Mittwoch, 22. Juni 2016

Faulfuß: Weg mit Gott!


Mein guter Freund und intellektueller Minderleister Roland Faulfuß hat schon wieder zugeschlagen und im Wecker-Blog "Jenseits der Realität" einen Text über die anstehende Revolution das "Vater unser" veröffentlicht. Ja, der Mann schreibt allen Ernstes über dieses christliche, stumpfsinnige Gebet aus einer archaischen Zeit, in der die Erde noch eine flache Scheibe und überhaupt der Mittelpunkt des Universums war.

Das ist schon lustig genug - Faulfuß betätigt sich hier aber gleich als - freilich gänzlich inkompetenter - Literaturwissenschaftler und versucht mit der Hilfe eines halbseidenen Eso-Spinners namens Neil Douglas-Klotz, den ohnehin bescheuerten Text dieses Gebetes in den "Urtext" zurückzuführen. Jener Bekloppte - Douglas-Klotz - hat Bücher wie "Das Vaterunser: Meditationen und Körperübungen zum kosmischen Jesusgebet" oder "Segen aus dem Kosmos. Die schönsten Worte Jesu" herausgehauen, die jeden halbwegs vernunftbegabten Menschen schon durch ihre Titel in schreiende Agonie stürzen.

Das reicht dem Religioten Faulfuß aber noch nicht - er wiederholt allen Ernstes die völlig sinnfreie Argumentation dieses offensichtlich Irren, indem er behauptet, es gebe ein in aramäischer Sprache verfasstes "Original" dieses Gebetes, das aufgrund diverser Übersetzungen heute gänzlich verfälscht sei. Einerseits ist das eine wissenschaftlich nicht haltbare Behauptung - schon ein schnöder Blick zu Wikipedia hilft da weiter (einen Besuch in einer entsprechend gut sortierten Bibliothek ersetzt das freilich nicht):

Manchmal wird diskutiert, ob Teile des Neuen Testaments ursprünglich in Aramäisch verfasst seien, der Sprache Jesu und der ersten Christen. Es gibt für solche Annahmen jedoch keine antiken Textzeugnisse; alle neutestamentlichen Handschriften, auch die ältesten, sind in griechischer Sprache verfasst.

Andererseits bleibt diese Argumentation aber sowieso redundant, da es sich hier - selbst wenn es diese ominösen Textdokumente in aramäischer Sprache gäbe - lediglich um nacherzählte Floskeln handelte, die viele Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte nach dem angeblichen Leben Jesu niedergeschrieben wurden. Auch diese "Textquelle" - die es, wie gesagt, gar nicht gibt - wäre demnach nichts weiter als bloßes Hörensagen.

Auch die generelle Problematik, die bei übersetzten Texten stets auftritt, wird hier nicht erwähnt - ganz zu schweigen von den zeitbezogenen, gesellschaftlichen Besonderheiten der jeweiligen Epoche. Ich will das an einem Beispiel illustrieren: Faulfuß argumentiert hier wie ein geistig Verwirrter im Jahr 4000, der die Texte eines John Lennon aus dem Jahr 1969 bewerten will, die von einem "Jünger" 200 Jahre später nach "mündlicher Überlieferung" in französischer Sprache niedergeschrieben und im Verlaufe der Jahrhunderte erst ins Russische, dann ins Chinesische und schließlich wieder ins Englische übersetzt wurden. Wer meint, er könne angesichts einer solchen Ausgangslage nach 2000 Jahren auch nur rudimentär auf den Ausgangstext schließen, ist komplett irre und muss ein esoterischer Spinner sein.

Das ficht Faulfuß aber alles nicht an - hier sind schließlich keine Fakten gefragt und Wissenschaft ist in diesen Kreisen sowieso Ketzerei. Es geht um Glauben, nicht um Wissen. Und so versteigt sich der "hochsensible" Verrückte zu solchen Formulierungen (ich zitiere wörtlich, also inklusive aller Schreib- und Interpunktionsfehler):

Das aramäische Vaterunser entführt uns in eine erstaunlich frische wirkende, unverstaubte Welt mystischer und undogmatischer Spiritualität. Es führt uns in die Nähe und zielt auf die Vereinigung mit einer liebenden, allgegenwärtigen Gottheit. (...) Ich mache auch darauf aufmerksam, dass das aramäische Vaterunser einen aussergewöhnlich schönen Klang hat. Es anzuhören und nachzusprechen versetzte mich in eine "gehobene" Stimmung, ähnlich eine sanfte Trance. Nicht alle Worte, nicht einmal alle Mantras, hatten auf mich eine solche Wirkung.

Dies sei als Warnung an alle gedacht, die sich mit religiotischem Irrsinn zu befassen gedenken: Man kann sich auch gleich ein dickes Loch in die Schädeldecke bohren und beherzt einen Sahnequirl aufsetzen, der das Gehirn ordentlich vermatscht - die liebende, allgegenwärtige, heute natürlich korrekt gegenderte "Gottheit" wird sich dann gewiss von selbst einstellen.


(Jawohl: Hinweg mit dem Mumpitz.)

Dienstag, 21. Juni 2016

Song des Tages: Stellar Tombs




(Draconian: "Stellar Tombs", aus dem Album "Sovran", 2015)

A place where daylight aches
It's all unreal to you
A sunset calls me here
I swear to love it's true

So alien this vaulted screen
And patterns form into contours
The dark around me as dense as matter
A stellar quake fills the astral space

How dare you not to see?
My tears are gifts to you
A heart you must set free
How dare you not believe?

"Became I freeze in the warmth, in the glow of Helios -
Sweat in the heart of summers drained
And radiant life to falter and beautiful tears to dry:
I’m gracefully bowing ... in horror"

Waterless like the ocean –
Drizzling like the deserts;
Come emerge and wallow!
Pretend like nothing at all
Along the whirlwinds in your head
A place where daylight aches
It’s all unreal to you
A world we must set free
I swear to love it’s true

Petrified spirit, dilated stare
I’m piercing through these icy shackles
Somehow cast around this nebula
Unwilling to enter my birth

"Would you take my hand and follow through the ether?
Would you sweat and dance in winter's bloom?
For radiant life to falter and beautiful tears to dry:
I'm gracefully bowing ... in sorrow"

Waterless like the ocean –
Drizzling like the deserts;
Come emerge and wallow!
Pretend like nothing at all
Along the whirlwinds in your head
Along the whirlwinds in your head

(Frailty and strength marry and dissolve
And the sky fills up with poetry and song ...
Into the soothing black we go.)


Montag, 20. Juni 2016

Buchempfehlung: Die Kolonie


Heute möchte ich einmal mehr auf ein Buch aufmerksam machen, das mich seinerzeit sehr beeindruckt hat und dessen bittere Thematik im Jahr 2016 aktueller ist denn je. Ben Bovas Roman "Die Kolonie" aus dem Jahr 1978 beschreibt eine Zeit in der nahen Zukunft, deren Probleme uns heute allzu bekannt vorkommen dürften. Der Einfachheit halber zitiere ich wieder aus dem Klappentext:

"Die Erdölvorkommen des Planeten sind erschöpft. Die Staaten der Erde sind völlig von der Energieversorgung aus dem Orbit abhängig: Eiland Eins, eine künstliche Insel in einem der Librationspunkte des Erde-Mond-Systems, betreibt die Sonnenkraftwerke und schickt Tag und Nacht über Mikrowellensender die unentbehrliche Energie zur Erde.

Doch Eiland Eins ist gleichzeitig eine Kolonie für Zehntausende von Siedlern, die der Hölle der überbevölkerten Erde entronnen sind, auf der sich eine schwache Weltregierung und separatistische Nationalisten erbittert bekriegen.

Und eine Gruppe von multinationalen Konzernen, denen die Weltregierung mit ihren Kontrollen [Neusprech: "Regulierungen"] längst ein Dorn im Auge ist, schürt die Konflikte durch Waffenlieferungen und meteorologische und ökologische Anschläge, durch die ganze Landstriche verwüstet werden.

David Adams, auf Eiland Eins geboren und aufgewachsen, ist als Mensch ein genetisches Experiment und darf die Raumstation nicht verlassen. Dennoch flieht er zur Erde und lernt das dortige harte Leben aus eigener Anschauung kennen. Er begreift, dass Eiland Eins der Schlüssel ist - nicht nur zur Macht, das haben die Multis längst begriffen, sondern auch zum Frieden. - Und er hat einen Plan ..."

Bova, der später - vermutlich aus schnöden Broterwerbsgründen - auch manch redundantes Zeug veröffentlicht hat, ist mit diesem Roman ein kleines Meisterwerk gelungen, das gerade heute wieder massenhaft LeserInnen verdiente.

Dem Roman ist ein Zitat des ehemaligen Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Sithu U Thant, aus dem Jahr 1969 vorangestellt:

Ich will die Zustände nicht dramatisieren. Aber nach den Informationen, die mir als Generalsekretär der Vereinten Nationen zugehen, haben nach meiner Einschätzung die Mitglieder dieses Gremiums noch etwa ein Jahrzehnt zur Verfügung, ihre alten Streitigkeiten zu vergessen und eine weltweite Zusammenarbeit zu beginnen, um das Wettrüsten zu stoppen, den menschlichen Lebensraum zu verbessern, die Bevölkerungsexplosion niedrig zu halten und den notwendigen Impuls zur Entwicklung zu geben. Wenn eine solche weltweite Partnerschaft innerhalb der nächsten zehn Jahre nicht zustande kommt, so werden, fürchte ich, die erwähnten Probleme derartige Ausmaße erreicht haben, dass ihre Bewältigung menschliche Fähigkeiten übersteigt.

Wenn der Mann, der bereits 1974 verstarb, miterlebt hätte, was seit den siebziger Jahren auf diesem verkommenen Planeten - massiv verstärkt seit der Jahrtausendwende - geschehen ist, wäre er wohl auf der Stelle irre geworden. Es ist immerhin beachtlich, dass zumindest viele SF-Autoren - wie eben auch Bova - das nahende kapitalistische Fiasko des globalen Elends der großen Mehrheit ausführlich beschrieben und analysiert haben.

Man müsste das - gerade in der heutigen irren Glitzerwelt der kapitalistischen Endzeit - einfach nur lesen.



(Benjamin William Bova [*1932]: "Die Kolonie", 1978; dt. Heyne 1980)