Donnerstag, 1. April 2010

Gier und Größenwahn: Über die "Bankenrettung"

Kaum jemand kannte den Münchner Bankenriesen mit dem Namenskürzel HRE. Dabei war die Hypo Real Estate Bank 400 Milliarden Euro schwer - so groß wie die berüchtigte amerikanische Investmentbank "Lehman Brothers". Heute steht auch der Name HRE in der Öffentlichkeit für Gier, Größenwahn und Inkompetenz.

Neue Dokumente belegen, dass der einstige Vorstandsvorsitzende offenbar dubiose Milliardeneinkäufe forcierte - entgegen dem Rat der eigenen Wirtschaftsprüfer. Zum ersten Mal äußert sich unter anderem Jochen Sanio ausführlich in einem Film. Er ist der höchste Bankenaufseher der Republik: "Wir haben nicht erkannt, was da an Milliarden im deutschen Bankensystem verschoben wurde und von den Bankern eingekauft wurde", sagt Sanio heute. Den Rettern, die in einer Nacht- und Nebelaktion die HRE mit Staatshilfe vor der Pleite bewahrten, ging es offenbar nur noch um die eigene Haut: Auch die Bundesbank selbst hatte Milliarden bei dem Pleiteunternehmen angelegt.

(Weiterlesen)

Anmerkung: Der Subtitel der Dokumentation - "Wie die Politik bei der Bankenrettung über den Tisch gezogen wurde" - ist irreführend. Er suggeriert eine "Ahnungslosigkeit" der Politik, die es aber nicht gegeben hat. Es ist inzwischen hinlänglich bekannt, dass die Regierung sehr frühzeitig - schon 2008 - über die platzende Immobilienblase und die folgende Krise informiert gewesen ist (vgl. hier) - sogar die Financial Times Deutschland hat seinerzeit darüber berichtet. Der korrekte Subtitel müsste also lauten: "Wie die deutschen Steuerzahler bei der Bankenrettung von der Politik und den Banken über den Tisch gezogen und ausgeplündert wurden". - Für so viel Courage hat es beim WDR dann wohl doch nicht gereicht.










Sozialrichter über Hartz IV: "Man macht Opfer zu Tätern. Das ist widerwärtig."

Der Jurist Jürgen Borchert geißelt das entfesselte Lohndumping infolge der Hartz-Gesetze, sieht gar die staatliche Abgabenpolitik als "einen einzigen Skandal". Im Gespräch mit ka-news (...) legt der hessische "Sozialrebell", der Grundzüge der Klage zum Hartz-IV-Urteil vor dem Bundesverfassungsgericht vorbereitete, im zweiten Teil unseres Interviews auch den Finger in die Wunde, wenn es um die grundsätzliche Definition "Soziale Marktwirtschaft" und die Auswirkungen des Niedriglohnsektors geht. (...)

Borchert: Der Staat selbst hat für Unheil auf dem Arbeitsmarkt gesorgt, weil er vor allem durch die Maastricht-Verträge die wichtigsten Instrumente für den heimischen Arbeitsmarkt aus der Hand gegeben hat: nämlich die Geld-, Währungs- und Zinspolitik. Seitdem kann er Geld- und Steuerpolitik nicht mehr aufeinander abstimmen. In arbeitsmarktpolitischen Fragen ist der Staat zunehmend ohnmächtig. Und nun ausgerechnet in dieser Situation mit dem "Fordern und Fördern" und dem Hinweis auf die Eigenverantwortlichkeit der Arbeitslosen sich aus dem Staub zu machen, ist die große Verlogenheit der Gesetzgebung und der gegenwärtigen Diskussion. Man macht Opfer zu Tätern. Das ist widerwärtig. (...)

In der Tat hat erst die Hartz-I-Reform die Leiharbeit entfesselt. Sodann wurde dort ein Niedriglohnsektor etabliert, dem mit der komplementären Entrechtung und der Abschaffung der überkommenen Zumutbarkeitsregelungen durch Hartz IV schließlich die Arbeitskräfte in hellen Scharen zugetrieben wurden. Der viel gerühmte Gewinn an Arbeitsplätzen - 500.000 - ist hier entstanden. Arbeit, von der man nicht leben kann. Arbeit ohne Würde. Das hatte die Konsequenz, dass eine dynamische Abwärtsspirale der Einkommen in Gang gesetzt wurde. Diesem Sog sehen sich mittlerweile weite Teile der Mittelschicht ausgesetzt, die sich große existenzielle Sorgen machen. Dass das für die Demokratie tödlich sein kann, könnten wir ja besonders gut aus unserer eigenen Geschichte lernen, wenn wir nur wollten.

(Weiterlesen)

Anmerkung: Solche Stimmen wird man in den Mainstreammedien zumeist vergeblich suchen - woran das wohl liegen mag? An der Wahrheit - insbesondere bezüglich der Hartz-Gesetze und deren (gewollten) Folgen - ist man dort offenbar nicht interessiert. Die Menschen in Deutschland sollen offenbar gar nicht in die Lage versetzt werden, durch Informationen erkennen zu können, dass mit dieser neoliberalen Eliten-Ideologie ein geschlossener Angriff gegen alle Bürger gestartet wurde, der auch schon viele "Früchte" getragen hat: Die Konten der Superreichen sind seitdem jedenfalls gewachsen, wie es sonst nur üble Krebsgeschwüre tun. - Und die explizite Warnung dieses Richters vor einem Verlust der Demokratie (die es längst nicht mehr gibt) bei gleichzeitigem Verweis auf die deutsche Geschichte macht deutlich, wie überaus gefährlich dieser irrwitzige Weg der gezielten Verarmung breiter Bevölkerungsteile zugunsten der Superreichen ist. - Doch die Medien schweigen - oder fachen die Hetze sogar an. Allmählich bekommt man eine Vorstellung davon, wie sich denkende Menschen ab 1933 gefühlt haben mögen.

Westerwelle: Reisen muss sich wieder lohnen

Die Menschenrechte und die Realität: Folter weiter stark verbreitet

Der Uno-Sonderberichterstatter über Folter stellt fest, dass selbst Staaten, welche die Antifolterkonvention unterzeichnet haben, die Tortur weiter anwenden.

Der Sonderberichterstatter über Folter, Manfred Nowak, hat dem Uno-Menschenrechtsrat seinen Bericht nach fünf Jahren der Nachforschungen über staatliche Tortur und Misshandlungen vorgelegt. Er spricht von einem weltweiten Missstand; Folter werde in vielen Ländern und im großen Stil angewendet. Unter den 147 Unterzeichnerstaaten der Anti-Folter-Konvention hätten nur sehr wenige deren Empfehlungen wirksam durchgesetzt. (...)

In der "Mehrzahl der Staaten" sei Folter weit verbreitet, und viele Gesellschaften praktizierten Folter als tägliche Routine zur Bekämpfung von gewöhnlichen Straftaten sowie des Terrorismus oder anderer politischer Verbrechen. (...)

Aus dem Bericht spricht einer, der mit den eigenartigen Auswirkungen der Folter bestens vertraut ist, etwa wenn er in eine indonesische Polizeistation mitten in eine Foltersitzung hineinplatzt und das Opfer, das sichtbare Schlagspuren im Gesicht trägt und mit Handschellen an einen Stuhl gefesselt ist, schreckensbleich beteuert, es sei hier zu einem reinen Freundschaftsbesuch bei dem Polizeibeamten.

(Weiterlesen)

Mittwoch, 31. März 2010

Zitat des Tages (26): Punkt

Die wüsten Straßen fließen lichterloh
durch den erloschnen Kopf. Und tun mir weh.
Ich fühle deutlich, dass ich bald vergeh -
Dornrosen meines Fleisches, stecht nicht so.

Die Nacht verschimmelt. Giftlaternenschein
hat, kriechend, sie mit grünem Dreck beschmiert.
Das Herz ist wie ein Sack. Das Blut erfriert.
Die Welt fällt um. Die Augen stürzen ein.

(Alfred Lichtenstein [1889-1914] in "Die Aktion" , Januar 1914)


Programm der Linkspartei: Sprengstoff für andere Parteien

Der Programmentwurf der Linkspartei ist gefährlich für die etablierten Parteien. Denn er stößt in die Lücken ihres eigenen politischen Versagens.

Wer Parteiprogramme in den Rang einer politischen Bibel hebt, wird sich leicht tun mit dem Entwurf des Parteiprogramms, das die Linke jetzt zur Diskussion stellt. Da reichen dann Schlagzeilen wie "Kampfansage wider den Kapitalismus" oder "Oskars linkes Paradies" oder mit "Volldampf ins Abseits". Genau das dürfte aber nicht stattfinden. So schlicht lässt sich die Linkspartei von der politischen Konkurrenz und der jetzt sicherlich einsetzenden Polemik nicht niedermachen.

(Weiterlesen)

Anmerkung: Möge sich einjeder selbst ein Bild machen und den Entwurf (pdf) lesen. Wie bei allen Parteien handelt es sich dabei zwar nur um Worte, aber diese Worte sprechen eine ganz andere Sprache als die Programme (und vor allem Taten) der CDU, der SPD und der Grünen - von der FDP ganz zu schweigen. Es geht um eine Kehrtwende in der Politik - nicht um kleine "Korrekturen" des bisherigen irrsinnigen Weges. Es geht um eine völlige Abkehr vom neoliberalen Irrsinn - es geht um die Menschen in diesem Land, nicht um die wenigen Superreichen und deren Besitzstandswahrung. - Was die Linke aus diesem Programm machen würde, wenn sie die Chance bekäme es umzusetzen, steht auf einem anderen Blatt - aber hat sie diese Chance nach all den Jahren des neoliberalen Stumpfsinns, den dieses Land hinter sich hat (ganz egal, welche Partei man gewählt hat), nicht redlich verdient?

CDU, SPD, Grüne und FDP wollen so weitermachen wie bisher - eigene Fehler erkennen sie nicht, allenfalls sollen eingeschlagene Wege wie die unsägliche "Agenda 2010" leicht "korrigiert" werden. CDU und FDP dagegen sehen gar keine eigenen Fehler und finden, dass alles vollkommen optimal läuft. Dieser totalen Bankrotterklärung steht nun der Programmentwurf der Linken gegenüber. Glaubt irgendjemand ernsthaft, dass diese Partei noch mehr Schaden anrichten könnte, als es CDU, FDP, SPD und Grüne schon getan haben?

Welche Krise? - Gehaltsexzesse bei US-Managern

Im Rezessionsjahr 2009 sind in den USA Millionen Arbeitsplätze verloren gegangen, doch in den Gehaltsschecks vieler Unternehmenschefs hat sich die Krise kaum bemerkbar gemacht. Jahresgehälter in zweistelliger Millionenhöhe sind nach wie vor nichts Außergewöhnliches. Das belegen die Pflichtmitteilungen, die die Börsenaufsicht SEC in diesen Tagen veröffentlicht.

Viele Vorstände konnten sich in den vergangenen Monaten sogar über eine deutliche Aufstockung ihrer Bezüge freuen. Zum Beispiel Thomas Ryan, Chef des Pharmakonzerns CVS Caremark. Er verdiente im vergangenen Jahr 30,4 Mio. $, wie am Donnerstag bekannt wurde. Im Vorjahr waren es 23,8 Mio. $. Selbst wenn er dieses Geld verprassen und gleichzeitig den Job verlieren sollte, müsste er sich anschließend keine Sorgen machen: In seiner betrieblichen Altersvorsorge hat Ryan mittlerweile 44,6 Mio. $ angespart. Alleine 8000 $ bekam der erfolgreiche [sic!] Manager letztes Jahr für die Teilnahme an einem Golfturnier. Es war Teil einer Wohltätigkeitsveranstaltung, bei der CVS Spenden sammelte.

Auch an der Wall Street wird wieder mit der großen Kelle angerichtet. Anfang des Jahres gab es zwar im Wochentakt Demonstrationen gegen Boni, einige Protestler zogen bis vor die Privatvillen von Bankmanagern. Folgen hatte das nicht: Die von sämtlichen Wall-Street-Banken in New York ausgezahlten Boni nahmen 2009 laut einer Hochrechnung von New Yorks Rechnungsprüfer Thomas DiNapoli um 17% zu. Die Sondervergütungen summierten sich allein in New York auf 20,3 Mrd. $.

(Weiterlesen)

Anmerkung: Wieso sollten sich diese Leute auch anders verhalten? Dass sie einzig ihr Eigenwohl im Sinn haben und ihre Reichtümer immer weiter vermehren wollen - egal wie und auf wessen Kosten -, beweisen sie seit so vielen, vielen Jahren. Und die einzige Instanz, die da Einhalt gebieten könnte - die Politik - tut nichts dagegen. Weder in den USA, noch anderswo in den Ländern der neoliberalen Welt. Frau Merkel beispielsweise diniert lieber mit Herrn Ackermann im Kanzleramt - auf Staatskosten, versteht sich -, während zur gleichen Zeit Millionen von Menschen in Deutschland verzweifelt mit den staatlichen Willkür-Behörden um die Auszahlung von läppischen Beträgen ringen, um ihre nackte Existenz sichern zu können. Es ist unerträglich.

Über Ausmaß, Weisen und Folgen von unbezahlter Mehrarbeit in Deutschland

In der Debatte über den Arbeitsmarkt werden die Dimensionen und Auswirkungen unbezahlter Mehrarbeit kaum diskutiert, obgleich diese einen relevanten volkswirtschaftlichen Faktor zugunsten der Arbeitgeber darstellt. Telepolis sprach mit Jörn Boewe, der sich in dem Buch "ArbeitsUnrecht" mit einem Beitrag dem Thema widmete. (...)

Telepolis: Sind diese Folgen Ihrer Einschätzung nach politisch gewollt?

Jörn Boewe: Eindeutig ja. Die rot-grüne Bundesregierung hat mit den vier Hartz-Gesetzen einen ausgedehnten Niedriglohnsektor geschaffen, die Lohnkosten insgesamt gedrückt, die Arbeitsverhältnisse autoritärer gestaltet, Arbeitnehmerrechte eingeschränkt und generell das Verhältnis Lohnarbeit und Kapital zu Gunsten des Kapitals verändert. Das waren keine Kollateralschäden, das war politisch gewollt.

Telepolis: Welche Auswirkungen hat die unbezahlte Mehrarbeit auf Gesamtwirtschaft und Gesellschaft?

Jörn Boewe: Volkswirtschaftlich ist es gewissermaßen ein Geschenk an die Unternehmen, die dadurch Lohnkosten sparen. Was hier "gespart" wird, fehlt aber den Lohnabhängigen als Kaufkraft, d.h. die Binnennachfrage wird geschwächt. Konservativ geschätzt liegt dieser Verlust - wir könnten auch sagen: diese Umverteilung von unten nach oben - im hohen zweistelligen Milliardenbereich, also immerhin um die drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Aber ehrlich gesagt halte ich das nicht für das Schlimmste. Es heißt zwar, Zeit ist Geld, aber für einen Menschen, der seine grundsätzlichen existenziellen Bedürfnisse befriedigen kann, ist Zeit tatsächlich wichtiger als Geld. Ich weiß, dass mir in diesem Punkt eine Menge Leute widersprechen würden, aber ich denke, die liegen falsch. Das ist auch keine Ansichts- oder Geschmacksfrage. "Zeit ist der Raum zu menschlicher Entwicklung", wie Marx schreibt, und sie ist die einzige Ressource, die absolut nicht erneuerbar ist. Wenn eine Minderheit der Mehrheit systematisch Lebenszeit stiehlt, ist das schlicht asozial.

Falls Ihnen das zu existentialistisch klingt, hier noch eine ganz profane Interpretation: Die Mehrarbeit der einen ist die Erwerbslosigkeit der anderen. Berechnungen der Hans-Böckler-Stiftung, aber auch des eher arbeitgeberfreundlichen Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zufolge, leistet jeder abhängig Beschäftigte in der Bundesrepublik in der Woche im Schnitt eine unbezahlte Überstunde, vielleicht auch etwas weniger. Zusätzlich lässt er 2,2 Urlaubstage verfallen. Das hört sich nicht viel an, aber dieses Arbeitsvolumen entspricht mehr als einer Million Vollzeitstellen. Eine Million Menschen sitzen auf der Straße, weil wir nicht pünktlich Feierabend machen.

(Weiterlesen)

Anmerkung: Der Optimismus Boewes gegen Ende des Interviews ist angesichts der zuvor beleuchteten Sachlage nicht nachvollziehbar. Die "Elite" wird es nicht zulassen, dass sich am eingeschlagenen Weg etwas Wesentliches ändert - eher wird es zu weiteren Kriegen, zu mehr Manipulationen, zu mehr Überwachung und Kontrolle kommen, also letztlich zu einem diktatorischen Überwachungs- und Unterdrückungsstaat, als dass eine Rückbesinnung auf echte Sozialdemokratie geduldet werden wird. Die Zeichen stehen überall auf Sturm - nicht auf positive Veränderung. Das ist an allen Ecken und Enden deutlich sicht- und greifbar und angesichts des Geld- und Wirtschaftssystems, das die neoliberale Bande als in Stein gemeißelten Gott anbetet und niemals in Frage stellen würde, ohnehin unvermeidbar.

Testfeld Griechenland: Pilotprojekt für den Angriff auf die Unter- und Mittelschichten in ganz Europa

(...) Mit anderen Worten, Griechenland hat mehr importiert als exportiert. Die griechische Wirtschaft sowie große Teile des EU-Währungsraumes bilden damit das Gegenstück zum deutschen "Exportweltmeister", der mit dem durch Hartz IV ermöglichten Lohndumping "unter seinen Verhältnissen" gelebt und gewirtschaftet hat. Genau das war aber mit der Währungsunion beabsichtigt, zumindest von denen, die etwas davon verstanden: Den exportorientierten Industrien Zentraleuropas sollten unabhängig vom Wechselkursrisiko die Absatzmärkte gesichert werden; die Möglichkeit, mittels einer Abwertung der eigenen Währung die Importe zu verteuern, die Exporte zu verbilligen und somit die Konkurrenzfähigkeit der eigenen Industrien zu erhalten, sollte den Ländern mit einer geringeren Arbeitsproduktivität genommen werden. An die Stelle der Währungsflexibilität trat die Lohnflexibilität nach unten. Dieses neoliberale Programm hatte im EU-Währungsraum die Senkung der gesamten Reproduktionskosten der Ware Arbeitskraft zum Ziel. Neben der Reduzierung der direkten Lohnkosten ging und geht es vor allem um eine Senkung des Rentenniveaus sowie der Kosten für die Sozialversicherungen. Dass mit den Maastrichter Konvergenzkriterien tatsächlich eine reale Annäherung der ökonomischen Verhältnisse erreicht werden könne, ist dagegen nur von neoliberalen Ideologen ernsthaft behauptet worden. (...)

Die Alternative zu einer Abschreibung der Kredite besteht in dem jetzt eingeschlagenen Weg: Wie Ende des 19. Jahrhunderts, als Griechenland aufgrund des Kriegsabenteuers gegen die Türkei erneut Kredite aufnehmen und daher seine Altschulden anerkennen musste, werden die griechischen Staatsfinanzen einer rigiden Kontrolle unterworfen, die den Gläubigern erlaubt, ihren Einfluss auf die griechische Wirtschaft maßgeblich auszuweiten. Das griechische Parlament büßt damit das vornehmste Recht eines jeden Parlaments, das Budgedrecht, ein. Ministerpräsident Papandreou fällt damit die Rolle eines von Frankreich und Deutschland mit Billigung Brüssels eingesetzten Staatskommissars zu, der sich – im Gegensatz zu den von den Großmächten im 19. Jahrhundert oktroyierten Monarchen – zumindest einer formalen demokratischen Legitimation erfreuen kann. Für die griechische Oberschicht ist diese Form der ökonomisch-politischen Diktatur in eigenem Interesse: Das griechische Handels-, Reederei- und Bankkapital ist traditionell weltmarktorientiert und insbesondere eng mit der herrschenden Klasse Großbritanniens verflochten, während das industrielle Kapital vor allem auf eine Akkumulationsstrategie setzt, die auf gering qualifizierter Arbeit und niedrigen Löhne basiert.

(Weiterlesen)

Anmerkung: Ein sehr lesenswerter Aufsatz, der viele Hintergründe und Fakten nennt, die in unseren Massenmedien größtenteils verschwiegen oder verdreht werden. Wenn man diese Informationen mit dem vergleicht, was unsere Presse und das Fernsehen zum vielschichtigen Thema verbreiten, muss auch dem letzten Zweifler klar werden, dass es offensichtlich Absicht ist, die deutsche Bevölkerung nicht nur unzureichend und teilweise falsch zu informieren, sondern sie sogar gezielt zu manipulieren. Die gewollte Ausblutung der Mittelschicht hat - auch in Deutschland - längst begonnen.

Dienstag, 30. März 2010

Schwarz-gelbe Farbenspiele

Der neoliberale Irrsinn in der EU geht weiter: Österreich führt Hartz IV ein

In Deutschland läuft die Kampagne gegen den Sozialstaat und die angeblichen Schmarotzer in der Unterschicht, die erneut von Westerwelle angestoßen wurde und – man wird doch wohl noch sagen dürfen – nun immer hässlicher wird, auf Hochtouren. Während die offenbar vom Überleben bedrohten oder auswandernden "Leistungswilligen" Minderheitenschutz erhalten sollen, würde die Unterschicht schon arbeitswillig werden und Gebärverzicht leisten, so zuletzt mal wieder nach Sloterdijk und Bolz ein schlauer beamteter Professor, wenn man die Sozialtransfers möglichst schnell abschneidet (Das unwerte Hartz IV-Leben). (...)

Interessant ist, dass im Nachbarland Österreich gerade die SPÖ-ÖVP-Bundesregierung die Einführung einer Mindestsicherung beschlossen hat.

(Weiterlesen)

Anmerkung: Man mag dieses ganze populistische Gezeter der neoliberalen Bande nicht mehr hören - und dennoch machen sie einfach immer weiter und zeigen immer offener ihre faschistischen Fratzen. Nun ist also auch Österreich an der Reihe und stimmt in den braunen Kanon gegen die "Unterschichten" ein - und auch dort scheint kaum jemand zu bemerken, dass es - wie schon so viele Male zuvor in der Geschichte - einzig um Elitenförderung geht. Die Superreichen fürchten um ihre Pfründe und ihren wachsenden Profit - und machen Stimmung gegen "Unterschichten", "Ausländer", "Leistungsunwillige" ... und meinen damit trotzdem die gesamte restliche Bevölkerung, also die große Mehrheit. Bluten müssen nämlich alle - egal, ob Arbeitslose, Rentner, Kranke, Angestellte, Arbeiter - nur sollen diese Gruppen sich tunlichst nicht solidarisieren, denn dann wäre der Luxus der Elite in Gefahr. Diese Propaganda hat vor 80 Jahren schon wunderbar funktioniert - und heute erleben wir sie wieder.

"Wenn Sie ein Bild von der Zukunft haben wollen, so stellen Sie sich einen Stiefel vor, der auf ein Gesicht tritt. Unaufhörlich." (George Orwell: 1984. London 1949)

Die Bahn - ein "Global Player", der im Inland nicht spielen mag

Die Bundesregierung muss sich als Eigentümer des größten deutschen Staatskonzerns endlich mal entscheiden. Soll die Deutsche Bahn ihre teure und riskante Expansion im Ausland fortsetzen und nun weitere zwei Milliarden Euro für einen hoch verschuldeten britischen Konkurrenten hinblättern? Oder wäre es nicht viel sinnvoller, wenn Konzernchef Rüdiger Grube erst mal sein Versprechen einlöst, den Schienenverkehr hierzulande wieder kundenfreundlicher, zuverlässiger und sicherer zu machen? (...)

Das zeigen die Erfahrungen mit dem waghalsigen Expansionskurs des früheren Bahnchefs Mehdorn in alarmierender Weise. Die Bahn steckte zwar viele Milliarden in US-Logistikfirmen, spanische Güterbahnen oder chinesische Güterzentren. Doch dringend nötige Investitionen in die heimischen Züge, Bahnhöfe und Gleisnetze wurden sträflich vernachlässigt.

Schlimmer noch: Im System Mehdorn wurde sogar an allen Ecken und Enden auf Kosten der Kunden und sogar der Sicherheit gespart, um die großspurigen Einkaufstouren in aller Welt finanzieren zu können. Die Politik, prominent vertreten im Aufsichtsrat, schaute zu, ließ Mehdorn machen – und der nutzte das aus.

(Weiterlesen)

Anmerkung: Die Bahn ist ein Paradebeispiel für den vollkommenen gesellschaftlichen Unsinn der "Globalisierung". Es mag nachvollziehbar sein, dass in diesem furchtbaren Wirtschaftssystem ein Privatkonzern so handelt und auf Teufel-komm-raus den "Global Player" mimt, um weltweit seinen Profit zu mehren - egal auf welche Weise, mit welchen Produkten und wer dabei auf der Strecke bleibt. Aber die Deutsche Bahn, ein staatlicher Betrieb, der die gesetzlich festgeschriebene Aufgabe hat, für die Bevölkerung Deutschlands ein solides, kostengünstiges und sicheres Transportsystem bereitzustellen, hat auf dem "Weltmarkt" nichts verloren. Es ist klar, dass diese Schritte nur unternommen worden sind, um die geplante Privatisierung "attraktiver" zu machen - aber was ist das überhaupt für eine hanebüchene Idee, die Bahn privatisieren zu wollen? Was soll da denn für ein "Wettbewerb" entstehen? Wie bei allen Privatisierungen ginge es auch hier nur um das Geld, das die "Investoren" (also Konzerne und Superreiche) als Profit erwirtschaften wollen - und wie immer würde das auch hier auf Kosten der "Kunden", der Qualität (sinkende Investitionen, steigende Preise), der Vielfalt der Angebote und natürlich der Angestellten umgesetzt.

Einmal mehr wähnt man sich in einem Tollhauszug, der rasend das tote Gleis hinunterrauscht, immer weiter auf die nicht vorhandene Brücke am tödlichen Abgrund zu, und die Verantwortlichen in der Politik sitzen nach wie vor fröhlich in der Lokomotive, demontieren die Bremsen und geben laute Pfeiftöne von sich, die auch in den Waggons noch schrill zu hören sind ...

Gesundheitspolitik: Die Monster-Pauschale

  1. Was für eine verheerende Debatte: Die Kopfpauschale ist das schwarze Loch der Gesundheitspolitik. Das Thema verschlingt nur Energie, doch die Probleme bleiben. (...)

    Wer beim Arzt lange warten muss, ärgert sich. Alle, wirklich alle eint der Eindruck, dass sie zu viel zahlen. Wenig dürfte es die Leute hingegen kümmern, auf welche Art und Weise die Kassen jeden Monat an ihr Geld kommen. Die Wahrscheinlichkeit ist sogar ziemlich groß, dass dieses Thema in ihrem Leben keine Rolle spielt. Es ist wie beim Straßenverkehr: Um ein Auto zu fahren, muss einen nicht unbedingt interessieren, wie der Sprit in den Vergaser kommt.

    (Weiterlesen)


  2. Kippen Sie die Kopfpauschale! Unterzeichnen Sie unseren Aufruf für eine gerechte und solidarische Gesundheitsversorgung! Er wird an Gesundheitsminister Philipp Rösler, Finanzminister Wolfgang Schäuble und den CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer verschickt.

    Die Pläne der Bundesregierung zur Gesundheitsreform untergraben die Solidarität im Gesundheitswesen. Ihre Umsetzung wird auf dem Rücken von Patient/innen, Geringverdienenden und sozial Benachteiligten ausgetragen.

    (Weiterlesen und Aufruf unterstützen)


Anmerkung: Ein sehr, sehr schwacher Kommentar der Süddeutschen. Mit keinem Wort erwähnt der Autor die Ungerechtigkeit einer solchen Pauschale, die nichts anderes darstellt als eine weitere massive Umverteilung von unten nach oben. Der Autor stellt auch nicht die wichtigen Fragen, wie z.B., weshalb die Gesundheitskosten überhaupt so massiv gestiegen sind und weiterhin steigen - die Pharmaindustrie mit ihren Fake-Innovationen und Fantasiepreisen für Medikamente kommt in seinem Text nicht vor. Statt dessen befindet er, dass "die Deutschen" zu oft zum Arzt gingen. Was für ein schreckliches Menschenbild muss hinter einer solchen Meinung stehen! Wieso muss es überhaupt so viele Krankenkassen (und damit auch so viele Vorstandsgehälter etc.) geben? Eine staatliche Kasse für alle wäre wesentlich kostengünstiger und effektiver. Verschiedene gesetzliche Kassen und noch private Krankenversicherungen dazu, die allesamt einzig an ihrem Profit interessiert sind und das solidarische Prinzip ad absurdum führen, braucht die Bevölkerung nicht. Daran haben nur diejenigen Interesse, die damit viel Geld verdienen wollen - wie immer auf Kosten des Großteils der Bevölkerung.

Dem Aufruf von Campact sollten alle Menschen folgen, die diese drohende soziale Katastrophe nicht einfach so hinnehmen wollen.