skip to main |
skip to sidebar
Bundeskanzlerin Merkel sprach sich beim Landesparteitag der rheinland-pfälzischen CDU in Mainz erneut vehement für den Weiterbau des umstrittenen Projektes [Stuttgart 21] aus. Deutschland müsse zeigen, dass man zuverlässig sei. Man könne in Europa nicht zusammenarbeiten, wenn die Politik danach ausgerichtet werde, "wie viele Menschen gerade auf der Straße stehen".
(Angela Merkel, Bundeskanzlerin, zitiert nach "Der Westen" vom 25.09.2010, via)
Brauchen Arbeitslose nur den richtigen Anreiz, um arbeiten zu gehen? Dieser Glaube beruht auf einem zutiefst antiaufklärerischen Menschenbild
Wenn wie jetzt über die Höhe der Unterstützung für erwerbslose Menschen gestritten wird, hat sich seit der von Gerhard Schröder verkündeten "Agenda 2010" ein Glaubensdogma etabliert: Arbeitslose bräuchten Anreize, so heißt es, damit sie wieder eine Arbeit annähmen.
Dieses Glaubendogma geht davon aus, dass Arbeitsplätze im Prinzip angeblich genügend vorhanden [seien], das eigentliche Problem sei vielmehr die Lustlosigkeit der Arbeitssuchenden. Von sich heraus habe der Mensch, so die Unterstellung, auf gar nichts Lust - außer regungslos auf dem Sofa zu liegen. Erst wenn ein finanziell messbarer Anreiz vorliege, würden Gehirnzellen und Gliedmaße in Bewegung gesetzt. (...)
Das Menschenbild, das hinter diesem Glaubensdogma steckt, ist mit dem emanzipatorischen Teil unserer europäischen Werte absolut unvereinbar: Gemeint sind die Würde des Menschen, die Freiheit der Person und Werte wie Verantwortung, Selbstverwirklichung, Mündigkeit und demokratische Gemeinschaft. Nichts von alldem ist denkbar, wenn man den Menschen auf einen rein mechanischen Reiz-Reaktions-Organismus reduziert. Dieses Menschenbild entspricht vielmehr jener Psychologie aus dem euphorischen Industriezeitalter, die das naturwissenschaftliche Kausalitätsgesetz umstandslos auf die Erforschung menschlichen Verhaltens zu übertragen versuchte. Sinnbild für dieses Denken ist der pawlowsche Hund, der auf einen akustischen Reiz so voraussehbar reagiert wie eine Maschine: ohne Reiz keine Reaktion.
(Weiterlesen)
Anmerkung: Nachdem ich die taz in der letzten Zeit oft gescholten habe, möchte ich auf diesen Kommentar nun sehr wohlwollend hinweisen. Er greift zwar wieder einmal zu kurz, stellt aber in der aktuellen Medienlandschaft dennoch so etwas wie eine kleine Revolution dar, weil einige absurde Glaubensmythen der neoliberalen Bande endlich einmal beim Namen genannt und hinterfragt werden.
Einmal mehr bleibt zwar auch in diesem Text der latent drohende, allzu offensichtliche Faschismus des neoliberalen Welt- und Menschenbildes auf der Strecke. Dennoch bleibt der treffende Begriff des "neofeudalen Elitedünkels" ein für die taz durchaus bemerkenswerter Schritt in die richtige Richtung.
Wenn diese Zeitung nun auch endlich begreift, dass die faschistoiden Hartz-Gesetze auch dafür geschaffen wurden, die gutbürgerlich-altgrüne Klientel der taz zu drangsalieren, unter Druck zu setzen und auszubeuten, wären wir noch einen großen Schritt weiter.
Ich werfe an dieser Stelle auch gar nicht die Frage in den Raum, wieso wir auch in der taz nichts über beispielsweise die neuen Jobs eines Joschka Fischer lesen, der heute u.a. für einen Atomkonzern arbeitet und sich dabei eine goldene Nase verdient. Man ist ja auch mit kleinen Erkenntnisschritten schon zufrieden, wenn sie denn Kontinuität besitzen - was sich erst noch zeigen muss.
(...) Ein Jahr vor den im November 2011 anstehenden Parlamentswahlen ist der Kampf um den Erhalt des dänischen Sozialstaats so zu einem zentralen Thema der Politik geworden. Die Bevölkerung reagiert mit wachsender Unzufriedenheit auf die seit 2001 von konservativen und liberalen Parteien betriebene Politik der Steuersenkungen für die reichsten Schichten der Bevölkerung und Privatisierungen bislang öffentlicher Unternehmen, die zu einem massiven Zerfall der bisherigen Sozialprogramme und zu massiver Umverteilung von unten nach oben geführt haben. Trotzdem legte die Regierungskoalition im Sommer gemeinsam mit der ultrarechten Dänischen Volkspartei Einsparpläne in einem Umfang von 24 Milliarden Kronen (etwa 3,22 Milliarden Euro) vor, um die Konvergenzkriterien der EU zu erfüllen, obwohl Dänemark – dessen Bevölkerung die Einführung des Euro vor zehn Jahren in einer Volksabstimmung abgelehnt hatte – dazu gar nicht verpflichtet ist. Schon im Juni hatten 80.000 Menschen in Kopenhagen gegen diese Pläne demonstriert.
(Weiterlesen)
Anmerkung: Da reibt man sich ungläubig die Augen: Überall in Europa werden dieselben Deformationspläne seit fast 10 Jahren oder länger in die Tat umgesetzt - und in Dänemark werden sogar EU-Vorgaben durchgepeitscht, obwohl die Bevölkerung des Landes den Euro seinerzeit abgelehnt hat ... da verschlägt es einem doch fast die Sprache und man fragt sich, ob es angesichts solcher wahnwitziger Meldungen (sofern sie denn überhaupt wahrgenommen werden, denn in Tagesschau & Co. kommen solche Informationen selbstredend nicht vor) auch noch Menschen gibt, die nicht an eine internationale neoliberale Verschwörung glauben.
Dass es inzwischen auch das ehemalige Vorzeigeland eines funktionierenden Wohlfahrtsstaates, Dänemark, getroffen hat, stimmt da sehr bedenklich. Überall dieselben Horrormeldungen, überall wird das Geld säckeweise in die Bunker der Reichen geschleppt, während die Bevölkerungen leer ausgehen und mit massiven Kürzungen konfrontiert werden.
Das Beispiel Dänemark macht mich fassungslos.
- (...) Der moderne Wohlfahrtsstaat ist mitgefangen im großen gesellschaftlichen Krisengeschehen namens Kapitalismus, aber dabei auch ganz schön eigeninitiativ – und liegt damit durchaus im Trend der Zeit: Bildungsungleichheiten beklagen, sie zugleich aber fortschreiben und liberalinterventionistische Scheinlösungen (wie auf Wohlfahrtsmärkten einzulösende Gutscheine etwa) anbieten; Aktivität einfordern, aber die materiellen und immateriellen Grundlagen für deren Ausübung systematisch einschränken; Solidarität beschwören, aber faktisch gutbürgerliche Ressentiments und umgekehrten Sozialneid gegen die "überversorgten" Staats-"Klienten" schüren; den gesellschaftlichen Zusammenhalt einklagen und dabei an bürgerschaftliches Engagement, Freiwilligenagenturen, soziale Pflichtjahre und ähnliche mittelschichtsfreundliche Harmonieszenarien denken, nicht aber an die ganz realen desintegrativen Effekte einer rasant wachsenden Einkommens- und einer geradezu absurden Vermögensungleichheit (und an mögliche Maßnahmen einer regulativen Gegensteuerung). Der Wohlfahrtsstaat kann durchaus Gesellschaft gestalten – sicher nicht immer, wie er will, aber doch immer so, dass die Gesellschaft es zu spüren bekommt. In seiner aktuellen Krise hat er, haben die in seinen Institutionen handelnden Personen sich dafür entschieden, die sozialen Verhältnisse hierzulande ungleicher werden zu lassen: Wer hat, dem soll gegeben werden. In diesem Wohlfahrtsstaat werden Bildungsarme auch in Zukunft massiv reduzierte Lebenschancen haben. Und die Gruppe der Bildungsarmen wird sich nach wie vor zu großen Teilen aus migrantischen Milieus rekrutieren. In diesem Wohlfahrtsstaat werden Langzeitarbeitslose auch in Zukunft unter administrativen Druck gesetzt werden, obwohl doch das gesellschaftliche Problem in einem eklatanten Unterangebot an "guter Arbeit" besteht. In diesem Wohlfahrtsstaat werden die Menschen in Zukunft selbst ihren späten Renteneintritt noch teuer bezahlen müssen, weil sie eben nur als "produktive" Kräfte gesellschaftlich – und sozial-politisch – noch etwas zählen.
(Weiterlesen - pdf)
- Zwanzig Jahre nach dem 3. Oktober 1990 ist auch der deutsche Sozialstaat nicht mehr wiederzuerkennen. Gewiss, so genannte Reformen gab es schon vorher, und immer mehr liefen sie schon damals aufs Sparen hinaus, auf die Rücknahme von Sozialleistungen oder auf deren gänzlichen Abbau. Mit dem Zusammenschluss der beiden deutschen Staaten begann trotz allem aber eine neue Phase von Sozialreformen, denen ein völliger Paradigmenwechsel zugrundeliegt und die zu einer Umgestaltung des Sozialstaats geführt haben, die in ihrem Vorfeld nicht ohne weiteres absehbar gewesen ist.
(Weiterlesen)
Anmerkung: Es ist viel gesagt, geschrieben und gelogen worden zu diesem Thema, und man darf nicht müde werden, immer wieder darauf hinzuweisen, dass die bewusste und gewollte Zerstörung des Sozialstaates ein Kernziel der neoliberalen Ideologie war und ist, das willfährig von der SPD, den Grünen, der CDU und natürlich der FDP vorangetrieben wurde und wird. Daran hat sich bis heute - trotz teils anderslautender Propaganda aus Regierungs- und Oppositionskreisen - nichts geändert.
Wie kann angesichts der Zerstörungen, die Hartz IV, die Demontage der gesetzlichen Rente, die Pervertierungen des Gesundheitssystms und viele andere Deformationen mehr angerichtet haben und weiter anrichten, irgendein Bürger noch diese Parteien wählen? Immer und immer wieder zeigen sie uns deutlich ihr wahres, hässliches Antlitz und treten den Menschen dreist und unverfroren ins Gesicht, während sie der "Elite" schamlos Geld, Privilegien und Macht zuschanzen - immer in der berechtigten Hoffnung, dafür persönlich fürstlich entlohnt zu werden.
Es ist zum Speien.
Seit 15 Jahren plant die Stadt das Projekt Stuttgart 21 und den neuen Bahnhof. Mittlerweile ist den Verantwortlichen aufgefallen, dass es ein Problem gibt. Irgendwie scheint da etwas bei der Kommunikation mit den mitunter doch ziemlich lästigen Bürgern nicht zu funktionieren. Doch Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) zeigt sich als Mann der Tat - und sucht per Stellenanzeige einen Öffentlichkeitsarbeiter für das Projekt.
Und was lesen wir da? Gefordert ist die "Fähigkeit, auch schwierige Sachverhalte zielgruppenorientiert und leicht verständlich aufzubereiten". Das ist unsere Chance! Also geben wir uns als PR-Profis aus und bewerben uns. Öffentlich, damit hinterher niemand sagen kann, wir hätten mit verdeckten Karten gespielt.
(Weiterlesen)
Anmerkung: Wer hätte das gedacht - sogar in der Redaktion von n-tv bemerkt man inzwischen öffentlich, dass offenbar irgendetwas faul ist im Staate Dänemark. Hoffentlich hat diese Posse, die an unfreiwilliger Komik in Bezug auf die Stuttgarter Bürokraten kaum zu überbieten ist, keine negativen Folgen für die verantwortlichen Redakteure bei n-tv.
Ein Highlight aus der "Bewerbung": "Wir sind in der Lage, auch schwierigste Sachverhalte zielgruppenorientiert, leicht verständlich und überzeugend aufzubereiten. Dazu gehört es, mit modernen Kommunikationsstrategien prügelnde Polizisten in gesteinigte Opfer oder unschuldige Demonstranten in aufmüpfige Randalierer zu verwandeln." - Chapeau! :-)
Und nun warten wir alle gespannt darauf, dass in den Redaktionen landauf, landab der zwingende, logische Schluss gezogen wird: Nicht nur auf kommunaler Ebene beherrschen Korruption, Elitedünkel, Eigeninteresse, Erkenntnisresistenz und Volksferne das Bild - dasselbe gilt selbstredend gleichermaßen für die Bundespolitik.
Wir warten wohl vergeblich.
Die Eurokrise erzwingt, was alle Proteste nicht vermochten: Deutschlands Wirtschafts- und Politikelite muss endlich ihre Ignoranz gegenüber den Folgen ihrer Politik für die Verteilung der Einkommen aufgeben.
Jetzt wollen sie also ernst machen, die Währungsstrategen der Eurozone. "Harte Strafen" soll es künftig für alle jene Euro-Staaten geben, die sich über die vereinbarten Grenzen hinaus verschulden. Schon Regierungen, die einmal die Defizitgrenze von drei Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung reißen, sollen künftig gleich 0,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nach Brüssel überweisen, heißt es im nun vorgelegten Reformplan der EU-Kommission. Das wären im Fall Deutschlands mal eben sechs Milliarden Euro. Mehr noch: Auch Staaten, die an "unterentwickelter Wettbewerbsfähigkeit" leiden, die also mehr importieren, als sie ihrerseits ins Euro-Ausland verkaufen, sollen mit Sanktionen belegt werden. Lohnsenkungen oder andere "Wirtschaftsreformen" sollen damit über das EU-Recht erzwungen werden, und das sogar "automatisch" per Verfügung der Kommission.
(Weiterlesen)
Anmerkung: Vorsicht bei der Lektüre dieses Tagesspiegel-Kommentars - sie kann zu akuter Glatzenbildung aufgrund massiven Haareraufens führen. Da erklären diese Strategen doch allen Ernstes den Euro-Staaten, die mehr importieren als sie exportieren, den Krieg - und man fasst so viel Dummheit gar nicht mehr und wagt nicht mehr zu fragen, wohin diese Staaten denn bitte schön ihre wertvollen Güter exportieren sollen, wenn alle einen Exportüberschuss erzielen sollen? Gibt es unentdeckte Märkte auf dem Mars? Stehen jenseits unseres Sonnensystems schon Abnehmer bereit, die all die geforderten Überschüsse importieren wollen? Oder soll das ganze wieder einmal auf dem Rücken der so genannten dritten Welt stattfinden? Hauptsache, Euroland geht es gut, egal, wenn der Rest der Welt darunter zu leiden hat, oder wie denken sich diese Schlipsträger das?
Man kommt aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr heraus, wenn man das liest und zuende denkt. Und das ist die offizielle, nicht in Frage gestellte Politik der EU, die grausame Realität und nicht etwa dem weichgespülten Hirn irgendwelcher Aktenkofferträger entsprungen ist.
Diese lächerlichen Figuren, die sich selbst "Elite" nennen und doch nur peinliche Hanswurste sind, machen trotz Krise, trotz des überall sichtbar werdenden Untergangs und Verfalls einfach mit ihrer perversen Strategie weiter, als sei nichts gewesen. Mündige Bürger müssen alsbald den VEG - den Verein der erzwungenen Glatzköpfe - gründen, um den kahlen Schädel plausibel erklären zu können.