Samstag, 3. Dezember 2016

Song des Tages: When the World Explodes




(In Flames feat. Emilia Feldt: "When the World Explodes", aus der DVD "Sounds from the Heart of Gothenburg", 2016; Original aus dem Album "Siren Charms", 2014)

I'm right here,
When the world explodes,
Try to remember these words,
When the world explodes!

In the darkest of nights,
You are my endless fire inside,
Across the waters and back to shore,
There's space in time, you guide me.

Afraid there's not much time,
Life's a matter of moments,
Face the truth that I cannot run,
I've always known.

So if I never get to say this to you,
You should still know, dry your eyes,
Find a stream that leads toward the water of the divine,
Come lay with me.

Face the truth that I cannot run,
I've always known.

So if I never get to say this to you,
You should still know, dry your eyes,
Find a stream that leads toward the water of the divine,
Come lay with me.



Anmerkung: Auch eine professionelle Opernsängerin hat zuweilen ein Faible für Metal - und ein Gespür für die untergehende Zeit.

Donnerstag, 1. Dezember 2016

Buchempfehlung: Die Flamme erlischt


Es ist wieder einmal an der Zeit, die Flucht in die literarische Welt anzutreten. Der amerikanische Autor George R.R. Martin, der heute einer Mehrheit vermutlich aufgrund der Verfilmung seines Fantasy-Epos' "Das Lied von Eis und Feuer" (TV-Titel: "Game of Thrones") bekannt ist, hat eine ganze Reihe von bemerkenswerten Science-Fiction-Romanen geschrieben, aus der ich heute einen herausgreifen möchte, der mich persönlich seit Jahrzehnten begeistert.

Ich zitiere aus dem Klappentext der deutschen Erstausgabe:

Worlorn, ein irrender Planet am Rande der Galaxis, über den sich bald die ewige Dunkelheit senken wird. Aber noch regt sich vereinzelt Leben in den bizarren, gigantischen Städten, die einst zum Ruhme der vierzehn Zivilisationen des Randes erbaut und dann aufgegeben wurden.

Eines Tages tauchen Männer von Hoch Kavalaan auf Worlorn auf. Sie führen ein fremdes Mädchen mit sich: Gwen Delvano, die ihren Körper keinem der Krieger verweigern darf. Weit entfernt von Worlorn besitzt Dirk t'Larien ein "Flüsterjuwel", in dem die Empfindungen seiner ersten großen Liebe gespeichert sind. So erreicht ihn der verzweifelte Hilferuf - jener Frau von Worlorn. Er begibt sich auf die Reise dorthin und ein Drama beginnt.

Eine Frau, die sich nicht entscheiden kann - ein Mann, der seine verlorene Liebe sucht - kavalaanische Krieger in ihrem furchtbaren Hass - erbarmungslose Ritualvorschriften und tödliche Duelle ... Dirk t'Larien muss flüchten: vor den gnadenlosen Jägern und vor seinen unerfüllten Träumen.

Wie so oft wird diese Kurzbeschreibung dem Buch in keiner Weise gerecht - auch wenn es sich hier tatsächlich "nur" um einen fantasievollen, äußerst melancholischen und fast schon lyrischen Roman im SF-Gewand handelt. Martin beherrscht wie kaum ein anderer die Kunst, scheinbar triviale Begebenheiten in eine überaus fesselnde Geschichte samt geradezu umwerfender Kulisse einzubinden. Die epische - um nicht zu sagen: "galaktische" - und freilich vergebliche Suche des Protagonisten nach seinen verlorenen Träumen spielt kunstvoll mit den literarischen Traditionen der Romantik (beispielsweise Eichendorff oder Novalis) und führt sie in perfekter Komposition mit der "neuen Sachlichkeit" der siebziger Jahre sowie der Science Fiction zusammen.

Ich habe das (in der Erstausgabe sehr klein und eng bedruckte) dreihundert Seiten starke Buch seinerzeit in einer einzigen Nacht durchgelesen und war danach noch tagelang gefangen in der einzigartigen, sehr melancholischen Atmosphäre dieser Geschichte - was gewiss nicht allein damit zu tun hatte, dass ich die ersten schmerzvollen Erfahrungen mit der "ersten Liebe" zu jener Zeit nur allzu gut kannte. Ich habe den Roman seitdem mehrfach wieder gelesen und noch immer genau dieselbe sehnsüchtig-bittere Faszination verspürt, die das geschilderte Szenario auf diesem langsam und unaufhaltsam ins ewige Dunkel des Alls driftenden Planeten in fast magischer Weise erzeugt. - Der Prolog beginnt mit den Worten:

Ein Einzelgänger war diese Welt, ein Wanderer ohne Ziel, von der Schöpfung ausgesetzt und im Stich gelassen. / Unzählige Jahrhunderte schon dauerte ihr Sturz, ein einsames, sinnloses Fallen durch den kalten, leeren Raum zwischen den Sonnen. Generationen von Sternen hatten sich in erhabenem Dahingleiten an ihrem trostlosen Himmel gezeigt. Nicht einem von ihnen gehörte sie an. Diese Welt war ganz und gar auf sich allein gestellt. In gewisser Weise war sie noch nicht einmal ein Teil der Galaxis; auf ihrem Sturzflug durchschnitt sie die galaktische Ebene wie ein Nagel, der durch einen runden, hölzernen Tisch getrieben wird. Sie gehörte nirgendwohin. / Und das Nirgendwo war zum Greifen nah.

Es mag jedem selbst überlassen bleiben, diese Passage - wie auch den gesamten Roman - als rein erzählende und beschreibende Geschichte zu begreifen oder sie metaphorisch zu deuten.



(George Raymond Richard Martin [*1948]: "Dying of the Light", 1977; dt. "Die Flamme erlischt", Knaur 1978)

Mittwoch, 30. November 2016

Der Arbeitsfetisch und der Untertan


Angesichts des bald anbrechenden "Luther-Jahres" ist es nur recht und billig, die Thesen des Herrn Reformators einer etwas näheren Betrachtung zu unterziehen. Der Kollege Flatter hat vor knapp vierzehn Tagen mit einem kurzen Text und einigen weiterführenden Links ein hübsches Fundament geschaffen, das ich zur Lektüre sehr empfehle, auch wenn ich nicht allen Schlussfolgerungen zustimmen kann.

Nun war sogar in der ansonsten streng kapitalistisch, "arbeitsfetischistisch" ausgerichteten Zeit ein kritischer Text von Patrick Spät zu diesem Thema zu lesen, der zudem sinnigerweise im Ressort "Karriere" erschienen ist. Vielleicht haben einige Praktikanten der dortigen Online-Redaktion doch so etwas wie einen schrägen Humor. Der Autor haut jedenfalls einige treffende Schienbeintritte heraus, die so gar nicht zum kapitalistischen Horrormärchen "Sozial ist, was Arbeit schafft" des Schlips-Borg-Kollektives passen. Er beginnt gleich mit den Worten:

"Der Mensch ist zur Arbeit geboren wie der Vogel zum Fliegen", predigte Martin Luther. Der Reformator wird als Freiheitskämpfer und Humanist gefeiert, doch abgesehen von seinem glühenden Antisemitismus war er auch ein glühender Arbeitsfanatiker. Ja, die Reformation befeuerte geradezu die moderne Lohnarbeit und den Kapitalismus. Denn "Müßiggang ist Sünde wider Gottes Gebot, der hier Arbeit befohlen hat", so Luther.

Das Stück ist leidlich informativ und für die Zeit geradezu revolutionär. Tatsächliche Religionskritik sucht man allerdings auch hier vergebens - darum geht es bei diesem Thema jedoch nicht in erster Linie. Die im letzten Absatz auftauchende, hirnzerkochende Passage: "Die Kirche und der Kapitalismus haben Jesus verraten. Der Protestantismus hat den Kapitalismus beflügelt und dabei die sozialrevolutionären Lehren Jesu entweder pervertiert oder schlichtweg verleugnet" kann man getrost ignorieren und nach der Lektüre trotzdem über mehr Informationen verfügen als zuvor.

Es wäre dringend an der Zeit, über die bösen Geißeln der Lohnarbeit, des pervertierten Privateigentums (insbesondere den Land- und Produktionsmittelbesitz sowie den absurden Superreichtum) und des widerwärtigen Untertanengeistes der breiten Masse endlich wieder kritisch zu reden - aber leider ist diese "freiheitlich-demokratische" Gesellschaft weiter von diesem Ziel entfernt als jemals zuvor. Dies illustrieren nicht zuletzt viele der Kommentare unter jenem Text, die man sich besser schenken sollte, wenn man nicht gerade Lust auf schlechte Laune oder schlimmeres hat.

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Spießers Stoßgebet

Ab heute bin ich Demokrat,
Schenk deine Gnade mir!
Gib einen König unserm Staat
Und ein hochprozentig Bier!

O Herr, ich will zufrieden sein,
Hab ich nur Hof und Haus!
Lass keinen mehr nach Bayern rein
Und wirf sie alle raus!

Ich will stets brav sein und human,
Hab Butter ich und Speck -
Was andere am Volk getan,
Das schert mich einen Dreck!

O Herr und Gott, beschütze mich
Vor Hagel, Sturm und Brand
Und entnazifiziere mich
Fürs neue Vaterland!

Dann werde treu ich dienen dir,
Wie ich's für Hitler tat -
Im Königreich, beim bayrisch' Bier,
Als echter Demokrat!

(Th. Miegler: "Spießers Stoßgebet", in: "Der Simpl", Nr. 4 vom Mai 1946)

Montag, 28. November 2016

Für Frieden und Kapitalismus! Yeah!


Mein Lieblingssatiriker Stefan Gärtner hat mal wieder seine intellektuellen Muskeln spielen lassen und sich über einen Text einer gewissen Carolin Emcke aus der Süddeutschen ausgelassen, der an Dummheit und Bräsigkeit kaum mehr zu überbieten ist. Ich verlinke den Schmonzes aus Bayern nicht, da die Süddeutsche BenutzerInnen von Reklame-Blockern inzwischen konsequent aussperrt und sich somit selbst ins digitale Abseits begibt. Wer keine Lust hat, sich blinkende Desinformationen zu irgendwelchen Damenbinden, Klopapieren oder Dumpf-Phones anzusehen, während er sich auf der verzweifelten Suche nach den Resten des Journalismus' befindet, ist auf den Qualitätsseiten aus Bayern nicht mehr willkommen. So soll es sein!

Der Gärtner liest den Quatsch wohl nicht online, so dass er ihn auch nicht verlinken muss. Er schreibt - und ich feiere ihn einmal mehr für seine böse, süffisante Note:

Es ist ein schöner Beruf, den die Carolin Emcke da hat: In der Welt herumfahren, Bücher lesen und dann die richtigen Fragen nicht und die falschen Fragen so gymnasial stellen, dass der liberalen Kundschaft, die die Antworten auf gar keinen Fall wissen will (und von dramatischen Transformationen auch immer zuletzt betroffen ist), der Samstagsspaziergang nicht vergeht. Dass für derlei windelweiches Gemurkse kostbares Altpapier verbraucht wird: das muss – für Frieden und Kapitalismus! – die Freundschaft aushalten.

Es lohnt sich sehr, den Text in Gänze zu lesen - alldieweil der Autor ausgiebig aus dem reklamezensierten Text zitiert, so dass man gar nicht nach Bayern klicken muss, um sich die Haare zu raufen. Er hat gar nicht viel dazu geschrieben - seine kurzen Anmerkungen zwischen den Zitaten reichen aber völlig aus, um die Propagandapredigt der Kapitalismusfreundin Emcke in genau die lächerliche Kindergartenecke zu rücken, in die sie gehört.

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Der flammende Leitartikel



(Zeichnung von Thomas Theodor Heine [1867-1948], in "Simplicissimus", Heft 47 vom 16.02.1925)