Freitag, 29. August 2014

Vorsicht: Satire!


Gelegentlich liebe ich es, das "Alphamännchen" zu spielen und lustige Begebenheiten aufzusammeln. Ich stehe zu dieser Unsitte und weiß, dass sie ein schlechtes Licht auf mich wirft, das ich kaum jemals wieder loswerden kann. Die folgende Dreieinigkeit muss ich aber trotzdem erbrechen, da der dusselige Schalk, der mir im Nacken sitzt, mir den selbigen ansonsten bräche - ich bitte alle feinsinnigen und anderweitig sensiblen LeserInnen nachdrücklich um tiefgehende Nachsicht.

1. Charlie schrieb am 28.07.14: "Ganz am Rande: Glaubst Du tatsächlich, dass es es sich bei dem urplötzlich aufgetauchten Blog 'ninatabai.com' um das Blog einer ausnehmend jungen Dame mit dem abgeklärten Weitblick eines alten Haudegens handelt, die ganz zufällig in den letzten Tagen wohl platzierte Kommentare in diversen linken Blogs hinterlassen, sich aber auf weitergehende Diskussionen nirgends eingelassen hat? / Nenne mich paranoid, aber hier stinkt etwas ganz gewaltig."

2. Burkhard schrieb am 25.08.14: "Ich bin im übrigen der Meinung, dass ninatabai.com ein Fake-Account ist und eine 'Nina Tabai' nicht existiert, sondern ein Mann ist."

3. Flatter von und zu Feynsinn schrieb am 25.08.14, etwas später: "Ich habe diese Vermutung auch bereits geäußert (...)."

Also, ich find's lustig - auch wenn ich vermutlich der einzige bin, dem das so geht. :-) Da kann ich nur noch einmal den Flattrigen zitieren und diesen peinlichen Post damit abschließen und im Netznirwana versenken: "So what"!?!

Donnerstag, 28. August 2014

Eigenzitat des Tages: Ohne Titel [Der Regen]


Das folgende Gedicht habe ich im Alter von etwa 20 Jahren verfasst, als ich allmählich und erst in groben Ansätzen erkannt habe, in welche irrsinnigen, völlig abwegigen Regionen mich meine damalige christlich motivierte Sozialisation führen würde, wenn ich nicht endlich mein Gehirn einschaltete. Ich habe dann versucht, besagtes Gehirn zu bemühen, und herausgekommen ist dieser Text:

der regen, er tröpfelt vom herzgrauen himmel
und rinnt so bedächtig in unseren geist.
der fall jener sonne in todgrünem schimmel -
ach, dass er die kuppel hier bloß nicht zerreißt!

und tränen, sie fließen - beständiges bohren -
stetig und kraftvoll die berge hinan,
erreichen die gipfel mit goldenen toren -
und brechen sie auf: wo ist der tyrann?

du schöpfer, du pfuscher, du gott aller wunden,
erscheine, verräter, die wangen sind nass!
das herz ist zerstört, verfault, schon verschwunden,
der brocken der brust verspürt nur noch hass!

so irre ich schreiend im himmel herum,
allein und gebrochen, ich fühle nichts mehr.
doch vor der unfassbarkeit werde ich stumm:
im himmel nur tränen, ein regnendes meer -
sonst ist er leer.


Dieses Gedicht hat mir sehr geholfen, meinen Weg durch all die religiösen Nebelkerzen, die immer wieder - unabhängig von der jeweiligen Zeit und der jeweiligen Religion - gezündet werden, zu finden. Die Pfarrerstochter, mit der ich damals liiert war und die um Gottes Willen nicht "Merkel" hieß, meinte damals dazu nur trocken: "Dieser Realismus ist widerlich und ekelhaft, aber wohl leider wahr." Dennoch hat sie weiter Theologie studiert und das Studium auch erfolgreich abgeschlossen.

Das sagt wohl mehr über den Menschen und seine irrwitzige Bindung an irgendwelche himmelschreiende Religionen aus als es jeder geschriebene Text jemals könnte.

Evolution, wo zur Hölle bist Du?

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Bestrafte Ketzerei


"Die glaubten nicht an Darwin."

(Zeichnung von Thomas Theodor Heine [1867-1948], in "Simplicissimus", Heft 28 vom 12.10.1925)

Song des Tages: All Alone




(Saturnus: "All Alone", aus dem Album "Veronika Decides To Die", 2006)

I'm standing here
Watching the clouds float by
Wondering why the pain never deserted me
The sadness, sorrow, bewilderness that never left

I'm flying away ... I'm flying away ...

Holding hands with myself
Sharing life with myself
Reaping the loneliness I've sown
In these fields I've always grown

Digging the blackness from my mind
I will die all alone ...


Dienstag, 26. August 2014

Zementierung eines Klischees: Die zunehmende Verachtung der Armut durch das "Bildungsbürgertum"


Wisst Ihr alle genau, was "das Prekariat" ist - insbesondere in scharfer, genau definierter Abgrenzung zum "Bildungsbürgertum"? Wer diese Frage bejaht, braucht gar nicht weiterzulesen - alle anderen aber sollten sich diesen haarsträubenden Artikel aus der Süddeutschen zu Gemüte führen: "Bildungsbürgertum versus Prekariat". Eine Lehrerin aus der Nähe von Augsburg namens Heidemarie Brosche "ärgert" sich dort über die Verachtung der Armen durch die "Gebildeten" - und klärt uns erst einmal auf:

Aber dann wird mir wieder bewusst: Die Welt der Menschen mit wenig Bildung ist komplett anders als die der Bildungsbürger. Viele der Geschmähten haben einen anderen Verhaltenskodex. Sie treten kaugummischmatzend zur Sprechstunde an, telefonieren während der Schultheater-Aufführung, stellen im Kontakt mit dem Lehrer naiv zu viel Nähe her oder treten ihm vor lauter Unsicherheit gleich bei der ersten Begegnung mit anmaßendem Kraftgebaren entgegen. Sie vernachlässigen ihren Körper, ernähren sich falsch, bewegen sich zu wenig oder betreiben einen absurd anmutenden Körperkult mit Sonnenstudio-Exzessen, der Züchtung von Muskelbergen oder Nail-Design-Events. Ihre Kinder erziehen sie zwischen grenzenlosem Gewähren-Lassen und Vernachlässigung.

Das muss man erst einmal sacken lassen. Eine so umfassende Verunglimpfung und Diffamierung von Millionen von Menschen, eine derartige Anhäufung von dumpfesten Verallgemeinerungen und RTL2-Klischees kann ich mir noch nicht einmal im Fischeinwickelblatt aus dem Hause Springer vorstellen. Die bildungsbürgerliche Heidemarie zieht hier alle Register des Dumpfbackentums und der stumpfsinnigen Verachtung - und das ausgerechnet unter der Prämisse, diese Verachtung anprangern zu wollen. Ein solcher Irrsinn ist mir in unseren Kuhmedien schon lange nicht mehr in solcher widerwärtiger Deutlichkeit ins Gesicht gesprungen.

Das fängt schon im Fundament an: Wie selbstverständlich wird hier der Begriff "Prekariat" bemüht - natürlich ohne zu hinterfragen, wie es denn wohl sein kann, dass es in einem der reichsten Länder der Welt überhaupt so etwas wie Armut - und dann auch gleich millionenfach - geben kann. Das interessiert die Heidemarie offensichtlich nicht und ändern will sie es wohl ebenfalls nicht. Auch treffen wir hier wieder auf die altbekannte Propagandamär der neoliberalen Bande, die seit Jahrzehnten gebetsmühlenartig auf allen Kanälen wiederholt wird, bis auch die letzte hirntote Lehrerin es begriffen hat: "Bildung (= gesittet auftretende Menschen, die wohlhabend, reinlich und ernährungsbewusst sind) versus Prekariat (= asozial agierende Menschen, die arm, dreckig und fett sind)". Allein die Umkehrung der Logikfolge in diesem "gegensätzlichen Begriffspaar" ist schon entlarvend genug: Auf der einen Seite sei es die Bildung, die den Wohlstand und die "guten Sitten" zur Folge habe, auf der anderen sei es wie selbstständlich die Armut, aus der die Unbildung und das "asoziale Verhalten" resultierten. Anders ist die hirnschmelzende Überschrift "Bildungsbürgertum versus Prekariat" kaum logisch zu verstehen.

Daran ist nun bekanntermaßen alles falsch - es gibt selbstverständlich gebildete Menschen, die arm sind, und es gibt ungebildete Menschen, die reich oder sogar sehr reich sind. Genauso gibt es asoziales Verhalten in den Kreisen der Reichen und Superreichen ebenso wie in allen anderen Gesellschaftsschichten - wobei sich die Waagschale des asozialen Verhaltens nach meiner Wahrnehmung doch deutlich zur Seite der Reichen neigt.

Wenn ich ein solches Pamphlet lese, wird mir wieder einmal klar: Die Welt solcher Menschen wie Heidemarie, die sich für gebildet, wohlhabend und wohlgesittet halten, ist eine komplett entrückte, die mit der Realität nichts zu tun hat. Wer das im Text bemühte "haarsträubende Verhalten" sucht, wird genau hier fündig. Ich befürchte, dass diese Lehrerin es nicht einmal bemerkt (und den Vorwurf auch strikt von sich wiese), dass sie mit diesem Artikel exakt das tut, was sie vorgeblich zu kritisieren versucht: Sie zementiert dumpfeste Klischees, zündet reihenweise Nebelkerzen und Propagandabomben und gießt im Vorbeigehen gleich kübelweise Schmutz über die aus den unterschiedlichsten Gründen vom Kapitalismus ausgesonderten, abgehängten und zwangsverarmten Menschen, dass es nur so rauscht.

Heidemarie hat offenbar in der Schule nicht aufgepasst und erklärt die individuellen Erlebnisse aus ihrem kleinen, subjektiven Mikrokosmos, die sie "Erfahrung" nennt, kurzerhand zum allgemeingültigen Fakt. Damit disqualifiziert sie sich unmittelbar selbst und fällt aus der Gruppe des "Bildungsbürgertums" schon per definitionem heraus. Ich schlage vor, für solche Leute einen neuen Begriff einzuführen, nämlich das schlechtbürgerliche Dumpfbackentum oder auch "die Vogelscheuchen". Es ist traurig und (bildungs-)bezeichnend, dass man darunter auf Anhieb gleich halb Deutschland oder mehr einordnen müsste. Und das ist selbstverständlich kein Zufall.

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Sonntagsausflug der Vogelscheuchen



(Zeichnung von Alfred Kubin [1877-1959], in "Simplicissimus", Heft 21 vom 19.08.1919)