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(King Crimson: "Moonchild", aus dem Album "In the Court of the Crimson King", 1969)
Call her moonchild,
Dancing in the shallows of a river.
Lonely moonchild,
Dreaming in the shadows of the willow.
Talking to the trees of the cobweb strange,
Sleeping on the steps of a fountain.
Waving silver wands to the night-bird's song,
Waiting for the sun on the mountain.
She's a moonchild,
Gathering the flowers in a garden.
Lovely moonchild,
Drifting in the echoes of the hours.
Sailing on the wind in a milk-white gown,
Dropping circle stones on a sun dial.
Playing "Hide and Seek" with the ghosts of dawn,
Waiting for a smile from a sunchild.
Anmerkung: Dieses kleine, bemerkenswerte Liedchen der Musiker um Robert Fripp (das hier arg verkürzt wiedergegeben wird, denn der Großteil des über zwölfminütigen Songs besteht aus instrumentalen, experimentell-atonalen Passagen), ist schon allein aufgrund des herausragenden Textes aus der Feder des Lyrikers Peter Sinfield, der in den Anfangsjahren der wegweisenden Band deren "Hauslyriker" war, erwähnenswert. Ich jedenfalls gerate beim Lesen und Hören immer wieder in einen tranceartigen Zustand, der mich das Übel der Jetztzeit vergessen lässt. Ob das nun ein wünschenswerter Effekt oder eher ein böser Fehler ist, sei einmal dahingestellt - Menschen sind nunmal keine Maschinen. Und solange ich danach immer wieder den Weg zurück in die finstere Realität finde - anders als die bedauernswerte Figur auf dem Cover, die wohl unsere Gesellschaft darstellt -, seien solche Ausflüge doch mehr als gestattet.
Was wollen wir tun, solange wir noch da sind,
wollen wir solange einen Hasen füttern,
wollen wir einen Orkan beschwichtigen,
wollen wir uns zum Überfluss
einen Prospekt des Jenseits kommen lassen?
Kommt, wir wollen uns die Zeit vertreiben,
Blüten stampfen, Raben schlachten,
kommt, wir wollen einen Wettlauf machen!
Wer als erster jenseits seines Namens
hinter Meer und Nebelküsten steht,
soll zum Ansporn unsrer Eile rufen:
Seht, wie die Elefanten vom Gebirge stürzen!
Seht, wie die Engel Taschentücher schwenken
zum Zeichen, dass die Paradiese leer sind!
Seht doch, wie der Neumond fliegen lernt.
(Christoph Meckel [* 1935], in "Nebelhörner. Gedichte", 1959)
Anmerkung: Meckels Gedichte üben schon seit vielen Jahren auf mich eine ungeheure Faszination aus - sie sind fast immer politisch, ohne dass dies immer auf den ersten Blick erkennbar ist. In den Texten aus diesem sehr frühen Band, den Meckel im zarten Alter von 24 Jahren veröffentlicht und die er folglich noch früher geschrieben hat, ist das freilich noch anders: Hier bricht sich das Politische mit Wucht seine Bahn und springt dem Leser direkt ins Gesicht; man spürt förmlich den Zorn des Autors sowie seine bleierne Ohnmacht angesichts der Lächerlichkeit und des Irrsinns unserer wettbewerbsbezogenen Welt und der religiösen, sich in wirren, realitätsfernen, gar jenseitigen Sphären verlierenden Ablenkungen, die nur noch in der zynisch-absurden Überspitzung ihren sprachlichen Ausdruck findet. Das ist die Art von Lyrik, die auch unsere heutige widerliche Zeit, die dem Jahr 1959 an Widerwärtigkeit, Menschenverachtung und Lebensfeindlichkeit ja um kosmische Längen voraus ist, so dringend nötig hätte, die ich aber nirgends entdecken kann.
Ein anderes Gedicht ("Hymne") aus demselben Band lässt der Autor so enden:
"Ich lebe in einem Land, das verliebt ist in den Tod,
ein Tränenkrug ist sein Wappen und Souvenir,
ein Blutegel sein Maskott, seine Fahnen Vogelscheuchen,
der tausendste Enkel meiner Hoffnung kam um.
Der letzte Schild meiner Zuversicht ist zerborsten."
Dem kann und will ich nichts weiter hinzufügen.
(...) In [München-] Haidhausen, einem teuren, schwungvoll durchgentrifizierten Stadtviertel, ist nämlich gebaut worden, allerdings nicht für Klempner, Krankenschwestern und andere Stützen der Gesellschaft, sondern für Geländewagenfahrer, deren Funktionsbekleidung nicht von Jack Wolfskin, sondern Moncler stammt, mehrgeschossige, blassgelbe, sanft altbauzitierende Wohnstätten für den solventen Kunden, der für einen Platz in der Kita nebenan, in der man unter sich ist, ohne weiteres 600 Euro im Monat ausgeben kann. (...)
Die Verächter kontrollierter, gedeckelter Mietpreise (in der FAZ und anderswo) sagen, derlei sei ein unzulässiger Eingriff in die freie Preisgestaltung als Kern der freien Marktwirtschaft, denn nichts indiziere Knappheiten so akkurat wie der Preis: Was knapp sei, sei teuer, und was teuer sei, lohne sich, also sei die Knappheit bald behoben, und zu solch akkurater Selbststeuerung sei eine Planwirtschaft nun einmal per se nicht in der Lage. Was am warmen Redaktionsschreibtisch völlig einleuchtend klingt, funktioniert aber nur so lange, wie es nicht mehrerlei Sorten Knappheit gibt, nämlich lukrative und nicht so lukrative, und unter der Voraussetzung, Wohnraum sei in einer Stadt wie München im Grundsatz knapp, hat ein Investor die Wahl: Er baut Wohnungen für Leute mit Geld oder für Leute ohne Geld, und man muss nicht BWL studiert haben, um die Entscheidung zu verstehen, die er in München-Haidhausen, der Hamburger Hafencity oder auf dem Areal, das durch Stuttgart 21 oberirdisch frei werden wird, getroffen hat.
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Anmerkung: Der Titanic-Gärtner macht hier am Beispiel der Stadt München deutlich, wie Kapitalismus funktioniert, wenn er, wie das rot-schwarz-gelb-grüne Regime in Berlin das seit Jahrzehnten handhabt, auf alle Bereiche einschließlich der existentiellen Daseinsfürsorge wie Krankenversicherung, Kranken- und Altenpflege, die Energie- oder Wasserversorgung oder eben auch das schlichte Wohnen ausgedehnt wird.
Im privatwirtschaftlichen Sektor ist Kapitalismus schon klar und deutlich als destruktives Element erkennbar - in diesen existenziellen Bereichen aber wird sofort und unmittelbar das Faschistische, Sektiererische und Asoziale dieses Systems sichtbar, das kein Mensch auf diesem Planeten - sofern er nicht zur selbsternannten "Elite" gehört und dies in faschistischer Manier genießt - gutheißen kann. Die "Privatisierung" - die ja nichts anderes ist als eine Übertragung der jeweiligen Rechte, (minimierten) Pflichten und (maximierten) Gewinne auf superreiche Einzelpersonen anstelle des Staates - sorgt für durchgentrifizierte Großstädte, in denen Zwangsverarmte nur noch in bestimmten Ghettos bezahlbaren Wohnraum finden, für Mehrklassenmedizin, für klassenorientierte Seniorenheime, in denen wenige Alte fürstlich und die Mehrheit mehr als karg lebt, für "Exzellenzuniversitäten und -schulen", an denen wenige Vermögende ihren Nachwuchs für das Leben im überquellenden Luxus vorbereiten lassen können, und so vieles Idiotische mehr.
Trotzdem singen alle Marionetten, von Merkel bis Gabriel und weit darüber hinaus, weiter das heilige Hohelied von der "Privatisierung" - und arbeiten unentwegt daran, auch noch die letzten verbliebenen staatlichen Strukturen an Superreiche zu verschenken, die damit zukünftig noch mehr Schindluder treiben können, um den persönlichen Profit in noch absurdere Sphären zu steigern.
Der Begriff "privat" in diesem Zusammenhang verschleiert mehr, als er offenbart - denn mit diesem Begriff sind natürlich nie die BürgerInnen eines Landes gemeint, sondern stets nur die wenigen Superreichen, die von irgendwelchen "Privatisierungen" profitieren sollen. Letzten Endes geht es dabei schlichtweg nur um Konzerne - es ist ja kein Zufall, dass beispielsweise nach der "Privatisierung" so vieler Kliniken in Deutschland inzwischen alle "privaten" Kliniken Konzernen gehören - zwei Konzerne sind es heute, wenn ich richtig informiert bin. Und Konzerne gehören sehr wenigen Superreichen.
Im Bereich der Wohnungen ist das freilich nicht anders - es gehört eigentlich gar kein besonderer Intellekt dazu zu bemerken, dass das neoliberale Märchen von der "Privatisierung" nicht stimmen kann, wenn man sich vor Augen führt, dass dabei stets der Profit Dritter im Vordergrund steht, der alles andere dominiert - wie sollte also beispielsweise ein Krankenhaus "effizienter" funktionieren, wenn nicht mehr das Wohl der Menschen, die es besuchen müssen, sondern der Profit eines unsichtbaren Dritten der Maßstab aller Dinge ist? Im ersteren Fall kann das Krankenhaus ohne Verlust, aber auch ohne Gewinn wunderbar funktionieren - im zweiteren Fall wäre das Ausbleiben von Gewinnen ein Grund für den Konkurs und dramatisch-hysterische mediale Reaktionen.
Wir befinden uns in einem wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, medialen und sozialen Irrenhaus, in dem die verrücktesten Schlips-Borg von allen das alleinige Sagen haben. Und der Rest der Irren wählt diese Bekloppten wie von Sinnen immer wieder an die Macht.
Und derweil lassen es sich die Superreichen - wie immer - gut gehen und genießen ihr Luxusleben an den schönsten Orten dieses Planeten - während "privatisierte" Kliniken, Wohnungen, Energiekonzerne etc. über Nacht und natürlich ohne ihr Zutun stetig weitere Reichtümer in ihre Geldspeicher spülen. Früher gab es Könige und den Adel - heute gibt es Superreiche. Der Unterschied liegt einzig im sprachlichen Bereich. Wir befinden uns nach wie vor im tiefsten und finstersten, sumpfigen Mittelalter der Zivilisation.
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Die große Umwälzung
"Weißt, Ferdl, jetzt is's doch viel schöner als früher. Heut' is' wurscht, ob ich einen Vater hab' oder net, und ob Du ein Baron bist oder net. Jetzt gibt's bloß noch ein' Unterschied: Ob einer Geld hat oder net."
(Zeichnung von Otto Ottler [1891-1965], in "Simplicissimus", Heft 20 vom 12.08.1919)