Donnerstag, 13. Oktober 2016

Das rechte Auge stark entzündet: Des "Spiegelfechters" triefende Nase


Der Spiegelfechter erklärt das Protestpotenzial des rassistischen Konsenses in der Mitte der Gesellschaft

Ein Gastbeitrag des Altautonomen

Die Ex-Grüne Antje Hermenau geht zum AfD-Stammtisch, AfD-Parteispitzen sind fast wöchentlich auf öffentlich-rechtlichen TV-Kanälen in einer Talkshow mit Gesellschaftsfähigkeitsbonus zu Gast, und als Krönung veröffentlichte die Zeit jüngst ein "Streitgespräch zwischen Sahra Wagenknecht und Frauke Petry".

Nachdem danach auch Lapuente vom Blog "Ad sinistram" als Gastautor beim Spiegelfechter mit überwältigender Zustimmung des Kommentariats sein Plädoyer dafür ablieferte, dass man mit Repräsentanten und Mitgliedern der AfD diskutieren müsse, um sie auf den linken Pfad zu begleiten, legte Jörg Wellbrock vor zwei Tagen nach und erklärte den rassistischen Pöbel in Dresden zu einem Phänomen des "berechtigten", weil sozialen Protestes, da dieser an die "richtigen Adressaten" gerichtet worden sei. Sein Kommentar mündet in dem Resümee:

Aber als Merkel & Co da waren, da traf es mal die Richtigen. Die nämlich, die sich jetzt moralisch aufspielen, aber maßgeblichen Anteil daran haben, dass es in vielen Ecken im Osten so trist ist, wie es ist.

Wellbrock fragt erstens nicht, warum der Protest gerade jetzt in Zeiten des Flüchtlingsthemas akut wird. Er weiß offensichtlich auch nicht, dass es dieselben Erscheinungen und Erklärungen von Hobbysoziologen bereits Anfang der 90er Jahre nach Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen gab. Der Kommentar unterstellt zweitens, dass es dem Pöbel primär um die soziale Ungleichheit in Ostdeutschland ginge, nicht um die Verteidigung bürgerlicher Privilegien und Vorteile gegenüber Einwanderern, und seien jene auch noch so arm und die Privilegien der Rassisten noch so marginal. Rassismus ist demnach ein Naturrecht der Deutschen, das auf die Tagesordnung gehört, wenn es ihnen dreckig geht.

Statt seiner geschichtsrevisionistischen Behauptung, die Ostdeutschen hätten den Fall der Mauer selbst hinbekommen, hätte er auch schreiben können: "Die Ostdeutschen wollen doch nur Bananen, Fitness-Studios und Videokaschemmen." Er geht außerdem weder auf die soziale Struktur, noch auf die Verteilung der Einkommensverhältnisse der Pöbler ein.

Daher noch einmal zu Protokoll: Harmlos mag es klingen, wenn gerufen wird: "Wir sind das Volk!" - Damit ist aber eine unvermeidliche Abgrenzung zum "Nichtvolk" verbunden. Gemeint sind damit unter anderem alle Flüchtlinge mit unterschiedlichstem Aufenthaltsstatus und willkürlicher Herkunft. Daran schließt sich die kollektive Behauptung an, dass die Politik in dieser Frage nebst ihren sozialen Auswirkungen (Wohnungen, Arbeitsplätze, Bildung, deutsche Sprache etc.) versagt habe. Das erinnert fatal an das allzu bekannte "Volk ohne Raum" mit der Pespektive auf den "Untergang des Abendlandes": Freies Fluten durch offene Grenzen. Diese anständigen Deutschen schaffen es gerade noch, der offensichtlichen Versuchung, das Problem gewaltsam "hinwegzufegen", zu widerstehen, weil ihnen von "oben" (noch) niemand die Legitimation dazu erteilt hat. Daher rührt das stillschweigende Verständnis in diesen Kreisen, wenn mal wieder eine Flüchtlingsunterkunft brennt.

Der völkische Konsens besteht jedoch nicht im Kampf um bessere materielle Lebensbedingungen gegen die herrschenden Eliten, sondern in der Akzeptanz veschiedener Umgehensweisen mit verschiedenen Menschengruppen, insbesondere Flüchtlingen. Diese reicht von der nicht ausreichend verschärften Asylpolitik bis hin zum Verständnis für das "kleine Pogrom mit Brandschaden".

Mit der (z.B. von Oskar Lafontaine) etwas differenzierter wieder aufgewärmten Parole "Die nehmen uns die Arbeitsplätze und Wohnungen weg" wird ein vermeintliches Privileg weißer Deutscher verteidigt, das automatisch mit dem Besitz eines deutschen Passes verbunden ist. Das ist aber falsch. Die mit der deutschen Staatsbürgerschaft verbundenen Vorteile eines Lebens in einem der reichsten Länder der Welt sind vielmehr weltmarktpolitisch, das heißt also grundlegend, festgelegt und nicht durch ein bis zwei Millionen Flüchtlinge in Gefahr zu bringen. Die kapitalistische Ausbeutung der Länder, aus denen die Flüchtlinge seit 20 Jahren kommen, ist seit 1945 größer als in der Kolonialzeit. Nichtdeutsche müssen zudem oft überteuerte und schlechtere Wohnungen akzeptieren und bekommen einen Arbeitsplatz erst dann, wenn es dafür keine deutsche Arbeitskraft gibt.

Wellbrock möge einmal darüber nachdenken, ob nicht Krauss-Maffei, Krupp, Siemens, Daimler, BMW, Bayer, RWE, Deutsche Bank, VW, ARD, ZDF und so weiter die richtigen Adressaten wären.

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Säuberung des deutschen Bodens


"Raus mit diesen faulen roten Rüben, die verpesten mir den ganzen Acker!"

(Zeichnung von Olaf Gulbransson [1873-1958], in "Simplicissimus", Heft 2 vom 09.04.1933. - Zu diesem Zeitpunkt hatte die NSDAP die Redaktion des Blattes selbstverständlich bereits übernommen.)

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Anmerkung von Charlie: Es zeugt von einem erheblichen Mangel an Realitätsbewusstsein, wenn Wellbrock allen Ernstes die austauschbaren Politmarionetten als die "richtigen" Ziele im Kampf gegen den kapitalistischen Terror benennt. Vermutlich glaubt er auch - wie eine demenzgeplagte Oma in der entlegensten katholischen Dorfkirche - daran, dass nur die "richtigen" [sic!] Parteien "an die Macht" gewählt werden müssten, um endlich das Paradies auf Erden - oder zumindest in der kleinen Enklave Deutschland, der Rest ist offenbar ja ohnehin egal - zu schaffen. So viel grenzdebile Naivität habe ich bisher nur bei Berger, Lapuente, Sasse, Müller et al. festgestellt.

Wellbrocks und Lapuentes schleimig-widerliches "Antanzen" an die rassistischen Dumpf-Pegidioten in Dresden und anderswo kommentiere ich hier lieber nicht, um nicht allzu ausfällig werden zu müssen. Mir fehlt jegliches Verständnis für einen solchen nationalistischen Bockmist, der direkt aus der Weimarer Endzeit zu stammen scheint.

Dienstag, 11. Oktober 2016

Die korrupte Bande


Das korrupte Pack verfolgt den Weg der persönlichen Bereicherung unbeirrt weiter. Vor einigen Tagen geisterten gleich zwei Meldungen durch die Untiefen der Systempresse, die gar nicht besser zueinander passen könnten und dort dennoch in keinen Zusammenhang gesetzt oder gar kritisch kommentiert wurden. Zunächst ist wieder einmal Gerhard Schröder (SPD) zu nennen, dem seine lebenslangen Bezüge als Ex-Abgeordneter, Ex-Ministerpräsident und Ex-Kanzler (unbekannte Höhe) sowie das bisherige Jahresgehalt von Gazprom (250.000 Euro) und seine zahlreichen weiteren "Nebeneinkünfte" (ebenfalls unbekannte Höhe) offensichtlich nicht reichen, um ein geruhsames Leben in Würde zu führen. Bei Zeit Online las ich (im Ressort "Wirtschaft"):

Gerhard Schröder leitet jetzt den Verwaltungsrat des Unternehmens Nord Stream 2 des russischen Energiekonzerns Gazprom. Seinen bisherigen Posten behält er offenbar auch. (...) / Die Höhe der Vergütung für Schröders neuen Posten ist bisher nicht bekannt. Als Aufsichtsratschef des ersten Nord-Stream-Konsortiums erhielt er 250.000 Euro im Jahr.

Der Hauptverantwortliche für den Hartz-Terror, der Millionen von Menschen in die Armut, Ausweglosigkeit und staatliche Drangsalierung geschickt hat und weiterhin permanent schickt, braucht nun also dringend einen "Zweitjob", um sich vielleicht noch eine dritte Villa oder - vielleicht für besondere Anlässe - ein siebtes Automobil leisten zu können. Mir kommt die kalte Kotze hoch, wenn ich mir diese madige Figur im Speck, welche die Zerstörung der Sozialsysteme in Deutschland in ganz neue, desaströse Dimensionen geführt hat, auch nur vorstelle.

Schröders "Genosse" und ehemaliger Exekutionskollege Peer Steinbrück steht dem korrupten Asozialen aber in nichts nach. Ebenfalls bei Zeit Online war am selben Tag (im Ressort "Politik") zu lesen:

Der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) geht nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag als Berater zur Direktbank ING-DiBa. "Ich werde ein Angebot der ING-DiBa annehmen, als Berater des Vorstandes", sagte Steinbrück im Gespräch mit der ZEIT. Dies passe auch durchaus zu seiner häufig geäußerten Kritik an der Praxis vieler Banken.

Über die Höhe seiner "Vergütung" schweigen Steinbrück und Zeit Online sich geflissentlich aus - dafür wird in diesem Artikel wie selbstverständlich kommuniziert, dass jene Tätigkeit selbstredend keine "Interessenkollision" darstelle und erst recht nichts - aber auch rein gar nichts! - mit Korruption zu tun habe. Ich mag mir gar nicht ausmalen, inwiefern dieser inkompetente Mensch den - wahrscheinlich gleichsam inkompetenten - Vorstand dieser Bank wohl "beraten" möchte. Wenn man den gesamten Artikel liest, fängt das Gehirn unweigerlich an zu schmerzen, obwohl das anatomisch unmöglich ist: Ausgerechnet Steinbrück, der große neoliberale Deregulierer bzw. Zerstörer, darf sich hier fromm und frei als "Banken-Kritiker" präsentieren, während er "Bankvorstands-Berater" wird. Man kann gar nicht so viel saufen, um sich so etwas auszudenken: da wäre selbst Kafka neidisch.

Selbstverständlich sind diese beiden widerlichen Eigennutzmehrer aus der verwesenden SPD nur zwei Beispiele für die längst gängige, parteiübergreifende Praxis der Politbande, sich die menschenfeindlichen, kapitalfreundlichen Aktivitäten während der Mandatszeit im Nachhinein von den profitierenden "Eliten" bezahlen zu lassen: Sie haben keine Hemmungen mehr und alle Masken fallen gelassen - auch wenn die Systempresse das "nicht sieht". - Rotten to the core.

Vielleicht sollte ich mich auch mal als "Berater des Vorstandes" bewerben, beispielsweise bei der Deutschen Bank: Meine allererste Handlung wäre eine Einladung zu einem Meeting im obersten Stock ihrer perversen Bankkathedrale in Frankfurt, verbunden mit der nachdrücklichen Aufforderung, alle Fenster einzuschlagen und beherzt ins Freie zu springen. Die Welt wäre unverzüglich ein etwas schönerer Ort. - Aber mich wollen die ja leider nicht als "Berater". Schade.

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Pfälzer Auslese
[gilt jedoch bundesweit]


"Einer der Herren Minister ist noch nicht vorbestraft. Ich hoffe, Sie sind trotzdem zuverlässig."

(Zeichnung von Erich Schilling [1885-1945], in "Simplicissimus", Heft 35 vom 26.11.1923)

Montag, 10. Oktober 2016

Zitat des Tages: Marschliedchen


Ihr und die Dummheit ziehn in Viererreihen
In die Kasernen der Vergangenheit.
Glaubt nicht, dass wir uns wundern, wenn ihr schreit,
Denn was ihr denkt und tut, das ist zum Schreien.

Ihr kommt daher und lasst die Seele kochen.
Die Seele kocht und die Vernunft erfriert.
Ihr liebt das Leben erst, wenn ihr marschiert,
Weil dann gesungen wird und nicht gesprochen.

Marschiert vor Prinzen, die erschüttert weinen:
Ihr findet doch nur als Parade statt!
Es heißt ja: Was man nicht im Kopfe hat,
Hat man gerechterweise in den Beinen.

Ihr liebt den Hass und wollt die Welt dran messen.
Ihr werft dem Tier im Menschen Futter hin,
Damit es wächst, das Tier tief in euch drin!
Das Tier im Menschen soll den Menschen fressen!

Ihr möchtet auf den Trümmern Rüben bauen
Und Kirchen und Kasernen wie noch nie.
Ihr sehnt euch heim zur alten Dynastie
Und möchtet Fideikommissbrot kauen.

Ihr wollt die Uhrenzeiger rückwärts drehen
Und glaubt, das ändere der Zeiten Lauf:
Dreht an der Uhr! Die Zeit hält niemand auf!
Nur eure Uhr wird nicht mehr richtig gehen.

Wie ihr's euch träumt, wird Deutschland nicht erwachen.
Denn ihr seid dumm und seid nicht auserwählt.
Die Zeit wird kommen, da man sich erzählt:
Mit diesen Leuten war kein Staat zu machen!

(Erich Kästner [1899-1974], in "Die Weltbühne" vom 02.07.1932; wiederveröffentlicht u.a. in "Zeitgenossen, haufenweise", Gedichte von Erich Kästner, hg. v. Harald Hartung und Nicola Brinkmann, Hanser 1998)



Anmerkung: Es dürfen sich hier nicht bloß AfD-, Pegida- und NPD-Schwachmaten sowie sonstige "besorgte Bürger" angesprochen fühlen. Die faschistische Arschlochgrenze verläuft heute längst wieder - wie zu Kästners Zeiten - in brauner, stinkender Tradition durch die "Mitte" der verkommenen, degenerierten und narkotisierten Gesellschaft.