"Die Medien könnten die größte Friedensmacht der Welt sein, stattdessen werden sie als Kriegswaffen eingesetzt", sagt Amy Goodman. Kriegskritiker kämen in den USA praktisch nicht zu Wort, abweichende Meinungen würden ausgefiltert. Die Medienkonzerne gäben oft nur die Positionen der Konzerne und der Politiker wieder, die von Konzernen finanziert werden. So schrumpfe die von den Medien abgebildete Meinungsvielfalt in den USA zunehmend. "Ich nenne es 'die zum Schweigen gebrachte Mehrheit', denn diejenigen, die gegen Krieg, gegen Folter sind, die wegen Armut und der Kontrollmacht der Unternehmen tief besorgt sind, sind keine Randgruppe. Sie sind nicht einmal eine schweigende Mehrheit, sondern eine Mehrheit, die zum Schweigen gebracht wird. Sie wird mundtot gemacht von Medienunternehmen, und das müssen wir ändern."
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Anmerkung: Dieser bestürzende, aber keineswegs neue Befund gilt selbstverständlich nicht nur für die USA, auch wenn dort die Medienkonzentration und propagandistischen Aktivitäten der Massenmedien noch einen Tick ausgeprägter sein könnten als beispielsweise in Deutschland. Aber auch hierzulande sind Nachrichtensendungen wie die "Tagesschau" oder "heute" weit davon entfernt, seriös und pluralistisch zu sein. Wer sich einzig aus diesen Quellen informiert, mag sich vielleicht für "gut informiert" halten, ist aber bestenfalls indoktriniert und "auf Linie gebracht".
Es ist ebenfalls keine Neuigkeit, dass dasselbe auch für die gedruckten Erzeugnisse der großen Verlagshäuser gilt - es ist heute ja nur noch ein Treppenwitz, dass beispielsweise der Spiegel einmal als "linkes", gar "investigatives Nachrichtenmagazin" galt, das u.a. einen offensiven Kampf gegen die Schmutzerzeugnisse des Springer-Konzerns geführt hat. Dieser Kampf ist gründlich fehlgeschlagen - heute ist der Spiegel nur noch ein Teil der neoliberalen Kampf- und Propagandasuppe.
Diese permanente Entwicklung in Richtung Desinformation und Propaganda geschah natürlich nicht zufällig oder versehentlich - wir dürfen getrost davon ausgehen, dass diese in ihrer Wirkung bestens erforschten Macht-Instrumente von Anfang an ganz oben auf der neoliberalen Zerstörungs-Agenda standen - und wir erleben täglich, dass der perfide Plan tatsächlich funktioniert: Die große Mehrheit schaut sich diesen PR-Kram mehr oder weniger regelmäßig an, hält ihn für "seriös" oder gar "objektiv" und hält demnach Kritik an den bestehenden Verhältnissen für "extremistische Einzelmeinungen" einer kleinen Randgruppe. Anders ist es nach meiner Sicht gar nicht mehr erklärbar, dass über einen so langen Zeitraum hinweg konsequent und massiv eine Politik gegen die Interessen der Bevölkerung und zum Wohle eine sehr kleinen und sowieso schon vollkommen überprivilegierten "Elite" gemacht werden konnte, ohne dass nennenswerter Widerstand oder mehr zu beobachten war und ist.
Die Situation ist also noch viel, viel übler als Frau Goodman das im oben verlinkten Beitrag darstellt: Selbstverständlich ist es die überwältigende Mehrheit, die von diesem System ausgebeutet und verarmt wird; trotzdem aber stützt eine Mehrheit dieser Masse das System weiterhin - in der irrigen, durch stetige Propaganda und Indoktrination verursachten Annahme, das System nütze ihnen oder sei gar "alternativlos". Wer einzig falsche, unvollständige oder tendenziöse Informationen erhält, kann auch nur zu völlig falschen Schlüssen und Meinungen gelangen - diese Weisheit ist fast zu banal, als dass man sie aufschreiben müsste. Und dennoch mag sie einer großen Anzahl von Menschen heutzutage wohl als extrem exotisch, wenn nicht gar als "verschwörungstheoretisch" anmuten. Wir sind wahrlich weit gekommen.
Die wenigen medialen Inseln, die noch dagegen halten und - zumindest gelegentlich - etwas Licht ins vernebelnde Dunkel der Einheitspropaganda bringen, werden zunehmend rarer - das Verschwinden der Frankfurter Rundschau ist dafür ebenso ein Zeichen wie die massiven Beschneidungen der ehemals kritischen Politik-Magazine ("Monitor", "Kontraste", "Report aus Mainz" etc.) in der ARD. So verbleibt dem wissenshungrigen Bürger einzig das Internet als alternative Informationsquelle. Die dort tatsächlich vorhandene Vielfalt verlangt vom Leser aber eine gewisse Medienkompetenz, um Relevantes und Wahres vom großen Sumpf des Blödsinns und der verschieden gefärbten Propaganda zu trennen - eine Medienkompetenz, die viele Menschen aber niemals erlernt haben und heute erst recht nicht mehr erlernen können. So wird die Pluralität des Internets wiederum zu einem Fluch, wenn sie dazu führt, dass Menschen vermehrt auf krude Hetz-Seiten wie "PI", den KOPP-Verlag oder andere Wortkloaken klicken, um die in den Massenmedien verschwiegenen oder verfälschten Informationen zu bekommen.
Der naheliegendste Ausweg aus diesem Dilemma wäre natürlich eine kräftige Verstärkung der Vermittlung eben jener Medienkompetenz - doch wer kann oder soll das - flächendeckend - leisten? Die Schulen, die inzwischen immer mehr zu "Formungsanstalten für den kapitalistischen Konkurrenzkampf" werden? Die Familien, in denen die "Tagesschau" als "seriöse Nachrichtensendung" gilt? Das Internet, wo man neben wunderbaren, treffenden, wertvollen und relevanten Beiträgen massenhaft auch Propaganda, Hetze und Desinformation findet?
Eine Frage, auf die ich - wie so oft - keine Antwort habe. Die "zum Schweigen gebrachte Mehrheit" wird wohl auch weiterhin aufgrund falscher Informationen schweigend zustimmen, und wir können nur hoffen, dass der Ausgang diesmal nicht in einer vergleichbaren Katastrophe wie in den 30er und 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts endet.
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Skandal über Skandal
Nun stürzte auch die Berliner Bank
für Handel und Grundbesitz!
Was Einen gesund macht, macht Tausende krank -:
zum Himmel wallt auf ein übler Gestank,
aber Gott sendet keinen Blitz ---
Keinen Blitz, der das ganze Gesindel erschlägt,
das sich mästet von fremdem Geld,
das die Ärmsten bestiehlt und Schlingen legt
jedem Törichten, der noch Vertrauen hegt
zu den "Großen dieser Welt" ---
Herr Katzenellenbogen ist frei:
es besteht da kein Fluchtverdacht -
der Staatsanwalt mimt ein bisschen Geschrei -
Das macht sich gut. Doch es bleibt dabei.
Mit Geld wird alles gemacht!
Doch zwei Schriftsteller kriegten vom Feme-Gericht
in Leipzig dafür ihr Teil!
Wer die Wahrheit weiß und verschweigt sie nicht,
der ist für die Herrn ein erbärmlicher Wicht -:
Das ist Deutschlands Erwachen! Heil!
Bald zeigt man uns im Jahrmarkts-Zelt
den "Letzten ehrlichen Mann".
Und ärztlicherseits wird festgestellt,
dass er nur, weil ihm Groß- wie auch Kleinhirn fehlt,
weder schwindeln noch stehlen kann ---
(Karl Kinndt alias Reinhard Koester [1885-1956], in "Simplicissimus", Heft 36 vom 07.12.1931)
Anmerkung: Wer mehr über den leider und zu Unrecht völlig vergessenen Autor Reinhard Koester erfahren will, dem sei das "Reinhard-Koester-Lesebuch", herausgegeben von Dieter Sudhoff, Köln 2004, sehr ans Herz gelegt. Das Buch ist als pdf hier kostenlos erhältlich; das ausführliche Nachwort des Herausgebers enthält eine Fülle von interessanten Informationen über den Autor.