Samstag, 12. März 2016

Zitat des Tages: Hymnus auf die Bankiers


Der kann sich freuen, der die nicht kennt!
Ihr fragt noch immer: Wen?
Sie borgen sich Geld für fünf Prozent
und leihen es weiter zu zehn.

Sie haben noch nie mit der Wimper gezuckt.
Ihr Herz stand noch niemals still.
Die Differenzen sind ihr Produkt.
(Das kann man verstehn, wie man will.)

Ihr Appetit ist bodenlos.
Sie fressen Gott und die Welt.
Sie säen nicht. Sie ernten bloß.
Sie schwängern ihr eigenes Geld.

Sie sind die Hexer in Person
und zaubern aus hohler Hand.
Sie machen Gold am Telefon
und Petroleum aus Sand.

Das Geld wird flüssig. Das Geld wird knapp.
Sie machen das ganz nach Bedarf.
Und schneiden den andern die Hälse ab.
Papier ist manchmal scharf.

Sie glauben den Regeln der Regeldetri
und glauben nicht recht an Gott.
Sie haben nur eine Sympathie:
Sie lieben das Geld. Und das Geld liebt sie.
(Doch einmal macht jeder Bankrott!)

Anmerkung von Erich Kästner: Die Konsumenten sind die linke Hand des gesellschaftlichen Organismus, die Produzenten sind die rechte Hand. Die Bankiers sind die Heimlichkeiten zwischen den beiden.

(Erich Kästner [1899-1974], in: "Lärm im Spiegel. Gedichte", mit Illustrationen von Rudolf Großmann, C. Weller 1929)







Freitag, 11. März 2016

Dr. Uschis Fehler und Karl-Theodors Fehlverhalten


Nun ist es amtlich: Unsere Kriegs-Uschi darf ihren Doktortitel behalten. Sie hat zwar exakt dasselbe getan wie beispielsweise der Herr Guttenberg, aber die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) hat nach "eingehender Prüfung" festgestellt:

"Es geht um Fehler, nicht um Fehlverhalten", begründete MHH-Präsident Christopher Baum die Entscheidung. Die Internet-Plattform "Vroniplag Wiki" hatte 47 Textstellen gefunden, die aus fremder wissenschaftlicher Feder stammen sollen. Die Hochschule bestätigte die Recherchen größtenteils: An 32 Stellen soll tatsächlich nicht korrekt zitiert worden sein.

So schnell geht das im Lande Kapitalistan: Was gestern (bei Guttenberg und vielen anderen) selbstverständlich noch ein bewusstes "Fehlverhalten" war und zur Aberkennung des Titels geführt hat, ist nun zu schlichten "Fehlern" geworden, denen man natürlich keine Absicht unterstellen mag. Dass aus wissenschaftlicher Sicht beides gleich inakzeptabel ist, wird dabei geflissentlich unterschlagen: Ob Schludrigkeit, Inkompetenz oder bewusste Täuschungsabsicht - nichts davon darf in einem solch erheblichen Umfang in einer ernstzunehmenden Doktorarbeit vorkommen. Es wirft ein bedenkliches Licht auf das Wissenschaftsverständnis der zuständigen Damen und Herren an der MHH, eine dermaßen lächerliche Begründung für ihre nicht nachvollziehbare Entscheidung zu bemühen. Auch die Frage, wieso von den gefundenen 47 Plagiatsstellen (auf insgesamt 43,5 % aller Seiten!) nun "nur" noch 32 übriggeblieben seien, wird nicht weiter erläutert - auf der Webseite von vroniplag sind die dokumentierten Funde ja allesamt veröffentlicht und für jedermann nachlesbar. Dort hat sich die Anzahl allerdings nicht auf wundersame Weise verringert.

Dass es sich bei von der Leyens Werk aber sowieso um eine - im Fachbereich Medizin übliche - Schmalspur-Arbeit auf dem untersten wissenschaftlichen Niveau handelt, die in keiner Weise - weder inhaltlich, noch umfänglich - mit einer Dissertation beispielsweise in einem geisteswissenschaftlichen Fach vergleichbar ist, vergrößert die Groteske nur. Selbstverständlich kommt aber noch ein weiterer Aspekt hinzu, auf den Fefe in seinem Blog hingewiesen hat ("Einsendung eines Lesers"):

Die Familie von der Leyen ist eng mit der Führungsriege der MHH verwoben. / Ich hatte bei ihrem Mann während meiner Promotion einige Seminare. Heiko von der Leyen verfügt über eine illustre Karriere in der medizinischen Forschung und hat sicherlich eine Menge "Pull" im Präsidium der MHH. Meiner bescheidenen Meinung nach (und zum Glück geht es ja bei dir um Verschwörungen) ist das die "Beweisführung", die dazu geführt hat, dass unserer geschätzten Kriegsministerin der Titel nicht aberkannt wurde. Die MHH hätte auf diese Weise doppelten Schaden erlitten: einerseits durch den Imageverlust auf Grund des Skandals um die Aberkennung der Doktorwürde und andererseits durch den (empfundenen) Gesichtsverlust auch ihres Mannes, der in führender Position in der MHH und der MHH nahestehenden Firmen tätig ist.

Selbstverständlich behandle auch ich diese groben Unterstellungen als böse Verschwörungstheorie - eine ehrenhafte Familie wie die geschätzten und elitebewussten von der Leyens hat kriminelle Praktiken dieser schäbigen Art schließlich gewiss nicht nötig! Frau Dr. plag. von der Leyen wird's nicht weiter kümmern - der Rubel rollt, die Stahlhelmfrisur sitzt, der Kanzlerintraum bleibt erhalten und das kapitalistische, bis ins Mark korrupte und verfaulte System ist weiterhin nicht gefährdet. Hier gibt es nichts zu sehen, gehen Sie einfach weiter.

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Definition


"Siehst du, eine gute Familie ist eine Familie, in der noch nicht vorgekommen ist, was in den besten Familien vorkommt."

(Zeichnung von Rudolf Grieß [1863-1949], in "Simplicissimus", Heft 17 vom 22.07.1919)

Mittwoch, 9. März 2016

Anne und Frank im Bügelfernsehen


Ein Gastbeitrag des Altautonomen

Ich muss die LeserInnen erst einmal enttäuschen: Es geht hier nicht um den seit dem 3. März 2016 in deutschen Kinos angelaufenen Film "Das Tagebuch der Anne Frank", sondern um die beiden Protagonisten der ARD-Reihe "Paar-Duell", und zwar mit der von sich selbst geblendeten Ex-ARD-Moderatorin ("Morgenmagazin") Anne Gesthuysen und dem meistens die Hände brav wie ein Konfirmand vor dem Geschlechtsteil gefalteten, humorbefreiten Journalisten und "Inlandskorrespondenten" Frank Plasberg.

Aufgezeichnet wurden für eine erste Staffel dieser Show bereits 25 Folgen. Die Zuschauerquote liegt bei 2,2 Millionen.

Zweite Überraschung: Es muss nicht unbedingt erst der Gullydeckel zum Reich der privaten Arsch- und Tittensender geöffnet werden, um ein Unterhaltungsniveau zu erreichen, für das man andernorts die Pflegestufe 3 bekäme. - Charlie hat sich hier ja schon öfter über den WDR, die ARD bzw. die Öffentlich-Rechtlichen als Institutionen ausgelassen, die sich die Desinformation und Verblödung der Zuschauer auch noch von eben diesen bezahlen lassen.

Produziert wird das alles von der Firma "Ansager und Schnipselmann", die Plasberg zusammen mit einem Kompagnon gegründet hat und die auch die Sendungen "Hart aber fair", "Plasberg persönlich", "Frag doch mal die Maus" und "Hirschhausens Quiz des Menschen" produziert. Die Idee zur Sendung "Paar-Duell" hatte angeblich ein Mitarbeiter dieser Produktionsfirma.

Das Prinzip ähnelt grob der Sendung "Schlag den Raab" - mit dem kleinen Unterschied, dass hier das Paar Anne und Frank als Valiumersatz (aber Valium 20 forte, weil der Tranquilizer Pilawa das alles moderiert) eine Beleidigung der Raabsendung wäre. Quizfragen sind nebensächlich. Dabei drängt sich der Verdacht auf, dass Anne Gesthuysen und Frank Plasberg ihre Teilnahme an dem Quiz davon abhängig gemacht haben, dass die Fragen eine bestimmte Schwierigkeitsstufe auf Grundschulniveau nicht überschreiten. Die richtigen Antworten werden in Einspielern, Bildern und musikalischen Einlagen - je nach Art der Frage - mit volkshochschulpädagogischem Belehrungsduktus in ermüdender Länge ausgewalzt.

Das "Paar-Duell" ist eine am Reissbrett neunmalschlau ausgetüftelte, konstruierte, total künstliche und hölzerne Veranstaltung ohne Spannung, Spontaneität, Anspruch und Witz. Im Grunde ist es eine als Quizsendung getarnte Selbstdarstellungsorgie der beiden Hauptdarsteller auf Kosten der Gebührenzahler.

Die nach jeder Sendung erspielten Gewinne werden drehbuchgemäß immer gespendet. Mit einer Spende in Höhe von 53.900 Euro unterstützen z.B. die Gäste Axel Milberg (Schauspieler) und seine Frau Judith (Künstlerin und Moderatorin) die weltweite Kampagne Because I am a Girl der Kinderhilfsorganisation Plan International. Den Betrag erspielte das Ehepaar am letzten Samstagabend in der ARD-Show "Paar-Duell XXL". - Aber nein!!! Nix haben die beiden gespendet. Das erspielte Geld kommt schließlich vom Sender - und wer finanziert den? - Ich nehme dann schon mal den Dank der ARD für meine Spende an.

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Anmerkung von Charlie: Angesichts solcher Berichte feiere ich es immer wieder aufs Neue, dass ich das Fernsehen aus meinem Leben schon seit Jahren verbannt habe.

Affenkomödie


"Der Prominente beim Vertragsabschluss."

(Zeichnung von Thomas Theodor Heine [1867-1948], in "Simplicissimus", Heft 12 vom 22.06.1925)

Dienstag, 8. März 2016

Musik des Tages: Symphony of Sorrowful Songs




  1. Lento. Sostenuto tranquillo ma cantabile
  2. Lento e largo. Tranquillissimo – cantabillissimo – dolcissimo – legatissimo
  3. Lento. Cantabile semplice

(Henryk Mikołaj Górecki [1933-2010]: "Sinfonie Nr. 3 (Symphony of Sorrowful Songs)" für Sopran und großes Orchester, Op. 36 aus dem Jahr 1976; Sopran: Zofia Kilanowicz, Polish National Radio Symphony Orchestra, Leitung: Antoni Wit, 1994)

Anmerkung: Der Text des zweiten Satzes besteht laut Werkangabe aus den aufgefundenen Wandinschriften einer 18jährigen Insassin des Gestapo-Gefängnisses im polnischen Zakopane ("a young prisoner's inscription on the wall of her cell in Zakopane's Gestapo prison"). Ich kenne kaum ein musikalisches Werk, das dem Gefühl der Trauer noch nachdrücklicher Ausdruck verleihen könnte.

Als ich das großartige Stück vor fast 30 Jahren - eher zufällig und unvorbereitet - durch einen Konzertbesuch kennenlernte, hat es mich tagelang beschäftigt und in tiefe emotionale Abgründe gestürzt. Wer es sich anhört, sollte sich in einem abgedunkelten Raum befinden und die Klänge möglichst laut genießen - außerdem sind eine gefestigte Psyche sowie die Absenz jedweder suizidaler Gedanken von großem Vorteil.

Montag, 7. März 2016

Zitat des Tages: Das Konzert


Die nackten Stühle horchen sonderbar
Beängstigend und still, als gäbe es Gefahr.
Nur manche sind mit einem Mensch bedeckt.

Ein grünes Fräulein sieht oft in ein Buch.
Und einer findet bald ein Taschentuch.
Und Stiefel sind ganz grässlich angedreckt.

Aus offnem Munde tönt ein alter Mann.
Ein Jüngling blickt ein junges Mädchen an.
Ein Knabe spielt an seinem Hosenknopf.

Auf einem Podium schaukelt sich behend
Ein Leib bei einem ernsten Instrument.
Auf einem Kragen liegt ein blanker Kopf.

Kreischt. Und zerreißt.

(Alfred Lichtenstein [1889-1914], in: "Dichtungen", Arche 1989. Erstdruck in: "Der Sturm", Nr. 112 vom 01.06.1912)