren Folgen der damaligen Katastrophe sind bekannt - offensichtlich aber von vielen noch immer nicht begriffen.

Werter Roberto, es ist an der Zeit, das pseudo-intellektuelle Gehabe endlich abzulegen und sich stattdessen mit der tatsächlichen Bildung des Intellektes zu befassen - lieber spät als nie.

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[Zurück zum "guten Kapitalismus"]


"Ja, ja - unsere Zukunft liegt in der Vergangenheit!"

(Zeichnung von Thomas Theodor Heine [1867-1948], in "Simplicissimus", Heft 40 vom 31.12.1918)

Mittwoch, 3. September 2014

Zitat des Tages: Landschaft der Seele


Kein Himmel. Nur Gewölk ringsum
Schwarzblau und wetterschwer.
Gefahr und Angst. Sag: Angst - wovor?
Gefahr: Und sprich - woher?
Rissig der Weg. Das ganze Feld
Ein golden-goldner Brand.
Mein Herz, die Hungerkrähe, fährt
Kreischend über das Land.

(Albrecht Goes [1908-2000], in: "Lichtschatten du. Gedichte aus fünfzig Jahren", Fischer 1978)

Dienstag, 2. September 2014

Song des Tages: Snake Oil




(Saga: "Snake Oil", aus dem Album "Generation 13", 1995)

We hope you're feeling better
We know you've been under the weather
We can put you back together
But nothing will last forever

We hope you're feeling better
You're a little bit under the weather
If we put you back together
Would you want to live forever?

We hope you're feeling better
We know you've been under the weather
We can put you back together
But nothing will last forever

We hope you're feeling better
You're a little bit under the weather
If we put you back together
Would you want to live forever?

Anmerkung: "Generation 13" ist eines der besten mir bekannten Konzeptalben der progressiven Rockmusik der vergangenen 20 Jahre - es ist daher auch bezeichnend, dass fast niemand es kennt. In diesem kleinen Ausschnitt aus diesem grandiosen Mammutwerk wird der allzu dämliche, weichgewaschene und zynische Versuch der elitären Obrigkeit einer dystopischen Orwell-Welt in Musik gegossen, den "fehlgeleiteten", weil selber denkenden und daher auf oppositionelle Wege geratenen Protagonisten zurück in die dumpfe Schlichtheit der dystopischen Einheits- bzw. Sklavengesellschaft zu führen. Das gewählte musikalische Zirkus-Thema an dieser Stelle ist ein flammender Kommentar zum nur noch absurd zu benennenden Zustand der in dieser Rockoper beschriebenen, furchtbaren Welt - die wenig zufällig unserer heutigen verkommenen Realität verdächtig nahe kommt.

Ich kann jedem nur empfehlen, sich das komplette Werk anzuhören - und das nicht nur einmal, sondern immer wieder. Diese Musik hat zum Glück nichts mehr zu tun mit den Saga-Songs aus den 80ern, mit denen die Band einstmals kommerzielle Erfolge feierte. So beginnt das Epos ... doch wie es endet, findet Ihr besser selber heraus.


Montag, 1. September 2014

Journalismussimulation: Wenn der Mainstream einen Hauch Realität erschnüffelt


In seinem Blog bei "standart.at" hat der österreichische Journalist Robert Misik vor kurzem einen kleinen Text veröffentlicht, den er mit der folgenden Überschrift versehen hat:

"Wenn die Welt am Abgrund torkelt / Wohin man blickt: Kollaps- und Zusammenbruchserscheinungen"

In der frohen Hoffnung, endlich einmal Klartext von einem zumindest halbwegs "etablierten" Mainstream-Journalisten, der gelegentlich sogar schon vergleichsweise an Vernunft grenzende Artikel veröffentlicht hat, lesen zu dürfen, in dem nun auch Ross und Reiter beim Namen genannt und vielleicht sogar der eine oder andere Hintergrund beleuchtet werden könnte, öffnete ich den Text - und blickte völlig entgeistert auf drei einsame, kleine Textabsätze nebst einem Schlusssatz. Nein, Klartext ist hier natürlich nicht zu erwarten, Hintergrundinformation erst recht nicht.

Es scheint für heutige Mainstream-Journalisten schon einer ausgewachsenen Novemberrevolution biblischen Ausmaßes gleichzukommen, wenn überhaupt einmal der zarte Versuch gewagt wird, leicht zweifelnde Fragen diffus in den Raum zu stellen, die eine mögliche Verbindung von "Finanzkrise", "Wirtschaftkrise" und drastisch zunehmenden Kriegen weltweit zum Inhalt haben - nur um sie gleich danach durch einen albernen, das vorher ultraleicht Angedeutete sofort wieder ins Absurde ziehenden Schlussatz zu relativieren. Diese drei Absätzchen illustrieren ganz vorzüglich die totale Bankrotterklärung des westlichen, "freiheitlich-demokratischen" Journalismus' und entblößen ihn unfreiwillig als wesentlichen Bestandteil der kapitalistischen Dauerpropaganda.

Es ist fast unnötig zu erwähnen, dass weitere wesentliche Bestandteile der momentanen, auf Untergang gestimmten Endphase des kapitalistischen Zyklus' - wie etwa die massiv anwachsende Armut bis hin zum furchtbaren Elend auch inmitten der Zentren der kapitalistischen Geld- und Prunk-Burgen, die gleichzeitige Anhäufung von absurdesten Super-Vermögen in den Händen einiger weniger offensichtlich geistesgestörter Individuen oder auch das zum absurden, gar grotesken Theater aufgeblähte Wahl- und Medienspektakel des pseudodemokratischen Buhlens gleichgeschalteter neoliberaler Blockparteien um "Wählerstimmen" - in diesem Textlein gar nicht erst vorkommen. Die Worte "Kapitalismus", "Neoliberalismus", "Korruption" oder meinetwegen auch irgendwelche Synonyme dieser Begriffe kommen dort gar nicht erst vor - die bösen Katastrophen brechen auch in Misiks kleiner rosafarbenen Kindergartenwelt offenbar wie von Geister- oder Gotteshand geführt quasi schicksalhaft über die armen Menschen herein, die dem teuflischen Unheil scheinbar hilflos ausgeliefert sind.

Eigentlich würde und müsste ich solchen Blödsinn schon seit vielen Jahren gar nicht mehr lesen und ihn erst recht nicht mehr bewerten - wenn es da nicht das kleine fatale Detail gäbe, dass trotz aller offenkundiger Absurditäten noch immer eine große Anzahl von Menschen dieser strunzdummen Propaganda regelmäßig auf dem Leim geht und sie - man fasst das nicht - gar für mehr oder weniger "unabhängige" Informationen hält.

Was treibt beispielsweise einen Herrn Misik dazu, aus dem reichhaltigen Fundus der gegenwärtigen Untergangssymptome nur einige wenige herauszugreifen, sie aneinanderzureihen und nicht einmal um sieben Ecken die Frage nach den tatsächlichen Ursachen dafür zu stellen, die ja wahrlich nicht schwer zu ermitteln sind? Misik ist gewiss kein dummer Mensch - was also treibt jemanden wie ihn an? Ist es denn wirklich so profan, dass einjeder nur an seine eigene "berufliche Existenz", das eigene Bankkonto, die eigene "Stellung" in diesem völlig verkommenen, pervertierten System denkt?

Wenn das zuträfe, hätten die perversen Eigennutzmehrer der neoliberalen Bande das Spiel einmal mehr gewonnen - und anachronistische Relikte wie ich stürben demnächst aus. Ich bin geneigt, den Konjunktiv an dieser Stelle als einen letzten Rest meines humanistischen Wunschdenkens anzusehen.


"Die Freiheit der Presse."

(Zeichnung von Thomas Theodor Heine [1867-1948], in "Simplicissimus", Heft 40 vom 31.12.1918)