Sonntag, 1. November 2009

Zitat des Tages (16)

Jede Politik, auf welche Ideologie sie sich sonst auch berufen mag, ist verlogen, wenn sie die Tatsache nicht anerkennt, dass es keine Vollbeschäftigung für alle mehr geben kann und dass die Lohnarbeit nicht länger der Schwerpunkt des Lebens, ja nicht einmal die hauptsächlichste Tätigkeit eines jeden bleiben kann.

(André Gorz [1923-2007]: Wege ins Paradies. Thesen zur Krise, Automation und Zukunft der Arbeit. Berlin 1984)

André Gorz: Auswege aus dem Kapitalismus

Jamaika versinkt im grünen Sumpf

Saar-Grünen-Chef Ulrich und seine pikanten Verbindungen zum Schattenmann der Saar-FDP

Wenn sich am 2. November in Saarbrücken die Spitzenvertreter von Union, FDP und Grünen zu den Koalitionsverhandlungen treffen, wird dort der saarländische Grünen-Chef Hubert Ulrich seinem ehemaligen Arbeitgeber gegenübersitzen. Bis zum 1. Oktober dieses Jahres bezog Ulrich sieben Jahre lang als angeblicher "Marketingleiter" einer Saarbrücker IT-Firma stattliche Nebeneinkünfte. Wie die Stuttgarter Zeitung nun am Wochenende herausfand, ist der Gesellschafter der großzügigen IT-Firma kein Unbekannter – es handelt sich um Hartmut Ostermann, seines Zeichens graue Eminenz der Saar-FDP und umtriebiger Multimillionär, der durch seine politische Landschaftspflege schon mehrfach für Schlagzeilen sorgte. Hat Hubert Ulrich die Wählerstimmen der Grünen verkauft?

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Unsere Demokratie ist in Not - mehr als allgemein wahrgenommen wird

Ein markantes Beispiel dafür ist die Wahl und die Koalitionsbildung an der Saar. „Jamaika-Filz an der Saar“ überschreibt die Stuttgarter Zeitung einen Bericht über die Hintergründe dieses erstaunlichen Vorgangs. (Näheres auch hier bei Telepolis) Die für manche überraschend zustandegekommene schwarz-gelb-grüne Koalition war offensichtlich in einem Interessengeflecht vorbereitet worden. Ein Fall, der das Gesamtgebilde grell beleuchtet. Berlusconi ist überall.

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Folgen der Privatisierung (14): Wasserversorgung in Berlin: Kein Grund zum Feiern

Vor genau zehn Jahren, am 29. Oktober 1999, wurde in einer außerordentlichen Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin mit der Mehrheit der Regierungskoalition aus CDU und SPD die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe (BWB) beschlossen. In die neugegründete Berlinwasser Holding AG wurden die Berliner Wasserbetriebe – Anstalt des Öffentlichen Rechts - und andere (Tochter-)Gesellschaften eingegliedert. 49,9 Prozent der Aktien der Holding wurden an ein Beteiligungskonsortium der privaten Konzerne RWE und Veolia übertragen. Die in nach wie vor geheimen Verträgen fixierte Kooperation zwischen dem Land Berlin und den privaten Konzernen hat eine Mindestlaufzeit bis zum Jahr 2028. Die Betriebs- und Geschäftsführung bei den Wasserbetrieben, also auch des öffentlich-rechtlichen Teils, wurde weitestgehend in die Hände der Privaten gelegt. (...)

Bei der Betrachtung der Wasserpreisentwicklung ist offensichtlich, dass die einst erwartete Preisstabilität nicht eintraf – im Gegenteil: Waren vertraglich zunächst Tarifsteigerungen bis zum 31.12.2003 ausgeschlossen, wurden diese ab dem Jahr 2004 kontinuierlich nachgeholt. Seither wurden die Gebühren für Trink- und Abwasser insgesamt um rund 30 Prozent angehoben. 2009 soll die Steigerungsquote 2,9 Prozent betragen, weitere Tarifanhebungen ab dem kommenden Jahr sind angekündigt. Inzwischen zahlen die Berliner im Vergleich der einhundert größten deutschen Städte mit die höchsten Wasserpreise. Ein wesentlicher Grund für die stetigen Anhebungen liegt dabei in der Gewinnerwirtschaftung der BWB und deren jährlicher Ausschüttung an die Anteilseigner. Schon ältere Berechnungen haben aufgezeigt: Bei einem Wegfall der jährlichen Renditen, welche das Land und die privaten Konzerne aus dem Unternehmen abziehen, würde der Wasserpreis um mehr als 30 Prozent unter dem aktuellen liegen.

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CDU/FDP: Sittenwidrige Löhne beginnen bei 2,04 Euro

Die neue Bundesregierung lehnt die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns weiterhin strikt ab. Stattdessen will Schwarz-Gelb energisch gegen sittenwidrige Löhne vorgehen

Als der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) Mitte Oktober erklärte, er fände es "gut und richtig", wenn sich die neue Bundesregierung um eine Weiterentwicklung des erst im April 2009 in Kraft getretenen Mindestarbeitsbedingungengesetzes kümmern würde, war bereits absehbar, dass in Deutschland - wieder, immer noch und viel intensiver als bislang - über die gezielte Ausweitung des Billiglohnsektors und aggressives Lohndumping diskutiert werden muss. (...)

Kommune und Kreis werben mit Dumpinglöhnen

Das gilt umso mehr, als Dumpinglöhne in manchen Regionen Deutschlands nicht als gesellschaftliches Problem, sondern als erstklassiger Standortvorteil betrachtet werden. So zum Beispiel im sächsischen Plauen. Hier wirbt die Stadt seit geraumer Zeit und trotz kritischer Berichterstattung auf sehr eigenwillige Weise um investitionsfreudige Unternehmer:

"Bei einer Standortwahl im Freistaat Sachsen profitieren Sie von dem immer noch relativ niedrigen Lohnniveau." (Stadt Plauen)

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Das Geschäft mit der Schweinegrippe

  1. Ende Oktober starteten die lange geplanten Impfungen gegen A/H1N1. Dabei stand zu diesem Zeitpunkt bereits fest: Die erwartete Pandemie mit hoher Morbidität und Mortalität ist ausgeblieben. So stieg die Todesrate von August bis Oktober 2009 weltweit von 1462 auf 4735 Fälle, wovon 3406 (1274) Fälle auf den amerikanischen Kontinent entfielen, während die Todeszahl in Europa sich auf 207 Personen belief (nach 53 im August). Damit sind bisher weniger als 0,2 Prozent der Erkrankten weltweit verstorben. In Deutschland wurden bis zum 16. Oktober sogar nur zwei Todesfälle gemeldet, die bei Personen mit schweren Grunderkrankungen auftraten – statt der nach den etwa 23.000 Infektionsfällen erwarteten Fallzahl von 23 bis zu 138 Todesopfern (bei angenommenen Mortalitätsraten zwischen 0,1 Prozent und 0,6 Prozent). (...)

    Die neuen „Pandemien“ sind auf jeden Fall ein sicheres Geschäft für die Hersteller. Und das alle Jahre wieder, wenn nicht schnellstmöglich „stopping-rules“ zur Entwarnung bei vermuteten, aber sich als harmlos erweisenden Pandemien eingeführt werden – sowie eine öffentliche Kontrolle der Entscheidungsprozesse, einschließlich der Offenlegung der vertraglichen Vereinbarungen zwischen Impfstoffherstellern und Regierung. Gesundheitsressourcen in derartiger Höhe, die an anderen Stellen dringend gebraucht werden, dürfen in Zukunft nicht mehr einfach hinter verschlossenen Türen verteilt werden. Intransparenz und potenzielle Interessenkonflikte unterminieren die Glaubwürdigkeit der zuständigen Empfehlungs- und Zulassungsbehörden. Mehr noch: Im aktuellen Fall nähren sie den Verdacht, dass die H1N1-Grippewelle als Schweinegrippe-Pandemie von der Pharmaindustrie gezielt zur Vermarktung genutzt wurde. Eine genaue Durchleuchtung der Vorgänge durch eine parlamentarische Untersuchungskommission ist deshalb dringend angezeigt.

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  2. Erfahrungen eines Arztes - von Dr. Ulrich Geyer, Heidenheim

    Die Verunsicherung zur Impfung der Schweinegrippe wird immer größer. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht eine neue Meldung von Ungereimtheiten zur bevorstehenden Impfung veröffentlicht wird. Immer mehr Kritiker auch von Ärztegesellschaften melden sich zu Wort. Und schon lange warnen unabhängige Wissenschaftler vor der Impfung. Die Kardinalvorwürfe bestehen von Anfang an: 1. Die Schweinegrippe verläuft in Deutschland milde. 2. Die Impfstoffe sind wenig erprobt und schlecht verträglich. 3. Die Pharmaindustrie wolle sich durch die Massenimpfung nur bereichern.

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CDU/FDP: Die "Kopfpauschale" kommt - die Versicherten müssen sich warm anziehen

  1. Seehofers Verrat

    Die größte Überraschung in den nun zu Ende gegangenen Koalitionsverhandlungen war für viele Wähler, dass die schwarz-gelbe Koalition die Krankenkassen-Kopfpauschale einführen will – und zwar in verschärfter Form: Nun sollen ausschließlich die Arbeitnehmer einen Einheitsbeitrag zahlen, während die Abgabe für die Arbeitgeber weiterhin prozentual berechnet wird. Andernfalls hätte man ja Unternehmen belastet, die Niedriglöhne zahlen.

    Überraschend war dieses Ergebnis nicht nur deshalb, weil die Union vor der Wahl kein Wort über solche Pläne verraten und stattdessen den zusammen mit der SPD eingeführten Gesundheitsfonds verteidigt hatte. Die FDP hatte sich diesmal kaum konkret zu gesundheitspolitischen Plänen geäußert und stattdessen eher Bürgerrechte in den Vordergrund gestellt. [sic!]

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  2. Die Versicherten müssen sich warm anziehen

    Unter der neuen schwarz-gelben Regierung wird die Kommerzialisierung des Gesundheitssystems ein bisher nicht gekanntes Maß annehmen. Mit einem marktliberalen Gesundheitsminister wird die Axt an die Gesetzliche Krankenversicherung gelegt. Der Verein Demokratischer Ärztinnen und Ärzte (vdää) kritisiert die in den Koalitionsverhandlungen zur Gesundheitspolitik und Pflege getroffenen Vereinbarungen.

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Geschichte wiederholt sich: Denkschrift des Reichsverbandes der Deutschen Industrie vom 2.12.1929

"Die materiellen Ansprüche der Sozialpolitik an die Wirtschaft müssen sich in den Grenzen der Leistungsfähigkeit und Entwicklungsmöglichkeit der Wirtschaft halten. Nur dann ist die Erfüllung der sozialen Aufgaben für die Dauer gesichert; die wirtschaftliche Produktivität ist die Quelle sozialer Leistungen. Aus dieser Erkenntnis fordern wir in Übereinstimmung mit der Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände eine Reform:

1. der Sozialversicherungsgesetze. Ihre bisherigen Grundlagen sollen erhalten bleiben, aber Ausgaben und Leistungen müssen im Gegensatz zum jetzigen Zustand den Grenzen wirtschaftlicher Tragfähigkeit angepasst werden.

2. der Arbeitslosenversicherung. Die Teilreform vom 3. Oktober 1929 ist nicht ausreichend. Über sie hinaus muss das Arbeitslosenversicherungsgesetz sofort umgestaltet werden. Ziel der Reform muss sein, den Haushalt der Reichsanstalt durch weitere Ersparnisse ohne Erhöhung der Beiträge und ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel in ein dauerhaftes Gleichgewicht zu bringen. (...)

Der Umbau der Finanzwirtschaft hat nach zwei Gesichtspunkten zu erfolgen:

a) wesentliche Senkung der öffentlichen Ausgaben und Steuern,
b) Beschaffung der Mittel, stärker als bisher, durch indirekte Besteuerung."

Geschichte wiederholt sich. Ob Merkel und Westerwelle wissen, dass sie genau den gleichen Weg beschreiten wie Brüning? Wen werden Konservative und Liberale erneut zum Diktator ernennen - oder übernimmt schon die EU-Komission diese Position?

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CDU/FDP: Das Manifest der Hornissen

Einige nannten sie verniedlichend Biene-Maja-Koalition. Das dürfte jetzt vorbei sein. Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP zeigt: Wenn die neue Regierung etwas voranbringen will, dann die Entsolidarisierung der Gesellschaft. (...)

CDU, CSU und FDP werden in den kommenden Jahren einen radikalen Kurswechsel vornehmen. Es geht um die Entsolidarisierung der Gesellschaft. Bisher gilt, wenn auch schon mit Einschränkungen: Die Gemeinschaft hilft den Schwachen. Wenn schwarz-gelb fertig ist, wird gelten: Jeder hilft sich selbst, dann ist an alle gedacht.

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Anmerkung: Diesem begrüßenswerten Kommentar aus der Süddeutschen sei nur hinzugefügt: Die Entsolidarisierung der Gesellschaft ist schon lange im Gange. Kohl hat damit begonnen, Rot-grün hat das Tempo radikal erhöht, die Großkoalitionäre haben ebenso denselben Weg verfolgt - und Schwarz-gelb wird ihn nun nur noch konsequenter fortführen. Was ja wahrlich auch vorhersehbar war, wie das "Amen" in der Kirche.

Schwarz-gelbe Koalitionsergebnisse im Abseits

Der Koalitionsvertrag steht und alle reden über die großen Ergebnisse: Das Ende des solidarischen Gesundheitswesens und allgemein steigende Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitnehmer („Mehr Nutto“), unverantwortliche Steuersenkungen für die FDP-Klientel, Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke, Tricks, um die selbst auferlegte Schuldenbremse zu umgehen, faule Kompromisse bei den Bürgerrechten oder ein Eliten-Stipendienprogramm. Wir aber reden von den Vorhaben, die in den Medien weniger diskutiert werden, aber ebenso das Bild dieser Koalition prägen und aufzeigen, welch konservativer Rollback-Kurs uns bevorsteht.

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Zum Koalitionsvertrag von Union und FDP

  1. »Wachstum. Bildung. Zusammenhalt« sind die drei Begriffe, die einem als erstes entgegen geworfen werden, wenn man sich den Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP zur Legislaturperiode 2009-2014 [sic!] anschaut. Was sich der schwarz-gelbe Sumpf für die nächsten vier Jahre vorgenommen hat, habe ich mir einmal genauer angeschaut und mich ein wenig durch den Koalitionsvertrag gequält.

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  2. Jetzt haben wir die Bescherung: Katalog der sozialen Gemeinheiten von Schwarz-"Geld" (Teil 1)

    Vor den Wahlen in NRW lässt die neue Koalition aus Schwarz und "Geld" nur einige Katzen aus dem Sack. Andere noch ungerechtere werden folgen. Es wird nötig, einen Katalog der sozialen Gemeinheiten in Fortsetzungen zu schreiben. Hier die erste Ausgabe, nachdem heute der Koalitionsvertrag veröffentlicht wurde.

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  3. (...) Aber der Rest des Vertrages ist eine einzige Katastrophe. Gerichtsvollzieher sollen privatisiert werden (warum nicht auch gleich das US-Konzept der Bounty Hunter importieren? Das schafft Arbeitsplätze!!!). Unternehmensverbunde sollen wieder Verluste aus Sparte A mit den Gewinnen von Sparte B verrechnen dürfen (oder auf Deutsch: kein Unternehmen wird jemals wieder Steuern zahlen, wenn sie es nicht absichtlich darauf anlegen). Und falls das nicht reicht, soll die Zinsschranke auf 3 Millionen erhöht werden.

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