Donnerstag, 27. Juni 2013

Song des Tages: Keine Lösung




(Goethes Erben: "Keine Lösung", aus dem Album "Das Sterben ist ästhetisch bunt", 1992/1998)

Es gibt keine Lösung, keinen Ausweg, keinen Sinn.
Wo liegt die Hoffnung?
Warum geboren - noch nicht tot?
Sieh das Korn! Es fällt.
Wo ist die Antwort auf die Frage?
Von wem gestellt?
Was folgt auf den Morgen?
Spiegelsplitter.
Niemand ist anwesend.
Die Einsamkeit hat sich verbissen.
Es gibt keine ... aber das kennen wir ja schon.
Der Mangel blutet.

ES GIBT KEINE LÖSUNG, KEINEN AUSWEG, KEINEN SINN.


Eine ausufernde Anmerkung spare ich mir angesichts dieser sich selbst erklärenden Musik wohl besser. Es gibt Momente in meinem Leben, in denen ich dem Sprecher Herrn Henke nichts zu entgegnen habe, sondern nur resignativ zu nicken vermag. Diese Momente dauern glücklicherweise aber nie allzu lange an. Bislang jedenfalls.

Ein wunderbarer Kontrapunkt zur konzerngesteuerten und scheinheiligen Retorten- und Wohlfühlmusik der Massenmedien ist diese Kunst aber allemal - außerdem stellt sie ein atmosphärisches Glanzlicht auf meinem persönlichen musikalischen Sampler für das "Narrenschiff" dar, wobei ich noch unschlüssig bin, ob es das erste oder doch eher das letzte Stück sein sollte: ein Spiegelbild des ewigen Kampfes zwischen der Hoffnung und der Resignation.

Tucholskys "Gruß nach vorn" und eine Antwort


Lieber Leser [in der fernen Zukunft] – !

Durch irgendeinen Zufall kramst du in der Bibliothek, findest die "Mona Lisa", stutzt und liest. Guten Tag. / Ich bin sehr befangen: du hast einen Anzug an, dessen Mode von meinem damaligen sehr absticht, auch dein Gehirn trägst du ganz anders ... Ich setze dreimal an: jedesmal mit einem andern Thema, man muss doch in Berührung kommen ... Jedesmal muss ich es wieder aufgeben – wir verstehen einander gar nicht. Ich bin wohl zu klein; meine Zeit steht mir bis zum Halse, kaum gucke ich mit dem Kopf ein bisschen über den Zeitpegel ... da, ich wusste es: du lächelst mich aus.

(Weiterlesen)

Anmerkung: Wer den kleinen Text "Gruß nach vorn" von Kurt Tucholsky aus dem Jahr 1926 noch nicht kennt oder ihn schon länger nicht mehr gelesen hat, sollte ihn sich vor der Antwort (noch) einmal zu Gemüte führen. Dazu scrollt Ihr die verlinkte Blättchen-Seite einfach nach unten - Tucholskys Original-Text ist unter der Antwort im Wortlaut wiedergegeben - oder klickt alternativ hier.

Ich finde diesen Antwort-Text ganz charmant - auch wenn es freilich nicht die erste Antwort ist, die jemand im Laufe der Jahrzehnte zu dem Text geschrieben hat. Einzig das gewollt schnodderige "Berlinerisch" geht mir ein wenig auf die Nerven, da es - obwohl Tucholsky selbst es gelegentlich auch benutzt hat - gerade zu diesem Text nicht so recht passen will. Aber darüber kann man hinweglesen.

Das ist kein "großer Wurf", aber ein nettes Stück politische Literatur - und außerdem ein willkommener Anlass, sich wieder einmal dem bemerkenswerten Tucholsky zuzuwenden. Sämtliche Werke dieses Schriftstellers und Journalisten sind heute gemeinfrei und im Netz kostenlos verfügbar.

Montag, 24. Juni 2013

Rückwärts immer, vorwärts nimmer


(Sofort alles lesen)

Anmerkung: Ich kann nicht umhin, auch heute wieder auf den Knien herumzurutschen und dem Gärtner für seinen sonntäglichen Text - diesmal zum Thema "Flutkatastrophe" bzw. der "Berichterstattung" der deutschen "Qualitätsmedien" darüber - quasi religiös zu danken. Ich sollte das in Zukunft einfach nicht mehr lesen, weil alles, was ich tue, mir dann stets irgendwie redundant erscheint. Das mag aus gewissen Sichtweisen sowieso zutreffend sein, aber ich kann mich bisher doch immer wieder getreu dem Element-of-Crime-Motto in trockene Tücher retten: "Doch alles kommt ins Reine mit etwas Selbstbetrug."

Gärtner formuliert hier exakt das, was ich während der zurückliegenden Wochen immer wieder - mal diffus, mal ganz klar - gedacht und gefühlt habe, wenn ich über die zumeist albernen Berichte oder gar Fernsehsendungen zu diesem Thema gestolpert bin. Eine solche Überschwemmung erfüllt offenbar genau denselben widerwärtigen medial-propagandistischen Zweck, der ansonsten irgendwelchen Sport- oder Schlagerveranstaltungen vorbehalten ist. Hauptsache, das "nationale Einheitsgefühl", das es de facto (und glücklicherweise) gar nicht gibt - wird gefüttert - so absurd das Szenario auch sein mag. Und niemand bringt das so treffend und anbetungswürdig auf den Punkt wie der Gärtner.

Einzig den Schlussatz hätte ich mir doch etwas schärfer gewünscht - das klingt fast so, als wäre da etwas, was ursprünglich wesentlich drastischer formuliert war, auf die Schnelle entschärft worden. Für mich ist die BRD des Jahres 2013 jedenfalls längst eine totalitäre, kapitalistische Quasi-Diktatur auf dem strammen Weg in den Faschismus, die mithilfe umfassender medialer und pseudowissenschaftlicher Propaganda das scheindemokratische Zerrbild einer "freiheitlich-demokratischen Grundordnung" eher schlecht als recht versucht aufrecht zu erhalten. Tatsächlich geschieht hier nichts Demokratisches, und über das Wort "Freiheit" können wir nicht erst seit Gauck, PRISM, Friedrich und den ungezählten Ungereimtheiten und Skandalen in Verbindung mit staatlichen Stellen wie der Polizei, den Geheimdiensten, der Justiz, den Nazis und selbstredend der Politik nur noch röchelnd lachen. Auch für jedes Hartz-Terror-Opfer, das sich unablässig mit den staatlichen Schergen der "Jobcenter" um das Existenzminimum, also um die Lebensberechtigung (sic!) in diesem furchtbaren Land, streiten darf, ist das Wort "Freiheit" längst zu einer absurden Farce mutiert, die nicht nur entfernt an finsterste braune Zeiten in diesem Land erinnert.

Und weil der Gärtner einer der ganz wenigen ist, der solcherlei Dinge immer wieder anspricht und den Finger in die nässende Wunde legt, vermache ich ihm die folgende Hymne von Herzen. Möge er Papst werden. Amen.