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Für meinen heutigen Spieletipp habe ich mal wieder ein älteres Spiel ausgesucht, nämlich das Adventure "The Moment of Silence", das vom heute nicht mehr existierenden deutschen Entwicklerstudio "House of Tales" 2004 herausgebracht wurde. Diesmal handelt es sich, wie der Blogtitel schon nahelegt, nicht um eine Realitätsflucht, sondern um ein Spielszenario, das ziemlich detailgetreu unsere heutige finstere Zeit und die daraus resultierende nahe Zukunft abbildet. Dazu gleich mehr.
Die Spielewelt ist trotz des Alters durchaus ansehnlich, was die Grafik betrifft - auch wenn sie selbstverständlich mit neueren Titeln nicht mithalten kann. Der Soundtrack sowie die deutsche Dialogvertonung sind professionell umgesetzt (der Protagonist wird beispielsweise von Manfred Lehmann, der deutschen Synchronstimme von Bruce Willis und Gérard Depardieu, gesprochen) und die Steuerung ist, wie bei Adventurespielen meist üblich, einfach. Der Schwerpunkt des Spieles liegt natürlich auf der erzählten Geschichte, und die hat es tatsächlich in sich.
Es ist unmöglich, Spoiler zu vermeiden, wenn ich etwas über eben jene Geschichte schreiben möchte - daher sollten an dieser Stelle all diejenigen aufhören zu lesen, die das Spiel selber noch ausprobieren möchten. Ich bemühe mich dennoch, nicht allzuviel auszuplaudern, das den Spielspaß mindern könnte.
Die Handlung beginnt im Jahr 2044. Man spielt den Charakter von Peter Wright, der als "Kommunikationsdesigner" in einer der führenden PR-Agenturen New Yorks arbeitet, die unter anderem die aktuelle Gesetzeskampagne der Regierung für "mehr Sicherheit durch mehr Überwachung" betreut. Nach und nach erfährt man, dass Peter soeben Frau und Kind verloren hat, die - so jedenfalls wird es behauptet - durch einen Terroranschlag der "Ludditen" ums Leben gekommen seien. Gleich zu Beginn wird Peter zudem Zeuge, wie ein Sondereinsatzkommando der Polizei in voller Kampfmontur die Nachbarwohnung seines Hauses stürmt (ganz ähnlich wie im Film "Brazil"), den dort wohnhaften Journalisten und Familienvater abführt und dessen Frau und Sohn völlig verängstigt und ratlos zurücklässt.
Dies ist die Ausgangslage der Geschichte, die in einer durch und durch kommerzialisierten Gruselwelt spielt, in der längst wenige Konzerne samt aufdringlicher, allgegenwärtiger, dümmlicher Werbung für die kontinuierlich übler werdenden Müllprodukte den Alltag der Menschen beherrschen, in der Bargeld abgeschafft ist und man nur noch mit dem Smartphone (im Spiel noch "Messenger" genannt) bezahlen kann (sofern man über entsprechende "Credits" verfügt, natürlich), in der Obdachlosigkeit, Armut und die Verelendung ganzer Stadtteile völlig normal sind, während eine dumpfe, eher kleine "Mittelschicht" sich an die noch verbliebenen, halbwegs gut bezahlten Jobs klammert, aber neben der Arbeit außer ständigem Konsum und Entertainment keinerlei weitergehenden Interessen mehr hegt.
Peter macht sich nun auf, nach dem Verbleib des verhafteten Journalisten und Nachbarn zu forschen - und stößt im Verlauf seiner Recherchen auf immer abstrusere und furchteinflößendere Hinweise. Selbstverständlich bleiben ihm auch die Konfrontationen mit dumpfen "Hoftheoretikern" (flatter), die von Überwachung, Geheimgefängnissen, Foltern etc. nichts wissen wollen, nicht erspart; ebenso trifft er auch auf die berühmten Verschwörungstheoretiker, die im Spiel exemplarisch von einer Gruppe von Hackern und Aktivisten dargestellt werden, die sämtliche Ungereimtheiten genauso dumpf auf eine Alieninvasion zurückführen.
Mehr möchte ich hier zur Geschichte nicht erzählen - ich habe beim Spielen jedenfalls mehr als einmal arg schlucken und innehalten müssen, weil das gerade im Spiel Erlebte genau dem entsprach, was aus unserer heutigen Welt nur allzu bekannt ist. Einzig das Ende und damit die Auflösung der ganzen Geschichte ist im Spiel tatsächlich ein - nicht unübliches - Science-Fiction-Szenario, das zwar stimmig ist, der heutigen Realität, die in Sachen Dystopie schon viel weiter ist, aber längst nicht mehr gerecht wird. Möglicherweise hat die Entscheidung für diese "konservative" Auflösung aber auch mit dem Paradoxon zu tun, dass das Spiel ja in genau dem System, das es massiv kritisiert, produziert und vermarktet wurde. Ich versteige mich zu der Behauptung, dass Geschichtenerzähler im heutigen Kapitalismus nicht mehr so frei über ihre Werke entscheiden können (wie beispielsweise Orwell es noch konnte), wenn sie darauf angewiesen sind, Geld zu verdienen - oder dass sie dies in blindem Vorausgehorsam bereits entsprechend marktkonform handhaben.
Das Spiel lohnt sich dennoch sehr (herzlichen Dank an M. an dieser Stelle) und bietet neben Spaß, Erschrecken und Frust auch den einen oder anderen wenig erfreulichen Erkenntnisgewinn.
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Nachtrag: Ich habe vergessen darauf hinzuweisen, dass im Spiel gar keine Autosave-Spielstände angelegt werden, was mir nicht bewusst war. Daher ist es besonders wichtig, zwischendurch immer wieder manuell abzuspeichern. Bei mir (Win7/64) lief das Spiel wunderbar stabil, so dass ich in dieser Hinsicht irgendwann etwas nachlässig wurde - und als es dann schließlich doch einmal unvermittelt abstürzte, waren satte drei Stunden Spielzeit flöten, die ich nur mit einem glücklicher Weise passenden Spielstand aus dem Internet wiederherstellen konnte.
Dreh dich nicht um! Wer sich umdreht, verdirbt.
Folge Lots Stock wie seinem Stock der Blinde.
Sei blind! Nur der Blinde sieht nichts.
Erkenntnis lässt erstarren zu Salz, und Salz
ist nütze zu nichts. Sagt Lot.
(Bernd Wagner [*1948], in: "Zweite Erkenntnis. Gedichte und Sprüche", Aufbau 1978)
Die grausame, faschistoide Reise in den totalüberwachenden, autoritären Unrechtsstaat nimmt global rasant an Fahrt auf. Die jüngsten Ereignisse in Frankreich geben Anlass zu der Befürchtung, dass auch dieses Attentat zum weiteren Ausbau der Überwachung und Repression dienen wird bzw. soll.
Wir erinnern uns: Erst vor einigen Wochen begab es sich in Australien, dass ein "islamistischer Extremist" Geiseln nahm und eine "Terrornacht" (n-tv) inszenierte, in deren Verlauf zwei Geiseln sowie er selber starben. Die Mainstreampresse berichtete danach, scheinbar leicht empört, unter dem anklagenden Titel "Die Bürger Australiens verlieren ihre Freiheit":
Australiens Regierung treibt eine beispiellose Reform ihrer Anti-Terror-Gesetze voran. Anfang 2015 soll das Parlament über die nächste Stufe abstimmen, eine umfassende Vorratsdatenspeicherung. Bürgerrechtler sprechen von der "totalen Überwachung von Millionen Unschuldigen". Nach dem Drama in Sydney mit zwei Toten und etlichen verletzten Geiseln dürfte die Wahrscheinlichkeit, dass es eine Mehrheit dagegen gibt, kaum steigen. Im Gegenteil.
Auch in Australien war zuvor massiv über die "steigende Terrorgefahr durch Heimkehrer aus Syrien oder dem Irak" schwadroniert worden. Prompt fand sich ein "labiler Extremist", der die medial breitgetretenen Erwartungen brav erfüllte - und die politische Antwort in Form der oben zitierten Ausweitung der staatlichen Überwachung aller BürgerInnen folgte innerhalb kürzester Zeit auf dem Fuße. Dieses Schema ist, wie wir zur Genüge wissen, nicht neu - es wird nicht erst seit 2001 immer wieder erfolgreich reproduziert.
Dabei ist es vollkommen unerheblich, ob diese Attentate nun tatsächlich von verblendeten Extremisten im Alleingang durchgeführt wurden - das politische Ergebnis bleibt stets dasselbe. Anders gesagt: Es ist zunächst irrelevant, ob die neoliberale Bande derartige Ereignisse nur instrumentalisiert oder ob sie sie - mit welchen Mitteln auch immer - selber begünstigt oder gar herbeigeführt hat (es sei beispielsweise an das "Celler Loch" erinnert). Die politischen Folgen der Morde in Frankreich sind jedenfalls schon heute deutlich abzusehen: Auch diesmal werden die korrupten Regime des "freien Westens" weit über Frankreich hinaus die Gunst der Stunde nutzen, um ihre perfiden Überwachungsprogramme gegen die eigene Bevölkerung auszubauen und zu zementieren - man muss wahrlich kein Prophet sein, um das zu prognostizieren.
Was mich dabei am allermeisten verstört, ist einmal mehr die offenbar selbstverständliche Hinnahme der völlig absurden, ins Groteske verzerrten Relation in der medialen Rezeption: Ein Großteil der hiesigen Bevölkerung - offensichtlich bis weit in intellektuelle, linke Kreise hinein - scheint gar nicht mehr zu begreifen, dass der gewaltsame Tod von zwei oder zwölf Personen zwar unzweifelhaft furchtbar ist, dieser aber dennoch in keinem auch nur annähernd vergleichbaren Verhältnis zu den tausenden ermordeten Menschen durch US-Drohnen, den jährlichen 30.000 durch Schusswaffen ermordeten Menschen in den USA oder den in die Hunderttausende gehenden unbeteiligten, zivilen Opfern der kapitalistischen US-Kriege im Nahen Osten stehen. - Das macht die Morde in Frankreich nicht weniger schlimm, die heuchlerischen Beileidsbezeugungen hiesiger Politiker, Journalisten und auch Blogger dafür aber umso lächerlicher. Die manipulative Medien-Show hat die meisten Menschen im "freien Westen" offensichtlich fest im Griff.
Wenn die Ermordung von zwölf Menschen in Paris einen "Angriff auf die westlichen Werte, die Freiheit und die Demokratie" (ich muss unwillkürlich lachen, während ich das schreibe) darstellen soll, während ganze völkerrechtswidrige Kriege mit hunderttausenden von Toten ausdrücklich im "Namen der westlichen Werte, Freiheit und der Demokratie" geführt und von der Bande auch weiterhin propagiert werden, wissen wir, in welchem diktatorischen, kafkaesken Albtraum orwellscher Prägung wir leben.
(Deine Lakaien: "One Night", aus dem Album "Indicator", 2010)
Times I recall in fleeting colours
In missing hours, on days that fall
Like leaves in autumn and blown around
And left unspoken
Times I recall that made me restless
And anxious wandering and words that fall
Into the deepness of my yearning
And left unsaid
One night, one night oh I had a dream
A wave came floating like a gleam
One day, one day all I've seen will come true
'Cause night and day I'm in love with you
Times I recall close to your breath
The sweet caress, the joy that falls
Into the blindness of my heart
And left unspoken
Times I recall, few moments of care
Maybe unaware and I did not fall
Remained in elation and left my darkness
And left unsaid
One night, one night oh I had a dream
A wave came floating like a gleam
One day, one day all I've seen will come true
'Cause night and day I'm in love with you
Wir kennen das Geseiere ja seit Jahren, aber es reißt einfach nicht ab: In steter Wiederholung versorgt uns die Propagandapresse mit Meldungen wie dieser, über die ich kurz vor Weihnachten auf n-tv gestolpert bin:
Ein Mix aus steigenden Löhnen und niedriger Inflation lässt die Kaufkraft der Deutschen so deutlich steigen wie seit über drei Jahren nicht mehr.
Wer sich diesen, von einem plakativen Foto einer Horde von Konsumzombies beim Gottesdienst im kapitalistischen Markttempel trefflich illustrierten, Sermon selber durchlesen will, darf das gerne tun - sollte dabei aber stets im Hinterkopf behalten, dass einerseits das dafür verwendete, vom "Statistischen Bundesamt" bereits im Voraus "interpretierte" und der "freien Presse" zur Verfügung gestellte Zahlenmaterial mit gutem Gewissen angezweifelt werden muss, und dass sich andererseits der reine Informationswert dieser Aussagen - selbst bei hypothetisch korrekten Zahlen - auf genau dem folgenden Niveau bewegt: "Wenn von zehn Sahneschnitten, die einer Gruppe von zehn Personen zur Verfügung stehen, alle zehn Sahneschnitten im Magen einer einzigen Person genussvoll verschwinden, während die übrigen neun nichts abbekommen, haben durchschnittlich alle zehn Personen eine Sahneschnitte verzehrt." - Auf den blanken Irrsinn, eine Größe wie die "Kaufkraft" als etwas generell und unzweifelhaft Gutes für alle Menschen auf den verdorbenen Altar zu stellen und dies auch noch als einzigen Indikator für das Wohlbefinden zu benennen, kann ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen.
Ein solcher Quatsch wird allen Ernstes und in immer wiederkehrender, nicht endender Wiederholung als "Nachricht", gar als "Information" in die verarmende, zerfallende Welt gekotet. - Noch weiter geht die - ebenfalls zu n-tv gehörende - Telebörse, die einen Schlips-Borg und Superspezialexperten namens Dr. [guttenb. schav.] Zschaber aus diesem Kaffeesatz den folgenden Voodoo-Zauber beschwören lässt:
Vor allem den Verfall der Ölpreise sehe ich für den Welthandel als außergewöhnlichen Impuls für das kommende Jahr 2015. Viele ölimportierende Länder können bereits schon jetzt beachtliche Gewinne verbuchen. Dazu gehören nahezu alle Industrieländer wie Japan, Korea, die USA oder Europa. Aber auch unter den Schwellenländern gibt es Gewinner - etwa die großen Länder Asiens, China, Indien und Indonesien. Dies wird potenzielle Wachstumskräfte im globalen Kontext hervorrufen (...).
Bei solchen strunzdämlichen Aussagen, die nicht einmal unteres Kindergartenniveau à la heute-journal oder Tagesthemen erreichen, fragt sich der geneigte Leser hoffentlich unwillkürlich, woher denn diese prognostizierten "beachtlichen Gewinne" wohl stammen mögen - der Herr Doktor sollte ja schließlich wissen, dass in diesem absurden System die Profite des einen zwangsläufig die Schulden bzw. Verluste eines anderen sein müssen. Ob vielleicht endlich doch neue Absatzmärkte auf dem Mars entdeckt wurden, von denen wir noch nichts wissen? Oder müssen am Ende doch nur wieder die Lohnsklaven, Rentner, Kinder, Kranken, Arbeitslosen, Armen - denen es ja laut Vorbericht flächendeckend so unglaublich gut geht - die ohnehin prallen Kassen der Superreichen weiter füllen? Dass dies im großen Stil jedenfalls nicht die führenden ölexportierenden Länder bzw. deren "Eliten" übernehmen werden, muss wohl nicht explizit erwähnt werden. - Ich bin mir nicht sicher, ob der Herr Dr. Superspezialexperte die naheliegende Antwort tatsächlich kennt - ich maße mir nicht an zu entscheiden, ob er ein korruptes oder doch nur ein dummes raffgieriges Arschloch ist.
Im Grunde wird die Antwort im Telebörse-Pamphlet aber bereits gegeben, denn die letzte Subunterschrift lautet selbstverständlich: "Was bedeutet das für den Anleger?" Damit ist einmal mehr schwarz auf weiß festgehalten, für wen dieses ganze lächerliche Brimborium veranstaltet wird und weshalb 99 Prozent der Bevölkerung das gar nicht erst durchschauen sollen.
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Marsnähe
[Export zum Mars]
"Petroleum? Kohlen?? Waffen???"
(Zeichnung von Karl Arnold [1883-1953], in "Simplicissimus", Heft 22 vom 25.08.1924)
Was ich habe, will ich nicht verlieren, aber
wo ich bin, will ich nicht bleiben, aber
die ich liebe, will ich nicht verlassen, aber
die ich kenne, will ich nicht mehr sehen, aber
wo ich lebe, da will ich nicht sterben, aber
wo ich sterbe, da will ich nicht hin:
Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin.
(Thomas Brasch [1945-2001], in: "Kargo. Zweiunddreißigster Versuch auf einem untergehenden Schiff aus der eigenen Haut zu kommen", Suhrkamp 1977)
Statt einer Anmerkung: Schaut Euch mal diese fantastischen Fotografien des Isländers Nökkvi Elíasson an - verlinkt habe ich direkt auf eine der Fotogalerien, die ausschließlich verlassene Häuser in der Einöde der weiten isländischen Wildnis zeigt; die restlichen lassen sich über das dortige Menü ebenfalls leicht aufrufen. Ich will damit die politische Botschaft des mir aus der Seele schreienden Gedichtes von Thomas Brasch nicht abstrahieren oder sonstwie verwässern, sondern sie dick unterstreichen.
Wie gerne sähe ich mir diese Bilder in hochauflösender Form an - es ist ein wahrer Jammer, dass sogar dieser (Hobby-)Fotograf aus dem hohen Norden so sehr auf das kapitalistische Copyright-Bullshitbingo baut. Rechts unten neben jedem Foto kann man anhand des roten Punktes auf der Islandkarte nachvollziehen, wo ungefähr das Foto aufgenommen wurde. Wenn ich könnte, wie ich wollte, wäre ich längst beispielsweise hier. Nicht zum Sterben, sondern um zu bleiben.