Freitag, 21. Mai 2010

Über die Ursachen der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise: "Gangsterwirtschaft"

Der Zug der Medien-Lemminge ist groß; er produziert überwiegend wiedergekäuten Brei aus oberflächlichen, häufig sogar sachlich falschen Meldungen zu Themen, über die ohnehin alle berichten. Jürgen Roth aber tut unermüdlich das, was heute allenthalben fehlt: mehr mutigen und unabhängigen, investigativen Journalismus bräuchte das Land. Mit seinem neuen Buch "Gangsterwirtschaft" führt er nach seinen Berichten über die Mafia in allen ihren Erscheinungs- und Verbergungsformen das Thema fort und verfolgt die neueren Tentakel der Kraken. Das geschieht nicht theoretisch, sondern Roth berichtet über akribisch recherchierte und belegte Fälle – und reiht so einen spannenden "Krimi" an den anderen. (...)

Wer Jürgen Roths "Gangsterwirtschaft" gelesen hat, weiß, dass die kriminellen Strukturen in der Wirtschaft nicht über Nacht oder versehentlich entstanden sind. Er belegt, dass sie "gewachsen" sind und einer Kulmination und einer höheren Qualitätsstufe zustreben. Der Wirtschaftsfaschismus kommt ebenso wie der politische Faschismus nicht plötzlich und über Nacht – er kommt in leisen Schritten, auf vielerlei und manchmal verschlungenen Wegen, vorbei an den schlafenden (oder betäubten) Nachtwächtern der freiheitlichen Demokratien. Manchmal steht er als hölzernes Pferd vor den Toren der Stadt zurückgelassen und wird von den Bürgern begeistert auf den Marktplatz gezerrt und bejubelt. Manchmal wird er den unwissenden Gläubigen von ihren Hohepriestern als Gottes Werk verkündet und als neue Heilslehre in die Seele gepflanzt. Immer aber ist das Erwachen fürchterlich ... Jürgen Roth kommt der Verdienst zu, darauf sachlich fundiert und sehr kompetent hingewiesen zu haben.

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Anmerkung: Und als nächstes würde uns besonders ein Buch interessieren, das die Interessenverflechtungen zwischen diesem Wirtschaftsfaschismus, der überall zu spüren und zu sehen ist, und den politischen Akteuren offenlegt. Aber auch das würde - wie auch dieses in Rede stehende Buch - keine ernsthaften Konsequenzen haben, weil die Massenmedien es wie gewohnt totschweigen bzw. nach einer kleinen Weile einfach wieder zum Tagesgeschäft zurückkehren würden. Irgendwie haben wir das alles schon einmal erlebt.

Kleine Nachlese zur NRW-Landtagswahl

  1. Wahlfiasko für das bürgerliche [sic!] Lager

    Die wichtigste Botschaft der Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen lautet: Schwarz-Gelb hat keine politische Mehrheit mehr. Zwar haben die Wähler ein politisches Votum für NRW ausgestellt, aber es besteht kein Zweifel, dass auch die entsprechende politische Konstellation auf Bundesebene diesem Verdikt unterworfen wurde. Das Wahlergebnis ist auch dahingehend zu interpretieren, dass die WählerInnen das Gezänk in der Koalition der Kanzlerin Angela Merkel, vor allem die leidige Debatte um Steuersenkungen, abgestraft haben. Im Bundesrat wird die Konsensfindung erheblich schwieriger, wenn auch nicht unmöglich. Die strittigsten schwarz-gelben Projekte, die Steuersenkungen und die Kopfpauschale im Gesundheitswesen, dürften kaum mehr realisiert werden können.

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  2. Da kam richtig Freude auf bei Kraft. Hatte sie doch den Landesfürsten Rüttgers mit seinem beigeordneten Pinkwart vom Standbild der "Kompetenz" zum Auslaufmodell degradiert. Gewonnen trotz Stimmverlusten. Das kann sie gerade noch, die SPD, nämlich kurzfristig wieder oben schwimmen, weil andere absaufen. Das Wahlziel "18-Prozent-Partei" hat die SPD am 9. Mai unverdientermaßen überflügelt. Westerwelles bestenfalls noch neoliberaler rechtspopulistischer Verein selbsternannter Bessermenschen, alias "Leistungsträger" und Elite-BWLer, hingegen verfehlte das von Möllemann ererbte 18-Prozent-Ziel verdientermaßen.

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Anmerkung: Da haben die Autoren die Rechnung ohne die Wirte gemacht - oder waren schlicht zu naiv. Es war vorhersehbar, dass eine linke Regierung trotz bestehender Mehrheit nicht zustandekommen wird. Das liegt daran, dass weder die SPD, noch die Grünen dem "linken" Lager zugerechnet werden können - diese beiden Parteien haben ja seit spätestens 1998 immer wieder eindrucksvoll bewiesen, dass sie zwar gerne sozial oder auch ökologisch klingende Worte in den Mund nehmen, aber stets und konsequent diametral handeln. Momentan ist das Ergebnis noch offen, aber es sei an dieser Stelle eine Prognose gewagt: Es wird auf eine "große Koalition" hinauslaufen - die SPD wird sich einmal mehr zum Steigbügelhalter der CDU machen. Deutlicher könnte gerade diese Partei ihren Wählern nicht mehr ins Gesicht schlagen.

Bedenkenswert in diesem Zusammenhang ist auch dies: "Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen wählten ... 40,7 Prozent aller Wahlberechtigten gar nicht. ... 20,2 Prozent aller Wahlberechtigten die CDU. ... 20,2 Prozent aller Wahlberechtigten die SPD. ... 7,1 Prozent aller Wahlberechtigten die Grünen. ... 3,9 Prozent aller Wahlberechtigten die FDP. ... 3,3 Prozent aller Wahlberechtigten die LINKE. / Mit großem Abstand hat die Partei der Nichtwähler die Wahl für sich entscheiden können." (Quelle: Ad Sinistram). - Hier zeigt sich besonders deutlich, wie unsinnig ein Wahlboykott ist - sowohl Frau Kraft, als auch Herr Rüttgers freuen sich diebisch über jeden Bürger, der seine Stimme nicht abgibt oder ungültig macht.

Mittwoch, 19. Mai 2010

Zitat des Tages (31): Städter

Städter

Dicht wie Löcher eines Siebes stehn
Fenster beieinander, drängend fassen
Häuser sich so dicht an, dass die Straßen
grau geschwollen wie Gewürgte sehn.

Ineinander dicht hineingehakt
sitzen in den Trams die zwei Fassaden
Leute, ihre nahen Blicke baden
ineinander, ohne Scheu befragt.

Unsre Wände sind so dünn wie Haut,
dass ein jeder teilnimmt, wenn ich weine.
Unser Flüstern, Denken ... wird Gegröle ...

- Und wie still in dick verschlossner Höhle
ganz unangerührt und ungeschaut
steht ein jeder fern und fühlt: alleine.

(Alfred Wolfenstein [1888-1945]: Die gottlosen Jahre. Berlin 1914)


Folgen der Privatisierung (26): Der große Ausverkauf



















Hartz ist nicht gescheitert

Welcher regierende Politiker will eigentlich noch ernsthaft die Arbeitslosigkeit, dieses kapitalistische Grundübel, überwinden? Wer tut etwas, um den Menschen, die unverschuldet in Arbeitslosigkeit gefallen sind, wieder heraushelfen? Wer lässt sich über den einzigen Weg zur Vollbeschäftigung – eine Arbeitszeitverkürzung um mehrere Wochenstunden, nicht in kleinen Schritten, sondern schnellstens, entsprechend dem heutigen Stand der Produktivität – überhaupt auf eine Diskussion ein?

Liest man die zynischen Aussagen von Roland Koch, Guido Westerwelle und anderen, wird klar: Diese Politiker wollen nicht den Arbeitslosen helfen, ihnen geht es eher darum, wie sie die Arbeitslosen am besten ausnutzen können. Altenpflege, Kinderbetreuung, auch Schneeschippen – das alles sind ehrenwerte Arbeiten. Aber keiner will dafür zahlen. Westerwelle und Koch verlangen, dass diese Tätigkeiten ohne Bezahlung geleistet werden, quasi als Gegenleistung dafür, dass man die Arbeitslosen nicht verhungern und erfrieren lässt. Hier wird die menschenverachtende Einstellung dieser Politiker offenkundig.

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Anmerkung: Ein kleiner, aber wichtiger Artikel aus dem Ossietzky. Es ist ja offenkundig, dass die Hartz-Gesetze nicht dem Wohl der Bürger dienen sollten, sondern den Stattsfinanzen, dem Machterhalt und der Wirtschaft - nur leider berichten die deutschen Massenmedien darüber nicht. Den Menschen wird weiterhin unverfroren und penetrant die Mär von der "Arbeitsmarktreform" vorgesetzt, die "unausweichlich" gewesen und vor allem "erfolgreich" sei. Eine Lachnummer wäre das, wenn es nicht so schlimme Auswirkungen für Millionen von Menschen hätte. Um es noch einmal klar und deutlich zu formulieren: Die Hartz-Gesetze waren von Beginn an darauf ausgelegt, möglichst viele Menschen gezielt zu drangsalieren, zu schikanieren, einzuschüchtern und auszubeuten bis aufs Blut. Es sollte eine riesige "Reservearmee" für die Wirtschaft geschaffen werden, die sich allen auch noch so schamlosen Arbeitsbedingungen und Löhnen anzudienen hat. Außerdem sollten die Armen streng überwacht und zu "gläsernen Menschen" werden. Und nicht zuletzt sollten möglichst viele "Unnütze" (weil nicht Arbeitstaugliche) aus dem Leistungsbezug komplett herausgedrängt werden. Alle diese Ziele hat die neoliberale Bande erreicht - und deshalb ist sie auch so zufrieden damit und wird an dieser faschistoiden Ordnung nichts Grundsätzliches mehr ändern.

Es sei denn, sie wird dazu gezwungen - oder aus dem Land gejagt.

Deutschland muss demokratisch werden

Während die Bürgerinnen und Bürger derzeit mit immer mehr schlechten Nachrichten über den Zustand der EU-Finanzordnung und über den künftigen Wert des EU-Geldes überhäuft werden, ist ein auffälliger Mangel an Diskussion über die politischen Vorgänge zu beobachten. Das ist nicht gut; denn in der gegenwärtigen Krise zeigt sich nicht nur sehr wenig finanzwirtschaftlich Überzeugendes, sondern auch eine sehr fragwürdige politische Entwicklung, die man auf den Nenner "Missbrauch der Krise zur weiteren Aushöhlung der staatlichen Souveränität und zum weiteren Abbau der Demokratie" bringen kann.

Dieser Missbrauch zeigt sich unter anderem daran,

  • dass nun offen angekündigt wird, Staaten der EU unter die Kuratel von EU-Bürokratie und IWF stellen zu wollen;

  • dass das in einer Demokratie immer falsche Wort "alternativlos" (genau dieses Wort gebraucht die deutsche Kanzlerin Angela Merkel) in der deutschen Politik zur Rechtfertigung sehr fragwürdiger politischer Entscheidungen in den Mund genommen wird,

  • dass "Eilgesetze" mit nicht absehbaren Konsequenzen in kürzester Zeit durchgepeitscht werden, die an die Notverordnungen in der Endzeit der Weimarer Republik erinnern – vor allem im politischen Gehalt.


  • In der Tat sah Artikel 48 der Weimarer Reichsverfassung vor, dass der Reichspräsident, "wenn im Deutschen Reiche die öffentliche Sicherheit und Ordnung erheblich gestört oder gefährdet wird, die zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nötigen Maßnahmen treffen" konnte. (...)

    Es ist eine sehr ernstzunehmende Frage, ob das wiedervereinigte Deutschland nicht doch eine geschlossene Gesellschaft geworden ist. Hat sich nicht die tonangebende politische Klasse in Deutschland in Befolgung der neokonservativen Ideologie von einem "Ende der Geschichte" auf eine neosozialdarwinistische Form des Kapitalismus und eine zentralistisch orientierte, die Alleinherrschaft anstrebende, elitär denkende Parteienherrschaft festgelegt? Also eine Herrschaft der ganz Wenigen; denn weniger als 4 Prozent der erwachsenen Deutschen sind überhaupt Mitglied einer Partei.

    Versucht diese politische Klasse nicht, eine offene Gesellschaft zu verhindern? Eine Gesellschaft, die sich durch eine wirkliche Meinungs- und Diskussionsfreiheit auszeichnen würde, durch eine Gesellschaftsstruktur gleichberechtigter Bürgerinnen und Bürger, ohne die Herrschaft von Eliten, ohne Dogmen. Eine Gesellschaft, welche die kritischen Fähigkeiten des Menschen freisetzt, offen für Korrektur und Veränderung, offen für eine tatsächliche Absetzung der bislang Mächtigen. Ist diese deutsche politische Klasse deshalb nicht zutiefst undemokratisch?

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    Anmerkung: Eine treffende Analyse - wieder einmal aus der Schweiz. Gerade die offenkundigen Parallelen der gegenwärtigen Entwicklung mit der bekannten Geschichte der Weimarer Republik sollten doch gerade in den deutschen Medien für Dauerfeuer sorgen - doch die versammelte Journaille schweigt. Statt dessen wird in deutschen Medien beharrlich am Mythos vom "Volksvertreter" und von "bürgerlichen" oder gar "sozialdemokratischen" oder "liberalen" Parteien festgehalten, obwohl es offensichtlich ist, dass der Kaiser keine Kleider anhat.

    Wagenknecht erklärt im Bundestag das Handeln der neoliberalen Bande

    "Sie sind zu feige, sich mit den Wirtschaftsmächtigen anzulegen!"


    Deutsche Medien betreiben Griechen-Bashing

    Die Medien neigen aktuell zum Griechen-Bashing. Anstatt Solidarität und Verständnis zu zeigen, werden Hass und Neid geschürt. Differenzierte Beiträge zur Krise gehen unter. (...)

    Es ist kein gutes Bild, das die Medien zeichnen, weil es Neidreflexe bedient und Hass schürt. Angebracht wären hingegen Solidarität und Aufklärung. Natürlich gibt es Beiträge, die dies leisten. Beiträge, in denen erklärt wird, dass Deutschland den Griechen das Geld nicht schenkt, sondern es ihnen leiht – verzinst mit fünf Prozent. Beiträge die darauf hinweisen, dass Deutschland als Exportweltmeister davon profitiert hat, dass die Griechen deutsche Produkte gekauft haben – mehr, als sie sich eigentlich leisten konnten. Und Beiträge, die klarmachen, dass es eben nicht der "einfache Grieche" ist, der tatsächlich über seine Verhältnisse gelebt hat, sondern beispielsweise die Armee, die massiv aufgerüstet wurde. Insgesamt sind es eher die Eliten des Landes, die falsche Strukturen geschaffen haben, die für die aktuelle Krise verantwortlich sind. Aber diese Beiträge laufen viel zu selten.

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    Anmerkung: Natürlich geht auch dieser Kommentar an den Ursachen der ganzen Problematik vorbei - aber in diesen finsteren Zeiten der geballten Systemmedienmacht, die massenhaft grotesken Unfug verbreitet, ist man ja für einen verhaltenen Aufruf zur Solidarität schon dankbar.