Mittwoch, 17. Januar 2018

Der bombastische Niedergang: Zurück ins Neandertal


Mal wieder ist es "die Wissenschaft", die darüber aufklärt, auf welcher degenerativen Stufe der Rückentwicklung zum Affen sich der Mensch inzwischen befindet. Der WDR berichtete vor einigen Tagen kurz über eine soziologische Studie der Universität Düsseldorf zum Thema "Wahlerfolg", die dort allerdings weder verlinkt noch sonstwie näher erläutert wird (wie sollte es auch anders sein). Dort heißt es:

Einer Studie der Universität Düsseldorf zufolge ist die [physische, Anm.d.Kap.] Attraktivität die zweitwichtigste Eigenschaft der Kandidaten für den Wahlerfolg. Allein der Bekanntheitsgrad habe größeren Einfluss, teilten die Studienautoren am Mittwoch (10.01.2018) mit.

Wer nähere Informationen dazu erhalten möchte, muss wie immer selber suchen, denn die per Gerichtsvollzieher eingetriebenen Zwangsgebühren für den Rundfunk gehen ja für ModeratorInnen und IntendantInnen mit Millionengehältern, Spocht-Sendungen und sonstigen Boulevard-Quatsch drauf, da bleibt kein Geld für einen halbwegs sauberen oder auch nur informativen Journalismus übrig. Aber das nur am Rande.

Bemerkenswert daran ist aus meiner Sicht vor allem, dass ausgerechnet eine schmierige Schlips-Borg-Figur wie Lindner von der FDP hier als "attraktivster männlicher Politiker" ausgemacht wurde. Das allein sagt aus meiner bescheidenen Sicht weit mehr über den Zustand dieser verkommenen, im kapitalistischen Dreck wühlenden bzw. zum Wühlen gezwungenen Bevölkerung aus als die gesamte Studie. Ein windiger Typ, dem zumindest ich nicht einmal einen gebrauchten Kühlschrank abkaufen würde, weil ich ohne Zögern Betrug witterte, rangiert auf dem ersten Attraktivitätsplatz? Ich habe auch in der Vergangenheit ja schon sehr oft nicht verstanden, was irgendwelche Menschen an so mancher Gestalt "attraktiv" fanden (ich erspare allen Mitlesenden eine entsprechende Liste) – aber hier ist eine neue Grenze überschritten.

Dass die angebliche Attraktivität sowie der Bekanntheitsgrad irgendwelcher Flitzpiepen dann auch wichtiger für die Wahlentscheidung des "Bildungsbürgers" sind als politische Inhalte und (vorgebliche) Ziele, rundet das Bild nur ab: Der schnaufende Gorilla, der sich am lautesten auf die Brust trommelt, und die geschickt agierende Gorilladame, die am besten für die Nachzucht der Brut geeignet erscheint, ernten die meiste Zustimmung. Was zur Hölle unterscheidet diese Bevölkerung doch gleich vom Affen?

Nicht erklärlich sind vor diesem Hintergrund allerdings noch wesentlich exzentrischere Phänomene wie Helmut Kohl, Angela Merkel, Donald Trump, Maggie Thatcher, Martin Schulz, Markus Söder oder Beatrice Storch, um nur wenige Beispiele zu nennen. Womöglich handelt es sich bei dieser Studie doch nur um einen sehr spezifischen, auf einen bestimmten Bevölkerungsteil zutreffenden Teilaspekt, der in der Gesamtheit tatsächlich vielschichtiger, aber gewiss nicht weniger gruselig ist. Zusammenfassend lässt sich sagen: Wer Lindner attraktiv findet, ist doof. Wer Merkels Politik gut findet, ist doof. Wer Storchs rassistische Ausfälle mag, ist doof. Wer Wagenknecht toll findet, weil er sie gerne mal im Bett hätte, ist doof. Und so weiter und immer so fort – die Liste ist schier endlos.

Eine wesentlich sinnvollere, aber in diesem System bestimmt nie zu realisierende soziologische Studie wäre doch eine, die beispielsweise der Frage nachspürte, weshalb manche oder auch viele Menschen "innerlich" immer hässlicher werden und dann konsequenterweise "innerlich" hässliche Figuren – nicht nur, aber auch – in der Politik verehren und unterstützen. Das Ergebnis wäre vermutlich nicht sonderlich überraschend, denn es liegt ja auf der Hand, dass das menschenfeindliche kapitalistische System hier zumindest einen nicht unerheblichen Einfluss besitzt. In dieses Szenario passt das "Attraktivitäts"-Modell aus Düsseldorf – für eine gewisse Klientel – vorzüglich, das sich im Übrigen auch auf viele andere gesellschaftliche, politische oder sonstwie abgrenzende Gruppen anwenden lässt: Radikale VeganmissionarInnen finden Fleischesser unattraktiv, während für esoterische Geistergläubige und sonstige Religioten die Realisten, Aufgeklärten und sonstigen Atheisten der "unschöne", zu verdammende Feind sind. Letzten Endes bleibt es dabei, dass all das nur das grunzende Geschrei einer dummen Affenhorde ist, die sich nicht darauf verständigen kann und will, das finstere Neandertal endlich hinter sich zu lassen.

Die Evolution hat beim Menschen schon vor Jahrzehnten den Rückwärtsgang eingelegt – eine derartig offensichtliche Sackgasse wie der inzwischen "alternativlose" Kapitalismus kann ja gar keinen anderen "natürlichen" Ausweg mehr anbieten: Selbst Genies wie Albert Einstein, Thomas Mann, Stephen Hawking oder Hector Berlioz (das ist eine nicht repräsentative Auswahl) haben trotz ihrer immensen "Influencer"-Möglichkeiten letztlich nichts bewirken können: Heute sind "Influencer" stattdessen auf youtube und in Blogs unterwegs, um im Auftrag kapitalistischer Konzerne Käufer für lächerlichen Tand anzuwerben. Welch ein grandioser, geradezu bombastischer Niedergang einer Spezies, die sich – ich kann das nicht ohne tiefstes Glucksen formulieren – für die "Krone der Schöpfung" hält.

Das Neandertal ist unsere gesicherte Zukunft – und falls irgendein Schlaumeier jetzt darauf hinweist, dass Neandertaler ohnehin keine Vorfahren des "homo sapiens" waren: Ja, das weiß ich. Eben deshalb wählte ich dieses Bild.

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Zukunftsbild


"Die letzten Menschen haben einander umgebracht. Jetzt heißt es, wieder von vorn anfangen."

(Zeichnung von Erich Schilling [1885-1945], in "Simplicissimus", Heft 23 vom 06.09.1922)

Dienstag, 16. Januar 2018

Zitat des Tages: Trübes Lied


[oder: Wohin soll man flüchten?]

Herr, wissen Sie einen Ort auf der Welt,
wohin Sie gern führen, wo's Ihnen gefällt?
Ich selbst muss die Frage verneinen:
ich weiß nämlich leider keinen –

Bei uns ist überall Elend und Not,
man redet, verleumdet und schießt sich tot;
statt Silberstreif-Horizonten
grün-rot-braun-eiserne Fronten!

In Amerika gibt's keinen Alkohol,
in Indien fühlt man sich auch nicht wohl,
und China und Japan bereiten
sich vor zu "großen Zeiten".

In Spanien ist immer noch Revolution,
in Polen hängt man dich auf als Spion –
und wo die Gewehre nicht knallen,
hört man die Währungen fallen.

Am liebsten führ' man nach Afrika,
doch leider sind nur noch Filmleute da,
die alles niedermähen,
um einen Kulturfilm zu drehen.

Auch die Südsee war schön. Doch gerade zur Zeit
treten dort Vulkane in Tätigkeit.
Weshalb ich abends oft bete:
Herr, schenk' uns die Mondrakete!

-- Na und? Dann wäre sofort der Mond
von Kapital-Flüchtlingen bewohnt
und man träfe am Ende der Mondfahrt
womöglich grad Herrn von Gontard

Groß war die Welt und schön war die Welt,
bis der Mensch sie verkleinert und bös entstellt!
Man kann nur auf geistigen Gleisen
per Alkohol flüchtend verreisen ---

(Karl Kinndt alias Reinhard Koester [1885-1956]: "Trübes Lied", in "Simplicissimus", Heft 45 vom 08.02.1932)

Anmerkung: Wer mehr von Reinhard Koester lesen möchte, kann das kostenfrei hier tun (pdf): "Reinhard Koester: Lesebuch. Zusammengestellt und mit einem Nachwort versehen von Dieter Sudhoff", Köln 2004.

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Taverne



(Gemälde von Andrei Petrowitsch Rjabuschkin [1861-1904] aus dem Jahr 1891, Öl auf Leinwand, Tretjakow-Galerie, Moskau, Russland)