Samstag, 7. April 2012

Song des Tages: Irgendwo im Nirgendwo




(Element of Crime: "Irgendwo im Nirgendwo", aus der gleichnamigen EP, 2000)

Die einen sind alt und hässlich,
die andern sind jung und schön,
die dritten sind bloß Wilde,
die von Schönheit nichts versteh'n.
Und wie der eine aussieht,
so ist der andre innen drin,
und weil alle nur verloren sind,
ist alles halb so schlimm.

Und wir folgen euren Spuren -
wenn wir euch kriegen, seid ihr tot ...
Das muss so sein, da haben wir keine Wahl -
das ist auch besser so, denn im Nirgendwo
ist alles egal.

Die einen sind ohne Mitleid,
die andern sind ohne Furcht,
die dritten ohne Hoffnung -
das macht zufrieden, durch und durch.
Und was der eine nicht hat,
das hat der andre nie geseh'n,
und am Ende kann der eine nur
mit dem andern untergeh'n.

Und wir folgen euren Spuren -
wenn wir euch kriegen, seid ihr tot ...
Das muss so sein, da haben wir keine Wahl -
das ist auch besser so, denn im Nirgendwo
ist alles egal.

Die einen sind ohne Sünde,
die andern sind ohne Arg,
die dritten sind viel zu dämlich -
und so geht das, Tag für Tag.
Hätten alle eine Mutter,
wären alle gar nicht hier,
was dann irgendwo im Nirgendwo
auch ziemlich schade wär'.

Und wir folgen euren Spuren -
wenn wir euch kriegen, seid ihr tot ...
Das muss so sein, da haben wir keine Wahl -
das ist auch besser so, denn im Nirgendwo
ist alles egal.



Anmerkung: Zu Element of Crime gäbe es eine Menge zu sagen - ich beschränke mich an dieser Stelle aber auf den Hinweis, dass die Songs dieser EP für eine Theaterinszenierung von James Matthew Barries "Peter Pan" am Schauspielhaus Bochum unter der Regie von Leander Haußmann entstanden sind, und wünsche allen Leserinnen und Lesern - je nach religiöser Ausrichtung - mehr oder weniger fröhliche Ostern. ;-)

Zweite Anmerkung: Ich bitte die Belästigung durch dämliche Werbung beim Klick auf das Video zu entschuldigen - bei youtube ist der Clip natürlich gesperrt und auf anderen Portalen, die eine werbefreie Einbettung ermöglichen, habe ich ihn gar nicht erst gefunden. Auf der offiziellen Homepage von Element of Crime konnte man bis vor kurzem noch sämtliche Videos der Band kosten- und werbefrei ansehen, aber auch dieser Link geht jetzt ins Leere.

Mittwoch, 4. April 2012

Buchempfehlung: "Gehwegschäden"

Thomas Frantz ist die Hauptfigur von "Gehwegschäden". Er ist freier Journalist, am Rande des Existenz-Minimums, wie so viele Kreative in Berlin. Dort geraten immer mehr Kreative wie er in Bedrängnis.



(Kurzrezension des Buches von Helmut Kuhn: "Gehwegschäden". Roman, 2012, aus der Sendung "Kulturzeit" von 3sat)

Anmerkung: Allmählich hält die zwangsverarmte Mittelschicht auch Einzug in die etablierte Literatur - ausgerechnet im angeblich so paradiesischen Deutschland, dem es laut Merkel ja "gut gehe". Die klaffende, sich stetig verbreiternde Lücke zwischen Reichen und Verarmten wird hier sehr deutlich sichtbar.

"Mit brillanter fragmentarischer Ästhetik, in scharfsinnigen und grotesken Miniaturen beschreibt 'Gehwegschäden' die schleichende, gewaltige Veränderung einer Gesellschaft, in der gradlinige Lebensgeschichten längst der Vergangenheit angehören. In literarischer Auseinandersetzung mit Döblins 'Berlin Alexanderplatz' und Musils 'Der Mann ohne Eigenschaften' nimmt es dieses Buch mit einem Thema auf, das keine klassische Form mehr zulässt und das evident wird in einer Stadt, in der die auf Gehwegschäden hinweisenden Schilder an jeder Ecke zur Normalität geworden sind: Es wird hier nichts mehr repariert, wir haben uns abgefunden." (Quelle: sf magazin)

Ich will und kann mich mit dieser an Fahrt aufnehmenden Katastrophe jedoch nicht abfinden und lege dieses Buch daher allen ans Herz. Vielleicht kann es ein wenig dazu beitragen, etwas von der in Deutschland so schmerzlich vermissten revolutionären, solidarischen Energie aus dem lähmenden Tiefschlaf zu wecken. Der Held des Buches macht uns schließlich ausgiebig vor, wie es ganz gewiss nicht geht ...

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"Es ist kaum zu glauben, so habe ich [vor acht Jahren] ausgesehen!"

(Zeichnung von Thomas Theodor Heine [1867-1948], in "Simplicissimus", Heft 25 vom 21.09.1931)

Montag, 2. April 2012

Journalisten in Griechenland: Der Absturz ins Bodenlose

Die Krise in Griechenland ist auch eine Krise der Medien. Der Umsatz in der Branche ist auf die Hälfte geschrumpft. Zeitungen und Lifestyle-Magazine verschwinden vom Markt – und mehr als tausend Journalisten befinden sich in psychiatrischer Behandlung. (...)

Schon jetzt geht es für die Journalisten im Land ums nackte Überleben. Viele Arbeitslose warten vergeblich auf die Zahlung der fälligen Abfindungen. Das ohnehin nicht üppige Arbeitslosengeld betrug in Griechenland bislang einheitlich 461,50 Euro pro Monat. Nach den jüngsten Sparbeschlüssen wird es auf 359,97 Euro pro Monat gesenkt. Nach einem Jahr ist auch damit Schluss, es droht der totale Absturz. Denn eine Grundsicherung wie in Deutschland existiert in Griechenland nicht.

(Weiterlesen)

Anmerkung: Deutsche Medien berichten momentan kaum noch über die sich immer weiter verschärfende Lage in Griechenland, die selbstverständlich auch die Medienbranche erreicht hat. Erst recht wird nicht darüber berichtet, dass eben diese katastrophale Situation von Merkel, Sarkozy & Co. ausdrücklich gewünscht wurde und stetig weiter radikalisiert wird. Um private, meist internationale Banken zu mästen, werden ein ganzes Volk mit voller Absicht radikal verarmt und eine ehemals halbwegs funktionierende Infrastruktur zerstört. Heute braucht diese Bande offenbar nicht einmal mehr Armeen und Waffengewalt, um einen Krieg zu führen und nachhaltige Zerstörungen, Not und Elend anzurichten.

Wenn im Text angeführt wird, dass ein "gut verdienender", nach Tarif bezahlter Journalist nach 10 Dienstjahren ein Gehalt von 1.665 Euro pro Monat erhält und damit in Athen kaum über die Runden kommt - wie um alles in der Welt soll ein Arbeitsloser mit zunächst 359,97 Euro pro Monat und nach einem Jahr gänzlich ohne Geld das schaffen? Was ist das für ein Irrsinn, den Merkel und die übrigen Verantwortlichen der griechischen Bevölkerung da zumuten?

Letztlich tut diese neoliberale Bande aber auch in Griechenland nichts anderes als das, was sie ohnehin ständig tut, wenn sie an der Macht ist - sie verarmt, entrechtet und überwacht die Menschen, zerstört den Staat samt öffentlich-rechtlicher Infrastruktur und schüttet die satte Beute an die Superreichen und sich selbst aus. Nebenbei schafft sie noch die kläglichen Reste der Demokratie ab, welche die kapitalistischen Zerstörungen der vergangenen Jahrzehnte noch überdauert hatten. In Griechenland und Italien herrschen inzwischen schon nicht gewählte, von der neoliberalen Bande eingesetzte Diktaturen - der Rest Europas wird schnell folgen, wenn wir das weiterhin zulassen.

Es ist doch offensichtlich: Was Merkel in Griechenland anrichtet, wird sie (oder irgendein nachfolgender Schlips- oder Knopfleisten-Borg aus derselben Marionettenkiste) ohne mit der Wimper zu zucken auch in Deutschland auf die Agenda setzen. Der Hartz-Terror samt Schröders Niedriglohnsektor und Clements entfesselten Leiharbeitssklaven war nur der Anfang - die gezielte Verarmung und Entrechtung der Menschen ist erneut in vollem Gange.

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Opfer der Pietät


"Lehmanns haben sich von einer Siebenzimmerwohnung auf eine Zweizimmerwohnung verkleinert, wollen sich aber von ihren Möbeln nicht trennen!"

(Zeichnung von Eduard Thöny [1866-1950], in "Simplicissimus", Heft 52 vom 27.03.1932)

Sonntag, 1. April 2012

Zitat des Tages: Die Führer

Und kriegt das Volk den alten Schwindel satt,
dann wird es langsam reif für einen neuen -:
zu diesem Zwecke finden Wahlen statt
mit einer Umgruppierung der Parteien.

Wer jetzt von Hugenberg die Nase voll hat,
der denkt sich: Hitler macht's - verdammt juchhe!
Und wem die SPD zu viel auf "Soll" hat,
erhofft ein "Haben" bei der KPD.

Man weiß nur: sooo kann es nicht weiter gehn
und träumt das alte Weltverbess'rungs-Träumchen -
um schließlich beim Erwachen einzusehn:
man spielte kindlich "Wechselt eure Bäumchen" --

Jedoch die Führer, die du dir erkoren,
die haben unterdessen sich saniert -:
du warst das Schaf - drum wurdest du geschoren --
und wirst zum Schluss zur Schlachtbank noch -- geführt --

(Karl Kinndt alias Reinhard Koester [1885-1956], in "Simplicissimus", Heft 36 vom 01.12.1930)

Anmerkung: Nach der hirnzersetzenden Wahl im Saarland und vor den ebenso lächerlichen Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen sollten wir uns nachhaltig bewusst machen, welchem Irrsinn wir aufsitzen, wenn wir weiterhin dem üblichen Wahlkampfgetöse folgen. Die Geschichte lehrt uns unmissverständlich dreierlei:

1. Ein Wahlboykott oder eine ungültige Stimme kratzt die Bande nicht - ganz im Gegenteil.
2. Ein Kreuz bei den etablierten Parteien stärkt die Bande sogar - ganz egal, ob es nun bei der CDU, der SPD, den Grünen oder der FDP erfolgt.
3. Ein Kreuz bei den Faschisten führt zur unmittelbaren und extremen Totalkatastrophe.

Welche Alternativen bleiben da wohl übrig? Dieser schwierigen Denkaufgabe sind Millionen von Wählern in Kürze wieder ausgesetzt. Es ist klar absehbar, dass sie auch diesmal wieder grandios daran scheitern werden.