Samstag, 30. Juli 2016

Zitat des Tages: Bestellung


Fünf Gänge,
sag es den hölzernen Mädchen,
für den Pfennig unter der Zunge,
und die Teller gewärmt.

Ihr habt uns hingehalten
mit Fasanen und Stör,
Burgunder und Bouillabaisse.
Tragt endlich die Speise auf,
die es nicht gibt,
und entkorkt die Wunder!

Dann wollen wir gern
die Mäuler öffnen
und was wir schuldig sind
zahlen.

(Günter Eich [1907-1972]: "Bestellung", in: "Zu den Akten. Gedichte", Suhrkamp 1964; wiederveröffentlicht u.a. in: "Ein Lesebuch. Ausgewählt von Günter Eich", Suhrkamp 1972)



Anmerkung: Ich habe ganze drei Versuche unternommen, dieses wunderbare Gedicht aus dem zuweilen sperrigen Spätwerk Eichs für dieses Blog zu kommentieren, alle drei aber wieder gelöscht. Der Text soll ganz ohne "akademische Anleitung" für sich selber sprechen.

Donnerstag, 28. Juli 2016

Song des Tages: Stolen Life




(Arch Enemy: "Stolen Life", aus dem Album "War Eternal", 2014)

Everything so clear now
It's written on your face
In a world within a world
I can smell the bridges burn

Sharks ever circling
They never go away
In these dark, murky waters
So hard to navigate and so easy to hate

Paint me black, demonize me, this is how you pay me back?
Do you ever really know someone until you look away?
Misplaced my trust, only to learn ... honesty is just a word

This is a stolen life
Before you walk away
Don't forget to turn the knife

What's next, more betrayal?
Have I not suffered enough?
You made me feel so alive
Now you're just killing me
Killing me

Carve away the rotten flesh
It's time to burn
Strip away the dirty lies
Expose the ugly truth.



Anmerkung: Ob Faulfuß soviel Schmutz, Schwärze und geballte Nekrophilie - zumal von femininer Seite - wohl erträgt, ohne seinen Psychiater bzw. Priester aufsuchen zu müssen? Man weiß ja so wenig.

Mittwoch, 27. Juli 2016

Die nekrophilen Fantasien der Esoteriker


Meine liebste Gebetsschwester, Roland Faulfuß, hat schon wieder esoterischen Schwachsinn in die böse Welt des Darknet gekotet: Zuerst hat er vergangene Woche einen hirnmalträtierenden Text über die "Biophilie" erbrochen, der an dümmlich-religiotischer Verklärung gar nicht mehr zu überbieten ist und die "Natur" ins Korsett einer derartig infantilen Benjamin-Blümchen-Welt zwängt, die man nur noch wahnhaft nennen kann. Dieses Meisterwerk esoterischer Dämlichkeit hat er nun getoppt mit einem "Yang"-Beitrag, in dem der selbsternannte Magier sich dem bösen Widersacher der heilen Blümchenwelt widmet, nämlich - man lese und staune - der "Nekrophilie".

Ich will auf beide Predigten, die ihren absurden Stumpfsinn auch ohne jeden kritischen Kommentar lauthals in die Welt schreien, nicht weiter eingehen - allerdings möchte ich hier dokumentieren, wen der hochsensible Priester denn wohl als Gralshüter des satanischen Weltuntergangs ausgemacht hat. Er schreibt allen Ernstes - und das ist wirklich kein Text von Volker Pispers oder Oliver Kalkofe, auch wenn das wimmernde Gehirn bittend darum fleht:

Der Gegensatz Biophilie / Nekrophilie eignet sich trefflich, um konstruktive Ideologien innerhalb ein- und desselben politischen Spektrums von den destruktiven zu unterscheiden. Fäkalsprache, eine Vorliebe für Totenköpfe, Horro[r]filme und die Farbe Schwarz sind somit auch, wenn sie im „linken“ Milieu auftreten, ein Alarmsignal. [Hervorhebung von mir, Anm.d.Kap.] (...) Allerdings ist eine generelle Scheu vor der Welt „draußen“, eine einseitige Faszination für Technik, Stadtlandschaften, für die pflanzen- und lichtlosen Kunstwelten der Kellerlokale und Diskotheken unter dem Gesichtspunkt der psychosomatischen Gesundheit zumindest bedenklich.

Ich habe brüllend, prustend und nach Luft schnappend vor dem geliehenen Notebook gesessen, als ich das gelesen habe - und mich sodann in meiner schwarzen Kleidung unverzüglich in den Aufzug begeben, um dem Leichenkeller des Krankenhauses, in dem ich gerade "Gast" bin, einen Besuch abzustatten. Dort habe ich 666mal laut "Scheiße!" gerufen, eine große Piratenfahne an die Wand gehängt, finstere Metalmusik in ohrenbetäubender Lautstärke aufgelegt, die tote Oma aus der dritten Leichenbox zu schwängern versucht und beim Orgasmus "Roh-Land, ich komme!" geschrieen. - Und Faulfuß hat es gewusst - er muss ein göttlicher Prophet sein, dem wir alle folgen sollten! Leider hat der Heilige allerdings Killerspiele, Tarantino-Filme und einen Großteil der Musik, Malerei und deutschsprachigen Dichtung, die sich ausgiebig und andauernd mit dem Tod befassen, vergessen. Aber das sehen wir einem Hassprediger und Gotterwählten, der die marginalisierte Linke noch weiter spalten will, doch gerne nach, gelle.

So gern ich auch zu einzelnen Passagen aus den verlinkten Predigten trotz allem etwas sagen möchte, verkneife ich mir das an dieser Stelle. Realsatire ist schließlich stets die beste Satire. Lest das, aber schützt - verfickt nochmal! - Eure Stirn vor den Schlägen auf die harte Tischplatte, die unweigerlich folgen werden.


Charlie und eine unbekannte Dame.

Dienstag, 26. Juli 2016

Buchempfehlung: Das Janus-Syndrom


Das kleine Büchlein, das ich heute empfehlen möchte und das ich gerade zum wiederholten Male gelesen habe, gehört selbstverständlich zum heute völlig vergessenen, literaturwissenschaftlich größtenteils ignorierten Genre der Science Fiction. Es existiert nicht einmal ein deutschsprachiger Wikipedia-Eintrag zu diesem Autor, obwohl er mehr Bücher geschrieben hat als beispielsweise Hermann Hesse. Die Ignoranz, die dem Label "SF" von Seiten des seriösen Kulturbetriebes entgegengeschlagen ist und weiterhin entgegenschlägt, war und ist legendär.

Diese vom Goldmann-Verlag fälschlicher Weise als "technisch-utopischer Roman" titulierte Erzählung ist - wie so oft in diesem Genre - eine wunderbare Parabel auf die kapitalistische, stets autoritärer werdende Endphase unserer heutigen Zeit. Im Klappentext heißt es:

"Dr. Mark Brant arbeitet als Wissenschaftler auf einem außerirdischen Planeten. Durch den terrestrischen Geheimdienst kann man ihn zwingen, in dessen Auftrag auf diesem Planeten - Ladros - zu spionieren. / Ein Auftrag, der zum Scheitern verurteilt scheint, denn dort hat man einen Apparat entwickelt, der alle Gehirnvorgänge wiedergeben kann - auch die eines Spions."

Wer gerne nachlesen möchte, welche Auswüchse der feuchte Traum der totalen Überwachung in der kapitalistischen Diktatur annehmen kann, dem sei Masons Büchlein, das es heute selbstverständlich nur noch antiquarisch gibt, wärmstens ans Herz gelegt. Ich habe es am Sonntag mit großem intellektuellem Gewinn einmal mehr verschlungen.



(Douglas Rankine Mason [1918-2013]: "Das Janus-Syndrom", 1969; dt. Goldmann 1973)

Montag, 25. Juli 2016

Musik des Tages: Frozen in Time




  1. Indoafrica
  2. Eurasia
  3. The Americas

(Avner Dorman [*1975]: "Frozen in Time". Konzert für Schlagzeug und Orchester aus den Jahren 2006/07; Schlagzeug: Christoph Sietzen, Romanian National Symphony Orchestra, Leitung: Cristian Mandeal, 2015)

Anmerkung: Anschauen, aufmerksam zuhören, genießen und nachdenken. - Es ist allerdings erschreckend, dass selbst in einem solchen Konzert, in dem progressive Musik weit jenseits des kapitalistischen Mainstreams gespielt wird, trotzdem einige (zum Glück wenige) Deppen sitzen, die, anstatt die Darbietung mit allen Sinnen aufzusaugen, lieber ihr Dumpf-Phone zücken und verzückt auf das Display starren, während sie das Konzerterlebnis verpassen. Das erinnert mich an einen alten Freund, der sich gemeinsam mit mir und einigen anderen vor vielen Jahren monatelang auf eines der schon damals äußerst seltenen Pink-Floyd-Konzerte gefreut und dafür eine Menge Kohle investiert hatte, nur um den denkwürdigen Abend dann im Halbkoma und wild kotzend vor der Halle zu verbringen, weil er viel zu viel gesoffen hatte.

Ein gewisses Maß an bewusstseinserweiternden Substanzen ist indes nicht bloß für (ältere) Pink-Floyd-Konzerte, sondern auch für das Verständnis der Musik Avner Dormans recht hilfreich. Koma oder Dumpf-Phones helfen da eher nicht weiter.