Freitag, 26. März 2010

Röttgen: Ein Umweltminister auf der Seite der Atomlobby

Das Umweltministerium plant offenbar, das als kritisch geltende Bundesamt für Strahlenschutz zu entmachten

Umweltminister Norbert Röttgen scheint derzeit einen schwierigen Spagat zu vollführen: einerseits mimt er das grüne Gewissen der Union und kämpft medienwirksam für ein Ende des Zeitalters der Atomenergie. Bei seinen Parteifreunden und in der Koalition hingegen stieß er mit diesem Vorschlag auf reichlich Gegenwind. Norbert Röttgen versucht, einen Umweltminister mit Prinzipien zu geben, der seine Überzeugungen notfalls auch gegen Kritiker aus den eigenen Reihen verteidigt. Doch möglicherweise ist dies nur ein Theaterstück im Vorprogramm der Wahl in Nordrhein-Westfalen.

Dies jedenfalls lassen Pläne vermuten, die aus dem Bundesumweltministerium nach außen dringen. Laut einem Bericht der taz wird dort derzeit überlegt, das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) um einige Aufgaben zu erleichtern. So soll den Überlegungen zufolge das BfS künftig nicht mehr für die Endlagerung von atomaren Abfällen verantwortlich sein. Das Bundesumweltministerium war für eine Stellungnahme für Telepolis nicht zu erreichen.

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Anmerkung: Ein Atomausstieg mit der CDU - das wäre ungefähr vergleichbar mit einer FDP, die plötzlich keine Parteispenden mehr annähme, also einfach absurd. Röttgen gibt den Kaspar, während die Pläne hinter den Kulissen in eine ganz andere Richtung entwickelt werden. - Allen Befürwortern der Atomkraft sowie den Unentschlossenen und Meinungslosen sei dringend der Film "Die Wolke" empfohlen, der eindrucksvoll aufzeigt, auf welchem Pulverfass wir mit dieser gefährlichen Technik sitzen.

"Schleichwerbung" im Fernsehen - ab sofort legal

Ab April dürfen die Privatsender in ihren Unterhaltungsprogrammen gegen Entgelt Produkte platzieren. Die Medienwächter haben sich nun auf die praktischen [sic!] Regeln für das neue Gesetz [geeinigt].

Es wird ernst. Ab April sind Produktplatzierungen im privaten Fernsehen erlaubt. Die rechtliche Grundlage bildet der 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, der im kommenden Monat in Kraft tritt. Der Staatsvertrag basiert auf den Vorgaben der Europäischen Union zu diesem Thema. Die Gesamtkonferenz der Landesmedienanstalten, die sich zusammensetzt aus der Direktorenkonferenz und der Gremienvorsitzendenkonferenz, hat sich nun auf die entsprechende neue Werberichtlinie geeinigt, die die Grenzen der Produktplatzierung in der Praxis regeln soll. Die Richtlinie muss nun von den einzelnen Landesmedienanstalten verabschiedet werden.

Und so sieht die Regelung aus: Nach wie vor verboten sind Produktplatzierungen in Nachrichtensendungen, informierenden Magazinen und Kinderprogrammen. Möglich ist das Product Placement in Unterhaltungssendungen, Spielfilmen, Serien und beim Sport. Allerdings dürfen die bezahlten Produktplatzierungen nicht werblich inszeniert werden, sondern müssen "aus überwiegend programmlich-dramaturgischen Gründen" ins Programm eingebaut werden.

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Anmerkung: Man kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Dieser Werbewahnsinn hat inzwischen Formen und Ausmaße angenommen, die nur noch unerträglich zu nennen sind. Man sollte konsequent alle Produkte, Unternehmen oder Dienstleistungen, die so schamlos beworben werden, boykottieren. - Dieser neoliberale EU-Irrsinn wird unabsehbare Konsequenzen für das größtenteils ohnehin schon jämmerliche Niveau des Privatfernsehens haben. Man sollte den Flimmerkasten einfach ausschalten, zum Wertstoffhof bringen und sich bei der GEZ abmelden.

Donnerstag, 25. März 2010

Die wahren Sozialschmarotzer: Fast 10.000 Selbstanzeigen von Steuerhinterziehern

(...) Die Flut der wegen Steuerhinterziehung eingereichten Selbstanzeigen wird in den nächsten Tagen die Grenze von 10.000 überschreiten. Das ist das Ergebnis einer Capital-Umfrage bei allen Oberfinanzdirektionen und Finanzministerien. (...)

Über die Höhe der hinterzogenen Steuern, die nun verspätet doch noch fließen werden, lässt sich zu diesem Zeitpunkt nur spekulieren. Nach Schätzungen von Steuer-Experten in den Ämtern dürften es wohl mehrere hundert Millionen Euro werden.

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Anmerkung: Und das dürfte dennoch nur die Spitze des Eisberges sein. Angesichts solcher Zahlen ist die "Sozialstaatsdebatte" (die keine Debatte ist, sondern eine Kampagne), die zurzeit von Westerwelle und anderen - auch der SPD - forciert wird, schlichtweg grotesk. Nur zum Vergleich: Laut Bundesagentur für Arbeit lag die "Missbrauchsquote" bei Hartz IV im Jahr 2009 bei 1,9%, was angesichts der Masse der auf Sozialleistungen angewiesenen Menschen (aktuell sind es 6,5 Millionen) einem Betrag von etwa 72,2 Millionen Euro entspricht (vgl. hier) - verteilt auf 123.500 Menschen, also ca. 584 Euro pro Person und Jahr. Und nun stellt sich heraus, dass allein Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Schleswig-Holstein eine Steuernachzahlung von zusammen 155 Millionen Euro erwarten - also mehr als das Doppelte dessen, was der bundesweite "Missbrauch" von Hartz IV gekostet hat. Rechnen wir das hoch auf ganz Deutschland, setzen es in Bezug zu der Anzahl der Menschen und rechnen die Dunkelziffer mit ein, dann wird schnell klar, wo der Staat eigentlich ansetzen müsste, wenn er Sozialmissbrauch stärker vermeiden will. - Weshalb wird die Steuerfahndung in Bezug auf sehr reiche Menschen nicht rigoros ausgebaut, anstatt die totale Überwachung und Kontrolle der Ärmsten unserer Gesellschaft weiter zu forcieren?

Abgesehen davon macht es einen wesentlichen, qualitativen Unterschied, ob jemand sich freiwillig dem Amtsterror aussetzt, um seine monatlichen 359 Euro oder einen Anteil davon zu "erschleichen", oder ob jemand Zehn- oder Hunderttausende Euro an den Sozialkassen vorbei ins Ausland schafft. Auf welcher Seite da die "Hängematte" zu finden ist, ist nicht schwer zu erraten. - Welche Motivationen, einen Betrug zu begehen, sind leichter nachvollziehbar: Armut und Not - oder Gier und Geiz?

Und nur als Gedächtnisstütze: Wer der hier Lesenden kann sich tatsächlich vorstellen, von 359 Euro im Monat ein auch nur annähernd menschenwürdiges Leben zu führen? Ob die 10.000, die sich nun selbst angezeigt haben, um einer Strafe zu entgehen, das auch könnten?

Die Wirtschaftsjunkies oder: Gute Nacht, Deutschland

Mit weniger Lohn mehr konsumieren – seltsame Rezepturen aus der britischen Kapitalismusküche. (...)

Die Therapie entspricht dem üblichen neoliberalen Muster: Konsum, Investitionen und Wirtschaftswachstum lassen sich, folgt man dem Blatt, am besten durch "mutige Strukturreformen" ankurbeln, durch Liberalisierung, weitere Deregulierung der Arbeitsmärkte sowie den radikalen Umbau der Sozial- und Erziehungssysteme. Und schließlich durch Steuersenkungen.

Dieses Rezept aus der britischen Wirtschaftsmedizin ist nachgerade genial. Ausgerechnet die Arznei, die zu den kritisierten Exportüberschüssen führte, soll nun, in noch höherer Dosis verabreicht, das Gegenteil bewirken und den Außenhandel wieder ins Lot bringen. Darauf muss man erst einmal kommen.

Mit englischer Verschrobenheit lässt sich das merkwürdige Heilverfahren nicht abtun. Diesseits der Kanals schwören zahlreiche Ökonomen auf dieselbe Methode. So etwa Wolfgang Franz. Der Vorsitzende der "Fünf Weisen" plädiert zwar dafür, die Inlandsnachfrage zu stimulieren, aber bitte nicht mit höheren Tarifabschlüssen. Schließlich sei die "Lohnzurückhaltung einer unserer Vorteile gegenüber unseren Wettbewerbern gewesen".

Wer solche Berater und die ihnen hörigen Politiker hat, braucht sich über Griechenland und die Währungsunion keine Gedanken zu machen. Sie fliegt garantiert bald auseinander. Dann gute Nacht, Deutschland.

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Anmerkung: Man mag es nicht mehr hören - seit so vielen Jahren drückt uns die neoliberale Bande dieses Rezept alternativlos aufs Auge: Man müsse nur immer höhere Dosen der wirkungslosen, sogar kontraproduktiven "Medizin" samt ihrer katastrophalen "Nebenwirkungen" verordnen, dann werde sich schon alles zum Guten wenden. Für wie dumm lassen wir uns eigentlich verkaufen? Mit genau diesen "Konzepten" haben sie die größte Wirtschaftskrise seit den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts (und auch die ist auf die gleichen Ursachen zurückzuführen) produziert. Nie gab es mehr Arbeitslosigkeit, die Mittelschichten verschwinden, Armut und soziale Not wachsen rasant inmitten der reichen Industrienationen, ganze Staaten stehen vor dem Bankrott - und sie machen einfach so weiter wie vorher, als ob nichts geschehen sei. Da drängt sich die Frage förmlich auf: Tun sie das aus lauter naiver Dummheit - oder vielleicht doch mit voller Absicht? - Das ist eine rhetorische Frage.

SPD-Arbeitsmarktkonzept: Eiertanz in der Sackgasse

  1. Wie schwer sich die SPD tut, um aus der Sackgasse herauszufinden, in die sie sich mit der schröder-steinmeierschen Agenda-Politik hineinmanövriert hat, belegt der gestrige Präsidiumsbeschluss "Fairness auf dem Arbeitsmarkt". Da wird zunächst ein Eiertanz aufgeführt, um die Hartz-Reformen zu rechtfertigen. Deren Grundfehler werden ignoriert. Statt eine wirtschafts- und beschäftigungspolitische Alternative anzubieten, wird an dem Irrglauben festgehalten, man könne Arbeitslosigkeit bekämpfen, indem man Arbeitslose "fordert". Man will durch das neue Arbeitsmarktkonzept bestenfalls einem Gerechtigkeitsgefühl entgegen kommen und die Akzeptanz erhöhen. (...)

    Die SPD folgt nach wie vor der herrschenden ökonomischen Lehre und bietet wirtschaftspolitisch keine Alternative zur "simplen Unternehmenslogik" (Heiner Flasbeck), wonach es ein "Überangebot an Arbeitskräften" gebe. Die SPD sitzt bei ihrer Arbeitsmarktpolitik – um es in ein Bild zu fassen – immer noch rückwärts auf dem Sattel und zäumt das Pferd vom Schwanz her auf.

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  2. Olaf Scholz nannte das Arbeitsmarktkonzept "eine konsequente Weiterentwicklung unserer Politik". Die einzelnen Vorschläge des SPD-Arbeitsmarktkonzepts stellen also keinen Neuanfang dar, mit dem die Enttäuschung vieler früherer Anhänger und Sympathisanten der SPD wieder aufgefangen werden könnte. Solange der "Consigliere" von Schröder, Frank-Walter Steinmeier, in der SPD etwas zu sagen hat, wäre eine Abkehr vom Agenda-Kurs ein Schlag gegen das eigene Führungspersonal.

    Weil keine Abrechnung mit dem bisherigen Kurs erfolgt und kein neues Leitbild zugrunde gelegt wird, stehen alle Vorschläge des Arbeitsmarktkonzepts unter dem Verdacht der politischen Kosmetik – um sich etwa gegenüber den Gewerkschaften aufzuhübschen, um die innerparteilichen Narben zu verdecken, um sich gegenüber der Linkspartei etwas Rouge aufzulegen oder gegenüber den Vorstößen von CDU und FDP (etwa im Hinblick auf das Schonvermögen) nicht allzu blass auszusehen.

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Anmerkung: Wer eine sozialdemokratische Politik will, darf sich nicht mit der SPD befassen - diese Partei hat jeden Rest einer sozialdemokratischen Wurzel (und damit auch die entsprechenden Mitglieder) allerspätestens im Jahr 1998 verloren. Dieser "Eiertanz" um die Agenda 2010, wie Wolfang Lieb das treffend nennt, ist nur ein weiterer Beleg von so vielen. Mit dieser Partei ist kein Sozialstaat mehr zu machen!

Stellenausschreibung: Niedriglohn-Akademiker gesucht

Man lese sich diese Stellenausschreibung in Ruhe durch - welche Voraussetzungen da gefordert werden (akademischer Abschluss, bevorzugt mit Promotion), welche Tätigkeiten diese Vollzeitstelle umfasst, welche "flexiblen Leistungen" erwartet werden (überdurchschnittliches Engagement, die Bereitschaft zu flexiblen Arbeitszeiten, also auch abends und/oder am Wochenende) - und höre dann seinen Kiefer auf das Brustbein klappen, wenn klipp und klar gesagt wird, dass für dieses auf zwei Jahre befristete "weiterbildende Volontariat" eine Bezahlung in Höhe von ... (Trommelwirbel) ... 1.000,00 Euro monatlich - brutto - festgesetzt wird.

Es handelt sich dabei übrigens um eine Stellenausschreibung der Franckeschen Stiftungen zu Halle - ein ... (zweiter Trommelwirbel) ... Sozial- und Bildungswerk.




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Dienstag, 23. März 2010

Landtagswahl in NRW: Rüttgers verdient kein Vertrauen

Am 9. Mai wird in Nordrhein-Westfallen gewählt. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) möchte die Koalition mit der FDP fortsetzen. Aber das wird schwierig. Der Vertrauensverlust ist groß. Denn viele Bürgerinnen und Bürger fühlen sich von der Landesregierung getäuscht, belogen und betrogen. Dazu einige Beispiele ...

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Anmerkung: Die schwarz-gelbe Bande hat in NRW genauso gewütet wie in anderen Bundesländern oder im Bund. Das darf jedoch nicht zu der verheerenden Schlussfolgerung führen, die NRW-SPD und Frau Kraft hätten mehr Vertrauen verdient - schon allein ihre kategorische Absage an die Linke und ihr Vorschlag, Arbeitslose für das "Gemeinwohl" arbeiten zu lassen, setzen deutliche Akzente, die das Misstrauen nähren sollten. Wer auf einen wirklichen "Wechsel" hofft, auf eine andere Politik, darf nicht "Obama light" wählen, sondern muss den wirklichen Vertretern der Sozialdemokratie ins Amt verhelfen - der Linken. - Welche Partei generell die Interessen welcher Bevölkerungsanteile vertritt, veranschaulicht diese Grafik:


Pharmaindustrie: Korrupte Medizin

  1. [Der Medizinjournalist] Hans Weiss kritisiert das Preisdiktat der Arzneimittelindustrie. Für Recherchen des Buches "Korrupte Medizin" ließ er sich zum Pharmavertreter ausbilden und stellte fest, dass die Medikamentenhersteller "zwei Gesichter" haben. (...)

    Weiss: Da [auf einem Pharma-Kongress] ist auch ganz unverblümt davon die Rede gewesen, dass die Pharmaindustrie eine marketingorientierte Industrie ist und keine forschungsorientierte, dass viel zu viel Geld in Marketing hineingesteckt wird, viel zu wenig Geld in Forschung, und dass das, was rauskommt aus der Forschung, in der letzten Zeit sehr dürftig ist. Zum Großteil sind das nämlich nur Nachahmerpräparate und keine wirklichen Neuheiten.

    Scholl: Ein weiteres Argument ist, dass die jeweiligen Wirkstoffe in den Medikamenten hohe Kosten verursachen. In Ihrem Buch, Herr Weiss, schreiben Sie, dass dieses Argument der größte Witz sei. Wieso?

    Weiss: Ja, das ist ja eigentlich ein streng gehütetes Geheimnis, was die Wirkstoffe wirklich kosten. Ich habe das mit einem simplen Trick herausgefunden, wieder nach Art von Günter Wallraff. Ich habe mich ausgegeben als Import-Export-Händler, habe internationale renommierte Wirkstoffhändler angeschrieben - die Pharmaindustrie, also die großen Konzerne, die stellen ja nicht alles selber her, sondern lassen herstellen -, und ich habe mir für etwa 20 Medikamente, die in Deutschland häufig verwendet werden, Angebote stellen lassen.

    Was kosten die Wirkstoffe, wenn ich da ein Kilo, zehn Kilo et cetera kaufe. Da waren Schmerzmittel drunter, Krebsmittel, Hochdruckmittel, Cholesterinsenker et cetera. Und das Verblüffende war, der Kostenanteil des Wirkstoffs am Verkaufspreis des Medikamentes, also das, was wir in der Apotheke für eine Packung bezahlen beziehungsweise das, was die Krankenkassen bezahlen, beträgt nur ein bis zwei Prozent. So niedrig. Das heißt, die Kosten des Wirkstoffes gehen eigentlich gegen null.

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  2. Klinikdirektor Arnold Ganser glaubt, dass Patienten nicht leiden würden, wenn manche Medikamente viel weniger kosteten.

    WirtschaftsWoche: Herr Professor Ganser, müssen Medikamente so teuer sein, wie sie es heute sind?

    Ganser: Nein, ganz sicher nicht. Jedenfalls nicht alle. In der Onkologie – für die kann ich am besten sprechen – liegen alle neu zugelassenen Präparate zumeist in einer Preiskategorie von 5000 bis 10.000 Euro pro Monat. Deutschland ist das einzige große Land, in dem die Hersteller Preise für patentgeschützte Arzneimittel frei festsetzen können. Sie orientieren sich ausschließlich an der hohen Kaufkraft der Menschen hierzulande.

    WirtschaftsWoche: Der hohe Preis hat also nichts mit den Forschungs- oder Herstellungskosten zu tun?

    Ganser: Nein. Wir haben zum Beispiel sehr alte Medikamente wie das Thalidomid, das in den Sechzigerjahren unter dem Namen Contergan als Schlafmittel zu trauriger Berühmtheit kam. Es ist jetzt erneut als Krebsmedikament zugelassen. Aber es ist weder neu noch teuer in der Herstellung. Dennoch bezahlt der Patient etwa 5000 Euro pro Monat dafür. Oder Arsentrioxid, das bei bestimmten Leukämiearten sehr hilfreich ist. Es kostet Pfennigbeträge in der Herstellung, aber 25.000 Euro im Behandlungszyklus.

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Anmerkung: An allen Ecken und Enden kann man offen und unverblümt sehen, in welche heillose Katastrophe ein wachstums- und profitorientierter Kapitalismus führt, es wird teilweise sogar medial benannt - und dennoch stellt niemand in den Medien und erst recht nicht in den "Volksparteien", die ja angeblich das "Wohl des Volkes" vertreten, ernsthaft die Systemfrage. Wieso wählt diese korrupten Parteien noch irgendjemand? Um einmal mehr Reinhard Mey zu zitieren: "Es ist, als hätten alle den Verstand verlor'n, sich zum Niedergang und zum Verfall verschwor'n, und ein Irrlicht ist ihr Leuchtfeuer geworden." (aus: "Das Narrenschiff")

Studie über Lebensqualität: "Ungleichheit zersetzt Gesellschaften"

Eine Wissenschaftlerin belegt, was viele Linke immer schon angenommen haben: In gerechteren Gesellschaften lebt man länger, besser, glücklicher.

(...) Nun legen zwei britische Forscher – Kate Pickett und Richard Wilkinson – eine umfassende Studie vor, wie sich Ungleichheit in 21 Industrieländern auf Gesundheits- und soziale Fragen auswirkt – etwa auf die Lebenserwartung und Säuglingssterblichkeit, auf Mord und Selbstmord, auf Teenager-Schwangerschaften und Fettleibigkeit, auf psychische Erkrankungen und Sucht, auf Bildung und soziale Mobilität.

Die Ergebnisse der Wissenschaftler sind eindeutig: Je ungleicher eine Gesellschaft, umso größer die Probleme. Und: Auch reiche Menschen schneiden in ungleichen Gesellschaften schlechter ab.

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Anmerkung: Im Artikel wird erwähnt, sogar die Forscher selbst seien von diesem Ergebnis "überrascht" gewesen. Da stutzt man schon sehr - sind denn solche Forscher (und auch Menschen, die bei der taz arbeiten) schon so abgehoben in ihrer Lebens- und Erfahrungswelt, dass ein solches Ergebnis sie tatsächlich überraschen kann? - Noch deutlicher wird diese Diskrepanz in einem geschwurbelten Artikel, der zum selben Thema in der FAZ erschienen ist. Der dortige Autor verliert sich bei der Betrachtung des Glücks in Sphären wie dieser: "Egalisierende Maßnahmen müssen daher notwendigerweise zugleich Glück und Unglück hervorrufen. Denn den Mehrhabenden wird genommen und den Wenighabenden wird gegeben. Da nun ein und dieselbe Egalisierungsaktion den Egalisierungsopfern Unglück, den Egalisierungsnutznießern hingegen Glück bringt, ist es wenig sinnvoll, sich bei sozialstaatlichen Gleichheits- und Ungleichheitsdiskussionen auf den schwankenden Boden des Glücks zu stellen. Nirgendwo steht geschrieben, dass das Glück der Neider, Benachteiligten und Wenighabenden ein größeres moralisches Gewicht besitzt als das der glücklich Besitzenden." - und "vergisst" dabei ganz nebenbei, dass die Seite der "glücklich Besitzenden" gerade mal zwischen 5 und 10 Prozent der deutschen Bevölkerung ausmacht, die Seite der "Neider" dementsprechend zwischen 90 und 95 Prozent. Auch die Wortwahl zeigt es schon: Diese Zahlen sind bedeutungslos in der neoliberalen Denkwelt, ebenso wie die Tatsache, dass die "Neider" unentwegt ausgebeutet werden - von den "glücklich Besitzenden" natürlich.

Lachsfieber, oder: Wie der Kapitalismus unsere Lebensgrundlage zerstört

In seiner norwegischen Heimat nennt man ihn den "Großen Wolf". John Fredriksen gehört zu den reichsten Menschen der Welt. Als Reeder gehört ihm nicht nur das weltgrößte Tankerimperium "Frontline", mit seiner "Marine Harvest" ist er der größte Player im Geschäft mit industriell produziertem Fisch. Seine Firma produziert pro Jahr über 100 Millionen Zuchtlachse in Chile und Norwegen - für die ganze Welt. Ein Geschäft mit schwindelerregenden Wachstumsraten. Die WDR-Autoren Wilfried Huismann und Arno Schumann hefteten sich über ein Jahr lang an die Fersen des Großinvestors. Ihre brisanten Recherchen über den weltweit operierenden Nahrungsmittelgiganten wurden zu einem packenden Öko-Thriller.

(Quelle)

Anmerkung: Und wann lief dieses wichtige journalistische Stück in der ARD? - Man ahnt es schon: Mitten in der Nacht, am Mittwoch d. 10.03.10 um 23:35 Uhr. Eine Wiederholung scheint nicht geplant zu sein.










Westerwelle: Der Familienminister auf Reisen

Einer für alle, alle für einen: Wie Außenminister Guido Westerwelle, sein Bruder Kai, Lebenspartner Michael Mronz und Geschäftsfreund Cornelius Boersch geschäftlich verbunden sind - und voneinander profitieren.

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Anmerkung: Die NachDenkSeiten haben auch schon darauf hingewiesen: Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Süddeutsche den Westerwelle-Kumpanen Boersch - immerhin Eigner eines "Firmenimperiums" und Multimillionär - einen "Selfmademan" nennt. In diesem System ist es schlichtweg nicht möglich, einen solchen Reichtum allein aufgrund ehrlicher Arbeit anzuhäufen. Boersch wird im Artikel so dargestellt: "Mit seinen mehr als 200 Beteiligungen ist Boersch ein Venture-Kapitalist, wie er im Buche steht. Das Ziel: billig einkaufen, teuer verkaufen. Sein Geschäftsmodell bezeichnet er als 'schnell, oberflächlich und opportunistisch'. / Die aktuelle Finanzkrise scheint ihn nicht zu stören. Für ihn sei sie 'eine tolle Ausgangsposition'." - Dass Westerwelle sich ausgerechnet mit solchen Personen umgibt, verwundert nicht weiter. Wer hat diese Partei - und mit ihr diesen Sumpf - doch gleich gewählt?

Arbeit bringt doch mehr als Hartz IV

Arbeitsmarkt: Guido Westerwelle hat nach Ansicht von Fachleuten eine "Gespensterdebatte" ausgelöst. Fakten zeigen: Auch bei gering entlohnter Arbeit sind die Einkommen höher als mit Sozialleistungen nach Hartz IV. (...)

Die OECD, der Zusammenschluss der großen Industrieländer, hat jüngst in einem internationalen Vergleich die Absicherung bei Arbeitslosen im Verhältnis zum vorher gezahlten Lohn untersucht. Ergebnis: Das Sicherungsniveau ist in Deutschland, gemessen an anderen OECD-Ländern, durchschnittlich und im Vergleich zu europäischen Ländern eher gering. Für Singles und kinderlose Paare ist der Abstand zum früheren Lohn am größten, besser stellen sich Arbeitslose mit Kindern.

Auch der Lohnabstand, also der Unterschied zwischen Hartz-IV-Leistungen und Einkommen aus niedrig entlohnter Tätigkeit, sei ausreichend, sagt Dietrich Engels, Geschäftsführer des Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik in Köln. Bei Alleinerziehenden mit zwei Kindern war der Lohn (Stand Juli 2009) 13 % höher als die Hartz-IV-Leistungen, bei Singles sogar 51 %.

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Anmerkung: Man darf sicher sein, dass Westerwelle diese Fakten kennt. Seine Ausfälle und Hetztiraden hat er schließlich aus völlig anderen Gründen vom Stapel gelassen: Die neoliberale Bande will allgemein die Löhne (auch die Niedriglöhne) weiter drücken - außerdem soll den Unternehmen jederzeit eine "stark motivierte" Reservearmee von Arbeitslosen zur Verfügung stehen, die bereit ist, nahezu jede Arbeit für jeden Lohn anzunehmen. Diese Kampagne ist so durchsichtig, wie sie skandalös und menschenverachtend ist.

Montag, 22. März 2010

Nacht und Nebel

Als Nachtrag zum Zitat des Tages (17): Hier die Dokumentation Nacht und Nebel in der deutschen Fassung mit den Texten von Paul Celan:








Das unwerte Hartz IV-Leben oder: Der Faschismus kehrt zurück

Soziologieprofessor Gunnar Heinsohn will die Unterschicht finanziell austrocknen, weil die zu viele gesellschaftlich wertlose Kinder in die Welt setzt
Die Kinder von Hartz IV-Empfängern sind minderwertig, sie sind dümmer und fauler als die Kinder von anderen deutschen Müttern und ihre Ausbildungsfähigkeit steht in Frage. Sie werden in Zukunft den hohen Qualifikationsanforderungen der Gesellschaft nicht mehr genügen. Diese Kinder entstammen einer Unterschicht, die sich durch Sozialhilfe immer mehr vergrößert und hemmungslos vermehrt und den Leistungsträgern auf der Tasche liegt. Das ist eine Gefahr für Deutschland. Während sich die Unterschicht so vermehrt, bekommen die deutschen Frauen der Leistungsträger zu wenig Kinder. Der Staat muss also das weitere Kinderkriegen der Unterschicht verhindern, indem man deren Angehörigen die Lebensgrundlage entzieht. Deutschland braucht diese minderwertigen Kinder nicht, sondern es braucht die sozial wertvollen Kinder der Karrierefrauen.

Dies ist, komprimiert zusammengefasst und im Klartext, die Aussage von Gunnar Heinsohn. Dies ist 65 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus der Inhalt eines Gastkommentars. Dieser stammt nicht von irgendeinem bösartigen Verwirrten, sondern von einem deutschen Professor für Sozialpädagogik an der Universität Bremen. Dieser Zeitungsartikel erschien nicht in einem rechtsextremen Schmutzblatt, sondern in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Dieser Artikel kann als Volksverhetzung gelten.

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Anmerkung: So manche Entwicklung dieser Zeit erzeugt Fassungslosigkeit und Entsetzen - aber dieses "Meisterstück" der rassistischen Propaganda von Herrn Heinsohn hinterlässt zunächst einmal nur Grauen und Sprachlosigkeit. - Die NSDAP hätte das seinerzeit wohl so gesehen: "So wird es kommen, wenn Sozialschmarotzer 4 Kinder haben und Leistungsträger keine."


Unfassbar: Sarrazin wird nicht aus der SPD ausgeschlossen

  1. Die Landesschiedskommission der SPD hat einen Parteiausschluss des ehemaligen Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin abgelehnt. Zwar werde Rassismus in der SPD nicht geduldet, Sarrazin erfülle jedoch mit seinen Äußerungen "nicht sämtliche Merkmale der Definition", heißt es in der Entscheidung, die die Partei am Montag veröffentlichte. (...)

    Das Schiedsgericht urteilte in zweiter und letzter Instanz: Sarrazin sei auch deshalb nicht rassistisch, weil er nicht alle Migrantengruppen gleichermaßen abgewertet habe.

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  2. (...) Ausgangspunkt des innerparteilichen Verfahrens, das bundesweit Aufsehen erregte, war ein Interview Sarrazins mit der Kulturzeitung "Lettre International", in dem er sich zur Lebensweise und Rolle der türkischen und arabischen Migranten in Deutschland abfällig äußerte. Für die Genossen in Spandau und Pankow war dies Grund genug, vor dem Kreisschiedsgericht der SPD in Charlottenburg-Wilmersdorf den Parteiausschluss des Ex-Senators zu fordern. Sie scheiterten damit, gingen aber in Berufung.

    Jetzt schloss sich das Landesschiedsgericht den Argumenten der unteren Instanz weitgehend an. Obwohl die Gegner Sarrazins den Vorwurf des Rassismus noch ergänzten: Es sei verfassungsfeindlich, wenn Türken und Araber als grundsätzlich ungeeignet angesehen würden, in eine erfolgreiche Gesellschaft aufgenommen zu werden, weil sie durch Erziehung und Erbanlagen nicht bildungsfähig seien.

    Die SPD-Juristen folgten dem nicht. Das Interview Sarrazins erfülle "nicht sämtliche Merkmale" dessen, was als rassistisch definiert werde, begründeten sie ihre Entscheidung. Auch wenn er sich "radikal bis zum Tabubruch" äußere und 20 Prozent der Berliner Bevölkerung verloren gebe, was von einem "sehr pessimistischen Menschenbild" zeuge.

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Anmerkung: Nun haben wir es also schwarz auf weiß: In der SPD sind Rassisten und Faschisten willkommen. Wenn das SPD-interne "Landesschiedsgericht" meint, dass es nicht als rassistisch zu werten sei, wenn "nicht alle Migrantengruppen gleichermaßen abgewertet" werden, kann man sich wieder einmal nur noch die Stirn blutig hauen. Wenn man auf Türken und Araber eindrischt und sich im nächsten Satz ebenso pauschal - und damit falsch - positiv über andere ethnische Gruppen äußert, ist das also nicht rassistisch? Ein Rassist ist nur der, der alle Minderheiten gleichermaßen verunglimpft? - Eine so krude Definition von Rassismus hat die Welt wohl seit den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nicht mehr vernommen - aber in der SPD ist sie offenbar hoffähig. Das wissen wir allerdings schon seit einigen Jahren, denn die SPD war auch Heimat von Wolfgang Clement, der in einer Broschüre ungestraft behaupten durfte, Arbeitslose seien "Parasiten" vergleichbar. Dieser Geselle ist inzwischen selbst aus der SPD ausgetreten - ein Schritt, den man von Thilo Sarrazin leider nicht erwarten darf.

Deutschland ist wieder im Feudalismus angekommen

Auch wenn wir alle noch ein bisschen daran glauben, in einer Demokratie zu leben: Deutschland ist längst wieder im Feudalismus angekommen. Die Raubritter tragen heute allerdings Anzug und der Adel sitzt statt auf dem Thron in ledernen Büromöbeln.

"Merkmal des Feudalismus im Mittelalter war es, dass über 95% der Bevölkerung arm und der Rest überreich war. Dieselbe Verteilung haben wir heute in Deutschland wieder. Damals bestand der Reichtum überwiegend aus Grund und Boden, heute aus Geld - und Anlagevermögen. Die Verteilung war und ist wieder gleich extrem. Die sogenannte Mittelschicht, auf deren Breite Deutschland schon immer so stolz war, ist fast völlig verschwunden", beschreibt Romeo Klein die Verhältnisse in einem Beitrag für ArtikelEins.

Sehr humorvoll weist der Kabarettist Georg Schramm in seiner Nummer "Die Ästhetik der Vermögensverteilung" auf diese haarstäubenden Zustände hin.

Roosevelt soll einmal gesagt haben: "Ich stehe Statistiken etwas skeptisch gegenüber. Denn laut Statistik haben ein Millionär und ein armer Kerl jeder eine halbe Million." Nun, statistisch gesehen müssten Sie auf Ihrem Konto rund 31.000 Euro flüssig haben, wobei noch nicht einmal Sparguthaben und Ähnliches enthalten sind. Das ist der Durchschnitt. Sollte das nicht der Fall sein, gehören Sie zu den 96% der deutschen Bürger, die sonderbarerweise irgendwie nicht der Durchschnitt sind - weil 10% der Haushalte über viele Millionen Euro an Vermögen verfügen.

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Anmerkung: Im Artikel werden auch das Geldsystem und die Zinskritik angesprochen - dazu passt auch dieser Beitrag von Prof. Bernd Senf (im Artikel verlinkt), den man dazu auch gelesen haben sollte.

DDR 1990: Der Wahlbetrug

(...) Nach dem Großen Gedenkjahr 2009 stehen neue Höhepunkte der SED-Diktatur-Aufarbeitung und der Würdigung deutscher Einheit bevor. Einem sind wir schon ganz nahe: dem 20. Jahrestag der "ersten freien und demokratischen Wahl" in der DDR. Eigenartigerweise ist im prall gefüllten Programmkalender der Stiftung keine Veranstaltung zu diesem historischen Jubiläum vorgesehen. Das überrascht. Sollte es dem Ex-Pfarrer [Rainer Eppelmann] etwa peinlich sein, dass sein damaliger Vorsitzender im "Demokratischen Aufbruch", Wolfgang Schnur, kurz vor der Wahl als lang gedienter inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit aufflog? Oder befürchtet er, dass die in der europäischen Geschichte einmalige Einmischung der BRD in das Wahlgeschehen eines souveränen Nachbarstaates schlecht zu den Attributen "frei" und "demokratisch" passt? Hält er es für ratsam, Gras darüber wachsen zu lassen, dass Heerscharen von bundesdeutschen Parteigrößen einschließlich Kohl und Brandt auf unzähligen Wahlkundgebungen in der DDR auftraten, zig Tonnen Propagandamaterial made in West-Germany das Land überschwemmten, Dutzende hauptamtliche Wahlkreisgeschäftsführer entsandt wurden, Millionen und Abermillionen Wahlkampfgelder gen Osten flossen, zehn Tage vor der Wahl der Vorstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in Dresden tagte? Und das alles, obwohl sich beide deutsche Staaten im Artikel 6 des Grundlagenvertrages feierlich und rechtsgültig zur Einhaltung des Grundsatzes verpflichtet hatten, "dass die Hoheitsgewalt jedes der beiden Staaten sich auf sein Staatsgebiet beschränkt. Sie respektieren die Unabhängigkeit und Selbständigkeit jedes der beiden Staaten in seinen inneren und äußeren Angelegenheiten." Zu den "inneren Angelegenheiten" gehören eigentlich auch Wahlen.

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Anmerkung: Die SED-Diktatur, die es ja unstreitig gegeben hat, muss sicherlich aufgearbeitet werden - aber die Einseitigkeit und ideologische Verbohrtheit, mit der das gegenwärtig geschieht, ist inakzeptabel und ein weiteres Zeichen dafür, dass Gesamtdeutschland inzwischen in einer kapitalistischen Wirtschaftsdiktatur angekommen ist. Es bleibt zu hoffen, dass die Wissenschaft zukünftig kritischer mit diesem Thema umgeht, als es die Verantwortlichen und die Medien gegenwärtig tun.

Sonntag, 21. März 2010

George Grosz: Kapitalist



(George Grosz [1893-1959]: Kapitalist. Federzeichnung, 1932)

Folgen der Privatisierung (21): Zerbröselnde Autobahn

  1. Die A1 zwischen Hamburg und Bremen wurde gerade erst aufwändig von einer Bilfinger-Berger-Tochter fertiggestellt - und ist schon eine Schlaglochpiste. Eigentlich sollte der Ausbau zum Public-Private-Partnership-Vorzeigeprojekt werden, nun droht ein Desaster.

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  2. Wie kann das sein? Nur wenige Wochen nach ihrer Freigabe sind Teile der A1 wieder ein Sanierungsfall. "Der oberste Belag bröselt einfach weg", klagt die Straßenbaubehörde. Und wie beim U-Bahn-Pfusch in Köln und Düsseldorf fällt auch im Norden der Republik der Name einer bestimmten Baufirma. (...)

    Das Desaster wirft einen Schatten auf das bisher größte Gemeinschaftsprojekt von öffentlicher Hand und Privatwirtschaft (Public Private Partnership) in der Bundesrepublik: Das Konsortium "A1-mobil" finanziert den Ausbau der 73 Kilometer langen Strecke sowie deren Betrieb und Erhaltung. Wesentlich beteiligt sind der internationale Baukonzern Bilfinger Berger aus Mannheim und die Bunte-Gruppe aus Papenburg.

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Anmerkung: In den Berichten wird wieder einmal "vergessen", die wirklich wichtigen Hintergründe zu benennen - statt dessen wird so getan, als handele es sich hier um die "Verfehlungen" einer einzelnen Baufirma, also um so etwas wie einen "Einzelfall". Das ist jedoch schlicht Unsinn. Privatisierungen machen für ein Unternehmen nur dann Sinn, wenn sich Profit erwirtschaften lässt. Aber woher soll dieses zusätzliche Geld kommen, das ja nicht benötigt würde, wenn die staatliche Seite das Projekt in Eigenregie ausführen würde? - Zahlen muss bei Privatisierungen am Ende immer der Bürger - manchmal direkt (wie bei der privaten Rente), manchmal indirekt (wie in diesem Beispiel). Und dennoch wird diese Politik nach wie vor von CDU/FDP/SPD/Grünen vorangetrieben.

Die Bertelsmann Stiftung: Der stärkste Motor beim Zerstörungswerk

  1. Die Bertelsmann AG ist der größte Oligopolist der veröffentlichten Meinung in Deutschland. Die Zeitungen, Zeitschriften, Fernseh- und Radiosender und nicht zuletzt die Verlage des Konzerns beeinflussen nicht nur die Meinungsbildung, sondern auch die gesamte Stimmungslage und die Befindlichkeiten in Deutschland.

    Schon diese Medienmacht alleine stellt eine Bedrohung für die Meinungsvielfalt in Deutschland dar. Bertelsmann übt aber darüber hinaus eine politische Gestaltungsmacht aus, die weit über den Einfluss von Verbänden, Kirchen, Gewerkschaften, ja sogar von Parteien hinausgeht – und das geschieht durch die Bertelsmann Stiftung.

    Der Firmenpatriarch Reinhard Mohn hat die Stiftung 1977 gegründet und ihr inzwischen 76,9 Prozent der Anteile an der Bertelsmann AG übertragen. Sie ist die reichste Stiftung in Deutschland.

    Seit ihrer Gründung hat sie bisher rund 666 Millionen Euro in über 700 Projekte investiert und insgesamt rund 728 Millionen Euro für "gemeinnützige Arbeit" zur Verfügung gestellt. Im Geschäftsjahr 2007 hat sie aus Erträgen der Bertelsmann AG 72 Millionen Euro erhalten, aufgrund von Kooperationen und Erträgen aus der Vermögensverwaltung verfügte die Bertelsmann Stiftung über ein Volumen von knapp 84 Millionen Euro. Allein für die Bildungsaktivitäten standen 2006 knapp elfeinhalb Millionen Euro zur Verfügung.

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  2. Früher haben Gewerkschaften und ihre Stiftungen wie die Hans-Böckler-Stiftung gelegentlich gemeinsame Sache mit der Bertelsmann Stiftung gemacht. Dann ging mit der Zeit den Gewerkschaftern ein Licht auf. Sie merkten, dass die Bertelsmann Stiftung alles andere als die Interessen von Arbeitnehmern vertritt und an der Zerstörung wichtiger Errungenschaften der Arbeitnehmerschaft federführend oder begleitend beteiligt ist. Nach und nach wurde die Kooperation beendet. Jetzt fängt der NRW-DGB wieder damit an.

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  3. Beim letzten Beitrag habe ich eine eigentlich nicht lässliche Sünde begangen: Angesichts des Themas "Kommunalfinanzen" ist es kaum zu verzeihen, die Bertelsmann-Tochter Arvato vergessen zu haben. Arvato rechnet mit großen Betätigungsfeldern im kommunalen Bereich. Bei der Verwaltung einer britischen Stadt und in Würzburg versuchte man es schon. Da bietet ein Forum "Kommunalfinanzen" nahe liegende Kontaktmöglichkeiten für weitere Geschäfte.

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Statt einer Anmerkung: "Wir halten die Bertelsmann Stiftung für eine undemokratisch und anti-parlamentarisch agierende Einrichtung. Wir haben das vielfältig beschrieben. (...) Bertelsmann übt eine unkontrollierte und durch nichts als Geld legitimierte Macht in unserer Gesellschaft aus. Diese Meinung teilen wir mit vielen anderen Beobachtern des Geschehens. Mit vielen unserer Leser sind wir uns auch einig, dass die Bertelsmann Stiftung das Privileg der Gemeinnützigkeit nicht verdient und wirklich parlamentarisch-demokratische und soziale Verhältnisse in unserem Land nur wieder erreichbar sind, wenn der politische Einfluss dieses Konzerns gebrochen ist. Wenn das überhaupt noch irgendwann zu schaffen sein sollte, dann nur in einem breiten Bündnis aller Demokraten." (Albrecht Müller)

EU-Subventionen für Energiekonzerne

  1. Die EU-Kommission hat am Donnerstag (4. März) beschlossen, europäischen Energiekonzernen in den kommenden 18 Monaten 2,3 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. "Nie zuvor hat die Kommission einen so hohen Betrag für Energieprojekte bewilligt", sagte der neue EU-Energiekommissar Günther Oettinger. Subventioniert werden 43 große Energieprojekte: Erdgasleitungen und Stromtrassen. Die EU steuert für die Projekte großzügig 50 Prozent der erforderlichen Mittel bei. Unter den Profiteuren sind auch die Energiekonzerne RWE und Vattenfall. Sie schwimmen im Geld, da sie ihren Strom- und Gaskunden mit staatlicher Billigung weit überhöhte Energiepreise in Rechnung stellen.

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  2. Energieriese E.on verdient fast zehn Milliarden Euro

    Der Energieriese E.on hat im Krisenjahr 2009 einen leichten Dämpfer erlitten, verbucht aber immer noch Milliardengewinne.

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Anmerkung: Man staunt fassungslos - sie treiben es immer dreister. Und wieder einmal hilft ein im undemokratischen EU-Bürokratiemonster entsorgter deutscher Politiker schamlos mit, die Umverteilung der Gelder auf die fetten Konten der Konzerne voranzubringen. - Gibt es eigentlich einen einzigen Menschen in Europa (der nicht persönlich irgendwie davon profitiert), der diese Vorgänge in irgendeiner Form gutheißt? - Der Spiegel erwähnt die Subventionen übrigens nicht und "berichtet" statt dessen lieber über den "leichten Dämpfer" des satten Profits. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Wieder einmal macht uns Bolivien vor, was wir bräuchten: Kampf gegen die Korruption

Der bolivianische Senat hat Mitte der Woche ein "Gesetz zur Korruptionsbekämpfung, illegalen Bereicherung und Vermögensüberprüfung" verabschiedet. Das Gesetz konnte ohne Rücksicht auf die Opposition beschlossen werden, die Regierungspartei "Bewegung zum Sozialismus" (MAS) hatte bei den Wahlen im Dezember 2009 eine komfortable Zweidrittelmehrheit erreicht. Man wolle damit "Gerechtigkeit schaffen, keine Rache", so Präsident Evo Morales.

Erstmals ist nun die strafrechtliche Verfolgung von öffentlichen Amtsträgern möglich, die sich illegal an Gütern des Staates bereichert haben. Wer plötzlich zu Reichtum gekommen ist, muss fortan bei Behördenverdacht den Ursprung seines Vermögens erklären. Die Sanktionen reichen von einer möglichen Enteignung des Privatbesitzes bis hin zu Gefängnisstrafen von bis zu 14 Jahren. (...)

Mit der erklärten Unverjährbarkeit ist das neue Gesetz mit seinen 38 Paragraphen ein scharfes Schwert: Es gilt rückwirkend und kennt nur in Ausnahmen Verjährung. Es nimmt keine Rücksicht auf Immunität oder Sonderstellung von Ministern, Parlamentariern, Staatsbediensteten oder Funktionären.

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Anmerkung: Und in Deutschland ist es weiterhin legal, dass Parteien sich durch "Spenden" finanzieren, dass Lobbyisten Gesetze schreiben, dass Politiker "Nebentätigkeiten" nachgehen dürfen und nach ihrer politischen "Laufbahn" direkt in die Wirtschaft wechseln - oftmals gerade in den Bereichen, in denen sie vormals auch politisch aktiv waren. Es wird wirklich endlich Zeit, dieser Bande auch hierzulande die rote Karte zu zeigen.

Die Krise - ein Schauspiel der Ohnmacht

Die Hauptverursacher der Krise sind gleichzeitig deren Gewinner. Den Kampf um eine Neuordnung der Finanzbranche haben Angela Merkel und ihre Kollegen gar nicht erst angetreten.

Die Inszenierung ist immer wieder beeindruckend: Da empört sich Deutschlands Kanzlerin über die "Schande", dass just jene Banken, "die uns an den Abgrund gebracht haben", auch aus dem Schuldendebakel der Griechen ein Geschäft machen und verspricht eine "neue Verfassung für die internationalen Finanzmärkte". Da zetert Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy über die "Entartung des Kapitalismus" und fordert wie einst nur die Aktivisten von Attac die "Besteuerung der Spekulation" gegen "die Raserei der Finanzmärkte". Da droht Luxemburgs Premierminister Jean- Claude Juncker im Namen aller Regierungen der Eurozone, man werde den Spekulanten die "Folterwerkzeuge" zeigen und selbst Amerikas Präsident Barack Obama wettert gegen die "Bonzen an der Wall Street" und prahlt wie ein Straßenjunge, er sei "bereit zum Kampf, wenn diese Leute ihn wollen". So scheint das Versprechen der Regierenden in Europa und den USA völlig klar: Die Bändigung der Finanzindustrie zugunsten der übrigen Wirtschaft genießt höchste Priorität und die Verantwortlichen tun alles, "damit sich eine solche Krise nicht wiederholt", wie Angela Merkel versicherte.

Doch dieses Schauspiel ist zutiefst verlogen. Tatsächlich sind Merkel, Sarkozy, Obama und ihre Mitstreiter auf diesem Weg bis heute keinen Schritt vorangekommen. Der moralische Protz ihrer Versprechungen steht im umgekehrten Verhältnis zu den tatsächlich ergriffenen Maßnahmen und verstellt den Blick auf ein Politikversagen, das eher früher als später das ganze Netz der globalisierten Wirtschaft zu zerreißen droht.

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Anmerkung: Ein vertiefender Bericht mit wertvollen Informationen - sehr lesenswert. Allerdings irrt der Autor an der Stelle, an der er die Kanzlerin als "ahnungslos" und den Finanzminister als "überfordert" bezeichnet: Beide, wie auch der Rest der beteiligten europäischen und amerikanischen Politiker, sind keineswegs ahnungslos oder überfordert, sondern sie wissen genau, was sie da tun. Ihre Worthülsen ähneln sich nicht zufällig überall. Die Politik ist in weiten Teilen direkt mit der Finanzindustrie verstrickt. Wir dürfen schon jetzt gespannt sein, welche gutdotierten Pöstchen all diese Leute nach ihrer politischen "Laufbahn" als Dankeschön für ihre Taten bekommen werden. - In früheren Zeiten nannte man das Korruption.

Uneingeschränkt zuzustimmen ist dem Fazit des Autors: "Dieses Versagen der Politik zeigt an, dass weit mehr auf dem Spiel steht als Konjunktur und Staatsfinanzen. Je länger die Finanzoligarchen die Regierungen derart vorführen, umso mehr verkommt die Demokratie zu einem Schauspiel der Ohnmacht, das die Bürger gefährlichen Populisten in die Arme treibt. Schuld daran ist jedoch auch die Trägheit der Vielen, die sich zwar ärgern, aber ihre demokratische Teilhabe allenfalls auf die nächste Wahl beschränken. 'Die wichtigste Lehre der Krise sollte sein, dass wir Banken keinen politischen Einfluss mehr geben dürfen, wie müssen die Macht der Wall Street brechen', fordert Krisenexperte Johnson. Damit sind die Regierungen allein offenkundig überfordert. Es wird Zeit sich einzumischen. Wer das versäumt, bekommt vermutlich schon bald die Krise, die er verdient."

Geschichte wiederholt sich doch

  1. (...) Am Beginn der Industrialisierung herrschte in England eine beispiellose Armut, der sog. "Pauperismus", verschärft noch durch Missernten, hohe Kornzölle im Interesse der Gentry und die massenhafte Einwanderung von Iren. Angesichts der Überlastung der traditionellen Armenfürsorge setzte die britische Regierung 1832 eine "Königliche Kommission" ein, bestückt mit den Sinns und Rürups der damaligen Zeit. Sie sollten die Ursachen dieses Elends "erforschen".

    Diese Kommission kam zu wahrhaft revolutionären Folgerungen, die einer bisher noch immer christlich fundierten "Caritas" geradewegs ins Gesicht schlugen: Die Arbeiter würden deshalb nicht arbeiten, weil die öffentliche Fürsorge ihnen mehr eintrüge als die real existierenden Hungerlöhne auf Englands Farmen und in der Industrie. Die Handlungsempfehlungen lauteten jetzt nicht etwa, dass die Löhne steigen müssten, nein, die "Experten" kamen zu dem Schluss, "dass die Unterstützung gesunder Arbeiter mit öffentlichen Geldern die Wurzel allen Übels" sei. Das englische Parlament beschloss daraufhin im Jahr 1834 das "Poor Law", um dem faulen Pack Beine zu machen. Die Alternative für einen Armen lautete jetzt, Arbeit auf dem "freien Markt" für ungenügenden Lohn, oder aber Arbeit für "Sachleistungen" in einem Armenhaus bei Wasser und Brot - mit anderen Worten: Sie gingen ins Gefängnis, weil aus der Armut ein Verbrechen wurde.

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  2. (...) Die heutigen Machenschaften der Oberschicht muss man mit den Nazimethoden vergleichen dürfen. Dies aus verschiedenen Gründen:

    Erstens ist die heute gängige Propaganda in weiten Bereichen ähnlich gemein, Menschen verachtend, umfassend und zerstörerisch wie zu Goebbels Zeiten. Die Agitation gegen Andrea Ypsilanti bei "Bild" und Spiegel zum Beispiel (die wir ausführlich beschrieben haben) und der Umgang mit einzelnen Hartz-IV-Empfängern und den Schwachen insgesamt, ihre Bloßstellung und penetrante Diffamierung unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der diffamierenden Propaganda der Nazis. Volksverhetzung wird üblich. (...)

    Zweitens trägt der Umgang der herrschenden Kreise mit den Schwachen und den unteren Schichten insgesamt deutlich Züge faschistischer Herablassung und Aggression. Auch rassistische Züge.

    Die verteilten Etiketten wie "Abzocker" und "anstrengungsloser Wohlstand" [nicht zu vergessen: Clements "Parasiten"] zeigen einen nicht akzeptablen Hang zur Herablassung. Das leisten sich bei uns Personen, die erkennbar und nachweisbar politisch korrupt sind, die demokratische Willensbildung durch ein Lobbysystem ersetzen und damit die Demokratie insgesamt zum Gespött machen. Westerwelle betreibt dieses Geschäft gegen besseres Wissen. Dazu hatten wir heute in den Hinweisen auf einen Beitrag in der Süddeutschen Zeitung aufmerksam gemacht.

    Es ist deutlich erkennbar, dass die heute meinungsführenden Kräfte im Kern gar nicht zur Gleichwertigkeit der Menschen stehen, [sondern] eine Aufteilung in oben und unten für selbstverständlich halten. Die Spaltung unserer Gesellschaft wird nicht bedauert, sondern gefördert.

    Auf die rassistischen Züge in der jetzigen Debatte hatten wir schon am Beispiel des Bundesbankdirektors Sarrazin verwiesen.

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Anmerkung: Es gibt viele solcher Beispiele, anhand derer gezeigt werden kann, dass das kapitalistische System immer wieder dieselben Krisen produziert und die "Elite" - die Krisenverursacher also - immer wieder dieselben Schein-Lösungen "erfindet" - bis es eben irgendwann zum großen Knall kommt. Wie mag der Knall, der uns bevorsteht, wohl aussehen? Werden wir eine Revolution erleben oder einen Bürgerkrieg? Wird der Faschismus wieder die Oberhand gewinnen? - Eines aber steht schon heute fest: Die "Elite" wird auch diesmal gewinnen. Sie wird mögliche Kriege finanzieren und davon profitieren, und wenn dann alles vorüber isr, wird sie zurückkehren und wieder von vorne beginnen, wie schon so viele Male zuvor. - Dieser Kreislauf kann nur dann durchbrochen werden, wenn es endlich eine grundlegende Veränderung des Geld- und Banksystems gibt. Darauf wird die Menschheit wohl noch sehr lange warten müssen - sofern der Planet, die Natur und die Menschen so lange durchhalten.

Finanzkrise: Nicht die Banken, sondern die Bürger werden geschröpft

  1. Halb Europa prügelt auf Griechenland und andere hochdefizitäre Staaten ein. Dabei können die Banken mit der Situation mehr als zufrieden sein.

    Die Finanzkrise privater Banken ist zur Fiskalkrise souveräner Staaten geworden. Im europäischen Norden waren es die wild spekulierenden Banken, die die knapp 300.000 IsländerInnen fast in den Bankrott gerissen haben. Von den Spekulationsverlusten wurden sie vom Staat befreit. Nicht mehr die Banken, der Staat ist nun hoch verschuldet, und die Kosten sollen die BürgerInnen tragen. Sie werden sich das wohl in einem Referendum verbitten.

    Im europäischen Süden, in Griechenland, waren es nicht griechische Banken, sondern die Global Players aus Deutschland, den USA, Britannien und der Schweiz, die eine zunehmende Verschuldung des griechischen Staates finanziert haben. Goldman Sachs und andere aus der internationalen "banking community" waren behilflich dabei, dass dieser immer mehr Schulden machen konnte. Warum wohl? Weil der griechische Staat dafür sorgte, dass aus dem griechischen Nationaleinkommen ein steter Strom des Schuldendienstes an die KreditgeberInnen in den Zentren der Weltfinanzen abgezweigt werden kann.

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  2. Mit der Verschärfung der Schuldenkrise in Griechenland spielen die Gewerkschaften eine entscheidende Rolle, um der sozialdemokratischen Regierung von Premierminister Georgios Papandreou zu helfen, sein Kürzungsprogramm durchzusetzen. Die Europäische Union und der Internationale Währungsfond (IWF) fordern derweil eine weitere Verschärfung der Angriffe auf die griechische Arbeiterklasse.

    Die griechische Gesamtverschuldung beträgt etwa 300 Mrd. Euro und wird im Laufe des Jahres auf 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) steigen. Das Haushaltsdefizit betrug letztes Jahr 12,7 Prozent des BIP. Die Regierung hat zugesagt, es bis 2012 auf drei Prozent zurückzuführen, um den EU-Kriterien zu entsprechen. Im laufenden Jahr soll es bereits auf 8,7 Prozent gesenkt werden.

    Um das zu erreichen und die Finanzmärkte zufriedenzustellen, müsse die Bevölkerung zur Ader gelassen werden, erklärte Papandreou kürzlich. Deswegen wird der Haushalt unmittelbar um 2,5 Mrd. Euro gekürzt. (...)

    Zusätzlich werden die Steuern auf Benzin, Tabak, Alkohol und Luxusgüter erhöht. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer, die gegenwärtig 19 Prozent beträgt, ist ins Auge gefasst. (...)

    Die beiden großen Gewerkschaftsverbände für die Privatwirtschaft (GSEE) und für den öffentlichen Dienst (ADEDY) haben beide die Wahl der sozialdemokratischen PASOK-Regierung Papandreous im vergangenen Oktober unterstützt. Sie äußern zwar gelegentlich populistische Kritik an Papandreou, weil er sich den Finanzmärkten "unterwerfe", aber sie arbeiten eng mit Vertretern der Regierung zusammen, um die Ausgabenkürzungen durchzusetzen.

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Anmerkung: Vor unser aller Augen geschieht in ganz Europa das gleiche: Menschen werden verarmt, Löhne gedrückt, soziale Errungenschaften zerstört, und die Banken, die (nicht nur) diese Krise verursacht haben, profitieren maßlos davon, anstatt zur Ader gelassen zu werden. So sammelt sich weiter unermesslicher Reichtum auf einigen wenigen Konten der Superreichen, während der große Rest der Bevölkerung in die Röhre guckt und in massiv zunehmender Armut, Unsicherheit und Abhängigkeit leben muss. - Das alles wird allzu oft gerade von "sozialdemokratischen" Regierungen unter Mithilfe der Gewerkschaften eingefädelt. - Ob dieser Alptraum bald ein Ende hat?