Freitag, 18. Juni 2010

Zitat des Tages (37): Aufschub

Noch ein Tag! schreien die Hähne
Mit ihren Posaunen aus Bronze
Die zerlumpte Nacht verjagend.

Noch ein Tag! sagen die Blumen
Und glätten für des Mittags Besuch
Ihre roten Dolden.

Noch ein Tag! verrät deine Aorta
Meinem horchenden Ohr
Das Orakel auf dem Grund deiner Brust.

Noch ein Tag! Aber der Abend naht
Wer wetzt die Sense
Und lässt die Rosen bluten auf dem Tisch?

Unter der Lawine des Mondes
Durch dein von Strahlen umkröntes Haupt
Seh ich schon deinen Totenschädel

(Claire Goll [1891-1977]: Versteinerte Tränen. Karlsruhe 1952)


Europas "Sparprogramme": Im alten neoliberalen Takt

  1. Überall in Europa verfolgen die Regierungen dasselbe Rezept: Sie wälzen die Kosten der Krisen und Bankenrettungen auf die breite Bevölkerung ab. Irgendwer muss ja dafür zahlen. Aber ist das ökonomisch sinnvoll? (...)

    Die Regierungsrezepte gleichen sich zuweilen bis aufs Haar – und entstammen dem neoliberalen Lehrbuch. Keine Neueinstellungen im öffentlichen Dienst und/oder Entlassungen von Staatsangestellten, Anhebung der Verbrauchssteuern und/oder der allgemeinen Mehrwertsteuern, Lohnsenkungen für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, Kürzung der Renten, Reduzierung der Sozialausgaben und höhere Steuern für die breite Bevölkerung: Wer soll da noch die Wirtschaften wieder ankurbeln?

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  2. Auf einer Klausurtagung am vergangenen Sonntag und Montag beschloss die Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP Kürzungen der Sozialausgaben, die alle bisherigen Sparmaßnahmen in den Schatten stellen. Vor allem die sozial Schwachen sollen zur Kasse gebeten werden. Arbeitslose, Hartz-IV-Empfänger, Alleinerziehende und Rentner sollen für die Wirtschaftskrise und die Milliardenverluste von Spekulanten und Profiteuren bezahlen. (...)

    Doch in Wirklichkeit ist das aggressive Sparprogramm der schwarz-gelben Bundesregierung ein Ergebnis der Tatsache, dass sich Merkel und Westerwelle der Unterstützung von SPD und Gewerkschaften bewusst sind. Erst vor wenigen Wochen sprach die Kanzlerin auf dem Bundeskongress des DGB und erhielt von den Gewerkschaftsfunktionären viel Beifall.

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  3. Es ist so gekommen, wie es vorherzusehen war: Drastische Einsparungen bei den Ärmsten der Armen, vage Ankündigungen über Belastungen von Banken und der Wirtschaft, das ist das Ergebnis der Sparklausur von Schwarz-Gelb. Wer je das Märchen geglaubt haben sollte, Merkel vertrete sozialdemokratische Ansichten [die auch von der SPD nicht mehr vertreten werden], der sieht sich nach dem gestern vorgestellten Sparpaket eines besseren belehrt. Hartz IV wird verschärft, das Fördern vollends abgeschafft, Altersarmut für Arbeitslose programmiert, die Streichung des Elterngelds für Hartz-IV-Empfänger kann man nur noch als als soziale Eugenik bezeichnen.

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  4. Kaum ein anderes Land der Eurozone steckt so sehr in der Krise wie Irland, und kaum irgendwo wird der Bevölkerung so viel abverlangt wie hier. Und doch hält sich der Widerstand in Grenzen. Warum?

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Anmerkung: Wie es vorherzusehen war, nutzen wieder viele Regierungen die Zeit der Fußball-WM, um soziale Grausamkeiten auf den Weg zu bringen. In diesen Tagen diskutieren die Menschen eher über Freistöße, Torchancen und Abseitsentscheidungen und verfallen in nationale Euphorien, wie sie absurder nicht sein könnten - während hinter verschlossenen Türen ihre Zukunft europaweit radikal beschnitten wird. Man muss kein "Verschwörungstheoretiker" sein, um diesen zeitlichen Zusammenhang einmal mehr festzustellen.

Nirgendwo - vielleicht mir Ausnahme von Island - werden tatsächliche Konsequenzen aus der Finanzkatastrophe gezogen. Überall geht alles weiter den gewohnten neoliberalen Weg - und besonders die deutsche Regierung prescht wieder voran und will noch etwas schlimmer sein als der Rest der Bande.

Man wähnt sich im Tollhaus: Da tanzt ganz Europa mitsamt dem Rest der Welt haarscharf am Rande des Abgrunds, und wie auf der Titanic werden rauschende Feste gefeiert und bedeutungslose Nationalflaggen geschwenkt, während allenthalben die Rufe aus dem Ausguck nach unten dringen: "Endzeit in Sicht!"

Die einzigen, die wirklich Grund zum Feiern hätten, halten sich lieber zurück und arbeiten währenddessen emsig daran, dass ihre Pfründe erhalten bleiben und sich auf Kosten der großen Mehrheit der Menschen weiter vermehren.

"Beam me up, Scotty - there's no intelligent life down here."

Ausbeutung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Meine Oberchefin aus dem Rundfunk hat mich angerufen und sich um mein Wohl gesorgt. Sie steht drei Hierarchiestufen über mir, himmelhoch. Warum ich so frustriert sei, wir hätten uns doch so nett unterhalten, wollte sie wissen. Ich war ziemlich verunsichert, bis sie ein Papier erwähnte, das ich zusammen mit einem ver.di-Kollegen unterschrieben hatte und das auf dunklen Wegen vor der Zeit zu ihr gelangt war.

Beim Rundfunk ist es nicht besser als anderswo, eher extremer. Es gibt deutliche, zum Teil dramatische Unterschiede zwischen den Beschäftigten: einerseits wohldotierte, gut abgesicherte Planstelleninhaber, andererseits die Geringfügigen – so werden wir auch genannt. Das heißt, wir dürfen nur eine begrenzte Anzahl an Stunden oder Tagen im Monat arbeiten, haben keinen Arbeitsvertrag, können jederzeit entlassen werden, bekommen keine Feiertagszuschläge, haben keinen Urlaubsanspruch und so weiter; wir sind klassische Tagelöhner, obwohl wir qualifizierte Arbeit leisten.

Nun haben aber Menschen, wie ich meiner Chefin zu erklären versuchte, die Eigenschaft, dass sie ihre Lage verbessern wollen und zum Beispiel fragen, ob ihr gegenwärtiges Arbeitsverhältnis den gesetzlichen Mindestbestimmungen entspricht. Oder ob meine Gewerkschaft nicht einen Tarifvertrag für uns abschließen kann, den es bisher nicht gibt!

Das war ihr nicht so wichtig, eher mein psychischer Zustand: Ob ich mir nicht, wenn ich denn so unzufrieden sei, etwas anderes suchen wolle?! Die freundliche, indirekte Art also, jemanden loszuwerden (ohne Abfindungsangebot). Auf die Idee, dass wir des Geldes wegen arbeiten, kam sie nicht; ebenso fremd war ihr offenbar, dass es in dieser Gesellschaft eine Massenarbeitslosigkeit auch unter Akademikern gibt.

(Weiterlesen - "Ein Anruf")

Anmerkung: Diesen kleinen Bericht sollten sich all diejenigen zu Gemüte führen, die nicht müde werden, die stetig steigende Niveaulosigkeit der Medien den einzelnen Akteuren anzukreiden. Sehr lesenswert!

Elterngeld nur noch für Reiche - die Umverteilung geht weiter

Jetzt rächt es sich, dass Kristina Schröder ein so wichtiges Amt wie das der Familienministerin bekleidet. Spätestens am Wochenende werden die Spardebatten konkret werden. Kristina Schröder spricht davon, dass man "intelligent" sparen muss. Doch ihre Sparideen sind das Gegenteil. Mit ihren Sparvorschlägen droht Kristina Schröder, die Erfolge ihrer Amtsvorgängerin Ursula von der Leyen zu zertrümmern und bestehende Ungerechtigkeiten zu verstärken.

Man nehme nur mal ihre Idee, beim Elterngeld zu sparen, ohne die "Struktur" dieses "Erfolgsmodells" (Schröder) anzugreifen: Die Höchstgrenze von 1.800 Euro beim Elterngeld soll Tabu sein, sagt sie. Wo und wie aber dann sparen? Die Erziehungszeit kürzen? Wohl kaum. Offensichtlich will sie die Untergrenze beschneiden - also dort, wo ohnehin schon wenig verteilt wird.

(Weiterlesen)

Anmerkung: Und wieder einmal erweist sich die taz als ein kleines Schildchen mit der Aufschrift "PENG!", das albern wackelnd aus der journalistischen Pistole eiert. Was Kristina Schröder da vorhat, ist ein bodenloser Skandal, der scharf attackiert und bekämpft werden muss - ebenso wie der gesamte Rest des geplanten "Sparpakets" der Bundesregierung, das nichts mit "Sparen" und erst recht nichts mit "Gerechtigkeit", sondern nur mit Kürzen und Umverteilen zu tun hat. Davon lesen wir in der taz jedoch nichts.

Nur zur Erinnerung: Als das Elterngeld eingeführt wurde, ersetzte es das bis dahin gültige Erziehungsgeld, das in gleicher Höhe an alle (also gerecht, bis zu einer gewissen Obergrenze) gezahlt wurde - jedes Kind war dem Staat gleich viel "wert". Seit der Einführung des Elterngeldes bekommen plötzlich vermögende Eltern, die vorher nichts bekommen haben, weil es schlicht nicht notwendig war, wesentlich mehr (bis zu 1.800 Euro monatlich!), während den ärmeren Eltern einfach 50% des Geldes gestrichen wurden (Halbierung der Laufzeit). Das sind also die "Erfolge" Ursula von der Leyens, die die taz gerne bewahrt sehen möchte?

Es stellt sich das sehr dringende Bedürfnis ein, das Fazit des Artikels folgendermaßen abzuwandeln: "Man möchte der taz am liebsten einen Intensivkurs in Sozialpolitik und einen Grundkurs verordnen, welche Aufgaben die Medien in einer Demokratie - besonders in einer gefährdeten - haben müssen."

Die "Erfolge" Ursula von der Leyens - das schlägt dem Fass den Boden aus. Unglaublich.

"Finanzreform": Kalkulierte Katastrophen

Von den Parallelen zwischen Ölleck und Finanzkrise und wie Barack Obama dem Katastrophenkapitalismus Herr werden will (...)

Wie sich die Dinge gleichen

⇒ Sowohl die Ölkonzerne wie die Hochfinanz traten mit ihren hochkomplexen Methoden und Instrumenten dann in Aktion, als die leichter zugänglichen Ressourcen ausgeschöpft waren. Um die Profitmaximierung weiterhin zu garantieren, mussten die Unternehmen immer abenteuerlichere und riskantere Arten der Extraktion wählen.

⇒ Bei der Ausbeutung der Rohstoffe (Erdöl beziehungsweise Kapital) triumphierten Rentabilität über Sicherheit, kurzfristige Vorteile über langfristige Auswirkungen und der riesige Gewinn von wenigen Akteuren über den Verlust von vielen Menschen und der Natur.

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Anmerkung: Ein hübscher Vergleich aus der schweizerischen WOZ. Wir erleben allerorten, wie der "Katastrophenkapitalismus" auch weiterhin massiv gestützt, gestärkt, vorangetrieben und propagandistisch betreut wird - und das trotz der bekannten Fakten ("der riesige Gewinn von wenigen Akteuren" beim gleichzeitigen "Verlust von vielen Menschen und der Natur"). Wie irgendein ernsthafter Journalist angesichts dieser Farce weiterhin davon reden kann, bei den politischen Akteuren handele es sich um "demokratische Volksvertreter", wird wohl erst nach dem Zusammenbruch des Systems bekannt werden.

Dass dieses System kollabieren muss (wie schon so viele Male zuvor), ist indes nur eine Frage der Zeit - und der Leidensfähigkeit der Menschen.

Mittwoch, 16. Juni 2010

CDU will bei Gesundheit, Familien und Sozialem sparen – Unternehmen und Reiche sollen ungeschoren bleiben

  1. Ein Hauch von römischer Dekadenz lag bei der Jahres-Pressekonferenz des Wirtschaftsrates [der CDU] in der Luft. Bei Schinken, Kaffee und Saft erklärte dessen Vorsitzender, Prof. Dr. Kurt Lauk, worauf es in den nächsten fünf bis acht Jahren ankommt: auf hartes Sparen. Wer einen Blick auf die Konsolidierungsvorschläge des Wirtschaftsrates wirft, in dessen Präsidium unter anderem Vertreter von Deutscher Bank, RWE und Metro sitzen, sieht dort eine Sparliste gewaltigen Umfangs - 40 Milliarden in der Sozialpolitik, 10 Milliarden bei den Familien, ganze 101 Milliarden im Bereich Steuern und Haushaltspolitik stehen zur Debatte. (...)

    Anhebung der Mehrwertsteuer (...) Angriff auf die Sozialausgaben (...) Gesundheitsprämie und Privatisierung der Krankenhäuser (...) Energiepolitik soll zurück zu alten Zeiten.

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  2. Auf die Straße!

    Wann, wenn nicht jetzt? Wer, wenn nicht wir? Die erste Bürgerpflicht nach Vorlage des schwarz-gelben Spardiktats heißt: Auf die Straße! Nicht gegen Haushaltssanierung grundsätzlich. Die ist alternativlos. Aber gegen das einseitige Spardiktat, das Schwarz-Gelb verordnet.

    Es richtet sich in aller erster Linie gegen die sozial Schwachen. Die eh am wenigsten haben, sollen am meisten verzichten. Da mögen Merkel und Westerwelle von Fairness und Ausgleich reden, was sie wollen. Fakt ist: Sie lügen. Und noch schlimmer: Sie wissen das.

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Anmerkung: Ein schöner Versuch der Frankfurter Rundschau, den "Anwalt des kleinen Mannes" in bester "Bild"-Manier zu spielen. Dabei verrät schon der erste Absatz dieses Kommentars, wohin die Reise geht: Das Wort "alternativlos" lässt Demokraten stets aufhorchen, und wenn zeitgleich noch von "Haushaltssanierung" die Rede ist, weiß man, woran man ist.

Zugute halten muss man diesem Text, dass er - anders als die Pamphlete der "Bild"-Zeitung - tatsächlich die sozial Schwachen in den Mittepunkt rückt und wahrheitsgemäß berichtet, dass die neoliberale Bande gerade diese gesellschaftlichen Gruppen weiter auspressen will.

Wieso die Autorin aber die naheliegende Frage nicht stellt, weshalb die ihrer Meinung nach "alternativlose" Haushaltssanierung denn überhaupt - quasi über Nacht vom Himmel gefallen? - notwendig sei, wer dafür verantwortlich ist, und in wessen Geldsäcken all die fehlenden Gelder verschwunden sind, ist ein meisterliches Stück Propaganda. Da ruft die Autorin mit kecker Feder die Menschen zum Aufruhr - aber nicht etwa gegen das System, das sie knechtet und ausbeutet, sondern lediglich gegen die "Ungerechtigkeit", mit der die satten Gewinne der "Elite" gerade den Ärmsten abgepresst werden sollen. An diesen "Elite"-Gewinnen findet die Dame offenbar nichts Verwerfliches - sie möchte bloß, dass alle Bürger gleichsam bluten müssen.

Sie hätte genausogut schreiben können: "Bürger, geht auf die Straße und schreit euren Unmut heraus: Der doofe Ingenieur nebenan und die blöde Lehrerin sollen gefälligst genauso viel bezahlen müssen wie ich kleiner Arbeiter, damit Ackermann und Co. sich auch weiter ihre Luxusjachten und Villen leisten können!" Aber dann wäre ja womöglich aufgefallen, dass ihr "Aufruf" nur heiße Luft ist.

Und wieder: Es ist kafkaesk, was wir erleben müssen. Es gäbe wohl niemanden, der schallender lachen würde als Herr Ackermann, wenn er es tatsächlich erleben würde, dass Menschen auf die Straße gehen und eine "gerechtere Verteilung" der Krisenkosten einfordern.

Fakt ist: Die "Elite" hat diese "Finanzkrise" ganz allein verschuldet und gleichzeitig von ihr profitiert. Die alternativlose (um bei diesem Wortspiel zu bleiben) Lösung lautet: Die "Elite" bezahlt die Krise auch allein. - Aber auf so simple Wahrheiten kommen die Revolutionsaufrufe der konzerngesteuerten Medien nicht - und man fragt sich nicht einmal mehr, wieso. Denn die Antwort liegt ja klar auf der Hand.

Köhler, die Heuchler in Berlin und der Krieg aus wirtschaftlichen Gründen

  1. Zuerst war Köhlers Satz von den wirtschaftlichen Interessen Deutschlands, die es notfalls militärisch zu verteidigen gelte, eine kaum beachtete Randnotiz. Die Redaktion des Deutschlandfunks hatte ihn gleich ganz aus dem Interview geschnitten und stattdessen den Fokus darauf gelegt, dass der Bundespräsident mangelnde Anerkennung und Respekt in der Bevölkerung gegenüber den Bundeswehrsoldaten in Afghanistan beklagte. (...)

    Die Entrüstung bahnte sich erst einige Tage später an: Am 27. Mai versammelte Spiegel-Online zahlreiche kritische Stimmen: Thomas Oppermann, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD, warf Köhler vor, der "Akzeptanz der Auslandseinsätze der Bundeswehr" geschadet zu haben, und stellte klar, man wolle keine "Wirtschaftskriege". Der Verfassungsrechtler Ulrich Preuß bezeichnete Köhlers Aussagen nicht nur als "höchst irritierend" und juristisch fragwürdig, sondern erkannte in ihnen auch Ähnlichkeiten zum englischen Imperialismus des 19. Jahrhunderts. Tagesschau.de zitierte indes Grünen-Fraktionschef Trittin, der von "Kanonenbootspolitik" sprach. Linke-Parteichefin Gesine Lötzsch freute sich, dass Köhler "ausgeplaudert" habe, was ihre Partei schon seit Jahren kritisierte. Und Wolfgang Jaschensky von der Süddeutschen fragte sich sogar, ob sich "der bislang eher harmlose Horst" [von] Wilhelm II. [habe] inspirieren [lassen] und sich alsbald zu "Kaiser Horst I." aufschwinge.

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  2. Auszüge aus den "Verteidigungspolitischen Richtlinien [pdf]" (VPR) der Bundesregierung vom 26. November 1992, die der damalige Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) erlassen hat:

    8. (...) Dabei läßt sich die deutsche Politik von vitalen Sicherheitsinteressen leiten:
    (3) Bündnisbindung an die Nuklear- und Seemächte in der Nordatlantischen Allianz, da sich Deutschland als Nichtnuklearmacht und kontinentale Mittelmacht mit weltweiten Interessen nicht allein behaupten kann
    (8) Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt im Rahmen einer gerechten Weltwirtschaftsordnung
    (10) Einflußnahme auf die internationalen Institutionen und Prozesse im Sinne unserer Interessen und gegründet auf unsere Wirtschaftskraft, unseren militärischen Beitrag und vor allem unsere Glaubwürdigkeit als stabile, handlungsfähige Demokratie.

    23. In einer interdependenten Welt sind alle Staaten verwundbar, unterentwickelte Länder aufgrund ihrer Schwäche und hochentwickelte Industriestaaten aufgrund ihrer empfindlichen Strukturen. Jede Form internationaler Destabilisierung beeinträchtigt den sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt, zerstört Entwicklungschancen, setzt Migrationsbewegungen in Gang, vernichtet Ressourcen, begünstigt Radikalisierungsprozesse und fördert die Gewaltbereitschaft. Kommt es zu solchen Fehlentwicklungen, werden zerstörerische Einflüsse auch in die hochentwickelten Gesellschaften getragen. Bei insgesamt negativem Entwicklungsverlauf kann dieser Zusammenhang auch militärische Dimensionen gewinnen.

    27. Deutschland ist aufgrund seiner internationalen Verflechtungen und globalen Interessen vom gesamten Risikospektrum betroffen. Wir müssen daher in der Lage sein, auf entstehende Krisen im Rahmen kollektiver Sicherheitssysteme einwirken zu können. Wenn die internationale Rechtsordnung gebrochen wird oder der Frieden gefährdet ist, muß Deutschland auf Anforderung der Völkergemeinschaft auch militärische Solidarbeiträge leisten können. Qualität und Quantität der Beiträge bestimmen den politischen Handlungsspielraum Deutschlands und das Gewicht, mit dem die deutschen Interessen international zur Geltung gebracht werden können.

    38. Ein souveräner Staat muß wehrhaft und wehrbereit bleiben. Um sich gegen die Unwägbarkeiten künftiger Entwicklungen zu wappnen. Verteidigung ist der politische Legitimationsrahmen für die Streitkräfte und die Allgemeine Wehrpflicht. Der Schutz unseres Landes gegen äußere Gefahr bleibt auch künftig Sache aller Bürger. Die Allgemeine Wehrpflicht ist die Klammer zwischen Bundeswehr und Gesellschaft. Die Wehrpflicht hat sich als Wehrfom für unseren demokratischen Staat bewährt und bleibt auch weiterhin zentrales Element unserer Sicherheitsvorsorge. Eine an die neuen Rahmenbedingungen und langen Warnzeiten angepaßte Verteidigungsfähigkeit stellt auch in der Zukunft Grundlage der deutschen Sicherheitsvorsorge dar. Verteidigungsvorsorge kann künftig nicht auf das eigene Territorium beschränkt bleiben, denn sie ist ein kollektiver Ansatz. Für Deutschland bedeutet Verteidigung immer Verteidigung im Bündnis im Sinne einer erweiterten Landesverteidigung. Ein Teil der deutschen Streitkräfte muß daher zum Einsatz außerhalb Deutschlands befähigt sein.

    (Quelle)


Statt einer Anmerkung (mir fehlen angesichts dieses Theaters ohnehin die Worte): Horst Köhler und Gattin beim "Großen Zapfenstreich" - seiner offiziellen "Verabschiedung" aus dem Amt des Bundespräsidenten am 15.06.2010. Laut tagesschau.de hatte er "Tränen in den Augen", als die Bundeswehrkapelle den St. Louis Blues spielte. DDR 2.0.



(Bild: dpa)

Dienstag, 15. Juni 2010

Zitat des Tages (36): Die gestundete Zeit

Es kommen härtere Tage.
Die auf Widerruf gestundete Zeit
Wird sichtbar am Horizont.
Bald musst du den Schuh schnüren
Und die Hunde zurückjagen in die Marschhöfe.

Denn die Eingeweide der Fische
Sind kalt geworden im Wind.
Ärmlich brennt das Licht der Lupinen.
Dein Blick spurt im Nebel:
Die auf Widerruf gestundete Zeit
Wird sichtbar am Horizont.

Drüben versinkt dir die Geliebte im Sand.
Er steigt um ihr wehendes Haar,
Er fällt ihr ins Wort,
Er befiehlt ihr zu schweigen,
Er findet sie sterblich
Und willig dem Abschied
Nach jeder Umarmung.

Sieh dich nicht um.
Schnür deinen Schuh.
Jag die Hunde zurück.
Wirf die Fische ins Meer.
Lösch die Lupinen!

Es kommen härtere Tage.

(Ingeborg Bachmann (1926-1973]: Die gestundete Zeit. 1953)


Kirche und Arbeitsamt - Hand in Hand als Lohndrücker und Ausbeuter



Anmerkung: Dazu fehlen mir jegliche Worte - bitte einfach diese (inzwischen bei der Jobbörse des Arbeitsamtes nicht mehr zugängliche) Stellenausschreibung lesen - und danach direkt beim zuständigen Arbeitsamt und beim Arbeitgeber (Diakonie Sozialstation Brackenheim, Adresse und Telefonnummer siehe Ausschreibung) intervenieren. - Unfassbar.

Schöne neue Uni-Welt: Ausbildung zum Systemsklaven

Während das globale Geldsystem zerbröselt, nicht nur Banken sondern auch Länder pleite gehen und die Einschläge immer näher kommen, wird an den Unis rund um den Globus "Business as usual" gelehrt. MMnews sprach mit Studenten der Volkswirtschaft in Deutschland und mit Ökomomie-Nachwuchs in den USA. Auf die Frage, ob die gegenwärtige Krise ebenfalls Lehrgegenstand sei oder zumindest diskutiert werde, gab es nur ein ahnungsloses Schulterzucken.

Noch erstaunlicher aber war die Feststellung, dass sich der Wirtschaftsnachwuchs gar nicht für die Krise interessiert. Kritische Fragen werden nicht gestellt. Die Studenten hatten nicht mal eine vage Vorstellung davon, was der Auslöser der Krise sein könnte (außer: "Banken haben zu leichtfertig Kredite ausgegeben"). Tiefergehende geldsystematische Kenntnisse fehlten völlig.

Wirklich erschütternd aber war die Ignoranz der Studenten, den wirklichen Ursachen auf den Grund zu gehen. Die Frage, warum man nicht aktiv auf Professoren zugehe, wenn das Thema Finanzkrise schon nicht auf dem Lehrplan stehe, wurde sinngemäß so beantwortet: "Wir haben keine Zeit. Unser Studium ist extrem stressig. Wir sind damit beschäftigt, unser Punktesoll zu stemmen. Wir wollen es uns nicht mit den Professoren verscherzen."

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Anmerkung: Die neoliberale Indoktrination scheint allmählich Früchte zu tragen. Es wäre erschütternd, wenn dieser Bericht, der zugegebener Maßen aus einer nicht unbedingt seriösen Quelle stammt, auch nur teilweise zutreffend sein sollte. Ähnliche Aussagen finden sich seit geraumer Zeit aber auch in anderen Quellen. Es ist ja auch kein Wunder: Eine Ideologie, die einzig auf Konkurrenz, Ausbeutung, "Effizienz", "Eigenverantwortung" und derlei gesellschaftlichen Irrsinn setzt, kann ja nur solche perfiden (und beabsichtigten) Folgen haben - oder aber den Nährboden für eine Revolution befruchten. Letztere ist in Ansätzen zwar spürbar - der "Bildungsstreik" belegt das -, aber jemand, der sich für ein Studium der BWL oder VWL entscheidet, wird sich im Zweifel sicher öfter für das Mitläufertum entscheiden.

Während meiner eigenen Studienzeit gab es einen Fall, in dem ein besonders "ehrgeiziger" Student im Rahmen eines Seminars die für das Bestehen der Klausur notwendigen Bücher (die nur in einem recht begrenzten Umfang vorrätig waren) in der Bibliothek versteckte, um seine Kommilitonen daran zu hindern, sich ebenfalls vorbereiten zu können. Dieser Fall, der aufgeflogen ist, erregte damals recht große Aufmerksamkeit. Heutzutage dürfte es nach der neoliberalen Ideologie zum guten Ton gehören, seine "Konkurrenten" daran zu hindern, sich ebenso gut vorzubereiten wie man selbst.

Die Zeiten ändern sich - und man muss Angst bekommen, wenn man bemerkt, dass diese Änderungen geplant und gewollt sind. Die "Reformen" unserer Hochschulen, die, wie immer, in Wahrheit Deformationen sind, stellen nur einen Aspekt dieser groß angelegten Umstrukturierung der gesamten Gesellschaft dar. Aber wie man nun sieht, einen sehr wichtigen.

Endlich erkennt auch die Süddeutsche: Deutschland betreibt Reichtumspflege auf Kosten der gesamten Bevölkerung

Wo soll der Staat sparen? Bei den Kindern, den Rentnern oder den Hartzern? Bei den Alten oder bei den Jungen? Soll er bei den Kindergärten sparen, bei den Universitäten, beim Straßenbau oder bei der Bundeswehr? Die Spardebatte hat begonnen - und Politiker gehen beim Sparen mit merkwürdigem Beispiel voran. (...)

Es muss um Vermögensteuern gehen, Reichensteuern, Erbschaftsteuern, Transaktionssteuern und Gewinnsteuern, also um die Realisierung des Verfassungssatzes "Eigentum verpflichtet". Wenn die Politik den gesetzlichen Anspruch auf einen Kindergartenplatz streicht, Bibliotheken zusperrt, an der Altenpflege spart, wenn sie auch noch den Armen den Gürtel enger schnallt, ohne zuvor den Spitzenreichtum der Gesellschaft abzuschöpfen - dann spielt sie russisches Roulette mit dem inneren Frieden.

Deutschland leistet sich ein Steuersystem, das es sich nicht mehr leisten kann: Es betreibt nämlich Reichtumspflege.

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Anmerkung: Bei all dem Gerede ums "Sparen" gerät - auch in der Süddeutschen - wieder einmal außer acht, dass nicht "Sparen", sondern Kürzen gemeint ist. Und welche Gründe es geben mag, wieso sich der Staat in der Position sieht, Leistungen kürzen zu müssen, wird gar nicht mehr wirklich hinterfragt. Dass die neoliberale Bande Reichtumspflege (auf Kosten aller anderen) betreibt, und das schon seit so vielen, vielen Jahren, fällt heute also auch Herrn Prantl in der Süddeutschen auf. Bravo.

Die Zahlen und Fakten, die Prantl in seinem Kommentar nennt (und die nur die Spitze des Eisberges darstellen), sind seit langem bekannt. Wieso kann es trotzdem geschehen, dass überall in den Massenmedien (auch in der Süddeutschen) immer wieder zu lesen und zu hören ist, ganz Deutschland habe "über seine Verhältnisse gelebt" und derlei weiterer Unfug? Es gibt nur eine gesellschaftliche Gruppe, die über ihre Verhältnisse gelebt hat und dies auch weiter zu tun gedenkt: Sie nennt sich selbst gern "Elite". Angesichts dieses katastrophalen Wirtschafts- und Geldsystems ist das auch gar nicht anders möglich. Aber unsere "Qualitätsmedien" erkennen - wenn überhaupt - lediglich ein "falsches Steuersystem".

Das ist vergleichbar mit dem Szenario, in welchem ein Mensch, der an Masern leidet, zum Arzt geht - und der verordnet ihm einen Filzstift, mit dem er die roten Punkte übermalen soll. Solche grandiosen Konzepte schlagen die "kritischen Begleiter und Überwacher" der Demokratie (gemeint ist der Journalismus) vor. Man fasst es einfach nicht.

Montag, 14. Juni 2010

Über den "Nationalstolz"

(...) Beim Nachdenken über den Nationalstolz stelle ich fest: Er ist mir fremd. Gelegentlich bin ich mit mir zufrieden, wenn mir etwas Nützliches gelungen ist. Aber dabei halte ich mich ungern lange auf, arbeite lieber weiter. Wenn Stolz auf eigene Leistung mich befiele, würde ich es wahrscheinlich für klug halten, ihn schnell abzuschütteln, bevor er mich etwa anderen entfremdet, mit denen ich gern zusammenarbeite.

Schon gar nicht möchte ich stolz sein auf etwas, was mir zugefallen ist: meine Nationalität. Und nie will ich mich mit denen gemein machen, die in den 1980er Jahren anfingen, Hemden mit dem Aufdruck "Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein" durch die Straßen zu tragen. Mit dieser Parole stellten sie sich mir und allen entgegen, die versuchten, über Nazi-Verbrechen aufzuklären (...).

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Anmerkung: Ich bitte, die deutlichen Worte zu entschuldigen - aber wie um alles in der Welt kann ein Mensch "stolz" auf etwas sein, auf das er keinen Einfluss hat und hatte? Wie dumm muss man sein, um "stolz" auf seine blonden oder braunen Haare, seine Augenfarbe oder gar auf die Leistungen oder Körpermerkmale irgendwelcher anderer Menschen, die man persönlich gar nicht kennt, zu sein?

Gerade in diesen Tagen wird das wieder allzu offensichtlich, wenn massenweise Personen im schwarz-rot-goldenen Wahn durch das Land düsen - als ob es irgendeinen Unterschied für sie macht, ob nun die Fußballmannschaft, deren Mitglieder einen deutschen Pass haben (warum auch immer), mehr Tore schießt als die Mannschaft mit den anderen Pässen.

Einen solchen diffusen Stolz gibt es doch sonst nur noch in der Familie - eine Mutter oder ein Vater mag "stolz" darauf sein, wenn der Sohn oder die Tochter irgendetwas gut gemeistert oder vollbracht hat. So weit, so gut - da geht es um Menschen, die einem persönlich sehr am Herzen liegen und von denen man möglicherweise glaubt, dass sie diese Unterstützung benötigen oder dass sie ihnen zumindest gut tut. Aber "Nationalstolz"? Was soll das? Wen juckt es, ob Herr Podolski bei der WM im auch von Deutschland ausgebeuteten Südafrika einen Ball ins Tor schießt? Was hat das mit Schwarz-Rot-Gold zu tun - der Mann ist doch im üblichen, nationalen Denken ein "Pollacke" - und kein Deutscher?

Was ist überhaupt "deutsch"? Reicht ein deutscher Pass, um in diesen Denkkreisen als Deutscher zu gelten? Das dachten viele Menschen vor 80 Jahren wohl auch - denn die meisten der damals Verfolgten und Ermordeten besaßen genau diesen Pass. Heute scheint das nicht wesentlich anders zu sein, denn ganz egal, welchen Pass jemand besitzt - "beurteilt" wird er doch weiterhin in der Öffentlichkeit nach seinem Namen, seinem Aussehen, und - ja, auch das scheint immer noch ein Aspekt zu sein - nach seiner Religion.

Was soll das also sein - Nationalstolz? Die breite Masse der Menschen wird in Deutschland ganz genauso am Nasenring durch die Arena des Kapitalismus geführt, wie das in allen anderen Nationen des Kapitalismus auch geschieht. Und nicht umsonst sind es transnationale Konzerne, die davon profitieren - denen ist es nämlich vollkommen egal, in welchem Land sie ihren Profit machen und welche "Nationalitäten" sie ausbeuten und zugrunde richten.

"Nationalstolz" ist von vorvorgestern - und er entspringt derselben Quelle, aus der auch der Neoliberalismus seine braunen Winde entlässt, die wir allenthalben spüren.

Mein Gott (auch wenn ich nicht mehr an ihn glaube): Es gab das alles doch schon einmal. Eine tiefe, zunehmende Depresssion, einen immer ungestümer auftretenden Kapitalismus, eine Verschiebung der "Schuld" auf die Arbeitslosen, die sich einem immer stärker werdenden Druck ausgesetzt sahen - bis dann das "Nationale" die Vorherrschaft übernahm und die größte Katastrophe in Gang setzte, die Europa je gesehen hat - natürlich nicht für die "Elite" (die machte währenddessen und danach einfach so weiter wie zuvor), aber für den Rest der Menschheit.

Wir brauchen keinen "Nationalstolz" - der nützt, wieder einmal, nur den Reichen. Wir brauchen einen Menschenstolz - eine Solidarität unter den Menschen, die unter dem Kapitalismus leiden (und das sind nahezu alle). Hört auf damit, diese albernen Flaggen zu schwingen, welche Farbe sie auch immer zeigen mögen - und hört auf damit, den Millionären, die da über den Fußballplatz laufen und die ein Symptom dafür sind, wie absurd dieses System ist, Beifall zu bekunden. Fällt es denn wirklich sonst niemandem auf, wie absurd es ist, kleine Jungs oder Mädchen wie Lena, Klose und viele andere auf unsere Kosten zu Millionären zu machen, während wir weiter immer weiter verarmt werden? Und denen jubeln wir auch noch zu?

Wieviele ernsthafte Musiker und meinetwegen auch Sportler gibt es wohl in diesem Land, die eine ähnliche Bezahlung - gemessen an ihrer Leistung - wohl verdient hätten? Daran sieht man schon: Es geht nicht um Leistung. Das ist alles ein hohles Spiel, eine Farce. Aber das Volk schwingt die Fahne und brüllt.

Schwarz - Rot - Erbrochenes.

Kriegstreiber USA: Schatten der Angst

Dem Präsidenten eines Staates, gegen den man Krieg vorbereitet, hört man nicht zu. Mit ihm setzt man sich nicht zusammen, man vermeidet jede Kommunikation. Er soll auch nicht in den Medien zu Wort kommen. Das Publikum könnte sonst merken, dass er nicht der Feind ist, als den man ihn beschimpft.

Als Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad am 3. Mai 2010 in New York auf der UN-Konferenz über den Atomwaffensperrvertrag die USA der Aggressivität, des Vertrauensbruchs und der Lüge bezichtigte, hatten die Vertreter der USA und ihrer engsten Bündnispartner – so auch der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland – den Plenarsaal der Vereinten Nationen schon bei Beginn seiner Rede verlassen, ähnlich wie im vorigen Jahr auf der UN-Konferenz gegen Rassismus. Unisono berichteten die Nachrichtensprecher, Ahmadinedschad habe die USA angegriffen und den Konflikt geschürt. Die Medien vermittelten allgemeine Entrüstung über den Eklat, den er verschuldet habe. In der Erregung unterließen sie es leider, auf die Inhalte seiner Rede einzugehen. Was sagte Ahmadinedschad? Er erinnerte daran, dass die Vereinigten Staaten als erste und einzige Atombomben eingesetzt haben und nun damit auch andere Länder, darunter den Iran, bedrohen. Im Gegensatz zu Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea habe der Iran den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet, betonte Ahmadimedschad, bemängelte aber, dieser Vertrag sei "schwach" und "ungerecht", weil er einigen Ländern den Besitz von Atomwaffen erlaube. Ahmadinedschad schlug vor, sämtliche Atomwaffen und ihre Produktionsanlagen zu zerstören. "Wir sagen: Atomkraft für alle, Atomwaffen für niemanden."

Den USA warf er vor, mit ihrer Politik legten sie "Schatten der Angst" über die Welt. "Die USA haben versprochen, die Atombombe nicht gegen Länder ohne Atomwaffen einzusetzen. Aber die USA haben ihre Versprechen nie gehalten. Welches Land soll den USA noch vertrauen?"

Hat Ahmadinedschad Unrecht?

(Weiterlesen)

Anmerkung: Man muss weder Bush, Obama, Merkel, Ahmadinedschad oder welche Staatsoberhäupter auch immer für "nette Menschen" halten - aber die Propaganda, mit der gerade der Präsident des Iran - bei aller berechtigter Kritik, die man an ihm üben kann und muss (genauso wie an allen anderen Staatsoberhäuptern in diesem perfiden Spiel) -, ist doch mit Händen zu greifen (und im Artikel recht ausführlich belegt). Auf allen beteiligten Seiten handelt es sich hier um ein albernes Theater, das mit den wirklichen Gründen, die in den Massenmedien nicht vorkommen, nichts zu tun hat.

Selbstverständlich ist Ahmadinedschad zu widersprechen, wenn er beispielsweise "Atomkraft für alle" fordert - das ist hierzulande ebenso falsch wie im Iran. Genauso falsch ist es aber, wenn die Vertreter des westlichen Kapitalismus (die gegen Atomkraft in den eigenen Ländern nicht das Geringste einzuwenden haben) diesem Mann erst gar nicht zuhören und schon vorher den Plenarsaal verlassen, eine "Diskussion" (die von keiner Seite wirklich gewollt ist) also erst gar nicht zulassen. Das alles hat nichts mit Demokratie zu tun.

Der Artikel endet mit den Worten: "Obamas neue Nuklearstrategie enthält keinen Verzicht auf den nuklearen Erstschlag. Ausdrücklich werden die nuklearen Angriffsoptionen gegenüber Nordkorea und dem Iran offen gehalten. Bei derartig gefühlter Bedrohung wird der Iran um so hartnäckiger nach der Bombe streben – vorausgesetzt, dass das wirklich seine Absicht ist, was er bestreitet." - Und man fragt sich unwillkürlich, ob es für die Menschen auf diesem Planeten wirklich einen Unterschied macht, ob Hinz oder Kunz den roten Knopf betätigt - oder wahlweise verantwortlich dafür ist, dass ein kollabierendes Atomkraftwerk ganze Regionen dieses Planeten inklusive aller Menschen dort exekutiert.