Freitag, 28. Januar 2011

Zitat des Tages: Unverstand

Der Staat muss untergehen, früh oder spät, wo Mehrheit siegt und Unverstand entscheidet.

(Friedrich Schiller [1759-1805], a.u.O., zitiert nach Das Blättchen)


(Bild: Wikipedia)

PR statt Journalismus - eine Uni macht's vor

An der Uni Leipzig droht das Ende der ältesten deutschen Redakteursausbildung. Das Institut will künftig lieber PR-Profis hervorbringen.

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Anmerkung: Ein so wichtiges Thema - und ein so schwacher Text. Wenn der Autor, der laut Artikel "in Leipzig Journalistik studiert [hat] und (...) am Institut Gastdozent" war, representativ ist, können wir auf diesen journalistischen Studiengang in Leipzig tatsächlich gerne verzichten. Schlechte PR-Leute sind schließlich gut für uns alle.

Das ändert nichts an der generellen Problematik - Leipzig ist bei weitem nicht die einzige Universität, an der die PR sich breit macht und den ernsthaften Journalismus an den Rand drängt. Die "Bologna"-Deformation hat diese Entwicklung forciert und tut das weiterhin. Es ist eine logische Konsequenz in diesem neoliberalen Irrsinn, dass kritischer Journalismus nicht mehr gewünscht wird, während professionelle PR - mit anderen Worten: fundierte, ausgefeilte Propaganda - verstärkt nachgefragt wird. Das sind eben die "Märkte". Dass die aber an einer Universität und ganz besonders im Bereich der Journalistik nun wirklich nicht das geringste verloren haben, sollte allmählich auch dem letzten Mitbürger auffallen.

Abgesehen davon, benötigte es dieser Umstellung aber auch gar nicht, wie wir Tag für Tag in den Medien wieder nachlesen können. Es ist uns allen sicher noch in guter Erinnerung, dass vor kurzem erst der "seriöse Journalist" Steffen Seibert vom ZDF in die Propaganda-Abteilung der CDU gewechselt und deren "Pressesprecher" geworden ist. Ob da finanzielle oder ideologische - oder noch andere - Gründe überwogen haben, kann man nur mutmaßen. Man muss aber festhalten: Die Grenzen sind bereits heute fließend, und wirklich kritischer Journalismus, der "frei von fremden Interessen" recherchiert und berichtet, ist zur kleinen Ausnahme verkommen.

Wohin dieser Weg letztlich führt, müsste uns allen klar sein.

Drei zerstörerische Jahrzehnte liegen hinter uns. Es reicht.

(...) Gesellschaftspolitisch betrachtet waren die letzten drei Jahrzehnte ziemlich miserabel, nicht nur verlorene Jahrzehnte. Sie waren geprägt von Zerstörung. Sie ist nicht vom Himmel gefallen, sondern Teil einer ideologischen Erneuerung. Mein kleiner Rückblick soll zum Weiterdenken anstoßen.

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Anmerkung: Albrecht Müllers kleine Zusammenfassung der vergangenen 30 Jahre bietet einen guten Einstieg in das Thema. Details dazu können Sie nicht nur hier, sondern auch in vielen anderen Blogs und Online-Medien täglich nachlesen - das Zerstörungswerk der neoliberalen Bande ist weiterhin in vollem Gange und wird wohl erst dann enden, wenn die offensichtlich geplante Transformation der Welt in eine alptraumhafte Orwell'sche Horrorvision abgeschlossen ist.

Wie immer vergisst auch Herr Müller wesentliche Teile der Problematik - wie beispielsweise das Geldsystem oder die Zinsproblematik - zu erwähnen, aber sein Bericht ist dennoch gut geeignet, in wenigen Worten die uns umgebende Katastrophe zu beschreiben.

Beachten Sie allein die in den Text eingebundene Grafik, die die Entwicklung des DAX 30 von 1959 bis heute visualisiert: Auch für Laien ist die Exponentialkurve darin sehr gut zu erkennen, die unweigerlich ins Aus führen muss. Wer angesichts einer solchen Grafik noch immer behauptet, die "soziale Marktwirtschaft" (die längst sämtliche einstigen Fragmente alles Sozialen abgelegt hat wie einen lästigen Pelz) sei der richtige oder gar der einzige Weg in die Zukunft, muss geistig umnachtet oder dermaßen interessengesteuert sein, dass die Gier ihm die Sinne vernebelt.

Eine Marktwirtschaft, die auf Schuldgeld basiert und damit zwangsweise stets mehr Geld erwirtschaften muss, als vorher da war, kann langfristig niemals funktionieren und erst recht keine für Natur und Menschheit sinnvollen Wege einschlagen. Solche Binsenweisheiten sind für unsere politische und wirtschaftliche "Elite" nichts weiter als böhmische Dörfer. Deshalb gilt für sie auch im Jahre 2011 weiterhin das hiesige Blog-Motto: "Volle Fahrt voraus - und Kurs aufs Riff!"

Mittwoch, 26. Januar 2011

Über das "Naturprodukt" Milch

Ein Reaktor namens Kuh erzeugt täglich sechzig Liter Milch. Bevor diese in den Handel kommt, wird sie zerlegt, gerüttelt und neu zusammengesetzt. Ein Blick hinter die Kulissen einer Hochleistungsindustrie.

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Anmerkung: Der Bericht ist zwar schon 18 Monate alt, aber dennoch gilt die unbedingte Leseempfehlung. Jeder Schluck Supermarkt-Milch, jeder Bissen Supermarkt-Käse und selbstverständlich auch jeder Löffel Supermarkt-Joghurt oder -Quark sowie natürlich die "gute Butter" wird Ihnen danach gleich doppelt so gut schmecken - jede Wette.

Es ist doch faszinierend, welche technologischen Fortschritte unsere "Hochkultur" produziert hat (und stetig weiter produziert) - um wieviel besser und gesünder leben wir doch heute, verglichen mit den finsteren Zeiten des 16., 17. oder 18. Jahrhunderts ...

Behalten Sie bei der Lektüre aber im Hinterkopf: Dieses Beispiel beschränkt sich auf die Pervertierung des "Produktes Milch" - glauben Sie keine Sekunde daran, dass die übrigen Produkte, die Sie im Supermarkt erwerben können, sich irgendwie deutlich davon unterscheiden - ganz egal, ob es sich um tierische, pflanzliche oder künstliche Produkte handelt. In diesem Zusammenhang sei noch einmal auf den Film "Monsanto - Mit Gift und Genen" verwiesen.

Der technologische Fortschritt im Rahmen des kapitalistischen Systems hat zwangsweise und logisch zur Folge, dass wir täglich industriellen Dreck essen, dessen Produktion die Natur (inklusive der bei der Produktion beteiligten Menschen) unentwegt (und natürlich wachsend) vergewaltigt und pervertiert.

Guten Appetit.

Unsichtbare Politik: Wie Geheimverträge zwischen Staat und Wirtschaft die Demokratie unterwandern

Kommunen haben längst nicht nur ihre Trinkwasserversorgung und Energieinfrastruktur, sondern auch Abwasserkanäle, Gefängnisse, Schulen, Straßen und Brücken verkauft.

Bundesweit gibt es circa 180 geheime Vereinbarungen zwischen Städten und privaten Unternehmen, die häufig dazu dienen, die wahre Aufteilung von Nutzen und Lasten zu verschleiern.

Die gesetzlich vorgeschriebene Geheimhaltung der Verträge von so genannten Public-Private-Partnerships symbolisiert eine neue Strategie, um die Kontrolle solcher Geschäfte systematisch zu umgehen.

Stuttgart 21 oder die umstrittene Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke zeigen jedoch, dass das öffentliche Interesse an der Offenlegung derartiger Geheimabsprachen groß ist. So gilt nicht erst in Zeiten von Wikileaks - Politik braucht Transparenz.

(Quelle - Manuskript zur Sendung [pdf])

Anmerkung: Es ist mir ein völliges Rätsel, wie es in einem angeblich demokratischen Staat überhaupt dazu kommen kann, dass staatliche Stellen Geheimverträge mit irgendwelchen privaten Unternehmen abschließen können, die den Verkauf von Staats- bzw. Volkseigentum zum Inhalt haben. Schon dieser Fakt allein müsste die Staatsanwaltschaft auf den Plan rufen. Es geht hier um nicht weniger als um die Belange der öffentlichen Daseinsfürsorge, für die laut Grundgesetz allein der Staat zu sorgen hat - somit handelt es sich um die Belange der Bürger, die da in erster Linie zu betrachten sind. Die Praxis dieser Geheimverträge, in die gerade die Bürger keinen Einblick erhalten, offenbart aber, dass es den beteiligten Vertragspartnern um ganz andere Interessen geht.

Wie bei allen diesen Geschäften muss man zu allererst die Frage stellen: Cui bono - wer profitiert davon? Und die Antwort in solchen Privatisierungsfällen ist regelmäßig dieselbe: Die Bürger sind es nicht. Die neoliberale Bande verscherbelt unser gemeinsames Eigentum zu geheimen Konditionen und meist völlig unter Wert an Superreiche, die damit keine Daseinsfürsorge betreiben, sondern viel zusätzliches privates Geld verdienen wollen. Raten Sie doch mal, aus welchen Taschen diese Gewinne bezahlt werden müssen. Kleiner Tipp: Die Taschen der Reichen sind es nicht.

Geheimverträge ... wäre es nicht so absurd, müsste man diese Verträge den beteiligten Schlips- und Knopfleistenträgern einfach rechts und links um die Ohren hauen und sie lachend in die Schamecke der Demokratie schicken. Aber nein: Das geschieht auch weiterhin, da ist kaum ein Ende abzusehen - auch wenn die eine oder andere Kommune bereits gemerkt hat, in welche Falle sie sich begeben hat und beispielsweise ein regionales Energieversorgungsunternehmen wieder zu rekommunalisieren versucht. Der große Trend zur Privatisierung ist ungebrochen.

Da kann man Herrn Thilo "Lügenbaron" Sarrazin nur zurufen: Nicht "Deutschland" schafft sich ab - nein, die neoliberale Bande schafft den Staat ab und setzt Konzerne bzw. Superreiche an seine Stelle. So wollen wir doch alle gerne leben ... oder etwa nicht?

Dienstag, 25. Januar 2011

Revolution in Tunesien: Die neoliberale Bande verliert "einen ausgezeichneten Partner"

  1. Mit einer grotesken Volte reagiert Berlin auf den Sturz seines langjährigen tunesischen Verbündeten Zine el-Abidine Ben Ali. Es sei zukünftig "unabdingbar, die Menschenrechte zu respektieren", verkündet die Bundeskanzlerin in völligem Einklang mit ihrem Außenminister. Jahrzehntelang hatten Menschenrechtsorganisationen sich im Kanzleramt sowie im Auswärtigen Amt über gravierende Menschenrechtsverbrechen des tunesischen Regimes beschwert - vergeblich. Tatsächlich gehörte die äußerst repressive Regierung unter Staatspräsident Ben Ali zu den Verbündeten der Bundesrepublik in Nordafrika; sie war nicht nur politisch kooperationswillig, sondern schuf auch für deutsche Unternehmen lukrative Rahmenbedingungen - mit Niedriglöhnen, die Tunesien zum beliebtesten Produktionsort deutscher Manager in Nordafrika machten. Ben Ali, den Berlin heute verteufelt, um nach seinem Sturz in Tunis Einfluss behaupten zu können, wurde von der deutschen Wirtschaftspresse vor nicht allzu langer Zeit als "milder Diktator" gelobt. Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung nannte sein Regime noch vor wenigen Wochen einen "ausgezeichneten Partner".

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  2. +++ Eilmeldung: Fidel Castro und Bruder mit 1,5 Tonnen Gold ins Ausland geflüchtet! +++

    Das wäre die Topmeldung mit schrillsten Überschriften für Wochen in den Springer- und Bertelsmann-Medien inklusive den gleichgeschalteten ARD- und ZDF-Sendungen. Mit dem Gold als privater Altersvorsorge, das stimmt. Es ist aber nicht Fidel, sondern nur der geflohene tunesische Diktator Ben Ali mit Gattin. Für die hiesigen Medien und unsere Vollblutdemokratin Angela Merkel ein kaum erwähnenswerter Vorfall. Direkt vor Europas Haustür, stets unterstützt von der EU, also im politischen Kulturkreis, hat sich ein Mächtiger abgesetzt mit "Goldbarren im Wert von rund 45 Millionen Euro", berichtete die französische Zeitung Le Monde. Das schwer beladene Flugzeug mit Diebesgut nahm Kurs Richtung Dubai, dort sollen sie sich im arabischen Dschiddah am Roten Meer aufhalten. Die prallen Auslandskonten werden einen langen und schönen Aufenthalt ermöglichen.

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Anmerkung: Dazu fehlen einem mal wieder fast die Worte. Es ist ja nichts Neues, dass die neoliberale Bande gerne Geschäfte mit Diktaturen macht, solange sich genug Menschen ausbeuten lassen und genug Geld verdienen lässt - Menschenrechte oder ähnlicher Schnickschnack haben da keine Bedeutung. Es ist aber nur noch perfide zu nennen, wenn Merkel & Co. just nach dem Sturz des Diktators und vormaligen "ausgezeichneten Partners" von der "Einhaltung von Menschenrechten" faseln und sich nicht weiter darum scheren, dass eben dieser "ausgezeichnete Partner" auf seiner Flucht dem ohnehin armen tunesischen Volk noch eben 45 Millionen Euro in Gold raubt.

Auf die Aufarbeitung der Verflechtungen zwischen Berlin, der deutschen Wirtschaft und Ben Ali in den Systemmedien werden wir sicherlich bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten müssen.

Man kann ja nur mutmaßen - aber was würde wohl geschehen, wenn die neoliberale Bande (was ja längst überfällig wäre) auch in Deutschland endlich aus dem Land gejagt würde? Ich bin mir fast sicher, dass diese Personen vor ihrer Flucht in die USA, nach England oder China ebenfalls an ihre "Altersvorsorge" dächten und möglichst viel Diebesgut mitgehen ließen. Ob sich aus diesem Grund die Verurteilungen so in Maßen halten?

Einerseits erzeugen solche Revolutionen ja eine gewisse Hoffnung - andererseits sieht man auch da schon wieder an allen Ecken und Enden Gestalten und Rattenfänger herumlungern, die aus der unübersichtlichen Situation persönliches Kapital schlagen wollen. Dieses globale System der "Eigenverantwortung", des puren geförderten Egoismus, des Neoliberalismus schlechthin - es ist verrottet bis in den Kern.

Die Tragik der Liebe: Kurzschluss

Grüne Grausamkeiten oder: Warum die Grünen unwählbar sind

(...) 1998 zogen [die Grünen] als Hoffnungsträger nicht nur der Friedens- und Umweltbewegung, sondern auch vieler sozial engagierter Menschen für sieben Jahre in die Bundesregierung ein. Die Bilanz ist verheerend: Unter maßgeblicher Beteiligung grüner Spitzenpolitiker wurde die Beteiligung Deutschlands an einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg durchgesetzt. Hartz IV trägt ebenso das Copyright des "rot-grünen Projektes" wie der schwammige "Atomkonsens", der die jetzt beschlossene Verlängerung der AKW-Laufzeiten erst möglich machte. In keiner anderen Regierungskonstellation wurde durch Steuergeschenke so viel Geld von unten nach oben umverteilt. Die jetzt beklagte "Zwei-Klassen-Medizin" ist auch eine Folge der damaligen "Gesundheitsreformen". Rentensenkungen wurden auf den Weg gebracht, der Arbeitsmarkt dereguliert und Niedriglohnsektoren etabliert. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen.

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Anmerkung: In der Tat, die Liste ließe sich noch erheblich ausführlicher gestalten, wobei die im Artikel erwähnten Katastrophen schon mehr als Grund genug darstellen, diesen Neoliberalen im kitschig-grünen Gewand niemals seine Stimme zu geben.

Was der Artikel aber leider zu erwähnen vergisst: Auch das politische Personal der Grünen verhält sich exakt genauso wie der Rest der korrupten neoliberalen Bande: Neben den lukrativen Lobbytätigkeiten Joschka Fischers ist beispielsweise Rezzo Schlauch zu nennen, der heute im Beirat des Energieunternehmens EnBW, das mehrere Atomkraftwerke betreibt, sitzt. Details dazu und eine Liste mit weiteren Namen finden sich hier.

Die Grünen sind eine Klientelpartei für scheingrüne Besserverdiener, die zu feige sind, auf Konfrontationskurs mit den "Eliten" zu gehen (in der irrigen, wie wahnwitzigen Hoffnung, einmal selber dazuzugehören). Stattdessen soll der eigene kleine bis mittlere Wohlstand gerne auf Kosten der Schwachen, der Natur, der einstigen Ideale gehalten werden.

Übrigens, ganz aktuell: Die Grünen haben einer Verlängerung des Bundeswehrkrieges in Afghanistan zugestimmt - mit dem fadenscheinigen Zusatz, dass Ende 2011 mit dem Truppenabzug begonnen werden müsse. Leider hat man in der besagten Pressemitteilung "vergessen" darauf hinzuweisen, dass sich ein weiterer kleiner Zusatz dort befindet, der da lautet: "sofern es die Lage erlaubt". Und wer beurteilt es, ob die Lage einen (teilweisen) Truppenabzug in einem Jahr [sic!] "erlaubt"? Richtig: Das zurzeit noch von CSU-Guttenberg geführte Kriegsministerium. - Bravo, das ist grüne Realo-Friedenspolitik, wie sie anschaulicher nicht sein könnte.

Ein Wirtschaftssystem ohne Wachstum, Profit und Rendite

Wirtschaftskrise, Peak Oil und Klimakatastrophe als Ausdruck des gleichen Problems: Der deutsche Ökonom und Autor Elmar Altvater plädiert für "solaren Sozialismus". (...)

Die Grenzen des Wachstums sind ein gewichtiger Grund, warum Altvater nicht an Wirtschaftsankurbelung nach den Rezepten von John Maynard Keynes aus den dreißiger Jahren glaubt. Er sieht weitere Gründe: Arbeits- und Finanzmärkte sind international stärker verflochten, das Kapital "hochmobil" und kein Land mehr autonom bei der Gestaltung seiner Geldpolitik. Weitere "Reparaturen am System" würden die ökologischen und sozialen Probleme nur verschärfen. Auch die Idee eines Green New Deal, der mit Ökotechnologien neues Wachstum bringen soll, überzeugt Altvater nicht: Deren VertreterInnen hätten ein "naives Grundvertrauen in die Funktions- und Reformfähigkeit des kapitalistischen Weltsystems".

Es brauche Sozialismus, sagt Altvater. Damit meint er nicht "zurück zur Sowjetunion": "Anders als der Sozialismus des 20. Jahrhunderts muss der Sozialismus des 21. Jahrhunderts die sozialökologische Frage ins Zentrum stellen." Auch zentrale Planung lehnt er ab: "zu kompliziert, zu bürokratisch und viel zu autoritär". Anzustreben sei ein Wirtschaftssystem ohne Wachstum, Profit und Rendite. Wie kommen wir dorthin? Altvater hat keinen Schlachtplan ausgearbeitet, weist jedoch in eine Richtung: Schutz und Wiederaneignung von Gemeineigentum wie Wasser, Boden und Bildung, genossenschaftliche Wirtschaft und Regulierung der Finanzmärkte.

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Anmerkung: Ich habe das Buch von Altvater ("Der große Krach. Oder: Die Jahrhundertkrise von Wirtschaft und Finanzen, von Politik und Natur", Münster 2010) noch nicht gelesen und kann daher keinen Kommentar dazu abgeben. Die im Artikel vorgestellten Ansätze erscheinen mir aber logisch und sinnvoll - wichtig für den erwähnten "Schlachtplan", der hoffentlich bald konkreter wird.

Allerdings ergeben sich auch daraus wieder viele neue Fragen und Probleme (von denen ich, wie erwähnt, nicht weiß, ob sie im Buch behandelt werden). Eines davon sind beispielsweise die herrschenden Besitzverhältnisse. Die Geldelite wird sich mit aller ihr zur Verfügung stehenden Macht dagegen wehren, aber es kann selbstredend nicht einfach hingenommen werden, dass die bereits stattgefundene Umverteilung zu ihren Gunsten (man könnte auch das Wort "Raub" in diesem Zusammenhang bemühen) einfach akzeptiert wird. Die Superreichen dürfen nicht superreich bleiben. Wer anstrengungslos, also zum Beispiel durch bloßen ererbten Geldbesitz, Millionen oder Milliarden "verdient" hat und dies im gegenwärtigen System Tag für Tag weiter tut, wird große Teile davon ins Volksvermögen zurückführen müssen. Dasselbe gilt natürlich für auf solche Weise ergaunerte Immobilien, Unternehmen und sonstigen Reichtum. Die geforderte genossenschaftliche Wirtschaft weist in diese Richtung.

Auch der Begriff des "solaren Sozialismus" gefällt mir sehr gut - bringt er doch die zwingend notwendige Umstellung des Wirtschafts-, Gesellschafts- und Energiesystems auf einen Nenner. Das Buch ist vorgemerkt zur baldigen Lektüre.

Lachnummer des Tages: Berlin ist ein "failing state"

Eine überforderte S-Bahn, brennende Busse und jetzt noch ein fehlendes Rad: Berlin hat nach 1989 einen ähnlichen Weg genommen wie viele afrikanische Staaten nach dem Ende der Kolonialherrschaft und ist ein "failing state". (...)

Dies ist die größte Misswirtschaft, die es seit 1871 im Verkehrswesen einer europäischen Stadt gegeben hat. Rollen Köpfe? Nein. Bläst die Opposition zum Generalangriff? Nein, sie macht Urlaub. Man muss auch daran erinnern, dass die S-Bahn zu Mauerzeiten in beiden Stadthälften von der DDR betrieben wurde. Und die S-Bahn fuhr. Sie kam fast immer. Vermutlich auf Befehl der Sowjetunion.

Berlin hat, ich vertrete diese These seit Jahren, nach 1989 einen ähnlichen Weg genommen wie viele afrikanische Staaten nach dem Ende der Kolonialherrschaft. Lokale Eliten kommen an die Macht, die ihrer Aufgabe nicht gewachsen sind, Misswirtschaft und Günstlingswirtschaft verbreiten sich, die Infrastruktur verfällt, während die Kaste der Mächtigen Partys feiert. Berlin ist ein sogenannter "failing state", ein Staat, der seine Aufgaben nicht mehr erfüllen kann. Eine Rückkehr der Alliierten wäre sicher die beste Lösung, ist aber unrealistisch. Denkbar wäre die Übernahme der Regierung durch einen vom Bund ernannten Hochkommissar, etwa Heiner Geißler oder Peer Steinbrück. Für Grundvoraussetzungen städtischen Lebens wie den öffentlichen Nahverkehr, benutzbare Straßen, funktionierende Schulen und Gehwege müsste im Mogadischu Europas vorübergehend die Bundeswehr sorgen, oder Blauhelme.

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Anmerkung: Wenn Heiner Geißler oder gar Peer Steinbrück das Ruder in Berlin übernähmen, würde sich am herrschenden Katastrophenkurs nicht das Geringste ändern. Beide haben in der jüngeren Vergangenheit nachhaltig ihre Inkompetenz sowie ihre Wirtschaftshörigkeit bewiesen. Vielleicht sollte man in Berlin einfach die DDR neu gründen, um die Infrastruktur zu retten?