Donnerstag, 9. März 2017

Wissenschaft versus Religion: Ein Widerspruch?


Es gibt zahlreiche Beispiele für die These, dass nicht wenige anerkannte Wissenschaften, die selbstverständlich an Universitäten und Fachhochschulen gelehrt werden und in denen reichlich Forschungsarbeit betrieben wird, tatsächlich eher semireligiöse Glaubenslehren sind. Als Beispiele sind – aus im Rahmen dieses Blogs wohlfeilen Gründen – die Ökonomie (BWL/VWL) zu nennen oder auch die Astronomie (Kosmologie). Letztere fußt zwar auf physikalischen Erkenntnissen, die im von Menschen erlebbaren Raum durchaus als gesichert gelten können, besteht aber dennoch zu weiten Teilen aus bloßen Spekulationen – wie beispielsweise der in dieser Disziplin generell gehegten Vermutung, "Leben" auf anderen Planeten könne nur in einem ganz besonders engen – natürlich "erdähnlichen" – Rahmen entstehen, der u.a. ein fest definiertes Temperaturspektrum, das Vorhandensein von flüssigem Wasser und diverse weitere gemauerte "Säulen" umfasst. Die Liste der Beispiele allein aus dem Fachbereich der Kosmologie, der mich persönlich sehr interessiert, ist schier endlos – dazu weiter unten noch mehr.

Ein anderer Wissenschaftszweig, der auf ähnlich tönernen Füßen zu stehen scheint, ist die Ernährungswissenschaft. In einer Rezension zu dem Buch "Ernährungswahn" von Uwe Knop aus dem Jahr 2016 las ich kürzlich bei "Wissenschaft aktuell":

Die Liste der möglichen Ernährungsphilosophien und Nahrungsmittelunverträglichkeiten scheint nahezu endlos. Nicht selten kommt es einem heutzutage so vor, als sei die Nahrungsaufnahme beinahe schon zur Ersatzreligion avanciert. Um die richtige und falsche, gesunde und ungesunde Ernährung ranken sich mehr Mythen, Ideologien, Ratschläge und Dogmen denn je.

In einem Radio-Interview beim WDR legte der Autor, der selbst Ernährungswissenschaftler ist, vor einigen Tagen nach:

Das sind Studien, die keine Kausalitäten liefern können, also Ursache-Wirkungsbeziehungen. Sie liefern nur ganz schwache, vage Korrelationen im Ernährungsbereich. Das sind statistische Zusammenhänge. (...) / Dafür gibt es keinen wissenschaftlichen Beweis, dass Obst und Gemüse irgendeinen Effekt auf die Gesundheit haben. Das wird immer gerne aus dem Bereich der Ernährungsfunktionäre und Ernährungsinstitutionen propagiert. Aber sie haben keinen Beweis dafür. Auch dafür, dass man fünfmal am Tag Obst und Gemüse essen soll, wie eine Kampagne sagt, gibt es keine Beweise.

Das ist ein weiteres, sehr anschauliches Beispiel für die große, giftige Nebelwolke, die heute mehr denn je um die hehre, seriöse Wissenschaftlichkeit wabert. Weder in den Medien, noch in gewissen Teilen der wissenschaftlichen Fakultäten wird beispielsweise mehr ein erkennbarer Unterschied zwischen Evidenz (logischer, nachvollziehbarer Beweis) und einer vermuteten Korrelation, die anhand irgendwelcher Studien "nachgewiesen" werden soll, benannt. Die Beispiele, die Knop im Interview nennt, veranschaulichen das sehr gut: Obwohl dieses Interview vom WDR ausgestrahlt und ins Netz gestellt wurde, sind die meisten anderen Beiträge dieses Senders, die sich dem Thema Ernährung widmen (und das sind verdammt viele!), durchsetzt mit nebulösen, teils obskuren Ratschlägen, Tipps und sogar Diätanleitungen, die allesamt auf irgendwelchen Glaubensgrundsätzen beruhen, mit Wissenschaftlichkeit aber soviel zu haben wie die CDU oder SPD mit Seriosität.

Es bleibt also festzuhalten, dass stets dann eine große Skepsis angesagt ist, wenn sich irgendwer vornehmlich oder gar einzig auf "Studien" beruft – die sind nämlich oft genauso aussagekräftig wie die Bibel oder der Koran. Insbesondere muss dann nachgeprüft werden, wer besagte "Studien" in Auftrag gegeben und/oder finanziert hat, und wie sie "angelegt" sind: Mit der "richtigen" Fragestellung und Konstruktion der "Untersuchung" lassen sich bekanntermaßen nahezu beliebige, schon vorher festgelegte Ergebnisse erreichen. Ich gehe jede Wette ein, dass ich mit einer entsprechenden Studie mühelos "nachweisen" könnte, dass LeserInnen dieses Blogs mit einer 30prozentig erhöhten Wahrscheinlichkeit an einer verschluckten Erdbeere ersticken als LeserInnen der Springer-Presse. Die Wissenschaft und die Medien folgerten sodann daraus: "Narrenschiff böse, Springer gut".

Welche bizarren Stilblüten die Wissenschaft sonst noch so hervorbringt, lässt sich beispielsweise auch in dem unten genannten Buch des Physikers Frank Tipler nachlesen, in dem der Mann allen Ernstes den "physikalischen Beweis der Existenz Gottes" zu führen versucht. Im Klappentext heißt es:

Die Auferstehung der Toten, die Existenz von Himmel und Hölle und Gott sind physikalisch belegbar – das ist die These des international renommierten Physikers Frank J. Tipler. Mit der analytischen Schärfe eines Naturwissenschaftlers und mit physikalischen Argumenten rekonstruiert er fundamentale Glaubenssätze der Religion und beweist, dass Gott existiert und dass das ewige Leben des Menschen nicht Glaubens-, sondern Tatsache ist. Ein Manifest zur Versöhnung von Wissenschaft und Religion, von Verstand und Gefühl.



(Frank Tipler: "Die Physik der Unsterblichkeit. Moderne Kosmologie, Gott und die Auferstehung der Toten", Piper [sic!] 1994 sowie dtv [sic!] 1995)

Das sehr umfangreiche, schwer lesbare Buch hat einen knapp 130seitigen "Wissenschaftlichen Anhang", der aus für den Laien unverständlichen mathematischen Formeln und "erklärenden Texten" besteht, die eben diesen "Beweis" nachvollziehbar machen sollen. – Und der Osterhase grinst schelmisch aus einer dunklen Ecke und trägt inzwischen einen quietschgelben Doktorhut, während er weiterhin nach der Unsterblichkeits-Formel sucht.


(Scan aus dem "Wissenschaftlichen Anhang" des "Gottesbeweises")

20 Kommentare:

altautonomer hat gesagt…

Da hast Du aber ein alten Ackergaul gesattelt. Wenn ich ein Problem, habe, eine Fragestellung, dann brauche ich doch seriöse Orientierung. Zur Verfügung stehen Studien, Feldversuche, der gesunde Menschenverstand und das gesunde Volksempfinden. Auf die beiden letztgenannte scheinst Du ja hier abzufahren.

Ich bin daher eher ein Freund der evidenzbasierten Medizin. Ich vergleiche Studien, informiere mich, wer sie für wen und für welche Entschädigung gemacht hat und entscheide mich dann. Weitere Informationsquellen sind (Produnktinformationen über die Giftigkeit von Textilien) Greenpeace, die Verbraucherportale wie z. B. Foodwatch und die Stiftung Warentest.

Knop schreibt: "Ab 40 etwa geht es leicht bergauf mit dem Gewicht. Sicher spielt die Ernährung eine Rolle für das Körpergewicht." Medizinisch erwiesen und labortechnisch messbar ist die Tatsache, dass ab diesem Alter bei Männern z. B. der Spiegel des freien Testosterons sinkt. Das ist die Ursache.

Natürlich ist Skepsis Pflicht, wenn die Zigarettenindustrie ein Gutachten in Auftrag gibt, das zu dem Ergebnis kommt, dass Rauchen nicht gesundheitsschädlich ist. Auch die weit verbreitete Endorphinlüge (Runners High) ist wissenschaftlich untersucht worden. Im Ergebnis werden Endorphine erst bei einem Dauerlauf b einer Distanz von 30 km ausgeschüttet, um die körperlichen Schmerzen zu dämpfen. Das Runners High nach einem 10-km-Lauf erzeugen Dopamine, die im Belohnungszentrum des Gehirns angesiedelt sind.

Bei flatter habe ich schon auf die Studie zum Thema Rotwein hingewiesen, das besagt, dass täglich ein Glas davon das Herz vor pathogenen kardiovaskulären Veränderungen schützt. So ein Humbug.

Bestes Beispiel für die med. Irreführung von Männern ist der sogenanne PSA-Wert zu Erkennung von Prostataveränderungen. Urologen sind regelrecht scharf auf diesen Test, die GKV übernimmt die Kosten dafür aus guten Gründen nicht.

Martin Däniken hat gesagt…

Verschüttet man nicht den Rotwein beim Laufen???
Solte man beim Laufen etwas Hochwertiges Trinken??? Oder geht auch was Billiges???
Und kriegt man während des Laufens (noch)einen Molotovcocktail gebastelt???
(NÖnichwa Herr Altautonomer ;-) )

Gibts da schon ne Studie drüber?!

altautonomer hat gesagt…

Erich von Däniken: Ich bemühe mich, hier ernsthaft zu diskutieren und habe versucht, eine paar Beispiele zu nennen, wie sich angeblich auf wissenenschaftlicher Bais beruhende Mythen in der Bevölkerung etabliert haben und (Stichwort Rotwein) auch heute noch in jedem TV-Gesundheitsmagazin publiziert werden.

Widerlege es oder mach ein paar originelle Witzchen darüber. Danke Lefty.

Charlie hat gesagt…

@ Altauto: Wenn dieses Thema ein so alter "Ackergaul" wäre, wären wir den ollen Klepper ja längst los. Das Gegenteil ist indes der Fall, wie Du ja auch selbst anhand Deiner Beispiele illustrierst. In weiten Teilen der "Wissenschaft" des frühen 21. Jahrhunderts geht es nicht mehr um Wissen, sondern um Glauben - und ich bekomme mehr und mehr den Eindruck, dass allzuviele Menschen, freilich fleißig befeuert durch die Medien, diesen bedeutenden Unterschied gar nicht mehr bemerken.

Liebe Grüße!

Arbo hat gesagt…

@Charlie: Offen gestanden bin ich bei dem Thema hin- und hergerissen. Das hängt damit zusammen, dass es eben "die Wahrheit" so nicht gibt. Der Knackpunkt ist für mich deshalb der Umgang damit, was jeweils für "wahr" bzw. "richtig" gehalten wird. Und genau da hapert es.

Worauf Du und der altautonome mit Euren Fragen abzielt, das sind ja im Grunde alles Dinge, die im Wissenschaftsbetrieb gar nicht auftauchen sollten. Gefälligkeitsgutachten, Datenmanipulation usw. sind eigentlich ein absolutes NoGo. Tatsächlich passiert sowas immer wieder. Und wenn Du Ungereimtheiten zur Sprache bringst, dann wird das heruntergespielt. Ist jetzt etwas weiter her, aber denk' nur an die Plagiataffairen. Und wenn ich mir zum Teil die Gutachten der "Wirtschaftsweisen" anschaue, dann stehen da Dinge dring, die würden diese Prof.s ihren Studierenden noch nicht mal in einer Hausarbeit durchgehen lassen (Verschweigen von Annahmen usw.). Da wird in der Summe also sehr oft gegen eigene wissenschaftliche Maßstäbe verstoßen.

Auf was ich hinaus will, ist, dass da Doppelstandards existieren. Und niemand scheint wirklich effektiv was dagegen unternehmen zu wollen.

Flankiert wird das Ganze mit der Unterfinanzierung der Hochschulen, was sie von Drittmitteln wie den Junkie vom Stoff abhängig werden lässt. Dazu noch die prekäre Situation der WissenschaftlerInnen unterhalb der Professur (aka Nachwuchs).

Da musst Du nur 1&1 zusammenzählen und weißt, was die von Dir kritisierte Situation begünstigt, wenn nicht sogar verschlimmert. Und weil das alles um sich greift, kannst Du es Dir eigentlich gar nicht erlauben, ohne Skeptizismus durch's Leben zu gehen.

Allerdings zu dem Preis, den der altautonome andeutet: Es ist dann schwer, sich zu orientieren, sprich, Du könntest auch gleich auf die Studien verzichten und per Bauchgefühl entscheiden. Mehr als ein Schuss ins Blaue wird es auch mit den Studien nicht. ;-)

Zu Deinem Tipler-Hinweis: Als ich mir die Beispielseite aus dem Anhang anschaute, fielen mir zwei Sachen ein. a) 42 und b) das Gefühl, das mich während meines Studiums begleitete. Eigentlich wollte ich mal etwas über Armut, Inflation, Arbeitslosigkeit usw. erfahren. Und was bekam ich? Formeln, Gleichungssysteme und Graphen...

LG
Arbo

Troptard hat gesagt…

Das Problem für Menschen wie mich, die von Naturwissenschaften (Chemie, Physik und Biologie) null Ahnung haben, eher den Geisteswissenschaften verbunden sind darauf vertrauen, dass die sog. exakten Wissenschaften, wenn sie dann ihre Ergebnisse presentieren auch mal Bestand haben und nicht ständig von ihnen selbst widerlegt werden.

Um ein Beispiel aus der Medizin zu bringen, so war es lange Zeit unumstössliche Wahrheit, dass Verschlüsse in den Aterien durch den Genuss von zu viel Fett entstehen. Also hat man sich darauf konzentriert die Cholesterinwerte genau zu beobachten und mit Medikamenten auf "Teufel komm raus" (mit Statinen) zu senken und bestimmte Fette als Verursacher festzumachen.
Die Gegenthese war dann, dass nicht das Fett schuld sei, allenfalls schlechte Fette, sondern die falsche Ernährung durch konzentrierte Lebensmittel wie Zucker und Auszugmehle etc., was vehement bestritten wurde.

Und was haben sie sich dann geprügelt, dass es ein Spass war das zu verfolgen

Und weil bei aller Wissenschaft der Mensch doch ein Wesen ist, was gegen diese sperrig bleibt, glücklicherweise sehr verschieden ist, und sich nicht so recht unter einen allgemeingültigen statistischen Durchschnitt einfügen mag, deshalb bin ich natürlich immer mal wieder interessiert an den neuesten Forschungsergebnissen allerdings in der Gewissheit, dass die Verfallszeit dieser Ergebnise ziemlich kurz ist.

Und so lasse ich mich auch nicht von irgendwelchen Aussagen beeindrucken die mir empfehlen, wieviel Mahlzeiten ich am Tag einnehmen und was ¨meiner Gesundheit angeblich gut tut.

Ich nehme am Tag zwei Mahzeiten zu mir, die erste am Mittag und die zweite am Abend und lebe zu 70% von Rohkost und vertrage sehr schlecht alle süssen Nahrungsmittel. Mein Gewicht unterliegt keinen nennenswerten Schwankungen, bei 1,80 Grösse wiege ich stets um die 74 kg.

Ich bin jetzt inzwischen ziemlich voreingenommen gegen die sog. exakten Wissenschaften. Bei den Geisteswissenschaften weiss ich von vorne herein, dass sie durch Ideologie geprägt sind. Die exakten sind das für mich nicht weniger.


Arbo hat gesagt…

@Troptard:

>>Bei den Geisteswissenschaften weiss ich von vorne herein, dass sie durch Ideologie geprägt sind. Die exakten sind das für mich nicht weniger.<<

Gefühlt würde ich dem zustimmen. Skeptisch machen mich solche Schicksale wie die von Semmelweis...

LG
Arbo

Charlie hat gesagt…

@ Arbo: Selbstverständlich gibt es "die Wahrheit" auch im wissenschaftlichem Umfeld nur äußerst selten. Dass der Apfel, sobald er sich vom Ast löst, ganz sicher senkrecht nach unten fällt (zumindest im begrenzten irdischen Raum), ist eine dieser seltenen Ausnahmen. NaturwissenschaftlerInnen neigen indes dazu, dieses simple Prinzip auf alle möglichen weiteren Gebiete auszudehnen, was oft allerdings schlichter Mumpitz ist.

Ich bin ja selber Geisteswissenschaftler und weiß daher, dass fast jegliche wissenschaftliche Erkenntnis im Grunde nichts weiter als eine - mehr oder minder - belegbare Vermutung darstellt. Ich kann beispielsweise Brecht in einen bestimmten literaturwissenschaftlichen Kontext einordnen und das sogar 100fach belegen - von einer "wissenschaftlichen Evidenz" bin ich damit aber trotzdem weit entfernt. Diese einfache Erkenntnis fehlt Naturwissenschaftlern und jenen, die sich damit beschäftigen, allzu oft.

Ich glaube [sic!] nicht, dass dieses Phänomen etwas mit der bewusst herbeigeführten kapitalistischen Zerstörung der Hochschullandschaft zu tun hat - die ist zwar äußerst (!) fatal, ändert aber am auch zuvor schon beobachtbaren Szenario des wissenschaftlichen Irrsinns nichts.

Zu Tipler kann ich noch anmerken: Ich habe Bücher über kosmologische Themen massenhaft verschlungen, weil ich einfach brennend interessiert war - und als ich auf den merkwürdigen Titel "Die Physik der Unsterblichkeit" stieß, war ich so blauäugig zu glauben, dass der "Deutsche Taschenbuchverlag" (dtv) schon keinen Blödsinn veröffentlichen würde. Während der (schwierigen, weil pseudowissenschaftlichen) Lektüre habe ich allerdings gelernt, solche Publikationen als unfreiwillige Satire zu verstehen und einen Verlag nicht mehr als "Qualitätsmerkmal" zu begreifen.

Liebe Grüße!

Arbo hat gesagt…

@Charlie: Na, es kommt immer auf die jeweilige Person an. Es gibt NaWis, die sind da selbst recht zurückhaltend und demütig, während andere meinen, die Weisheit für sich gepachtet zu haben.

Ich selbst bin da ja eher durch den radikalen Konstruktivsmus eines Heinz von Foerster geprägt (wobei ich neuerdings feststellte, mit so einem Bekenntnis vorsichtig sein müssen, da einem dann schnell der Vorwurf Antisemitismus herbeikonstruiert werden mag). Der ist zwar auch nicht ganz konsistent, aber wenigstens hatte der alte Knochen Humor und war richtig lustig - und der gibt Dir einen respektablen Skeptizismus an die Hand, um jeden Positivisten zur Weißglut zu treiben. ;-)

Naja, jedenfalls hast Du Recht. Die Erkenntnis, dass "Wahrheit" ein recht dehnbares Ding sein kann, fehlt oft. Leider auch bei den zunehmend an Quantifizeritis leidenden Geisteswissenschaften.

>>Ich glaube [sic!] nicht, dass dieses Phänomen etwas mit der bewusst herbeigeführten kapitalistischen Zerstörung der Hochschullandschaft zu tun hat - die ist zwar äußerst (!) fatal, ändert aber am auch zuvor schon beobachtbaren Szenario des wissenschaftlichen Irrsinns nichts.<<

Na, da könnte ich Dir jetzt zig Literatur geben, die sich mit dem Gegenteil beschäftigt. "Kapitalismus" sozusagen als Mechanismus-Denken gesellschaftlicher Verhältnisse. Wenn Du magst, leite ich Dir gerne was dazu weiter.

Jedenfalls ist mein Eindruck, dass "Kapitalismus" viel mit Quantifizierung zu tun hat. Durchaus auch im Sinne von Lukacs Verdinglichung. Und dass sich das auch in der Wissenschaft niederschlägt, wo Du Qualität auf einmal quantifizieren und nach Möglichkeit - wie mit naturwissenschaftlichen Konstanten - kalkulieren sollst. Nimm dann einfach die Wettbewerbshochschule als "Anreizsystem", halte dort dazu auch die Finanzmittel knapp, dann hast Du das "kapitalistische" Szenario, dass die von Dir beschriebene Situation zumindest begünstigt.

LG
Arbo

Fluchtwagenfahrer hat gesagt…

Moin,
nur mal so als Spekulation:
Paul A. Tipler (Amerikaner), Physik, Spektrum Akademischer Verlag, S. ca. 1500.
Hat mir beim Studium Ingenör geholfen.
LG
p.s. @arbo "Und weil das alles um sich greift, kannst Du es Dir eigentlich gar nicht erlauben, ohne Skeptizismus durch's Leben zu gehen."
sagte ich doch "Vorfilter", anderer Faden

Ich bin kein Roboter hat gesagt…

Hat jemand Semmelweis gesagt?
-> https://www.youtube.com/watch?v=DWj-VHnQWl8

Wir sind alle superkluk...

Arbo hat gesagt…

By the way, weil's ganz gut zum Thema zu passen scheint, ein längerer Beitrag von Norbert Häring: Signifikanz – Die Lebenslüge der empirischen Wirtschaftsforschung

jakebaby hat gesagt…

Was Ernaehrung/Sonstiges angeht, wird man sich hier demnaechst ein klareres Bild verschaffen.
Laueft unter “Workplace Wellness” und ist ne super Idee die Wehen aller Arbeiter/Angestellten endlich konstruktiv in den Griff zu bekommen!
https://www.yahoo.com/news/house-republicans-let-employers-demand-100034946.html

Gruss
Jake

EutinOH hat gesagt…

@altautonomer

“Bestes Beispiel für die med. Irreführung von Männern ist der sogenanne PSA-Wert zu Erkennung von Prostataveränderungen. Urologen sind regelrecht scharf auf diesen Test, die GKV übernimmt die Kosten dafür aus guten Gründen nicht.“

Kannst Du das bitte näher erklären ? Mir wurde die Prostata entfernt (Krebs). Aufgrund eines sehr hohen PSA Wertes wurden Proben entnommen, durch welche der Tumor entdeckt wurde. Ohne diesen hohen PSA Wert hätte man wahrscheinlich nichts weiter unternommen.
Ich wohne in Italien, im Friaul, die hiesigen Ärzte sind z.T. weltweit führend in der Krebsforschung und auch Behandlung.
Es interessiert mich wirklich ungemein, welche “Irreführung“ Du hier ansprichst, da eine Prostata Entfernung sehr unangenehme Begleiterscheinungen hat, mit welchen ich jetzt natürlich leben muss.

Charlie hat gesagt…

@ Jake: Die Neusprechformel "workplace wellness" gehört definitiv zu den Kandidaten der "goldenen Hirnfäulnis", die ich demnächst verleihen werde. So einen Bullshit kann man sich nicht ausdenken, ohne irre zu sein oder zu werden.

Liebe Grüße!

EutinOH hat gesagt…

“workplace wellness“

Ich wäre ja schon mit einem “workplace“ zufrieden, die “wellness“ können sie sich auch sparen

altautonomer hat gesagt…

EutinOH: Zunächst einmal gibt es viele falsch positive und falsch negative PSA-Werte.
Beide sind für die Patienten in ihrer Konsequenz gefährlich. Zweitens wurde festgestellt, dass es sich bei der Mehzahl alle jenseits des 70. Lebensjahres festgestellten Tumore um langsam wachsende, nicht invasive Zellmutationen handelt, die nach dem Prinzip "wait and see" nur einer Verlaufsbeobachtung untezogen werden sollten. Sehr viele Männer sterben an einer anderen Urasche mit dem Krebs.

Die Jameda-Beuteilungen von Urologen entsprechen daher auch nu zum Teil Deinen Erfahrungen. Es gibt aber auch Fälle, in denen aufgrund falsch positiver PSA-Wete Männer zu inkontinenten und impotenten Krüppel operiet wurden.

Anderres Beispiel:
Michael Stöckle erzählt von einem Patienten, der sich im Jahr 2000 mit damals 53 Jahren beim Urologen Blut abnehmen ließ. Der Test auf das Prostata-spezifische Antigen (PSA) ergab erhöhte Werte, die weiteren Untersuchungen sprachen für begrenzten Krebs im Frühstadium. Der Mann entschloss sich, nichts gegen den Tumor zu unternehmen. Im Sommer 2015, der Mann ist inzwischen 68, ging er erneut zum Urologen, der Tumor war etwas weiter fortgeschritten. "Womöglich bekommt der Patient Metastasen und lebt noch bis 2022 oder 2023", sagt Urologe Stöckle. "Vielleicht hätte er sich doch anders entscheiden sollen."

Zu Statistik hier ein von Einzelerfahrungen unabhängiger, kritische Text:
https://www.mpib-berlin.mpg.de/de/presse/2014/08/unstatistik-des-monats-vermeintlicher-lebensretter-psa-test



Hätte er das wirklich? So lebte der Mann 15 Jahre weitgehend beschwerdefrei und ohne medizinische Eingriffe. Im Jahr 2022 wird er 75 sein. Hat er durch seine abwartende Haltung Lebensqualität gewonnen oder verloren - wer will das beurteilen? Weil Urologen immer häufiger bei beschwerdefreien Männern einen Bluttest auf PSA machen, steigt die Häufigkeit der Diagnose "Prostatakrebs im Frühstadium" rasant. 1980 wurde in Deutschland bei 22 000 Männern ein Tumor der Vorsteherdrüse festgestellt; inzwischen bekommen 65 000 Männer jedes Jahr die Diagnose, bei den meisten handelt es sich um Frühformen, von denen man ahnt, dass sie oft keiner Therapie bedürfen. Weil die Männer in vielen Fällen nur verunsichert werden, ist der PSA-Test äußerst umstritten und die Krankenkassen erstatten ihn nicht.

Dir kann ich nur mein vollstes Veständnis ausdrücken. Vor die Frage gestellt, Prostataskrebs mit dem Op-Risiko eine hohen Wahrscheinlichkeit der Metastasenwanderung oder auf der anderen Seite Inkontinenz mit Erektionsstörungen würde ich mich ohne zu Zögen für die Op entscheiden.






altautonomer hat gesagt…

Leider gibts es keine Edit-Funktion hier. Daher ist mein Kommentar etwas strubbelig eworden. Ich hoffe, dass er trotzdem kontextual verständlich ist.

EutinOH hat gesagt…

@altautonomer

zunächst einmal Danke für Deine Antwort, sehr interessant und auch verständlich das ganze.

Das Beispiel mit dem 53jährigen Mann, für mich fast unglaublich, da gehört entweder Mut zu, oder Dummheit.

Für mich stellte sich die Frage keine Sekunde, als ich hörte “Tumor“ wollte ich das Ding sofort raus haben und Punkt. Das der Tumor langsam wächst, wurde mir ja auch mitgeteilt, aber ich war ja gerade 56 Jahre alt, zu jung um mit dem Leben zu spielen. Die Folgen der OP sind sicher nicht angenehm, aber mit dem heutigem Stand der Medizin auch nicht tragisch, sagen wir mal so: es lässt sich damit leben ... ;-)

altautonomer hat gesagt…

EutinOH: In Deinem Fall die richtige Entscheidung.