Samstag, 15. Januar 2011

Zitat des Tages: Wie von der Mafia regiert

Wir kämpfen seit vier Jahren erbittert gegen die Feinde dieses Friedens. Wir kämpfen gegen die Hochfinanz und die Wirtschaftsbosse, die gewissenlosen Spekulanten, gegen die Klassenspaltung, den Partikularismus und gegen die Kriegsprofiteure. Sie alle hatten sich daran gewöhnt, die amerikanische Regierung als Anhängsel ihrer Geschäfte zu betrachten. Wir wissen nun, vom organisierten Geld regiert zu werden, ist genauso gefährlich wie von der Mafia regiert zu werden. Jetzt hassen sie mich und ich begrüße ihren Hass.

(Aus der Rede von US-Präsident Franklin D. Roosevelt [1882-1945] am 31. Oktober 1936 im New Yorker Madison Square Garden vor den Präsidentschaftswahlen am 3. November. Der Demokrat gewann diese Wahl mit der überwältigenden Mehrheit von 60,8 Prozent der Wählerstimmen. Zitiert nach Das Blättchen)


(Bild: Wikipedia)

Lachnummer des Tages: Das Hirn schlägt links

Kann die Hirnforschung neue Ordnung in die politische Beliebigkeit bringen? In Großbritannien legte man jetzt das Gehirn eines Konservativen und [das] eines Linken unter den Gehirnscanner. Und siehe da: Sie unterschieden sich!

(...) Die Linken haben eine signifikant dickeren anterioren cingulären Cortex (ACC), bei Konservativen war der Mandelkern des Gehirns größer. Während der ACC zum obersten Kontrollzentrum des Hirns gehört, machen sich im Mandelkern alle Erregungszustände, von der Angst über die Aggression bis zur Wollust, bemerkbar.

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Anmerkung: Es verwundert, dass sich im Schädel des Neoliberalen offenbar doch ein Inhalt befunden hat, auch wenn das noch immer keine Aussage darüber zulässt, inwieweit eventuell vorhandene Denkkapazitäten auch regelmäßig genutzt werden. Bei der FAZ jedenfalls wird im selben Text weiter bunt und hirnlos drauf los fabuliert, dass sich die Balken biegen:

"Alles drängt in die Mitte, Sozialdemokraten wehren sich dagegen, als unbürgerlich dazustehen, Christunionisten wollen nicht konservativ werden – und wenn, dann nur mit den Zusätzen „liberal“ und „sozial“ –, die Grünen sind längst überlinks, und die Liberalen, mit denen sie sich um die Stimmen der naturbewussten SUV-Fahrer streiten, waren sowieso nie anderswo." lesen wir da. - Aha, der FAZ-Autor will also genau dieses alberne Getue der Parteien scharf geißeln oder sich darüber lustig machen, nimmt man zunächst an, muss im nächsten Satz dann aber lesen, dass er diesen hirnlosen Blödsinn tatsächlich selbst zu glauben scheint.

Wie weit müssen diese Parteien denn noch an den rechten Rand abdriften, bis auch bei der FAZ jemand merkt, dass das ständige parteiübergreifende Gefasel von einer mythischen "Mitte" nichts weiter als heiße Luft ist, die offen und für jeden sichtbar jeder realen Grundlage entbehrt? - Der Knaller sind aber die "überlinken" Grünen. Da werden Herr Trittin und seine Gesellen triefende Augen bekommen haben und glucksend unter den Tisch gesunken sein, als sie das gelesen haben.

In der FAZ muss mindestens die linke Hirnhälfte, höchstwahrscheinlich aber auch die rechte, abgestorben sein, wenn sie diese neoliberale Bande als ein "in die Mitte strebendes Parteienspektrum" wahrnimmt. Was auch immer dabei die "Mitte" sein soll ... die überwältigende Mehrheit in diesem Land ist es nicht.

Fazit: Wir brauchen mehr seriöse Hirnforschung.

Monsanto - Mit Gift und Genen



















Freitag, 14. Januar 2011

"Der Kapitalismus ist nicht das Ende der Geschichte"

Antworten auf ihre Kritiker: Rede von Gesine Lötzsch, Vorsitzende der Partei Die Linke, auf der XVI. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz in der Berliner Urania.

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Anmerkung: Lesen Sie selbst und machen Sie sich ein eigenes Bild - und bewerten Sie die politischen und medialen Reaktionen entsprechend neu. Die Hetzjagd, die in den vergangenen Tagen auf Lötzsch stattgefunden hat, ist bezeichnend für das uns umgebende Propagandasystem, das nur einen einzigen - nämlich kapitalistischen - Denkweg zulässt. Alles davon Abweichende - selbst wenn es nur scheinbar so ist - ist des Teufels und wird gnadenlos und unreflektiert dem Abschuss preisgegeben und niedergestampft.

Mit solchen Medien ist der Weg in den Abgrund nicht nur vorgezeichnet, sondern vollkommen unausweichlich. Allmählich müsste sich sogar in den "elitären" Kreisen und solchen, die sich dafür halten, herumgesprochen haben, dass wir dringend alternative Visionen für unsere Zukunft brauchen, wenn wir nicht nachhaltig beweisen wollen, dass die Menschheit ein evolutionäres Fehlexperiment gewesen ist - noch dazu eines mit katastrophalen Folgen für weite Teile der Natur.

Was sagt diese Frau denn, dass es den neoliberalen Aposteln eine solche fürchterliche Angst einjagt und sie veranlasst, aus allen Rohren zu feuern? Ich kann in dieser Rede - und auch im ursprünglichen Text, der den Stein des Anstoßes ins Rollen brachte - nichts sonderlich Revolutionäres finden. Die Aufregung wäre ja teilweise nachvollziehbar (wenn auch noch immer nicht sinnvoller), wenn Frau Lötzsch "Enteignet Springer!" oder, viel wichtiger, "Enteignet die Banken!" gerufen hätte. Nichts davon findet sich in den Texten.

Es scheint also wieder einmal nur darum zu gehen, irgendeinen beliebigen Anlass zu nehmen, um vehement und nachhaltig alle alternativen Denkansätze zur Ordnung von Gesellschaft und Staat pauschal zu verdammen - ganz egal, worum es sich konkret dreht. Die "Elite" will ihre Reichtümer behalten, der Rest der Menschheit soll weiter in Armut, Abhängigkeit und Ausbeutung gefangen bleiben, jede Alternative soll nicht einmal überdacht werden.

Käme ein außerirdischer Besucher an der Erde vorbei und sähe sich dieses groteske Schauspiel kurz an, wäre er schneller wieder fort als er gekommen ist. Knappe Botschaft nach Hause: "Semi-intelligente Spezies entdeckt, leider unfähig zu gesunder gesellschaftlicher Organisation; Befall durch wenige parasitäre Individuen bei gleichzeitigem millionenfachem Tod von Artgenossen. Die Spezies wird weiter degenerieren und den Planeten und damit sich selbst zerstören - Aufnahme in die Gemeinschaft der 100.000 Planeten zu errechneten 0,02% wahrscheinlich. Hinweis für die Registratur: A.A. (ad acta)." - Oder wahlweise: Am Arsch.

Faschismus: Schleichende Übernahme

Die Niederlande bieten ein Lehrstück. Hier zeigt sich, wie Intoleranz langsam in einer Gesellschaft wuchert – seit der Islamfeind und Populist Geert Wilders die bürgerliche Regierung toleriert.

In seinen Tagebüchern beschreibt der Literaturwissenschaftler Victor Klemperer, wie sich in Deutschland nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten langsam die Sprache änderte. Wie die Lüge oder allenfalls halbe Wahrheit zur weitgehend akzeptierten Tatsache wurde, wie die Allgemeinheit die radikale Meinung über Minderheiten kaum merklich übernimmt. Eine ähnlich schleichende Radikalisierung nehmen viele in den Niederlanden wahr: Islamfeindliche Thesen, die vor einem Jahr als unerhört galten, sind heute unspektakulärer Gesprächsstoff in Fernseh-Talkshows. Was in öffentlichen Diskussionen vor kurzem noch jenseits einer allgemein respektierten Schamgrenze lag, wird heute lässig ausgesprochen.

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Anmerkung: Diese bedrohliche Entwicklung ist natürlich keineswegs auf die Niederlande beschränkt, auch wenn sie dort vielleicht besonders deutlich wird. Ein Blick zum Beispiel nach Ungarn oder auch ins eigene Land, nach Deutschland, offenbart dieselben fatalen Strömungen, die jedem wirklichen Demokraten die Angstperlen auf die Stirn treiben müssen. Unwillkürlich fällt mir ein Satz Paul Celans ein: "Das Grauen, es schläft nur."

Dennoch ist der Artikel der Frankfurter Rundschau sehr lesenswert und bietet Informationen, die nach meiner Wahrnehmung in den deutschen Propagandamedien größtenteils nicht vorkommen. Oder wussten Sie bereits, dass beispielsweise sechs von 23 PVV-Parlamentariern Gesetzesverstöße vorgeworfen werden oder nachgewiesen wurden, die genau jenen gleichen, "die die PVV-Propaganda den Einwanderern aus dem Maghreb zuschreibt, die sie deshalb attackiert und nicht mehr im Land haben will"? Wenn es nicht so zynisch wäre, müsste man einfach sagen: Ja, so war und ist diese rechte Bande eben - dreist, verlogen und kriminell.

Betroffen macht das düstere Fazit des Textes, das schlicht lautet: "Den Geist, den Rechtsliberale und Christdemokraten mit ihrem Tolerierungsexperiment aus der Flasche gelassen haben, werden sie nicht wieder einfangen können." - Streichen wir das "Tolerierungsexperiment" daraus und fügen Sozialdemokraten und Grüne zur Liste der Missetäter hinzu - und schon haben wir eine treffende Aussage, die für ganz Europa gilt.

Und die "Elite" frohlockt, weil sich wieder einmal der Hass, der eigentlich sie selbst betreffen müsste, an ethnischen und/oder sozialen Minderheiten abzureagieren beginnt.

Dazu passt:

In The Flesh

So ya, thought ya, might like to go to the show,
To feel the warm thrill of confusion, that space cadet glow?
Well, I got some bad news for you, Sunshine:
Pink isn't well, he stayed back at the hotel,
And they sent us along as a surrogate band.
Tonight we're gonna find out where you fans really stand!

Are there any queers [Schwule] in the theatre tonight?
- Get 'em up against the wall!
And there's one in the spotlight, he don't look right to me!
- Get him up against the wall!
And that one looks Jewish, and that one's a coon ["Nigger"] ...
Who let all this riff-raff [Abschaum] into the room?
There's one smoking a joint, and another with spots [Pickel] ...
If I had my way, I'd have ALL of you shot!

(Bob Geldof als Pink in Alan Parkers Film "Pink Floyd - The Wall" (1982), Musik und Text von Roger Waters)



Mittwoch, 12. Januar 2011

Zitat des Tages: Erklärung

Der Schutzverband Deutscher Schriftsteller hat zu der Notverordnung über die Presse eine Kundgebung erlassen, in der es heißt:

"Der SDS verkennt nicht, dass in einer Notzeit jede Regierung die Möglichkeit haben muss, falschen und den Bestand des Volkes gefährdenden Nachrichten selbst mit dem Mittel des Publikationszwanges entgegenzutreten."

Diese Kundgebung gibt die Lage nicht richtig wieder.

Durch die Notverordnung über die Presse werden nicht die Interessen des Volkes wahrgenommen. Es mag sein, dass der Schutzverband Deutscher Schriftsteller nicht in der Lage ist, in die Opposition zu gehen – Opposition gegen Geldgeber gibt es nicht.

Die Kundgebung macht dann lendenlahm und brav die Regierung darauf aufmerksam, dass ...

Ich bin aus dem Schutzverband Deutscher Schriftsteller ausgetreten.

(Kurt Tucholsky [1890-1935], in "Die Weltbühne" v. 18.08.1931, Nr. 33 - Das Zitat bezieht sich auf diesen Vorgang aus dem Jahr 1931: "Reichspräsident Paul von Hindenburg schränkt mit einer Notverordnung zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen das Versammlungsrecht und die Pressefreiheit erheblich ein.")

Das ungarische Desaster

Das Mediengesetz ist nur die Spitze einer Entwicklung. Viktor Orbán ist weit vorangekommen bei seinem autoritären Umbau, eine Alternative ist nicht in Sicht (...)

Die ungarische Geschichte ist ein lehrreiches und warnendes Beispiel, das zeigt, wie zerbrechlich die europäischen bürgerlichen Demokratien in diesen wirren und dekadenten Zeiten geworden sind. (...)

Zunächst verurteilte das Parlament in einem feierlichen Akt den Vertrag von Trianon von 1920 und stellte Angehörigen der ungarischen Minderheit in den Nachbarstaaten die ungarische Staatsbürgerschaft in Aussicht. Sodann wurden alle staatlichen Institutionen und öffentlichen Gebäude angewiesen, ihre Wände mit dem grundsätzlichen Bekenntnis des neuen Regimes zu schmücken - der Erklärung zu einer Nationalen Kooperation (das Regime nennt sich offiziell "System Nationaler Kooperation", und die Regierung ist eine Regierung der Nationalen Einheit).

Weiterhin wurden die Wahlgesetze geändert, um es kleinen Parteien zu erschweren, ins Parlament zu gelangen. Außerdem wurde das Verfassungsgericht kastriert. Zu guter Letzt wurden die Spitzenposten bei der Generalstaatsanwaltschaft für neun Jahre, des Rechnungshofes sowie der lokalen Rechtsorgane mit Politikern des rechten Flügels besetzt. Die Geheimdienste wurden umstrukturiert und ein neues Antiterrorismuszentrum unter Leitung von Viktor Orbáns früherem persönlichen Leibwächter geschaffen.

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Anmerkung: Es überkommt einen das kalte Grausen, wenn man diesen Text liest. Die Parallelen zu einer längst vergangen geglaubten schlimmen Zeit in Deutschland, die sich sofort aufdrängen, erzeugen Fassungslosigkeit: Mitten in Europa entsteht heute wieder ein autoritäres System. Bitte unbedingt lesen - da reiht sich eine Ungeheuerlichkeit an die nächste. Vollends heruntergeklappt ist mein Kiefer bei dieser Passage: "'Antifaschismus ist ein Verbrechen', hat ein führender konservativer Kolumnist, Universitätslehrer und Redakteur einer angesehenen Monatszeitschrift erklärt." Das ist bezüglich des Weges, den die ungarische Rechte einzuschlagen gedenkt, mehr als nur eine böse Drohung.

Ich weiß zu wenig über die Historie Ungarns, so dass ich mir an dieser Stelle kein umfassendes Urteil erlauben kann. Aber wenn ich diesen Text lese und mir vor Augen halte, was in diesem Land offenbar geschieht, dann kann ich nicht anders als aufzustehen und laut Nein zu sagen. Wie kann die Bevölkerung Ungarns diese Entwicklungen hinnehmen? Und wie kann es die EU zulassen, dass in einem ihrer Mitgliedsstaaten solche Entwicklungen stattfinden?

Die EU ist ja ebenfalls ein zutiefst undemokratisches Gebilde, und wir dürfen uns getrost die Frage stellen, wieviele Figuren der neoliberalen Bande sich angesichts der ungarischen Entwicklungen heimlich zuhause diabolisch grinsend die Hände reiben ...

Wir müssen sehr wachsam sein. Sehr wachsam.

Grippe-Pandemie: Lügen und Nicht-Konsequenzen

Milliarden haben Regierungen ausgegeben für das Grippemedikament Tamiflu, um gegen eine Pandemie gewappnet zu sein. Nun warnen Wissenschaftler: Die veröffentlichten Daten zu dem Mittel sind massiv geschönt.

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Anmerkung: Nun haben wir es also schwarz auf weiß, dass Tamiflu genauso wirksam ist wie ein Placebo - geahnt haben wir ja schon lange, dass die Grippe-Hysterie lediglich viel Geld in die Kassen der Pharma-Konzerne spülen sollte. Aber jetzt dürfen wir gespannt sein, welche Konsequenzen man daraus wohl ziehen wird. Ich wage eine Prognose: Keine. Weder an der Praxis der Studienerstellung bezüglich neuer Medikamente wird sich etwas ändern, noch wird die Bundesregierung die vielen Milliarden Euro oder zumindest einen Teil davon von den Konzernen zurückfordern, die sie für unwirksame Null-Medikamente bezahlt hat - da können die Konzerne ihren Marionetten in der Politik sicher blind vertrauen.

Wie sollte es auch anders sein, wenn wir beispielsweise einen FDP-Gesundheitsminister haben, für den das Geldverdienen im Gesundheitssystem an allererster Stelle steht, wie man u.a. hier nachlesen kann. Das ganze System ist ein ekeliger Sumpf aus Lügen, Lobbyismus und Korruption - alles mit dem Ziel, einer kleinen Gruppe von reichen Leuten noch viel mehr Reichtum in die Kassen zu spülen. Wie man dem Text aus der Süddeutschen entnehmen kann, nimmt man dabei auch teilweise schwere "Nebenwirkungen" des unwirksamen Medikaments in Kauf - natürlich auch bei Kindern. Was für eine widerliche Bande.

Jean Ziegler: "Es wird einen Aufstand des Gewissens geben"

(...) Seit 50 Jahren schreibt Ziegler an gegen das ungerechte Gefälle zwischen Erster und Dritter Welt; als einer der Ersten warnte er vor einer entfesselten Globalisierung. Wenn er in diesen Tagen an die Rednerpulte tritt, um sein aktuelles Buch "Der Hass auf den Westen" vorzustellen, trägt er einen dunklen Anzug mit Krawatte. "Je radikaler du sprichst, umso kleinbürgerlicher musst du aussehen", sagt Ziegler. Er ist inzwischen 76, aber er denkt nicht daran, seinen "Kampf der Ideen" aufzugeben. Nur selten ist er eine Woche lang am Stück zu Hause in Russin. In der Welt gibt es zu viel zu tun. (...)

Ziegler: Es wird einen Aufstand des Gewissens geben. Ich beobachte das Entstehen einer neuen, planetarischen Zivilgesellschaft. Egal ob es um diese Proteste bei G-8-Gipfeln geht, um Atommülltransporte oder wie bei euch um diesen Stuttgarter Bahnhof: Es gibt wieder Leute, die nicht mehr nur tun, was man ihnen diktiert, die ihre Freiheit umsetzen in Widerstand.

ZEIT: Gibt es ein Ziel, das diese Menschen eint?

Ziegler: Sie wissen, was sie nicht wollen, und niemand kann voraussehen, was daraus entsteht. Was sie aus ihrer Freiheit machen, ist das große Mysterium der Geschichte. Kennen Sie diesen Vers von Whitman: "He awoke at dawn and went into the rising sun ... limping." Er erwachte am frühen Morgen und ging der aufgehenden Sonne entgegen ... hinkend.

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Anmerkung: Absolute Leseempfehlung - Ziegler ist ein beeindruckender Mensch, der auch im hohen Alter nicht müde wird, die neoliberale Bande beim Namen zu nennen und uns ihre Taten bzw. deren Folgen immer wieder schonungslos direkt vors Gesicht zu halten: "Alle fünf Sekunden stirbt auf dieser Welt ein Kind an Hunger. So steht es im World Food Report der FAO, der Ernährungsorganisation der Uno. Alle fünf Sekunden, jetzt, während wir reden! Alle vier Minuten verliert ein Mensch sein Augenlicht, nur weil er zu wenig Vitamin A bekommt. Jeder sechste Mensch ist permanent schwerst unterernährt ..."

Ich zolle diesem Mann meinen vollsten Respekt - auch wenn ich seine Zuversicht bzw. seine Hoffnung auf den kommenden "Aufstand des Gewissens" nur bedingt teilen kann. Lasst uns weiter in Richtung der aufgehenden Sonne hinken. Trotz allem.

Montag, 10. Januar 2011

Zitat des Tages: Junge Irre

Junge Controller

Sacht schwingen die Schlipse
der jungen Controller,
doch ohne Krawattenzwang
wär' ihnen wohler.

Die Effizienz ist hier
das Maß aller Dinge.
Drum tragen sie schon mal
den Hals in der Schlinge.

(Marco Tschirpke [*1975]: Lapsuslieder. 2003)


Propaganda: Warum der Neoliberalismus trotz seines Scheiterns weiter den Ton angibt

Paul Krugman ist ein kluger Mann. Wir zitieren ihn oft und meist mit Respekt und Wohlwollen. Gestern erschien in der Frankfurter Rundschau ein Kommentar aus der New York Times, der beispielhaft zeigt, wie sich auch kluge Leute erfolglos abmühen, die Welt zu verstehen, wenn sie nicht verinnerlicht haben, welche Bedeutung Meinungsmache für die öffentliche Meinungsbildung und damit für politische Entscheidungen hat. Ich gehe auf diesen Vorgang nicht ein, um Paul Krugman zu kritisieren, sondern um Nachdenkseiten-Lesern und Interessierten an diesem Beispiel sichtbar zu machen, wie erfolgreich man analysieren kann, wenn man Orwells und unseren Denkansatz begriffen hat.

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Anmerkung: Was Albrecht Müller "Meinungsmache" nennt, ist in Wahrheit nichts anderes als gezielte Propaganda. Er benutzt dieses Wort im zitierten Text ja ebenfalls - vermutlich ist seine Vorliebe für das Wort "Meinungsmache" darauf zurückzuführen, dass sein Buch diesen Titel trägt und ein besser passender Titel vom Verlag seinerzeit abgelehnt wurde. Aber das sind nur Mutmaßungen.

Die Kernaussage bleibt davon unberührt: Wir sind durch die Medien massenhaft Propaganda-Kampagnen ausgesetzt, die eine bestimmte - nämlich neoliberale - Weltsicht kolportieren. Diese Kampagnen betreffen nahezu alle Medien - private ebenso wie öffentlich-rechtliche. Selbst in Blättern, die gelegentlich recht ansehnliche journalistische Fundstücke anbieten, finden sich immer wieder auch Teile dieser Propaganda-Kampagnen.

Wer von Kampagnen spricht, muss zwangsläufig auch davon ausgehen, dass es Drahtzieher gibt, die diese Kampagnen starten. Die Schlussfolgerung, welche Drahtzieher das denn wohl sein mögen, fällt ziemlich leicht, wenn man sowohl bei der tagesschau, als auch im Spiegel, in der Frankfurter Rundschau und beim WDR Beiträge findet, die beispielsweise die "private Rente" unkritisch in den Himmel loben. Derlei Themen-Beispiele und involvierte Medien gibt es sehr viele.

Albrecht Müller hat also recht, wenn er sich erneut auf George Orwell bezieht und feststellt: "Wenn man immer wieder das Gleiche sagt und dies von einigen anderen auch sagen lässt, dann wird die Lüge zur Wahrheit." Genau so läuft das in unserer Welt - wir bekommen nicht verschiedene Meinungen oder gar tiefere Analysen präsentiert, sondern das immer gleiche aus verschiedenen Quellen - also "muss es ja wahr sein". Das ist die schlüssigste - und nach meiner Wahrnehmung auch einzige - Begründung dafür, dass der Neoliberalismus, der auf allen Ebenen in Gänze (wiederholt) versagt hat, immer noch das vorherrschende Glaubensbekenntnis ist - nicht nur bei den wenigen Profiteuren, sondern auch bei vielen normalen Bürgern, die ja zu den Opfern dieser Ideologie gehören.

Um beim Beispiel der "privaten Rente" zu bleiben: Durch einfaches Nachdenken müsste jedem Menschen sofort klar sein, dass ein soziales System in dem Augenblick, in dem irgendein Konzern oder Unternehmen darin involviert ist, keine Verbesserungen für die beteiligten Bürger mehr bieten kann - denn dieses Unternehmen ist in diesem Wirtschaftssystem darauf angewiesen und ausgerichtet, Profit zu machen und so Geld aus dem System abzuziehen. Die Logik lässt da keinen anderen Schluss zu, als dass eben unterm Strich weniger Geld für die Menschen übrig bleibt. - Dass es dennoch dazu gekommen ist, dass ein solches System eingeführt wurde (und auch viele Menschen daran "glauben", dass es ihnen Vorteile bringt, was ja absurd ist), ist auf genau diese Propaganda zurückzuführen. Und die Rente ist nur ein Beispiel von sehr, sehr vielen.

Im Übrigen zeigt dieses Beispiel auch die Perfidie, die hinter diesem ganzen Irrsinn steckt: Jeder soll animiert werden, den eigenen Vorteil zu entdecken. Es wird plump eine möglichst egoistische Weltsicht jedes Einzelnen befördert - was genau dem perversen "Wettbewerbsdenken" der neoliberalen Ideologen entspricht. Mit Verlaub - aber in einer solchen mutierten Welt will ich nicht leben.

Es ist an der Zeit sich zu entscheiden. Wollen wir egoistische Vorteile auf Kosten von anderen, wollen wir ein vereinzeltes Leben in "Wettbewerb" und "Konkurrenz", oder wollen wir gemeinschaftlich leben? Diese Orwell'sche Propaganda-Show jedenfalls findet auch weiterhin ohne mich statt.

CCC über Hartz IV: Digitale Spaltung per Gesetz

USA: Die totale Drohnenüberwachung

Mit einem Überwachungssystem für Drohnen will die US-Luftwaffe ganze Städte beobachten können

Noch in diesem Frühjahr will die US-Luftwaffe ein neues Überwachungssystem bei den MQ-9 Reaper-Drohnen in Afghanistan einsetzen, berichtet die Washington Post. Das bedrohlich "Gorgonenblick" (Gorgon Stare) genannte System aus neun Videokameras wird in Echtzeit Bilder von den Bewegungen der Menschen einer ganzen Stadt senden können; die jetzigen Drohnenkameras können nur immer einen kleinen Ausschnitt aufnehmen. "Wir können alles sehen", heißt es ebenso drohend [wie] beschwörend.

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Anmerkung: Ganz offen "perfektionieren" diese Gesellen die Möglichkeiten ihrer Kriegsführung. Und wer glaubt, dass solche Überwachungsinstrumente nur für Afghanistan und andere Kriegsgebiete entwickelt werden, hat verschlafen, dass die neoliberale Bande zeitgleich einen Krieg gegen uns alle führt.

Ist das nicht eine wundervolle Welt, in der wir leben? Die Aussicht darauf, dass das Militär oder wahlweise irgendwelche Geheimdienste oder Polizeibehörden uns jederzeit diskret aus der Luft genauestens überwachen können, macht uns sicher genauso zufrieden und glücklich wie die Bevölkerung Afghanistans.

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Die Realität übertrifft schleichend, aber stetig in weiten Teilen jede dystopische Horrorvision alter Science-Fiction-Werke. Eine solche Entwicklung hat sich kaum ein Autor vor 30, 40 Jahren ausmalen können. Wir steuern auf die am besten überwachte Welt seit Anbeginn der Menschheit zu. Herzlich willkommen.