Freitag, 12. August 2016

Buchempfehlung: Luzifers Hammer


Der Roman "Luzifers Hammer" von Larry Niven und Jerry Pournelle, den ich heute vorstellen möchte, ist ein episches Meisterwerk der Science-Fiction-Literatur. Ich zitiere aus dem Klappentext der deutschen Originalausgabe:

"Als die Amateurastronomen Hamner und Brown einen neuen Kometen entdeckt hatten, sagten die Fachleute, die Chancen stünden eins zu hunderttausend, dass er die Erde träfe.

Als man ihn mit bloßem Auge sehen konnte, meinten die Wissenschaftler, die Chancen stünden eins zu tausend. Als Hamner-Brown aber die Sonne umrundet hatte und auf den Erdball zuraste, räumten Fachleute ein, dass der Komet unseren Planeten möglicherweise streifen könnte, doch da er hauptsächlich aus Gas und Staub und ein paar Felsbrocken bestünde, sei die Gefahr minimal.

Doch plötzlich ist er da. Ein paar Millionen Tonnen Staub und Wasser dringen in die Erdatmosphäre ein, riesige Gesteinsbrocken treffen die Oberfläche. Luzifers Hammer fällt, löscht die Zivilisation aus und schleudert die Davongekommenen in ein dunkles Zeitalter der Barbarei und des nackten Überlebens."

Dieses Szenario ist inzwischen von mehreren Dokumentationen und Spielfilmen aufgegriffen worden - anders als diese beschreibt der Roman auf seinen 765 eng bedruckten Seiten jedoch überwiegend die finstere Zeit nach dem Kometeneinschlag. Dabei ist es letzten Endes unerheblich, ob dieses neue Zeitalter der Barbarei nun von einem Kometen, einem Atomkrieg oder irgendeiner anderen Katastrophe ausgelöst wurde - es geht, wie beispielsweise auch in der Serie "The Walking Dead", um den schlichten Überlebenskampf der verbliebenen Menschen in einer lebensfeindlich gewordenen Umgebung. Ein solcher Auslöser kann natürlich auch ein eher subtiler, langsamer ablaufender Vorgang wie beispielsweise die latent andauernde Zerstörung des Planeten und der sozialen Gesellschaftsstrukturen durch das kapitalistische Katastrophensystem sein - die Namen der beiden fiktiven Astronomen, nach denen der Komet im Buch benannt ist, sind gewiss kein Zufall: Hamner und Brown.

Man merkt beim Lesen dieses fesselnden, wenn auch arg beklemmenden Romans, dass er für eine Vielzahl von jüngeren Endzeitgeschichten der Filmindustrie und Literatur als Inspirations- bzw. Plagiatsquelle gedient hat - ich erinnere exemplarisch an den nicht minder beklemmenden Film "The Road" von John Hillcoat aus dem Jahr 2009 bzw. den gleichnamigen zugrundeliegenden Roman von Cormac McCarthy. Manche Szenarien finden sich in diversen Filmen, Serien oder Büchern gar eins zu eins wieder.



Die beiden Meister der Science Fiction, Niven und Pournelle, hätten kein besseres Motto für ihren Roman wählen können als den folgenden Spruch von Friedrich Nietzsche, der dem Werk vorangestellt ist:

Gegen Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens.

Denn der Roman handelt selbstverständlich von der Dummheit dieser Menschheit, die sich sogar in der Zeit ihres Untergangs lieber weiterhin gegenseitig vehement bis aufs Blut bekämpft, anstatt endlich zu begreifen, dass Habgier, Egoismus und persönliche Macht unweigerlich der uneingeschränkten Kooperation weichen müssen, um der Barbarei und der drohenden Auslöschung vielleicht doch noch entfliehen zu können. "Luzifers Hammer" ist trotz des bescheuerten Titels, der vermutlich eher den beteiligten Verlagen anzulasten ist, ein wegweisendes Werk der dystopischen Literatur - ich kann die Lektüre nur empfehlen.



(Larry Niven & Jerry Pournelle: "Luzifers Hammer", 1977, dt. Heyne 1980)

Donnerstag, 11. August 2016

Online-Dating: Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren ...


Kürzlich habe ich mit großem Vergnügen bei Zeit Online den Text "Männer sind seltsam – warum ich nach einer Woche Online-Dating am Ende bin" von Teresa Buecker gelesen. Die Autorin beschreibt dort anhand von 20 Beispielen sehr eindrücklich und witzig ihre Erlebnisse in der für sie zuvor fremden Welt des Online-Datings:

Wenn ich den Gesprächen in meinem Freundeskreis und im Büro lausche, war ich bislang Exotin: Ich hatte noch nie ein Tinder-Date oder eine Affäre, die online begann. Als Online-Dating normal wurde, war ich glücklich vergeben und in den letzten Jahren immer zu dem Zeitpunkt an dem physischen Ort, an dem mir jemand begegnete, der zu mir passte: auf Konferenzen, in Clubs, bei der Buchmesse, und meine allererste Beziehung in Berlin ging auf die gemeinsame Fahrt bei der Mitfahrzentrale zurück (Nostalgie!). Online-Dating ist etwas, über das ich gar nichts weiß, daher sind die entsprechenden Angebote und Apps für mich ein Kulturschock. Hier sind die Dinge, über die ich mich gewundert und die ich gelernt habe.

Ich habe mich beim Lesen sehr amüsiert - und das nicht bloß, weil ich gewisse berufliche Erfahrungen auf diesem Gebiet und auch ein "seriöses" Single-Portal eine Zeit lang administrativ betreut habe, sondern auch aufgrund meiner eigenen diesbezüglichen Erfahrungen aus männlicher Sicht. Ich könnte also zu jedem einzelnen der 20 Punkte ein "maskulines Pendant" - ach was, ein ganzes Buch! - schreiben, erspare das den Mitlesenden aber lieber. Verraten sei nur so viel: Die größte Beziehungskatastrophe meines bisherigen Lebens ist ebenso aufs Online-Dating zurückzuführen wie einige wunderbare Erlebnisse und Freundschaften, die mein Leben bis heute bereichern.

Falls es Mitlesende gibt, die sich - gerne anonym - über ihre eigenen Erfahrungen auf diesem Gebiet auslassen möchten: Nur zu, ich lese mir das allzu gerne durch - und ich bin sicher, dass ich nicht der einzige wäre! :-)


Captain Obvious lässt grüßen.

Mittwoch, 10. August 2016

Musik des Tages: Backdoor Possibilities




  1. One First of April
    I. Prologue
    II. Physical and Mental Short Circuit
    III. Subterranean Escape
  2. Beedeepees
    I. Film of Life
    II. Childhood Flash-back
    III. Legal Labyrinth
  3. Futile Prayer
  4. La Cigüena de Zaragoza
    I. The Farrockaway Ropedancer
    II. Le Moineau de Paris
    III. Cha cha d'amour
  5. Behind Grey Walls
  6. No Time to Die



(Birth Control: "Backdoor Possibilities", 1976)

Anmerkung: Ich durfte in den 80ern das letzte Konzert dieser großartigen, völlig verkannten Band (siehe unten) miterleben - ebenso wie das erste Re-Union-Konzert in den 90ern, das seinerzeit in einer westfälischen Höhle stattfand. Es ist ein Jammer, dass diese Band heute noch immer auf den Song "Gamma Ray" reduziert wird, der nichts über die progressiven Wege aussagt, die Birth Control in den 70ern gegangen sind.

Solche Musik sucht man heute größtenteils vergebens.


Dienstag, 9. August 2016

Qualitätsjournalismus: Vom Leben in einer Verfallsperiode


Am vergangenen Freitag habe ich bei Zeit Online ein wunderschönes Beispiel für die Orwell'sche Parallelwelt entdeckt, in der sich offensichtlich auch viele QualitätsjournalistInnen tummeln. Unter dem vielsagenden Titel "Zukunft der EU: Europa braucht bessere Bürger" schrieb dort Alexander Görlach, Herausgeber des Magazins "The European" und seines Zeichens katholischer Theologe [sic!] und Linguist [ogottogott!], unter anderem:

Welche Elite hat versagt? / Die Eliten seien schuld am Versagen Europas, heißt es. Beide Teile dieser Behauptung sind falsch. Es gibt dieses Versagen Europas nicht! Die Union hat den Friedensnobelpreis nicht als Fleißsternchen für eine effiziente Verwaltung bekommen. Sondern dafür, dass sie eine dauerhafte, für die Ewigkeit gedachte Ordnung auf einem Kontinent angelegt, bewahrt und in die Zukunft geführt hat.

Weiterhin macht der Autor messerscharf den Kern des Problems aus: Schuld an der gegenwärtigen Misere Europas seien "apathische, konsumgeile Wähler". - Wer hier gelegentlich mitliest, wird schon erahnen, wie ich angesichts einer solchen schneidigen Analyse reagiert habe, daher will ich das Kreischen, Heulen und Zähneklappern, das mich schon während der Lektüre befiel, nicht näher ausführen. Ich empfehle allen, den Text selber zu lesen und die kruden Gedankengänge des Theologen zu verfolgen. Zur Schärfung des eigenen Geistes und zum Verständnis der Versumpfungen des journalistischen Mainstreams unserer "schönen neuen Welt" taugt der hanebüchene Text allemal (besonders bedenkenswerte Stichworte: "Friedensnobelpreis" und "konsumgeil").

Ich werde und werde das Gefühl nicht los, dass wir es hier keineswegs überwiegend mit dumpfhirnigen Vollidioten zu tun haben, die schlicht nicht verstehen, welchen Irrsinn sie da verbreiten. So viele geistige Minderleister in akademischen Positionen kann es doch heute noch gar nicht geben - das wird sich erst in einigen Jahrzehnten normalisiert haben, wenn die heutigen Opfer des verkrüppelten, entkernten Bildungssystems die "Instanzen" durchlaufen haben. Leute wie Görlach, der hier wieder einmal nur stellvertretend für einen Großteil seiner Zunft steht, müssen sehr genau wissen, dass sie haltlose Propaganda betreiben, die keinen erkennbaren Bezug zur Realität mehr besitzt. Die Frage bleibt evident, aus welchen Gründen sie das tun: Weil sie es "müssen", um den Job zu behalten, oder weil sie die elitäre, menschenfeindliche Sicht der kapitalistischen Eigennutzmehrer schlichtweg teilen? Es gibt sicher noch weitere vorstellbare Begründungen, die sich auch überschneiden können - eines aber eint alle Resultate derlei motivierten Schreibens: Es hat nichts mehr mit Journalismus zu tun.

Görlach beschließt seinen schmutzigen Erguss, der am vergangenen Freitag an prominenter Stelle ganz oben die Webseite der Zeit zierte, mit den bezeichnenden Worten:

Europa braucht eine neue Elite, in der Politik, der Wirtschaft, der Kultur, den Medien, die bereit ist, dem Volk nicht nach dem Maul zu reden. Sondern ihm glaubhaft Gegenwart und Zukunft in einem stimmigen Gesamtbild zu vermitteln, zu verkörpern und zu vertreten.

Hier entlarvt der Herr Theologe seine fürchterliche Denkweise, die mit Demokratie offensichtlich nichts zu tun hat, überdeutlich: Die Forderung nach einer "neuen Elite" ist für sich genommen schon so starker Tobak, dass jeder halbwegs humanistisch denkende Mensch dreimal schlucken muss, bevor der Brechreiz dennoch siegt; dass jene "neue Elite" aber auch - wie das ja seit Jahrzehnten längst geschieht - erklärtermaßen gegen den Willen der Bevölkerung handeln soll, erinnert mich letzten Endes nur noch an die altbekannte Forderung nach einem "starken Führer".

Ich finde aus dem Gruseln gar nicht mehr heraus.

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"Vom streng wissenschaftlichen Standpunkte aus muss der Historiker konstatieren: In einer Blüteperiode zu leben ist genussreicher, in einer Verfallsperiode zu leben lehrreicher."

(Zeichnung von Thomas Theodor Heine [1867-1948], in "Simplicissimus", Heft 49 vom 02.03.1925)

Montag, 8. August 2016

Deutsche Willkommenskultur, propagandabereinigt


Manchmal bzw. zunehmend öfter reichen die verfügbaren Gesichtspalmen und Gehirnquirle, die man eigentlich benötigte, um den alltäglichen Irrsinn in diesem verkommenen Land angemessen zu würdigen, nicht mehr aus, wenn man aufmerksam die hiesigen Erzeugnisse der Qualitätspresse studiert. Am vergangenen Freitag war es wieder einmal so weit und ich las bei n-tv die kurze Notiz:

Bund zahlt für Abschiebe-Tipps Millionen / Welche Probleme gibt es bei Abschiebungen und wie können sie gelöst werden? Das soll die Unternehmensberatung McKinsey für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge herausfinden. Für die Studie zahlt der Bund dem "Spiegel" zufolge 1,86 Millionen Euro. Weil die Zeit dränge, sei der Auftrag ohne Ausschreibung vergeben worden, heißt es weiter in dem Bericht. Das BaMF äußerte sich dazu nicht. Schon zwischen Oktober und März waren rund 9,2 Millionen Euro an die Berater geflossen – unter anderem, um Asylprozesse und die Registrierung von Flüchtlingen zu verbessern.

Die Schergen der "Kanzlerin der Willkommenskultur" bemühen sich also nach Kräften darum, Flüchtlingen möglichst schnell und "effizient" einen Tritt in den Arsch zu verpassen und sie zu deportieren wieder des Landes zu verweisen - und weil die korrupte Bande angeblich keine eigenen Ideen dafür entwickeln kann [sic!], schmeißt sie ausgerechnet den Widerlingen von McKinsey Millionen in den Rachen, damit diese Gestalten ein paar grundgesetzwidrige, lächerliche Powerpoint-Folien samt Bullshit-Textbausteinen erstellen. Der McKinsey-Moloch hat sich schon glänzend, maßgeblich und natürlich fürstlich bezahlt bei der Entwicklung des Hartz-Terrors [pdf] (damals noch finanziert von den rot-grünen Verbrechern) sowie als verschleierter Urheber der widerwärtigen "Tafeln" in Deutschland hervorgetan, um nur zwei Beispiele von vielen zu nennen - bei solchen erbärmlichen Gestalten ist selbstverständlich auch das Geschick von Kriegsflüchtlingen in den allerbesten, äußerst empathischen Händen. Das ist die Merkel'sche "Willkommenskultur" in propagandabereinigter Form.

Allein die an widerwärtiger Menschenfeindlichkeit kaum zu überbietende Überschrift "Bund zahlt für Abschiebe-Tipps Millionen" lässt hier tief in den braunen Abgrund blicken: Aus der Meldung ist nicht ersichtlich, ob diese Formulierung aus qualitätsjournalistischen (n-tv, Spiegel) oder doch aus politischen Kreisen stammt - zuzutrauen ist sie jedenfalls allen Beteiligten. Da dürfen dann auch gerne Millionen von Euro (selbstverständlich ohne "Ausschreibung") fließen - für "Tipps", wie man Menschen ausdrücklich nicht hilft, sondern ihnen gepflegt in die Fresse haut und sie zurück in die Wüste schickt. Und selbstredend stellt das ganze eine "Verbesserung" dar. Wäre Orwell nicht längst verwest, müsste er sich ab sofort ganzen Horden von Maden erwehren, die seiner trefflichen Beschreibung des "Neusprechs" den Garaus machen wollen.

Wer ein solches durch und durch korruptes politisches System und eine solche Qualitätspresse zu ertragen hat, die sich allesamt selbst unentwegt als "freiheitlich-demokratisch" beweihräuchern und sich sogar irgendwelche "westlichen Werte" an die braune, stinkende Weste kleben, während sie kontinuierlich - und zwar in allen wesentlichen Belangen - das Gegenteil des medial Herausposaunten praktizieren, braucht wahrlich keine Feinde mehr.

Willkommenskultur. McKinsey. Abschiebe-Tipps. Mehr als elf Millionen Euro in zehn Monaten für bekannte menschenfeindliche Powerpoint-Pinguine. Verbesserung. Spitze des Eisberges. - Der Gehirnquirl kommt nicht mehr nach bei so viel Bullshit und gibt qualmend den Geist auf.

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Die Auswandernden



(Gemälde von Hans Baluschek [1870-1935] aus dem Jahr 1924, Öl auf Leinwand, Märkisches Museum, Berlin)