Sonntag, 22. Mai 2011

Merkels "Atom-Moratorium" aktuell: Die Lehren der Politik aus Fukushima

Mit Pomp kündigt die EU einen großen AKW-Stresstest an, knickt dann aber unter dem Druck der Atomlobby ein. Das ist ein Skandal, denn dieses Verhalten kann verheerende Folgen haben - für alle 500 Millionen Europäer.

Wieder droht ein großes Versprechen zu einem Versprecher zu werden. Die im Lichte der Katastrophe von Fukushima geplanten Stresstests für europäische Atomkraftwerke werden nicht streng, sondern stressfrei für die Betreiber ausfallen.

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Anmerkung: Dieser schwache Windhauch eines Schein-"Kommentars" aus der Süddeutschen ist gleich in mehrfacher Hinsicht eine wahre Lachnummer:

Da wird Merkels absurdes "Atom-Moratorium" mit keinem Wort erwähnt - statt dessen wird wie gewohnt alles auf die EU-Ebene abgeschoben - so als ob es keine Möglichkeiten für die deutsche Politik gäbe, in Sachen Atomkraft vollkommen andere Wege zu gehen. Merkel kommt in dem Text nicht einmal vor. Statt dessen wird "Energiekommissar Günther Oettinger" bemüht, der die Sache in Brüssel doch bitte richten solle. Alberner und lächerlicher könnte man über dieses wichtige Thema kaum schreiben.

Wissen Sie eigentlich, was in Fukushima aktuell los ist? Ist Ihnen das Ausmaß der Katastrophe bekannt? Die Medien berichten darüber ja schon lange nicht mehr - dabei handelt es sich um eine größere Katastrophe als die, die seinerzeit in Tschernobyl stattgefunden hat. Doch in unseren Propagandamedien wird nichts darüber berichtet - wer intensiv in den Zeitungen oder auf Nachrichten-Portalen liest, hat irgendwo auf Seite 16 vielleicht noch erfahren, dass der Tepco-Chef inzwischen zurückgetreten ist, aber damit erschöpfen sich die Informationen auch schon.

Von Merkels "Moratorium" und den erwähnten "Stress-Tests" redet ebenfalls niemand mehr - es ist nun von einem "möglichen Ausstieg aus der Atomenergie bis 2022" die Rede, wobei Merkel sich da "noch nicht festgelegt" hat (Man beachte den n-tv-Titel "schneller Atomausstieg" im Zusammenhang mit dem Jahr 2022 - das ist pure Science Fiction!). Und neue, alte Befürworter der Atomenergie gibt es auch längst wieder. Ja, sind wir denn wirklich im Tollhaus? Haben die Menschen die fadenscheinigen Reden der neoliberalen Bande kurz nach der Katastrophe in Japan ebenso schnell wieder "vergessen" wie unsere Propagandamedien? Können diese Gesellen tatsächlich alles tun und lassen, was sie wollen - und wir schlucken das immer und immer wieder brav? Es ist nicht zu fassen!

Niemand in politischen oder wirtschaftlichen Kreisen hat etwas aus Fukushima "gelernt" - selbstverständlich nicht! Die Risken waren allen Beteiligten vorher bekannt, sie sind auch weiterhin bekannt. Und wie ehedem sind diese Leute auch weiterhin bereit, diese Risiken einzugehen, sonst wären längst alle Kernkraftwerke vom Netz. Und - wie immer in diesem perversen System - ist der Grund dafür: Geld.

Wir lernen also wieder: Auch das Leben der Menschen in Europa darf weiterhin massiv gefährdet werden, weil ein paar Superreiche weitere Gewinne machen wollen. Darum dreht sich die Welt der Neoliberalen. Das Geschwätz vom "Moratorium", von "Stress-Tests" oder einem "Atomausstieg bis 2022" sind alberne Phrasen, die eine Haltbarkeit von wenigen Wochen besitzen.

Während dessen nimmt die Katastrophe in Japan weiter ihren unaufhaltsamen, schrecklichen Lauf - und der Chef der Firma, die das unter Anderem zu verantworten hat, zieht sich in eine seiner Villen zurück. Und bei uns kommt Fukushima nicht mehr vor und Merkel & Co. machen - wie vorhergesagt - einfach weiter wie zuvor.

"Tollhaus" ist ein viel zu harmloses Wort, um diese irrsinnigen Zustände zu illustrieren.

"Volkszählung" - was der Staat so alles wissen (und speichern) will

Die erste Volkszählung nach der deutschen Vereinigung ist in vollem Gang – und niemand scheint sich aufzuregen. Die gesamte Bevölkerung wird erfasst – und niemand scheint sich betroffen zu fühlen. Ist dieses Projekt mit dem eher harmlos klingenden Namen "Zensus 2011" also wirklich harmlos?

Mit dem Zensus 2011 werden persönliche Daten der gesamten Bevölkerung nicht nur erhoben, sondern verdeckt zusammengeführt. Schon dies verdient Skepsis – wie jede flächendeckende Großerhebung und zentrale Datensammlung. (...)

Von dieser Volkszählung ist prinzipiell jeder Bürger, jede Bürgerin betroffen, manche sogar mehrfach: Anders als bei früheren Volkszählungen sind wir dieses Mal mit einem weitgehend verdeckt durchgeführten "registergestützten Zensus" konfrontiert: Dabei werden zunächst personenbezogene Informationen aller Bewohner aus etlichen staatlichen Datenbanken klammheimlich zusammengeführt – ohne Kenntnis und Einwilligung der Betroffenen. Die teils sensiblen Daten werden bei Meldebehörden, Liegenschaftskatastern, den Agenturen für Arbeit sowie aus anderen Quellen abgerufen, ungeachtet der ganz anderen Zwecke, zu denen sie eigentlich einmal erhoben worden sind. Dazu gehören neben den Grundmeldedaten auch Angaben zu Schulabschluss und Ausbildung, Eheschließungen und -scheidungen, Religion, Wohnungsstatus, Anschrift des Wohnungsgebers, Beruf, Arbeitsort und -stätte, Branche, Arbeitslosenstatus (etwa die Kategorie "nicht zu aktivierende Person") und eine Liste bisher empfangener Sozialleistungen.

Darüber hinaus wird ein erheblicher Bevölkerungsanteil verpflichtet, ja gezwungen, nahezu 50 Fragen aus dem persönlichen Lebensbereich zu beantworten. (...) Ihre Auskunftsbereitschaft kann im Falle der Verweigerung entweder mit Verwaltungszwang – also unter Androhung und Festsetzung von Zwangsgeldern – oder per Androhung eines Bußgeldes bis zu 5.000 Euro durchgesetzt werden. Widerspruch oder Klage gegen die Befragung haben keine aufschiebende Wirkung, das heißt: Die Fragen sind jedenfalls vor einer gerichtlichen Entscheidung zu beantworten. (...)

Mit den zweckentfremdeten Informationen aus diversen staatlichen Datenbanken, angereichert mit sensiblen Daten einer Zwangsbefragung, können hochproblematische Personenprofile entstehen. Die Datensätze werden zusammengeführt, zentral gespeichert und können über eine eindeutige Ordnungsnummer auch zugeordnet werden. Für jede Anschrift, jedes Gebäude, jede Wohnung, jeden Haushalt und jede Person wird eine Ordnungsnummer vergeben und geführt – obwohl das Bundesverfassungsgericht eine solche Identifikationskennziffer bereits in seiner Mikrozensusentscheidung von 1969 und in seinem Volkszählungsurteil von 1983 ausdrücklich untersagt hat.

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Anmerkung: Bislang heißt es von Seiten der Regierung, dass diese Daten für vier Jahre gespeichert bleiben sollen - ein Missbrauch aber selbstverständlich ausgeschlossen sei. Natürlich. Man fragt sich unwillkürlich, wieso solche Daten überhaupt erhoben und so lange gespeichert werden, noch dazu nicht anonym, sondern eindeutig jeder Person zugeordnet werden können? Es liegt doch auf der Hand, dass die Absicht, die dahinter lauert, eine ganz andere ist als die, die offiziell verkündet wird.

Das Schlimmste dabei ist aber, dass nicht einmal der persönliche Widerstand einen erkennbaren Nutzen brächte - obwohl der ja eigentlich gar nicht vorgesehen und entsprechend strafbewehrt ist -, denn der Großteil dieses "Zensus" läuft verdeckt und automatisch zwischen verschiedenen Ämtern ab, ohne dass die Bürger das überhaupt bemerken oder beeinflussen könnten.

In diesem Stadium sind wir also bereits: Die neoliberale Bande erstellt detaillierte Personenprofile von allen Bürgern und Bürgerinnen, lässt darüber hinaus zusätzliche Befragungen bei 10 Prozent der Bevölkerung durchführen (und erweckt damit und mithilfe der Propagandamedien den falschen Eindruck, es seien ja "nur" 10 Prozent der Bevölkerung insgesamt betroffen) - dann vergibt sie eindeutig zuzuordnende Kennziffern für alle Profile und Personen und speichert das Ganze "für vier Jahre" ab. Und in vier Jahren wird das befristete "Anti-Terror-Gesetz" ... Verzeihung, die Datenspeicherung dann "aufgrund akuter Gefährdungslagen" oder weshalb auch immer einfach verlängert.

Es ist nichts anderes als ein gläserner Bürger, den sich die neoliberale Bande da gerade am Grundgesetz vorbei bastelt - und es sollten überall schrille Alarmglocken läuten, wenn Begriffe wie "verdeckte Datenzusammenführung", "Speicherung" und "Ordnungsnummern" fallen. Es ist kaum auszudenken was geschehen wäre, wenn die Nazis oder auch die Stasi über solche Monsterdatensammlungen über alle Bürger verfügt hätten. Es ist ebenso kaum auszudenken, was diese Wirtschaftslobbyisten und Egoismus-Fetischisten, die uns heute regieren bzw. terrorisieren, damit anfangen werden - der totalen Überwachung sind damit Tür und Tor weit geöffnet.

Die Medien und folglich auch die meisten Menschen interessiert das kaum. Und in den dunklen Gemäuern der Ämter und Regierungsbüros reibt man sich schon jetzt die Hände und freut sich diebisch darauf, schon sehr bald alles über Hans Schmidt, Maria Meier oder den schrägen Karl von gegenüber zu wissen ...

Das muss jedem Demokraten den puren Angstschweiß auf die Stirn treiben.

Über den möglichen Zerfall der EU

Der Zerfall Europas könnte bevorstehen. Besser, wir sind darauf vorbereitet. Diese Entwicklung birgt wegen des Erpressungspotenzials der Banken Gefahren; für die Demokratie könnte sie aber vorteilhaft sein. Mit der Größe eines Staatsgebildes wächst auch das Gefühl der Machtlosigkeit. Bürger werden für immer mehr haftbar gemacht, haben aber immer weniger Einfluss. Die eigentliche Domäne der Freiheit ist deshalb das Kleine, Überschaubare. (...)

In großen, gleichgeschalteten Staatsgebilden ist es leichter, den Menschen Alternativlosigkeit einzureden. Diese wird den Menschen ja drastisch vor Augen geführt, wenn in allen Nachbarstaaten ähnliche (oder schlimmere) Zustände herrschen. Der Blick auf benachbarte Kleinstaaten, von denen zumindest einige mit alternativen Wirtschaftsformen experimentieren, würde den Menschen Mut machen. Die Politik der Alternativlosigkeit bedeutet dagegen eine Demütigung für den Bürger – und das faktische Ende der Demokratie. Volksherrschaft beruht auf dem Prinzip, wählen zu können. In dem Maße wie diese Möglichkeit schrumpft, stirbt die Demokratie.

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Anmerkung: Ein interessanter Text, in dem der Autor u.A. zu dem Fazit kommt: "Wir leiden unter einem Terror der Komplexität". Das ist exzellent formuliert. Wenn es in absehbarer Zeit tatsächlich zu einem Zerfall der EU kommen sollte, dürfen wir aber gewiss sein, dass die neoliberale Bande alles dafür tun wird, das Gegenteil dessen zu tun, was in diesem Text an Alternativen angedacht wird. Zur neoliberalen "Politik der Alternativlosigkeit" gehört nämlich zwingend eine 100prozentige Lernresistenz.

Ich halte indes die "Kleinstaaterei" nicht für der Weisheit letzten Schluss - allerdings ist die Menschheit offenbar noch lange nicht reif für größere, menschenfreundliche Projekte. Der vorgeschlagene Weg wäre daher durchaus temporär gangbar, wird aber mit fast absoluter Sicherheit von unserer selbsternannten "Elite" nicht einmal eines einzigen Gedankens gewürdigt werden.

Gerade deshalb sollten möglichst viele Menschen diese (und viele andere) Gedankengänge verfolgen und damit das Konzept der angeblichen "Alternativlosigkeit", das Merkel und ihre Kumpanen so oft hinterm Ofen hervorzerren, als lächerliche Propaganda bloßstellen.