Samstag, 12. Dezember 2015

Musik des Tages: Sinfonie Nr. 1 in e-moll




  1. Andante, ma non troppo - Allegro energico
  2. Andante (ma non troppo lento)
  3. Scherzo. Allegro
  4. Finale. Andante - Allegro molto - Andante assai

(Jean Sibelius [1865-1957]: "Sinfonie Nr. 1 in e-moll", Op. 39 aus dem Jahr 1898; Orchestre de Paris, Leitung: Paavo Järvi; 2013)

Anmerkung: Diese äußerst aufwühlende Musik aus dem hohen Norden dieses von kapitalistischen "Eliten" permanent duchgefickten Planeten bedarf hier keiner verbalen Ausführungen, da sie für sich selbst spricht. Man lösche das Licht, drehe den Lautstärkeregler gen Maximum und öffne seinen Geist den anstürmenden Gedanken und Emotionen.

Als ich diese Sinfonie zum ersten Mal in einem Konzert hörte, habe ich in der Nacht danach kein Auge zugetan, sondern war abwechselnd mit Suizidgedanken und revolutionären Planungen beschäftigt. Aus beidem ist nichts geworden, wie das heutige Posting belegt. Das hat jedoch weniger mit der fantastischen Musik, sondern eher mit meiner eigenen Unzulänglichkeit zu tun. Diese irrsinnige Musik entzieht sich, wenn man nicht sorgfältig aufpasst, jeder geistigen Analyse und schießt wie eine Droge direkt in den Blutkreislauf, um am Schluss in einem wahrhaften Orgasmus zu enden, der aber im Nachhall durch das abschließende Pizzicato fast schon lächelnd ad absurdum geführt wird.

Sibelius hat nach 1926, nachdem er sein letztes Werk veröffentlicht hatte, zwar nicht damit aufgehört, Musik zu komponieren, er hat aber jede einzelne Komposition aus dieser Zeit eigenhändig wieder vernichtet und dafür gesorgt, dass auch im Nachlass nichts mehr davon zu finden ist. Auch in dieser Hinsicht ist er ein glühendes Vorbild für die in unserer Zeit nicht enden wollenden Wiederholungen selbst in den bescheuertsten Bereichen der belanglosesten Popmusik.

Der Kapitalismus tötet jede Kunst, wenn der Künstler nicht gegensteuert.


(Jean Sibelius; Portrait von Eero Järnefelt [1863-1937])

Donnerstag, 10. Dezember 2015

Zitat des Tages: Der Revoluzzer


Der deutschen Sozialdemokratie gewidmet

War einmal ein Revoluzzer,
Im Zivilstand Lampenputzer;
Ging im Revoluzzerschritt
Mit den Revoluzzern mit.

Und er schrie: "Ich revolüzze!"
Und die Revoluzzermütze
Schob er auf das linke Ohr,
Kam sich höchst gefährlich vor.

Doch die Revoluzzer schritten
Mitten in der Straßen Mitten,
Wo er sonsten unverdrutzt
Alle Gaslaternen putzt.

Sie vom Boden zu entfernen,
rupfte man die Gaslaternen
Aus dem Straßenpflaster aus,
Zwecks des Barrikadenbaus.

Aber unser Revoluzzer
Schrie: "Ich bin der Lampenputzer
Dieses guten Leuchtelichts.
Bitte, bitte, tut ihm nichts!

Wenn wir ihn' das Licht ausdrehen,
Kann kein Bürger nichts mehr sehen!
Lasst die Lampen stehn, ich bitt'!
Denn sonst spiel' ich nicht mehr mit!"

Doch die Revoluzzer lachten,
Und die Gaslaternen krachten,
Und der Lampenputzer schlich
Fort und weinte bitterlich.

Dann ist er zuhaus geblieben
Und hat dort ein Buch geschrieben:
Nämlich, wie man revoluzzt
Und dabei doch Lampen putzt.

(Erich Mühsam [1878-1934], in: "Der Krater", Morgenverlag 1909)


Gedenktafel in Berlin-Charlottenburg


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(Caminos: "Der Revoluzzer", aus dem Album "Uns geht die Sonne nicht unter!", 2011. Das komplette Album kann auf der verlinkten Webseite der Band kostenlos heruntergeladen werden.)


Mittwoch, 9. Dezember 2015

Advent, Advent - ein Lichtlein brennt


Über die Lichterkette zur Volksgemeinschaft: Zum 4. Advent wird noch rechtzeitig das "große Sozialpaket" aufgemacht.

Ein Gastkommentar des Altautonomen

"Meine Kerze leuchtet für Frieden und Liebe", "Wir sind Deutschland!", "Wir sind alle Menschen!", "Gegen Hass und Gewalt!" - Der Aufruf gipfelt in einer erschreckend beliebig interpretierbaren Allgemeinheit von Begriffen und Inhalten, so dass sich viele damit identifizieren können, auch "besorgte Bürger". Selten habe ich einen Aufruf gegen Fremdenfeindlichkeit und für das "gute Exportweltmeister-Deutschland" gelesen, der so starke spontane Abwehrreflexe bei mir hervorgerufen hat.

Mit diesen Aussagen wird zum Jahresabschluss das gute Gewissen vor dem Weihnachtsfest noch mal etwas aufpoliert, damit anschließend sorgenfrei konsumiert und gefeiert werden kann. Horst Fallenbeck (43), gelernter Regierungsassistent, hat die Idee der "Lichterkette von München bis Berlin" (650 km) ins Leben gerufen. Benötigt werden mindestens 600.000 Menschen, 200.000 haben sich bereits gemeldet. Termin: 19.12.2015.

Wieder einmal geht es genau wie bei den Mahnwichteln, Querfröntlern und verkappten Antisemiten um die öffentliche Inszenierung der Auflösung von links und rechts. Denn da stehen sie dann alle im Dunkel des vorweihnachtlichen Abends: Der Chef und seine Angestellten, der Arbeitgeber und seine Gewerkschaft, die SPD und ihre Grünen, die Polizisten und ihre Demonstranten, Obdachlose neben Hausbesitzern - alle schön in Reih' und Glied, um das gute, anständige Deutschland zu verkörpern. Im Grunde tun dasselbe auch die BVB-Fans in der Nordkurve des Stadions. Wer es da noch wagt, das Trennende anzusprechen und konkret zu werden, wird ausgegrenzt. Alles, was sich sowohl unter Täter als auch unter Opfer subsumieren lässt, bildet hier eine völkische Allianz.

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Uniformverbot


Was nützt das Uniformverbot, wenn die Köpfe weiter in Uniform bleiben?

(Zeichnung von Erich Schilling [1885-1945], in "Simplicissimus", Heft 40 vom 04.01.1932)

Dienstag, 8. Dezember 2015

Nie wieder Krieg: "Geschäft ist nur, wo sich die Menschheit hasst"


Seit gestern wird wieder zurückgeschossen. "Wir" befinden uns wieder einmal im Krieg - obwohl niemand so genau weiß, wen oder was die Tornados der "Bundeswehr", die eigentlich umbenannt werden müsste in "Bundesangriffsarmee", in Mali und Syrien eigentlich genau bekriegen und was damit erreicht werden soll. Wichtig allein ist die Tatsache, dass unsere durchtriebene schwarz-rot-grüne neoliberale Einheitspartei brav genickt hat und die dämlichen Truppen enthusiastisch in den Krieg, also wieder einmal zum Morden und Sterben schickt.

Ich frage mich zunehmend, wer dieses "Wir" eigentlich ist, das in politischen Reden und vor allem der Propagandapresse in diesem Zusammenhang stets beschworen wird - denn ich gehöre gewiss nicht dazu, da ich keinen Krieg in Afrika oder im Nahen Osten führe, sondern diese abscheuliche Widerwärtigkeit mit jeder Faser meines Körpers zutiefst ablehne. Es kotzt mich geradezu an, dass diese korrupte Bande die Anschläge von Paris nun erneut instrumentalisiert, um ihren perversen Kriegsgelüsten endlich wieder freien Lauf zu lassen - und kaum jemanden interessiert das ernstlich. Sicher, Wagenknecht hat im Bundestag die erwartbare Rede dagegen gehalten, und auch in gewissen Blogs ist durchaus Kritisches zu lesen - aber im Grunde schert sich die große Mehrheit in diesem verkommenen Land nicht weiter darum, sondern folgt einfach dem gewohnten Alltag, der gerade vor Weihnachten - dem (Vorsicht: Brüllwitz!) "Fest der Liebe" - ja recht angespannt und ausgefüllt ist.

Wer führt dort also "im Namen Deutschlands" Krieg - und weshalb? Die Antworten auf diese Fragen kann sich eigentlich jeder halbwegs denkfähige Mensch selbst geben, weshalb ich mich darüber ausschweige. Nur zwei kleine Anmerkungen seien erlaubt: "Die Deutschen" sind es nicht; und der "IS" bzw. die Menschenrechte oder gar irgendwelche verquasten "westlichen Werte" haben damit nicht das geringste zu tun. Dafür hört man in den Konzernzentralen die edlen Champagnerkorken knallen.

Selbstverständlich ist das erst der Auftakt - denn "big money" lässt sich erst dann "verdienen", wenn der Flächenbrand richtig durchstartet. Die Brandbeschleuniger sind großflächig ausgelegt und die Bomber zur Zündung sind bereits in der Luft - das "Fest der Liebe" kann beginnen und seinen hellen, warmen Glanz entfalten. Sieg H..., äh, Hosianna in der Höhe!

(Kleiner Lesetipp dazu (die schleimige Einleitung Bergers sollte man dabei allerdings überspringen): "Ein Brief aus Frankreich")

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Das alte Spiel


Der Boden muss immer mal wieder gedüngt werden, damit der Weizen der internationalen Rüstungsindustrie blüht!

(Zeichnung von Eduard Thöny [1866-1950], in "Simplicissimus", Heft 47 vom 21.02.1932)

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Nie wieder Krieg

Der gute Völkerbund streicht seine Segel,
Verwirrung herrscht im hohen Genfer Haus.
Auf jeden Fall gilt nun als neue Regel:
wer dennoch Kriege führt, tritt vorher aus!

Man dachte anfangs von dem Institute,
es hätte endgültig den Krieg besiegt -
Und alle wären unter einem Hute,
auch der, wo nicht, hätt’ eins darauf gekriegt -

Doch wo ein Krieg ist, gibt’s auch Lieferungen
von Munition und Werken der Chemie!
Zu lieblich tönt das Liedchen: "Seid umschlungen,
Millionen!" jeder Rüstungsindustrie.

Ein Krieg ist nicht moralisch. Doch im tiefern
Sinn wirkt er wirtschaftlich sehr produktiv -
Wir würden gerne auch nach Japan liefern,
trotz Friedenssehnsucht -: Ja, die Welt ist tief ...

Lässt auch der liebe Gott die Erde beben,
weil ihm dies ew'ge Morden nicht mehr passt -:
die Liebe kann den Markt nicht neu beleben,
Geschäft ist nur, wo sich die Menschheit hasst ...

(Karl Kinndt alias Reinhard Koester [1885-1956], in "Simplicissimus", Heft 51 vom 19.03.1933)