Freitag, 18. September 2009

Niedrigstlöhne - Schlecker halbiert die Gehälter

Die Eröffnung des neuen Drogeriemarktes in der Frankfurter Straße war von Protestkundgebungen begleitet. Die Mitarbeiter sollen künftig nur noch halb so viel Gehalt bekommen wie bisher.

Hattersheim. Seit Freitag bietet ein neuer Laden in der Frankfurter Straße seine Waren feil. Luftballons vor dem Schaufenster markierten die Eröffnung eines Schlecker XL-Marktes. Zur Einweihung des Discounters kamen aber nicht nur neugierige Kunden. Demonstranten mit Fahnen und Schildern versammelten sich vor der neuen Drogerie-Filiale. «XL Schlecker – XXL Lohndrücker», war auf dem Plakat eines Teilnehmers zu lesen. Der DGB-Ortsverband hatte zu der Kundgebung eingeladen, um die Geschäftspraktiken des Filialisten anzuprangern.

«Hier wird gerade das Gegenteil von zusätzlichen Arbeitsplätzen geschaffen», schallte es aus einem Megafon. «Bestehende Arbeitsplätze mit Mindestlohn werden vernichtet», betonte Carlo Graf, Vorsitzender des DGB-Ortsverbandes. Der Gewerkschafter kritisierte, dass Schlecker eine neue Firma gegründet habe, um Stundenlöhne gemäß Einzelhandelstarifvertrag zu umgehen.

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Freiheit statt Angst - und die Polizei prügelt grundlos



Dieses Mal ging es schnell: Wenige Stunden, nachdem Polizisten zwei Demonstranten am Samstag in Berlin stark verletzt hatten, wurden die Männer aus ihrer Einheit genommen und versetzt. Gegen sie laufen nun Ermittlungen "auf Hochtouren", wie ein Polizeisprecher in Berlin betonte. Der Druck auf die ermittelnden Kollegen ist stark. Ein Video, auf dem der Übergriff und die Gesichter der Beamten deutlich zu sehen sind, breitet sich rasend schnell im Internet aus. Auch der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele (Grüne), der bei der Demo mitlief, sammelt Beweise. Einen Zeugen fand er in seinem Umfeld: Ein Mitarbeiter der Grünen-Bundestagsfraktion habe das Geschehen aus einem Café beobachtet. "Als er dann dort hineilte", sagte Ströbele der FR, "ist er selber zu Boden gestoßen worden." Er werde sich die Ermittlungsergebnisse der Polizei genau ansehen und gegebenenfalls entsprechende Beweise vorlegen. "Wir haben da immer wieder schlechte Erfahrungen gemacht."

Auch Katharina Spieß, bei Amnesty International für Polizei und Menschenrechte zuständig, hört oft von solchen Fällen. "In der Regel können die Beamten aber nicht identifiziert werden", sagte sie der FR. Die Nummer auf den Uniformen bezeichne nur die Einheit. Die Polizisten müssten lediglich schweigen, und mögliche Verfahren würden eingestellt.

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Eine Welt voller Rätsel

Sehr viele Menschen begreifen heute nicht mehr, was in Wirtschaft und Politik um sie herum vorgeht. Viele Vorgänge und viele politische Entscheidungen bleiben rätselhaft. Viele ziehen sich zurück, andere suchen nach Hintergründen und Erklärungen, nach den objektiven Ursachen. Das kostet viel Kraft und führt oft nicht zur Rätselslösung, weil wir alle in der Regel übersehen, dass sich viele Meinungen und daraus folgende Entscheidungen nur erklären lassen, wenn man den Prozessen der Meinungsbildung auf die Spur kommt. Viele unserer politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen sind nämlich bestimmt von Propaganda, von Meinungsmache und sogar von Manipulation. (...)

Viele Menschen rätseln darüber, wie es dazu kommen konnte, dass wir als Steuerzahler ohne Widerstand 480 Milliarden zur Rettung von Banken und alleine über 110 Milliarden zur Rettung der vergleichsweise kleinen Bank HRE in München zur Verfügung gestellt haben. 480 Milliarden für die Banken und dann knausern wir um jede Milliarde für Bildung, für mehr Lehrer, für Betreuung der Kinder, für die soziale Sicherung und für ein bisschen mehr Gerechtigkeit. Nur wenn man in die Betrachtung mit einbezieht, dass die Großzügigkeit gegenüber den Banken und die Entscheidung, keine einzige Bank in die Insolvenz gehen zu lassen, mit einem sprachlichen und damit einem Propagandatrick durchgesetzt wurde, begreift man den Lauf der Dinge. Es wurde uns und den verantwortlichen Politikern im Parlament erzählt, alle Banken seien systemrelevant. Sie haben es geglaubt und wir zahlen für diesen Glauben. Wir sind in diesem Fall die Opfer der bisher teuersten Meinungsmache in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

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Merkel und Steinmeier: Ein verlogenes Duett

"Ohne Leidenschaft, keine Zukunftsvision ... Beide eine schwache Besetzung" - So das Urteil des Theaterregisseurs Claus Peymann bei Anne Will nach dem Duell zwischen Merkel und Steinmeier. - Wir sind schon bescheiden geworden, wenn wir diesem Medienereignis von gestern Abend etwas abgewinnen wollen. Es war sterbenslangweilig und perspektivlos. Und es war in weiten Teilen verlogen. Das ist zu belegen.

Mich interessiert nicht die von den Meinungsforschungsinstituten in den Vordergrund gerückte Frage, wer von beiden Spitzenkandidaten bei diesem Duell wohl mehr Punkte gemacht hat. Selbst wenn Steinmeier aufgeholt haben sollte, ist das ziemlich uninteressant, weil er keine Machtoption hat und damit keinerlei Perspektive zum Regierungswechsel bietet. Uns müssten einige andere Fragen interessieren.

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Lafontaine zur sozialen Sicherheit und über den Krieg



Donnerstag, 17. September 2009

Folgen der Privatisierung (9): Riester-Rente - ein Lehrstück

Die private Altersversorgung Riester-Rente, ein Produkt aus der Ära Schröder, galt seinerzeit als sichere Bank. Von wegen. Ein Lehrstück zum Thema Staat und Gemeinwohl.

Die Finanzkrise wird ständig teurer. Inzwischen gehen aktuelle Schätzungen davon aus, dass der Crash weltweit deutlich mehr als 10 Billionen Dollar kosten wird. Zu den größten Verlierern gehören die privaten Rentenversicherungen. Die OECD hat ausgerechnet, dass die Pensionsfonds im vorigen Jahr rund 23 Prozent ihres Werts eingebüßt haben. Das sind umgerechnet 5,4 Billionen Dollar.

Besonders stark wurden jene Länder getroffen, die ihr Rentensystem schon sehr weitgehend auf die private Vorsorge umgestellt haben - also Großbritannien, die Niederlande, Kanada und Australien. Es ist völlig unklar, wie die dortigen Pensionsfonds jemals ihr Versprechen einhalten wollen, in Zukunft auskömmliche Renten an jene zu zahlen, die sich auf die private Rente verlassen mussten.

Aber der Wahn der privaten Altersvorsorge grassierte ja nicht nur in den angelsächsischen Ländern. Auch in Deutschland waren alle etablierten Parteien - von den Grünen bis zur Union - überzeugt, dass die Riester-Rente eine grandiose Idee sei. Eigentlich hätte man erwarten müssen, dass die Finanzkrise zu einem Umdenken führt. Doch im Wahlkampf wurde eisern geschwiegen. Das weltweite Fiasko der privaten Altersvorsorge war kein Thema. Stattdessen investiert der deutsche Staat weiterhin Milliarden, um die Riester-Rente zu subventionieren.

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Wer noch Zweifel hatte, ob in der SPD fremde Interessen das Sagen hatten/haben: Ex-SPD-Minister Clement wirbt für die FDP

Wolfgang Clement grätscht seiner ehemaligen Partei kurz vor der Wahl dazwischen. Bei einer Veranstaltung in Sachsen-Anhalt lobte der frühere SPD-Minister die FDP als Partei des wissenschaftlichen Fortschritts. Clement vergrätzt seine ehemaligen Parteifreunde nicht zum ersten Mal.

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Anmerkung: Was will man von einem Mann erwarten, der als "Superminister" das moderne Sklaventum ("Leiharbeit") massiv ausgebaut hat und nach dem Ende seiner Amtszeit im Aufsichtrat des größten Leiharbeitsunternehmens sein einträgliches Auskommen gefunden hat? Korruption in Deutschland ist an der Tagesordnung. Dass dieser Mann, für den Hartz-IV-Empfänger pauschal "Parasiten" sind, nun die FDP hofiert, verwundert nur denjenigen, der Clements "Karriere" nicht verfolgt hat und die Ziele der FDP nicht kennt. Gleich und gleich gesellt sich gern.

Folgen der Privatisierung (8): Eisenbahnerwohnungen

Die etablierten Parteien, die allesamt in Privatisierungsprojekte verstrickt waren, lassen zurzeit ihre Absichten für die Zeit nach der Wahl nicht erkennen. Zurzeit werden eher die Folgen der Privatisierung und die Folgen der Privatisierungsabsichten sichtbar - so etwa bei den unhaltbaren Zuständen der Berliner S-Bahn. Sie wurde kaputt gespart, um die Bilanz der Deutschen Bahn AG zu schönen. Gerade die weiteren Pläne zur Privatisierung der Deutschen Bahn bleiben vor der Wahl im Dunkeln. Ich bin fest davon überzeugt, dass es hinterher wie ursprünglich beabsichtigt weitergeht.

Auch die Privatisierung von Wohnungen, Kliniken, Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen wird weiter betrieben werden - nicht weil es vernünftig ist, sondern weil die an der Privatisierung verdienenden Gruppen und vor allem die Finanzwirtschaft ihre Finger in der Willensbildung und Entscheidungsfindung der etablierten Parteien haben. Das ist die bittere Wahrheit.

Wie wenig Verlass auf öffentliche Erklärungen oder auch auf das Schweigen vor Wahlen ist, wird an einer Dokumentation über die Privatisierung der Eisenbahnerwohnungen und die Folgen sichtbar, die uns ein Nachdenkseitenleser zur Verfügung gestellt hat. Es folgt eine Chronologie, zusammengestellt von Andreas Müller. Er ist Mitarbeiter der Eisenbahnergewerkschaft Transnet, er war 20 Jahre Mitglied der SPD und auch Ortsvereinsvorsitzender. Andreas Müller ist dort wegen der Privatisierung der Eisenbahnerwohnungen ausgetreten und kandidiert heute für die Linkspartei.

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Mittwoch, 16. September 2009

Links um!

Das Parteienspektrum in Deutschland und Frankreich ist in Bewegung. Wurde die deutsche Linke im Westen Anfang der 90er Jahre als Überbleibsel der DDR belächelt, schafft sie nun auch in den alten Bundesländern regelmäßig den Sprung in die Parlamente. Auch in Frankreich formiert sich ein neues Bündnis mit ähnlichem Wählerpotenzial links von der PS. Warum haben 20 Jahre nach dem Ende des Kommunismus linke Parteien immer noch Zulauf? Wie lauten ihre Konzepte? Die Dokumentation versucht eine Bestandsaufnahme - auf Parteitagen und im Wahlkampf, in der Provinz und in den Metropolen, vor Werkstoren und im Theater.

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Minister der Verteidigung

Genug ist nicht genug - Wenn Politiker peinlich werden

Dieter Althaus ist nicht mehr Ministerpräsident von Thüringen. Er ist zurückgetreten. Dachten wir. Aber er macht weiter, als sei nichts geschehen. Jürgen Rüttgers ist noch Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Er klopft mal wieder ausländerfeindliche Sprüche. Und macht weiter, als sei nichts geschehen. Was geschieht eigentlich in den Köpfen dieser speziellen Spezies, dass sie so gar nicht merkt, wenn sie falsch liegt, wenn sie nervt, wenn sie mal ein wenig nachlassen sollte, oder besser gleich ganz wegtreten? Wie kommt es immer wieder zum Realitäts- und Kontrollverlust der Mächtigen? Eine generelle Frage - nicht nur im Wahlkampf. Eine Systemfrage vielleicht gar ...

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Geschöntes Gorleben-Gutachten: Wie in der Politik manipuliert wird

Medienberichten zufolge hat die Bundesregierung unter Helmut Kohl in den 80er Jahren Druck auf Wissenschaftler ausgeübt, um Gorleben in einem Gutachten als geeignetes Endlager darzustellen. Die Gefahr, dass Radioaktivität ins Grundwasser gelangen könnte, wurde in dem Bericht heruntergespielt. Hier wurden offenbar von der Politik erwünschte Ergebnisse herbeimanipuliert - und die Wissenschaft hat mitgemacht. Und das bei dem Thema "Atommüll", das große Gefahren in sich birgt! (...)

Manipulation in der Politik ist kein Einzelfall

Dass die Politik vorschreibt, was in einem Gutachten drin stehen soll, das scheinen Einzelfälle zu sein. Die Politik hat andere Methoden, um zu den gewünschten Fakten zu kommen - je umstrittener das Thema, desto größer das Bemühen. Und offenbar muss man nur lange genug suchen, bis man einen Wissenschaftler findet, der genau das sagt, was man gerne hören würde. Schließlich profitieren sie davon.

Politik verspielt ihre Glaubwürdigkeit

Gutachten manipulieren - das ist einfach skandalös, zumal bei einem solchen Thema. Nun heißt es: Die Politik muss Vertrauen zurückgewinnen! Die zukünftige Entscheidung nach einem Endlager muss absolut durchschaubar und nachprüfbar erfolgen.

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Anmerkung: Dass es möglicherweise überhaupt kein sicheres Endlager für Atommüll gibt, kommt auch beim SWR offenbar niemandem in den Sinn.

Wahlverlierer

Zitat des Tages (8)

"Wir dürfen nicht einfach im Zug der Geschichte mitfahren. Wir müssen die Notbremse ziehen, bevor wir an die Wand fahren. Das müssen wir uns bewusst machen: Es hängt alles von uns ab. Wenn wir die historische Entwicklung einfach so weiter laufen lassen, dann wird es in einer noch nie da gewesenen sozialen und ökologischen Katastrophe enden. Wir müssen endlich handeln, ohne darauf zu hoffen, dass ein 'großer Anderer' oder die Geschichte auf unserer Seite ist. Niemand ist auf unserer Seite."

(Der Philosoph Slavoj Žižek warnte am 17. August 2009 in 3sat)

Wer kein Geld hat, stirbt früher

Der Sozialdemokrat Henning Scherf fordert in seinem Buch "Gemeinsam statt einsam" eine Reform des Gesundheitssystems. Die deutsche Zwei-Klassen-Medizin sei barbarisch und verfassungswidrig.

Was Mangel an Solidarität im Gesundheitswesen eines Landes anrichten kann, lässt sich derzeit sehr gut in Deutschland beobachten. Das fängt bei der Finanzierung der Gesundheitsversorgung an.

Warum können Angestellte, deren Bruttoeinkommen drei Jahre lang über der Versicherungspflichtgrenze von zurzeit 48150 Euro im Jahr liegen, die gesetzliche Krankenversicherung verlassen? Damit entziehen sich ausgerechnet die Wohlhabenden der gesetzlichen Krankenversicherung. Unser Gesundheitssystem braucht dringend eine neue, solidarische Finanzierung. Die immer niedrigeren Einkommen einer zunehmend schmaler werdenden Mittelschicht tragen nicht mehr das gesamte System. Da wird es Zeit, neben den Arbeitseinkommen der einen die Vermögen der anderen einzubeziehen. (...)

In privatisierten Kliniken sind dramatische Folgen absehbar

Da tritt ein Unternehmer oder ein Konsortium gegenüber einer finanzgebeutelten Kommune auf und verspricht, die Klinik leistungsfähiger und billiger zu machen. Und sobald die Klinik übernommen ist, geht es nur noch ums Geldverdienen. Klinikbetreiber Marseille spricht offen von Gewinnmaximierung im Krankenhaus und Pflegebereich. Da ist dann plötzlich nicht mehr das Gesundwerden der Anlass für die ganze Veranstaltung, sondern eine Rendite von zehn und mehr Prozent.

In Kliniken, die radikal privatisiert werden, sind dramatische Folgen für die Beschäftigten und Patienten absehbar. Da wird gepresst, über die Gehälter, über die Stellen, über die Pflegequalität.

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Trotz der Medienkampagnen: Die Linke legt zu

Die Linkspartei hat im stern-RTL-Wahltrend dramatisch zugelegt. Wegen der Landtagswahlen, wegen Afghanistan. Aber vor allem, weil Merkel und Steinmeier nur mit Wort-Watte um sich werfen. (...)

Denn es läuft derzeit eine massive Wählerflucht in Richtung Linkspartei. Viele politisch interessierte Bundesbürger haben es satt bis obenhin, mit einem Wahlkampf ohne Leidenschaft und voller Leerformeln bedient zu werden. Noch immer nennt sich die Hälfte der Bundesbürger politisch interessiert, aber sie bekommen keine Themen mehr geliefert, an denen sich dieses Interesse festmachen könnte.

Wer sich die beiden TV-Sendungen "Wahlarena" mit Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier zugemutet hat, wurde mit Wortwatte aus dem Mund der wichtigsten Repräsentanten der beiden Noch-Volksparteien eingedeckt, denen jeder harte politische Kern fehlte. Weshalb der SPD-Kanzlerkandidat bei seinen Antworten auf zahme Fragen dennoch schwitzte, als säße er in Sauna, ist unbegreiflich. Und auch die Kanzlerin drückte sich unverändert vor jeder bindenden konkreten Festlegung auf die politische Zukunft nach dem Wahltag.

Nicht alle Wähler sind mit Horst Schlämmer, Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier hinreichend für ihre Wahlentscheidung bedient. Vor allem die SPD muss endlich zur Kenntnis nehmen, dass die Hemmschwelle ihrer bisherigen Wähler, zur Linkspartei zu wechseln, tagtäglich sinkt. Gewiss nicht, weil sie davon überzeugt wären, dass die Linken ein rundum plausibles Programm böten. Aber im Bewusstsein darüber, dass sie wenigstens dort nicht mit völlig unverbindlichen politischen Phrasen eingenebelt werden.

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Atomendlager Gorleben: Kohls Minister schönten Gutachten

Neue Dokumente belegen, dass die Regierung Kohl im Jahr 1983 massiv Einfluss auf die Wissenschaftler ausübte, die eine Eignung des Standorts Gorleben für ein atomares Endlager prüfen sollten.

Nach einem Schriftverkehr, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, drängten die Ministerien für Forschung und für Inneres, damals unter den Ministern Heinz Riesenhuber (CDU) und Friedrich Zimmermann (CSU), die zuständige Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), ein maßgebliches Gutachten in wichtigen Passagen umzuschreiben.

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AKW-Wahlkampf: Schwarz-gelbe Strahlemänner

Die anhaltende Inhaltsleere des Wahlkampfs hat einen bemerkenswerten Vorteil: Selten stand das vermeintlich randständige, aber doch für die Zukunft so entscheidende Thema der Atomindustrie derart im Zentrum einer Bundestagswahl. Zu diesem hohen Maß an Aufmerksamkeit trugen maßgeblich die jüngsten Störfälle in Krümmel und der anhaltend skandalöse Zustand in dem illegal betriebenen Atommüllendlager Asse II bei Wolfenbüttel bei.

Nichtsdestotrotz planen Union und FDP eine Laufzeitverlängerung der 17 verbliebenen Atomkraftwerke. Gemeinsam mit den Lobbyisten der Atomindustrie proklamieren sie deren angeblich unvermeidbare Renaissance. Deutschland dürfe sich energiepolitisch nicht isolieren, heißt es allenthalben. Mal mutiert Atomstrom dabei zu Ökostrom, mal soll er als Billigstrom davongaloppierende Energiepreise zügeln. (...)

Inzwischen werden in einstigen Uranförderstaaten der westlichen Welt vor allem die alten Verwüstungen saniert, soweit dies möglich ist. Dafür trifft der Uranerzabbau heute in erster Linie indigene Völker in Afrika, Australien und Amerika. Die Verseuchung und Verwüstung weiter Landstriche durch den Tagebau, die Kontamination des Trinkwassers und Krebserkrankungen sind Folgen dieses Nuklearkolonialismus. Fest steht: Die eigentliche Höhe der Schäden für Mensch und Natur durch die globale Atomindustrie kann schon heute niemand mehr beziffern.

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Joschka Fischers neuer Job für die Atomindustrie

(...) Joschka Fischer sitzt gestern in einem Brüsseler Hotel. Mit am Tisch Medienleute, eingeladen vom Essener RWE-Konzern. Fischer hat in seinem Leben viele Wandlungen durchgemacht. Er war dick und dünn, jetzt ist er 61 Jahre alt und wieder beeindruckend dick. Als Umweltminister in Hessen piesackte er die Nuklear-Industrie, wo es ging. Als Vize-Kanzler und Außenminister der rot-grünen Bundesregierung arbeitete er für den Atomausstieg.

Seit Kurzem ist er nun also Berater und Werber für den Atom-Konzern RWE und dessen österreichischen Partner OMV.

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FORSA-Umfragen - manipulierende Stimmungsmache

Gestern erschienen die Ergebnisse einer Umfrage von Forsa, kommentiert von Forsa-Chef Manfred Güllner. Die Ergebnisse plus Kommentar wurden gleich in einer Vielzahl von Medien gestreut. Basis war eine Meldung des Stern. Einige dieser Produkte und Links finden Sie im Anhang. Ich bestreite nicht die Prognose, wonach die Linkspartei bessere Umfrageergebnisse erzielt. Sie dürfte ohnehin schon vorher höher gelegen haben, als die Umfragen zu vermitteln versuchten. Die Beeinflussung von Wählerpräferenzen durch die Veröffentlichung von Umfragen mit entsprechenden Kommentaren ist gang und gäbe. Dazu eine persönliche Erfahrung, von der ich trotz ihres relativ „intimen“ Charakters berichten will. Angesichts des immer wiederkehrenden Missbrauchs von Umfragen zur Meinungsmache scheint mir die Veröffentlichung sogar geboten.

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Sonntag, 13. September 2009

Zitat des Tages (7): Reinhard Mey: Sei wachsam

Ein Wahlplakat zerrissen auf dem nassen Rasen,
Sie grinsen mich an, die alten aufgeweichten Phrasen,
Die Gesichter von auf jugendlich gemachten Greisen,
Die dir das Mittelalter als den Fortschritt anpreisen.
Und ich denk mir, jeder Schritt zu dem verheiß'nen Glück
Ist ein Schritt nach ewig gestern, ein Schritt zurück.
Wie sie das Volk zu Besonnenheit und Opfern ermahnen,
Sie nennen es "das Volk", aber sie meinen Untertanen.
All das Leimen, das Schleimen ist nicht länger zu ertragen,
Wenn du erst lernst zu übersetzen, was sie wirklich sagen:
Der Minister nimmt flüsternd den Bischof beim Arm:
Halt du sie dumm – ich halt sie arm!

Du machst das Fernsehen an, sie jammern nach guten, alten Werten.
Ihre guten, alten Werte sind fast immer die verkehrten.
Und die, die da so vorlaut in der Talk-Runde strampeln,
Sind es, die auf allen Werten mit Füßen rumtrampeln:
Der Medienmogul und der Zeitungszar,
Die schlimmsten Böcke als Gärtner, na wunderbar!
Sie rufen nach dem Kruzifix, nach Brauchtum und guten Sitten,
Doch ihre Botschaft ist nichts als Arsch und Titten.
Verrohung, Verdummung, Gewalt sind die Gebote,
Ihre Götter sind Auflage und Einschaltquote.
Sie biegen die Wahrheit und verdrehen das Recht:
So viel gute alte Werte, echt, da wird mir echt schlecht!

Es ist 'ne Riesenkonjunktur für Rattenfänger,
Für Trittbrettfahrer und Schmiergeldempfänger,
'ne Zeit für Selbstbediener und Geschäftemacher,
Scheinheiligkeit, Geheuchel und Postengeschacher.
Und die sind alle hochgeachtet und sehr anerkannt,
Und nach den schlimmsten werden Straßen und Flugplätze benannt.
Man packt den Hühnerdieb, den Waffenschieber lässt man laufen,
Kein Pfeifchen Gras, aber 'ne ganze Giftgasfabrik kannst du kaufen.
Verseuch die Luft, verstrahl das Land, mach ungestraft den größten Schaden,
Nur lass dich nicht erwischen bei Sitzblockaden!
Man packt den Grünfried, doch das Umweltschwein genießt Vertrau'n,
Und die Polizei muss immer auf die Falschen drauf hau'n.

Wir haben ein Grundgesetz, das soll den Rechtsstaat garantieren.
Was hilft's, wenn sie nach Lust und Laune dran manipulieren,
Die Scharfmacher, die immer von der Friedensmission quasseln
Und unterm Tisch schon emsig mit dem Säbel rasseln?
Der alte Glanz in ihren Augen beim großen Zapfenstreich,
Abteilung kehrt, im Gleichschritt marsch, ein Lied und heim ins Reich!
„Nie wieder soll von diesem Land Gewalt ausgehen!“
„Wir müssen Flagge zeigen, dürfen nicht beiseite stehen!“
„Rein humanitär natürlich und ganz ohne Blutvergießen!“
„Kampfeinsätze sind jetzt nicht mehr so ganz auszuschließen.“
Sie zieh'n uns immer tiefer rein, Stück für Stück,
Und seit heute früh um fünf Uhr schießen wir wieder zurück!

Ich hab Sehnsucht nach Leuten, die mich nicht betrügen,
Die mir nicht mit jeder Festrede die Hucke voll lügen,
Und verschon mich mit den falschen Ehrlichen,
Die falschen Ehrlichen, die wahren Gefährlichen!
Ich hab Sehnsucht nach einem Stück Wahrhaftigkeit,
Nach 'nem bisschen Rückgrat in dieser verkrümmten Zeit.
Doch sag die Wahrheit und du hast bald nichts mehr zu lachen,
Sie werden dich ruinier'n, exekutier'n und mundtot machen,
Erpressen, bestechen, versuchen, dich zu kaufen.
Wenn du die Wahrheit sagst, lass draußen den Motor laufen,
Dann sag sie laut und schnell, denn das Sprichwort lehrt:
Wer die Wahrheit sagt, braucht ein verdammt schnelles Pferd.

Sei wachsam,
Präg dir die Worte ein!
Sei wachsam,
Fall nicht auf sie rein! Pass auf, dass du deine Freiheit nutzt,
Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt!
Sei wachsam,
Merk dir die Gesichter gut!
Sei wachsam,
Bewahr dir deinen Mut.
Sei wachsam
Und sei auf der Hut!

(Reinhard Mey)


Deutschland, der Ungerechtigkeitsstaat

Die große Mehrheit der Deutschen ist unzufrieden mit der Gerechtigkeit in der Bundesrepublik. Nach letzten Umfragen betrachten weniger als 30 Prozent die Verhältnisse als gerecht. Eine solche Einschätzung ist, um beim Wort zu bleiben, ungerecht. Immerhin leben wir in einem Rechtsstaat, und »Rechtsstaatlichkeit bedeutet«, das wusste vor Jahrzehnten schon der Staatsrechtler Klaus Stern, »Ausübung staatlicher Macht auf der Grundlage von verfassungsmäßig erlassenen Gesetzen mit dem Ziel der Gewährleistung von Freiheit, Gerechtigkeit und Rechtssicherheit«. Eine eingängige Definition, sie ist vielerorts zu finden, auch in Meyers Neuem Lexikon: »Materiell bedeutet Rechtsstaat die Verpflichtung der Staatsgewalt auf die Rechtsidee der Gerechtigkeit ...«

Woher also jetzt die Unzufriedenheit? Der Rechtsstaat ist doch, wie allgemein bekannt, die »größte Errungenschaft der deutschen Geschichte«. Und er funktioniert, wie regierende Politiker uns immer wieder versichern. Die CDU hat es in ihrem faszinierenden Stuttgarter Parteitagsdokument »Geteilt. Vereint. Gemeinsam.« zur Vorbereitung auf das 20. Jubiläum der »friedlichen Revolution« kurz und präzise so formuliert: »Der Rechtsstaat hat sich bewährt.« Wer sollte es besser wissen als die Partei, die sich christlich nennt und für die die Bibel gewissermaßen das originäre Grundsatzprogramm ist?

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So machen Konzerne Politik: RWE schickt Azubis auf Pro-Atomkraft-Demo

Laut einem Artikel auf taz.de stellt der Energiekonzern RWE seine Auszubildenden frei, um morgen an einer Pro-Atom-Demo in Biblis teilzunehmen. Diese soll einen Tag vor der Anti-Atom-Demo “Mal richtig abschalten!” stattfinden. RWE scheut keine Kosten und Mühen und will die Azubis mit Bussen nach Biblis bringen lassen. Der taz-Artikel zeigt, dass von den Azubis sehr wohl die Teilnahme an der Demo erwartet wird. Angesichts ihres Abhängigkeitsverhältnisses gegenüber dem Unternehmen kann also nicht von rein freiwilligem Engagement der Azubis ausgegangen werden.

RWE greift damit einen amerikanischen Trend auf: die stärkere strategische Mobilisierung der eigenen Mitarbeiter und deren Einbindung als “Fußtruppen” in die eigene Lobbyarbeit (”grassroots lobbying”).

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Folgen der Privatisierung (7): Privatisierung des Wassers

Wasser wird weltweit knapper und kostbarer. Die Temperaturen steigen, Wasser verdunstet, Pflanzen verdorren, Wüsten wachsen, durch die Rodung von Wäldern, vor allem in den Tropen, schrumpfen die Wasserspeicher der Erde. Immer größere Teile der Erdoberfläche, mit Beton oder Asphalt versiegelt, sind wasser-undurchlässig geworden. All diese Tendenzen setzen sich fort und verstärken sich noch – und zugleich nimmt der Wasserverbrauch zu, vor allem in den Ländern mit dem höchsten Lebensstandard.

Das immer knappere Wasser wird zum Handels- und Spekulationsobjekt. Konzerne eignen sich an, was vom Himmel regnet. Zum Beispiel im Harz. Am Brocken, dem höchsten Berg Norddeutschlands, regnen sich die Wolken ab. Seit Jahrhunderten wird der Regen aufgefangen: für Energieerzeugung (Mühlen), für schiffbare Kanäle, fürs Waschen, Reinigen, Tränken und Trinken. Etliche Städte beziehen Trinkwasser aus dem Harz.

Als Gerhard Schröder Ministerpräsident in Niedersachsen war, ließ er das Harzwasser, zuvor im Gemeinschaftsbesitz, privatisieren. Es wurde zum Konzernbesitz.

Eine der größten Privatisierungen in der Europäischen Union fand kurz darauf, Ende der 1990er Jahre, in Berlin statt. Für knapp 1,7 Milliarden Euro wurden über eine Holding-Aktiengesellschaft 49,9 Prozent der Anteile an den Berliner Wasserbetrieben (BWB) verkauft. Nutznießer dieser Holding-Konstruktion sind die Konzerne RWE Aqua und Veolia Wasser. (...)

Die Folgen: Personalabbau, gestiegene Wasserpreise, Externalisierung sozialer und ökologischer Funktionen. Das im Jahr 2008 vorgestellte Wasserversorgungskonzept sieht die Schließung von drei Wasserwerken vor, wodurch Berlin etwa 30 Quadratkilometer Trinkwasserschutzgebiet verliert. Als Bauland ist es lukrativer.

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Gregor Gysi im Interview mit der CDU-Presse: „Die SPD muss Kilometer auf uns zugehen“

Nach den üblichen Diffamierungen und viel überflüssigem Gerede von Seiten der Qualitätsjournalisten wird es interessant:

FAZ: ... die Finanzkrise, das Hickhack um Opel, die Geburtstagsfeier von Josef Ackermann im Kanzleramt: Man würde eigentlich erwarten, dass die Linkspartei noch viel stärker von der derzeitigen Lage profitiert. Wieso tut sie das nicht?

Weil die anderen Parteien uns auch in der Krise klein halten wollen, koste es, was es wolle. Was Sie Ihren Lesern mal mitteilen sollten, ist, dass sowohl die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes als auch die Abwrackprämie im Grunde der Linkspartei zu verdanken ist, ohne uns hätten die das gar nicht gemacht.

Glauben Sie das wirklich?

Aus tiefstem Herzen. Das Problem ist aber noch ein ganz anderes: Abgesehen von zwei Themen sind alle Parteien im Bundestag in einer Konsenssoße - bis auf die Atomenergie und den flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Ansonsten wollen alle den Krieg in Afghanistan, die Rente ab 67, die Beibehaltung von Hartz IV und überhaupt der Agenda 2010, die Senkung des Spitzensteuersatzes. In diese Konsenssoße passen wir nicht rein. (...) Diese Konsenssoße führt dazu, dass die anderen Parteien überhaupt nur auf ein Ergebnis allergisch reagieren: auf unseres - wir sind ein Störfaktor im Bundestag. Wenn wir bei der Bundestagwahl unser Ziel 10+x erreichen, werden die anderen sozialer. Würden wir es verfehlen, was ich keine Sekunde glaube, würden die anderen unsozialer. Die Krise ist bei den Wählern noch nicht richtig angekommen - die Ängste sind noch abstrakt, und da wendet man sich eher an das Bestehende. Aber wenn die Folgen kommen, die unvermeidbar sind, wird der Korrekturfaktor Linke für sie wieder an Bedeutung gewinnen. Außerdem ist es doch schon erstaunlich, dass wir mittlerweile ein solcher Faktor sind, dass sich sogar die FAZ mit uns unterhält. Das ist doch eine beachtliche Entwicklung.
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Die Armut ist gewollt

Armut ist ein merkwürdiges Phänomen: Niemand will davon betroffen sein, niemand bejaht sie offen oder wünscht sie anderen. Fast jeder, der über sie schreibt oder spricht, stellt sie als eine Gefahr nicht nur für die einzelnen Betroffenen, sondern auch für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, wenn nicht gar für das bestehende Wirtschafts- und Gesellschaftssystem dar. Und doch – obwohl zumindest ein so reiches Land wie die Bundesrepublik Deutschland ihre sozialökonomischen Entstehungsursachen beseitigen könnte, wenn der politische Wille dazu vorhanden wäre und entsprechende Anstrengungen unternommen würden – gibt es sie immer noch, ja seit geraumer Zeit sogar in wachsendem Maße.

Wie ist dieses Paradox zu erklären?

Armut entsteht nicht trotz, sondern durch Reichtum. Bertolt Brecht hat es während des Zweiten Weltkrieges in einem Vierzeiler folgendermaßen ausgedrückt: »Armer Mann und reicher Mann / standen da und sah'n sich an. / Und der Arme sagte bleich: / Wär' ich nicht arm, wärst du nicht reich.« Deshalb kann Armut im Rahmen der bestehenden Gesellschaftsordnung nicht durch zunehmenden Reichtum beseitigt werden. Beide sind vielmehr systembedingt: konstitutive Bestandteile des Kapitalismus. (...)

Sofern unsere Analyse richtig und Armut mehr als ein zufälliges Ereignis im Leben von Menschen ist, die »nicht mit Geld umgehen können«, sondern systemimmanent, kann man den Betroffenen schwerlich die Schuld daran zuschieben und dem Problem weder mittels moralischer Appelle an Wohlhabende noch mittels karitativer Maßnahmen beikommen. Vielmehr muss der Reichtum angetastet werden. Ohne Umverteilung von oben nach unten lässt sich die Armut nicht wirksam bekämpften. Grundvoraussetzungen dafür wären die Wiedererhebung der Vermögensteuer und eine stärkere Besteuerung großer Erbschaften.

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„Merkel will Steinbrück mit Prestige-Job belohnen“

Das meldete Spiegel Online am 5.9. Als Dankeschön für die gute Zusammenarbeit wolle sie ihm im Falle einer schwarz-gelben Regierung zu einem internationalen Posten verhelfen. Angesichts dieses Großmuts kommt einem kritischen Beobachter unwillkürlich die Volksweisheit auf die Lippen: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. Aber das wäre nicht ganz korrekt. Angela Merkel und Peer Steinbrück haben sich bei wichtigen Fehlentscheidungen und Versäumnissen nicht geschlagen, sondern gut vertragen. Also müsste man eher sagen: „Pack verträgt sich, Pack versorgt sich.“ (...)

Wahrscheinlich wird übrigens die Versorgung Steinbrücks mit einem staatlichen Posten gar nicht nötig sein. Bei ihm wie schon bei verschiedenen Staatssekretären würde der Drehtüreffekt mit hoher Wahrscheinlichkeit funktionieren: wer in Zeiten seiner öffentlichen Tätigkeit ordentlich etwas für private Interessen tut, bekommt dann auch anschließend einen guten Job.

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Steinmeiers Millionen-Programm

Endlich scheint die SPD gelernt zu haben – so möchten wir gerne glauben. Ihr Kandidat für das Kanzleramt, Frank Walter Steinmeier, will in den nächsten zehn Jahren vier Millionen neue Arbeitsplätze schaffen, davon zwei Millionen in der Industrie; ökologische und energiesparende Innovationen sollen dazu beitragen, Mittel- und Kleinbetriebe sollen Steuervergünstigungen erhalten und leichter an Kredite kommen. 1,5 Millionen neue Arbeitsplätze sollen im Gesundheits- und Bildungswesen entstehen, eine weitere halbe Million im Handel und im Dienstleistungssektor. (...)

Oder sollten wir uns etwa daran erinnern, dass schon Steinmeiers Vorgänger Gerhard Schröder 1998 unter dem Motto »Arbeit! Arbeit! Arbeit!« eine massive Senkung der Arbeitslosenzahl versprochen hatte, aber schließlich statt der 4,2 Millionen, die am Ende der Kohl-Zeit registriert waren, bei seinem Abgang – trotz aller Schönheitsreparaturen an der Statistik – knapp fünf Millionen Arbeitslose zugeben musste? Wenn uns dann noch einfällt, dass Steinmeier unter Schröder das Kanzleramt geleitet und in dieser Funktion auch die Weichen für die berüchtigte Agenda 2010 und die Hartz-IV-Verelendungsgesetze ausgearbeitet hat, könnten wir schon wieder misstrauisch werden. Sollte da jemand eine »Agenda 2020« planen? Aber nein, Steinmeier will von »Agenda« nichts mehr hören, und warum soll er nicht aus Fehlern gelernt haben? Er ringe um Glaubwürdigkeit, bescheinigen ihm seine Image-Agenten. Er sagt, er möchte sein Vorhaben nicht »Versprechen« nennen, Vollbeschäftigung sei ein »hehres Ziel« und sein »Wille«. Das ist klug, denn so kommt er gar nicht in Gefahr, ein Versprechen zu brechen (und das sogar zugeben zu müssen), wenn er es nicht gegeben hat. Leichter fällt es, dann zu sagen, trotz guten Willens habe man das selbstgesteckte Ziel vielleicht doch noch nicht erreichen können …

Steinmeier fügte hinzu: »Meine Vision ist die Arbeit von morgen …« Da wäre uns beinahe der hässliche Ausspruch von Helmut Schmidt wieder eingefallen: »Wer Visionen hat, braucht einen Psychiater.« Aber wir wollen uns ja nicht in unserem Zutrauen beirren lassen.

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