Samstag, 25. Juli 2015

Rockoper des Tages: Into The Electric Castle




(Ayreon: "Into The Electric Castle. A Space Opera", 1998)

Anmerkung: An diesem frühen Werk des Niederländers Arjen Anthony Lucassen haben neben vielen anderen auch die SängerInnen und MusikerInnen Fish (Ex-Marillion), Sharon den Adel (Within Temptation), Clive Nolan (Pendragon, Arena) und Ton Scherpenzeel (Ex-Camel) mitgewirkt. Entsprechend vielschichtig und abwechslungsreich ist die Musik, die vor lauter Zitaten aus den vergangenen Dekaden der progressiven Rockmusik nur so strotzt und in einer brillanten Perfektion produziert worden ist, die nicht nur in der "Independent"-Szene ihresgleichen sucht.

Ich empfehle, sich für diese 105 Minuten außergewöhnliche Musik viel Muße zu gönnen und sie nicht "nebenher" anzuhören, denn auch die erzählte Geschichte ist es trotz der zuweilen wenig innovativen Themen durchaus wert, beachtet zu werden. Für mich ist dieses wunderbare Konzeptalbum immer wieder eine nostalgische Reise durch die progressive Musik der späteren 70er und frühen 80er Jahre, als solche Musik noch kein "Nischenprodukt" einer durch und durch kommerzialisierten Weltperversion war, sondern auch abseits aller "Charts" selbst große Hallen füllen konnte.

Ganz nebenbei spricht es auch für sich selbst, dass der Urheber Lucassen diese Musik wie selbstverständlich für das Filmprojekt eines Fans, das ich oben verlinkt habe, freigegeben hat. So etwas käme in der kommerziellen Musikindustrie (allein dieser Begriff ist schon so pervers, dass es richtig weh tut, ihn zu schreiben) erst dann vor, wenn die Hölle zufriert und gleichzeitig der Nikolaus vom Himmel fällt.

Viel Vergnügen auf dieser großartigen Achterbahnfahrt durch ganze Jahrzehnte und entsprechend viele Stile der Rockmusikgeschichte: "Demons dance in the castle hall!" :-)


Donnerstag, 23. Juli 2015

Lügen mit Zahlen: Kapitalistische Propaganda und die Folgen


Ich habe mich in der Vergangenheit ja schon oft über die Propagandameldungen in der Systempresse lustig gemacht, die uns in regelmäßigen Abständen immer wieder das infantile Märchen vom Rotkäppchen überwältigenden, stetig zunehmenden Reichtum und Wohlbefinden "der Deutschen" verkündet. Gerade durfte ich bei n-tv die nächste Runde dieses wiederkehrenden, offensichtlich zu einem propagandistischen, heiligen Ritual der kapitalistischen Sekte gehörenden Sermons lesen:

Sparschweine sind prall gefüllt / Deutsche sind so reich wie nie / Dank Rekordbeschäftigung und steigender Einkommen legen Deutsche immer mehr Geld auf die hohe Kante. (...) / Die Geldvermögen der Menschen in Deutschland sind zu Jahresbeginn rasant auf ein neues Rekordniveau gestiegen. "Im ersten Quartal 2015 hat das Geldvermögen der privaten Haushalte gegenüber dem Vorquartal außergewöhnlich kräftig um knapp 140 Milliarden Euro oder 2,8 Prozent zugenommen und ist damit auf 5212 Milliarden Euro gestiegen", teilte die Deutsche Bundesbank mit. / Allein durch Transaktionen stieg das Vermögen in Form von Bargeld, Wertpapieren, Bankeinlagen oder Ansprüchen gegenüber Versicherungen um knapp 53 Milliarden Euro. Dank des robusten Arbeitsmarkts und steigender Einkommen legten viele Menschen mehr auf die hohe Kante. Zudem bescherten Gewinne bei Investmentfondsanteilen und Aktien den privaten Haushalten im Vergleich zum Vorquartal Bewertungsgewinne von gut 87 Milliarden Euro.

Um die ewigen Wiederholungen, die in den Qualitätsmedien offenbar zum guten Ton gehören, zu vermeiden, verlinke ich hier einfach mal auf meine letzten beiden Einträge zum Thema, die ich auf die Schnelle gefunden habe, nämlich aus dem Oktober und dem September 2014. Verändert hat sich seitdem - wie zu erwarten war - nichts.

Sie hören einfach nicht auf und tröten ihre statistischen Lügen unentwegt weiter ins Land - und ich frage mich zunehmend, wie der durchschnittlich benebelte Narkosepatient in diesem Land, der ja in der großen Mehrheit durchaus bemerkt, dass sein Wohlstand bzw. "Reichtum" bestenfalls stagniert oder sich schon längst im kontinuierlichen Schrumpfungsprozess befindet, solchen Blödsinn lesen kann, ohne zu erkennen, dass er von vorne bis hinten verarscht und ausgenommen wird. Dummheit allein, wie sie beispielsweise bei den Hirnamputierten zu finden ist, die für ihren schwindenen Wohlstand wieder einmal ausgerechnet Flüchtlinge verantwortlich machen, kann diesen Irrsinn als alleiniges Argument nicht erklären - zumal sich auch unter den FremdenhasserInnen teilweise durchaus "intelligente" - also theoretisch denkfähige - Personen befinden.

Ich persönlich vermute ja, dass Erich Fromm nicht so ganz falsch lag, als er 1976 in seinem Buch "Haben oder Sein" feststellte:

Die in der Werbung und der politischen Propaganda angewandten hypnoseähnlichen Methoden stellen eine ernste Gefahr für die geistige und psychische Gesundheit, speziell für das klare und kritische Denkvermögen und die emotionale Unabhängigkeit dar. Ich bezweifle nicht, dass durch gründliche Untersuchungen nachzuweisen wäre, dass der durch Drogenabhängigkeit verursachte Schaden nur einen Bruchteil der Verheerungen ausmacht, die durch unsere Suggestivmethoden angerichtet werden, von unterschwelliger Beeinflussung bis zu solchen semihypnotischen Techniken wie ständige Wiederholung oder die Ausschaltung rationalen Denkens durch Appelle an den Sexualtrieb. Die Bombardierung durch rein suggestive Methoden in der Werbung, vor allem in Fernsehspots, ist volksverdummend. Dieser Untergrabung von Vernunft und Realitätssinn ist der einzelne tagtäglich und überall zu jeder Stunde ausgeliefert: viele Stunden lang vor dem Bildschirm, auf Autofahrten, in den Wahlreden politischer Kandidaten etc. Der eigentümliche Effekt dieser suggestiven Methoden ist ein Zustand der Halbwachheit, ein Verlust des Realitätsgefühls.

Exakt diese Effekte können wir heute allenthalben - sowohl in weiten Teilen der Bevölkerung, als auch in der den Irrsinn wohlwollend begleitenden Presse - offen sehen. Wenn der Wahnsinn so offenkundig ist und die Qualitätsmedien wider jede Vernunft und jedes Wissen immer wieder die Mästung der superreichen Mini-"Elite" in steter Penetranz als eine "Zunahme des gesamtgesellschaftlichen Reichtums" zurechtlügen, dann ist das Orwell'sche Antiideal des dystopischen Staates doch längst erreicht.

Der Rückfall in nationalistische, längst vergangen geglaubte Jauchegruben, wie wir sie überall im ausblutenden, allmählich verelenden Europa beobachten können, ist vor diesem Hintergrund der gezielten Verdummung und Verarmung geradezu logisch. - Vor knapp 80 Jahren hat die damalige "Elite" die Staatsmacht ganz bewusst an die nationalsozialistischen Terrorbanden übergeben - und ich frage mich zunehmend, welche schauerlichen Pläne diese widerwärtige Bagage zur Rettung ihrer absurden Privilegien und Besitztümer wohl diesmal verfolgt.

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Ablösung


"Wissense, ich habe so viel für Hitlers Wahlrummel ausjejeben, dass ich mich nich' ooch noch persönlich mit kleinen Leuten zur Urne drängeln brauchte."

(Zeichnung von Erich Schilling [1885-1945], in "Simplicissimus", Heft 27 vom 29.09.1930)

Dienstag, 21. Juli 2015

Zitat des Tages: SPD


Es ist ein Unglück, dass die SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands heißt. Hieße sie seit dem 1. August 1914 Reformistische Partei oder Partei des kleineren Übels oder Hier können Familien Kaffee kochen oder so etwas –: vielen Arbeitern hätte der neue Name die Augen geöffnet, und sie wären dahin gegangen, wohin sie gehören: zu einer Arbeiterpartei. So aber macht der Laden seine schlechten Geschäfte unter einem ehemals guten Namen.

(Peter Panter alias Kurt Tucholsky [1890-1935], in: "Die Weltbühne", Nr. 29 vom 19.07.1932)






Montag, 20. Juli 2015

"Ad sinistram": Wenn "Sozialdemokraten" plärren


Der Lapuente hat wieder einmal zugeschlagen. Es war ja eine sehr gute Idee, dass ich dessen Blog "Ad sinistram" vor geraumer Zeit aus meiner Blogroll geworfen habe, weil ich mich über jeden zweiten Text, den ich dort lesen musste, sowieso nur - vergeblich - aufgeregt habe; aber gelegentlich kehren Leichen aus dem Jenseits ja auch zurück.

Jetzt hat der gute Mann also einen Abgesang auf jede politisch linke Alternative vom Stapel gelassen, der mir - wenn ich mal ganz ehrlich bin - nur ein zynisches Grinsen ins Gesicht gezaubert hat. Da verkündet der liebe Roberto nun also den "Tod der linken Politik" - und scheint nicht einmal ansatzweise zu bemerken, dass seine eigene "sozialdemokratische" und damit kapitalismusfreundliche Haltung der vergangenen Jahre maßgeblich dazu beigetragen hat. Es liegt in der Natur der Sache, dass derjenige, der meint, den Kapitalismus "bändigen" zu können, unweigerlich scheitern muss. Es gibt keinen Kapitalismus, in dem es allen Menschen gleichermaßen gut geht - und es gibt erst recht keinen "sozialdemokratischen" Kapitalismus, in dem es einer regional eingegrenzten Bevölkerung auf Kosten der restlichen Menschheit dauerhaft gut geht (ganz abgesehen davon, dass eine solche perverse Vorstellung mit "linkem Gedankengut" soviel zu tun hat wie eine Sturmflut mit der Sahara).

Von dieser schlichten, jahrhundertealten Erkenntnis scheint der Autor nach wie vor meilenweit entfernt zu sein. Stattdessen schreibt er nun einen jammervollen Text, in dem jaulend das zuvor erwartbare und nun absehbare Scheitern dieser menschenfeindlichen Albernheit beklagt wird - nicht jedoch ohne auch weiterhin um Geldspenden zu bitten, damit der "reformistische Kampf" gegen die "schlimmen Auswüchse" des Kapitalismus, die in Wahrheit ja nichts weiter als die logischen und systemimmanent gar nicht aufhaltbaren Konsequenzen der Habgier sind, fortführen zu können. Das gleicht einem Ertrinkenden, der wild nach Rettungsringen ruft und sich dabei konsequent weigert, die bösen Bleigewichte, die ihn unaufhörlich nach unten ziehen, endlich abzuwerfen. Dann muss er eben "fleißig" Wasser schlucken, der Roberto.

Ich verurteile nun gewiss nicht die Ohnmachtsgefühle des Herrn Lapuente oder die depressive Stimmung, die aus seinen Worten quillt, denn beides kenne ich selber ja leider nur allzu gut. Es ist vielmehr diese völlig irrsinnige Groteske, dass da ausgerechnet jemand, der seit Jahren für die "sozialdemokratische Bändigung" des Kapitalismus wirbt und nun zwar erkennt, dass seine Vorstellungen offensichtlich nicht umsetzbar sind, daraus aber dennoch nicht die notwendigen Schlüsse zieht, sondern - wenn auch in diesmal depressiver Weise - beharrlich und lernresistent wie im Wahn daran festhält. Nicht nur in dieser Hinsicht ähneln sich verblendete neoliberale Vasallen (also solche, die der lächerlichen Propaganda, der Kapitalismus "nütze letztlich allen", tatsächlich glauben) und kapitalistisch indoktrinierte "Sozialdemokraten" (die einem "gebändigten Kapitalismus" anhängen) frappierend. Letzten Endes dienen sie alle aber nur devot und willfährig den wenigen Superreichen - und bemerken das meist nicht einmal, sondern verharren wie von Sinnen in ihrer konsequenten Realitätsverweigerung.

Man kann das Ganze auch auf einen ganz kleinen Nenner bringen: Solange sich linke Kritik und Politik nicht endlich aus dem kapitalistischen System löst, bleibt sie nichts weiter als billige Folklore auf Dirndl-Niveau, die letztlich wiederum nur dem System dient. Dem Herrn Lapuente sei angeraten, darüber einmal eindringlich nachzudenken und die systemstabilisierende Rolle, die er in den letzten Jahren mehr oder minder eloquent ausgefüllt hat, kritisch zu reflektieren - vielleicht wird das mit dem "links herum" dann ja doch noch etwas. - Allein: Nicht nur bei Lapuente fehlt mir der "Glaube" an so viel Fähigkeit und vor allem Bereitschaft zur Selbstkritik - bei der SPD, den Olivgrünen oder der Linken verbietet sich ein solcher absurder Gedanke sowieso von vorn herein.

Es geht weiter in den Abgrund - und immer weiter in die Depression und den Faschismus. That's capitalism. Dieser Abstieg ist nicht aufzuhalten, solange die Schergen des Systems weiter plärren ohne zu erkennen, dass keine "Auswüchse", sondern das System an sich zu bekämpfen wäre, wenn eine Kursänderung erwünscht ist. Hoffnung ist nicht in Sicht: Um im merkwürdigen Sprachbild Lapuentes zu bleiben, sehen wir hier also eine "sozialdemokratische Linke", die nichts weiter als das benutzte und entsorgte Kondom der "Elite" ist, dies jedoch nicht bemerkt und stattdessen jämmerlich zu weinen beginnt.

Weine, Bajazzo - Du hast es Dir redlich verdient.

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(Plakat zu dem Nazi-Film "Lache Bajazzo" von Leopold Hainisch, 1942/43)