Freitag, 22. Mai 2015

Film des Tages: Die Klotzköpfe, oder: Der übergeschnappte Popanz




("Die Klotzköpfe" [Originaltitel: "Blockheads"], Film von John G. Blystone mit Stan Laurel und Oliver Hardy aus dem Jahr 1938)

Anmerkung: Aus gegebenem Anlass (siehe ausführlicher hier und auch hier) schenke ich mir herzlich gerne - zumindest heute - einen längeren Kommentar zu diesem kafkaesken, fortgesetzten Irrsinn und lasse stattdessen lieber die ehrwürdigen Großmeister der subtilen, humoristischen Selbstzerfleischung zu Wort und bewegtem Bild kommen. Ob die betroffenen Damen und Herren es wohl vermögen, sich selbst und auch mich in diesem wunderbaren Kunstwerk (sic!) wiederzufinden? ;-) Meine argen Zweifel sind wohl sehr berechtigt - der "übergeschnappte Popanz", wie Oliver Hardy es im Film so wunderbar treffend formuliert, betrifft bekanntlich stets ausschließlich "die anderen" und niemals das eigene, oftmals allzu erbärmliche Spiegelbild und Selbstverständnis.

Die Komik der Zerstörung streift sowohl den surrealistischen (...) wie den verbalen Humor. / Diesen herrlichen Film müsste man Einstellung für Einstellung beschreiben, um seine gesamten Reichtümer ausreichend bewundern zu können.

(Raymond Borde / Charles Perrin, zitiert nach: Rainer Dick: "Laurel und Hardy. Die größten Komiker aller Zeiten", Heyne 1995)

Mittwoch, 20. Mai 2015

Zitat des Tages: Nur so zur Abwechslung


Ein Dreher fällt um vor seiner Maschine.
Sein Chef erfrischt sich mit Neskaffee.
Der Landrat wechselt die Konkubine.
Der Innenminister, sein Staatssekretär
für Bundesfragen und für Verkehr
laden sie beide zum Fünfuhrtee.

Ein Güterzug mit Kohl und Kartoffeln
wechselt das Bahngleis bei rotem Signal.
Die Kuhmagd vertauscht zur selben Zeit
die Schuhe mit Holzpantoffeln, das Kleid
mit der Schürze und schlurft in den Stall.

Gegen den Feld- und den Luftzug geschützt
umstülpen Gelehrte die Kausalität
und spalten im stillen Atome.
Humanere Chemiker mixen Arome
für Schnäpse als neue profanere Spezialität.

Kinder heulen. Die Mütter wechseln die Hosen
und waschen und kosen die kleinen Popos.
Sirenen heulen. Die Väter in allen
Büros und Fabriken wechseln die Schicht.
Sirenen heulen und Bomben fallen.
So wechseln die Zeiten ihr Gesicht.

(Wolfgang Bächler [1925-2007], in: "Die Erde bebt noch. Frühe Gedichte 1942-1957", Fischer 1988; geschrieben etwa 1957)



Anmerkung: Nach einem kleinen, unerfreulichen Exkurs in die erkenntnisresistente Welt eines geradezu archetypischen Vertreters des vermeintlichen "Inselwissens" (nachzulesen hier) habe ich einmal mehr eine Ahnung davon erhalten, weshalb sich die bösen Zeiten in der menschlichen Geschichte immer aufs Neue wiederholen - "nur so zur Abwechslung". Hätte ich es nicht wieder einmal direkt miterlebt, hätte ich glatt vergessen können, dass es auch im 21. Jahrhundert noch immer die alten Betonköpfe gibt, die allen Ernstes der felsenfesten, an Irrsinn grenzenden Auffassung sind, eindeutig und "belegbar" entscheiden zu können, was gute, was weniger gute und was gar keine Kunst sei.

"Noch immer" ist indes eine vermutlich widersinnige Wortwahl, denn die Fraktion der "Ich weiß Bescheid"-Gestalten scheint ja nicht ab- sondern eher zuzunehmen - und das betrifft keineswegs nur die Frage nach dem Wesen der Kunst. Diese ist letztlich nur ein Symptom einer viel tiefer liegenden, fatalen Verirrung des menschlichen Geistes, die letzten Endes auch in die Unterscheidung zwischen "wertvollen", "weniger wertvollen" und "wertlosen" Menschen, mithin direkt in den Faschismus führen muss.

"So wechseln die Zeiten ihr Gesicht" - nämlich gar nicht, da in alter, böser Tradition allenfalls die Schminke und die Kostüme getauscht werden. Neben der stumpfen persönlichen Macht- und Habgier sowie der scheinbar unüberwindbaren archaischen Magiegläubigkeit ("Religion") können wir hier die dritte verdorbene Säule ausmachen, die ebenfalls unweigerlich dafür sorgt, dass die Menschheit sich gewiss nicht weiterentwickeln kann, um das dumpfe Zeitalter der Primaten endlich verlassen zu können.

Und so sitze ich hier in meiner "vollgeschissenen Hose", verbreite weiter fröhlich "politische Bubi-Parolen des Lampenputzerrevoluzzers" und beobachte - eher angeekelt als fasziniert - den immer gleichen apokalyptischen Tanz der menschlichen Affenhorde, der mit doppelter und dreifacher Ansage unweigerlich nur in den Abgrund zielt. Der ist zwar sehr blutig, nach berufener Auffassung aber "künstlerisch wertvoll". Immerhin.

Dienstag, 19. Mai 2015

Musik des Tages: Also sprach Zarathustra




  1. Einleitung, oder Sonnenaufgang
  2. Von den Hinterweltlern
  3. Von der großen Sehnsucht
  4. Von den Freuden- und Leidenschaften
  5. Das Grablied
  6. Von der Wissenschaft
  7. Der Genesende
  8. Das Tanzlied
  9. Nachtwandlerlied

(Richard Strauss [1864-1949]: "Also sprach Zarathustra", op. 30, sinfonische Tondichtung für großes Orchester und Orgel, frei nach Friedrich Nietzsche, aus den Jahren 1895/96. Gustav Mahler Jugendorchester, Leitung: Jonathan Nott, 2009)

Anmerkung: Den meisten Menschen sind die ersten Takte dieser Komposition sicherlich bekannt, da sie vielfach für anderweitige Zwecke instrumentalisiert worden sind - sie finden sich beispielsweise in der Eröffnungssequenz des Kubrick-Filmes "2001 - Odyssee im Weltraum" oder auch am Beginn des Songs "River Deep, Mountain High" in der Interpretation von Deep Purple (beides aus dem Jahr 1968), um nur zwei Beispiele von so vielen zu nennen. Darüber hinaus dürfte dieses beeindruckende Werk einer breiteren Öffentlichkeit aber weitgehend unbekannt sein, was ich als bedauerlich und wenig nachvollziehbar empfinde.

Zusätzlich ist dieses Musikstück ein willkommener Anlass für mich, einmal mehr mein Lieblingszitat aus Nietzsches "Zarathustra", nämlich den Schlusssatz, zu rezitieren, der mir schon so oft verlässlich als Stütze und letzter Halt gedient hat:

"Also sprach Zarathustra und verließ seine Höhle, glühend und stark, wie eine Morgensonne, die aus dunklen Bergen kommt."


Montag, 18. Mai 2015

Staatlich verordnete Verdummung: Der nächste Schritt


Mit Hochdruck arbeitet die neoliberale Bande bekanntlich daran, die verbliebenen Reste des ohnehin äußerst dürftigen Bildungssystemes in Deutschland weiter zu zerstören, um künftig noch schneller an möglichst dummgehaltene, systemkonforme und unkritische "Arbeitsmarkt"-Sklaven zu kommen als dies ohnehin schon der Fall ist. Gestern hat sich zum Teilbereich der Hochschulen wieder einmal der Gärtner vom Deck der Titanic zu Wort gemeldet und im vorläufigen Zwischenergebnis zur Zerstörungsorgie nunmehr die neue deutsche "Kinderuni" ausgemacht:

"Though this be madness, yet there is method in 't." (Shakespeare, 1603) / Dass wir da ideell längst sind und aus der autonomen Hochschule für (potenziell) autonome Jungerwachsene das geworden ist, was Industrie und Stifterverbände wollen, nämlich das genaue Gegenteil, beweist uns dann die Zeit, die für ihren Studienführer neuerdings folgende Reklame macht: "Gemeinsam das passende Studium finden. Unterstützen Sie Ihr Kind bei der Wahl des richtigen Studiums." Und Papa, dessen (und sei's freundlicher) Fuchtel zu entkommen immer ein schöner Hauptgrund fürs Studium war, sitzt aufmerksam neben seinem 16jährigen, damit der bloß nicht auf die Idee komme, den eigenen Entschluss zu fassen, für den er nach G8 und allem ja auch zu jung ist. Studium als Angelegenheit von (außerakademischen) Autoritäten, als eines, bei dem die, die sich bilden sollen, im Grunde nichts mehr zu melden / zu wollen / zu entscheiden haben: wenn das, bei allem Gegacker vom "freiesten Deutschland aller Zeiten", nicht ganz und gar autoritär ist, dann weiß ich auch nicht. / Heute nennt man's freilich marktkonform.

Dieser Text sei jedem ans Herz gelegt - er lohnt sich sehr. Der Bildungsabbau betrifft allerdings nicht bloß die Hochschulen. Ein illustres Beispiel dafür ist das so genannte Turbo-Abitur, über das ich mich schon mehrfach - zuletzt im November 2014 - ausgelassen habe. Damals ging es darum, dass die radikale, völlig irrsinnige Verstümmelung der gymnasialen Oberstufe um satte 33 Prozent (von einstmals drei auf nur noch zwei Jahre) selbstredend massive negative Effekte auf eine Vielzahl von SchülerInnen hatte. Die korrupte Bande hatte daraufhin wegen der lauter werdenden Proteste gegen diesen offenkundigen Affenzirkus der puren Idiotie ihre "völlig unabhängigen" Super-Spezial-Experten losgeschickt, um nach "Lösungen" zu suchen.

Die Super-Spezial-Experten haben damals - oh welch Wunder! - das erwünschte Ergebnis geliefert: "'Weniger Bildung!' ist hier die Losung, und es sollte angesichts der Bologna-Zerstörungen des Hochschulwesens niemanden überraschen, dass diese Katastrophenstrategie nun konsequent nach und nach auch auf die Schulen angewendet wird", schrieb ich damals dazu. Heute habe ich nun einen kleinen, gut versteckten und natürlich sehr wohlwollend-manipulativen Hinweis darauf gefunden, dass die Bande diese Untergangsstrategie in NRW tatsächlich konsequent durchgezogen und die weitere Beschneidung der Curricula nunmehr - in trauter rot-grün-neoliberaler Eintracht (freilich wohlwollend-begeistert begleitet von den schwarzen Schergen der CDU) - beschlossen hat:

Schüler in NRW können aufatmen. Der Schulausschuss im Landtag hat dafür gestimmt, G8-Schüler deutlich zu entlasten. Die neuen Regeln zum Turbo-Abi treten zum nächsten Schuljahr in Kraft. Die Einzelheiten. In NRW stöhnen viele unter dem Druck durch das Turbo-Abi. Viel Lernstress - wenig freie Zeit. Durch die Entlastungen wird es ein bisschen entspannter, das Abi in acht statt in neun Jahren zu machen.

"Aufatmen" können hier jedoch nur die "elitären" Arschlöcher in ihren Prunkvillen - allen anderen sollte der zitternde Angstschweiß auf der Stirne stehen, allen voran der bildungshungrigen Jugend. - Ich hätte fast geschrieben: "Mission accomplished!" - aber selbstverständlich ist auch dies lediglich ein Etappenziel auf dem kapitalistischen Weg zur totalen Verblödung der Menschen, der noch lange nicht sein von "elitärer" Seite ersehntes Ziel erreicht hat. Nach dumpfer kapitalistisch-faschistoider Unlogik ist selbst eine blökende Schafherde noch immer zu gefährlich, zu intelligent, zu unberechenbar für die hohe Herrschaft. Sie werden keine Ruhe geben, solange es die heiß ersehnten Massen der versklavten, stumpfsinnigen Roboterzombies aus der dystopischen SF-Literatur noch nicht ganzheitlich gibt.

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(Restaurierte Fassung des Films "Metropolis" von Fritz Lang aus den Jahren 1925/27)